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Die Erfindung betrifft ein Zusatzboriersystem für eine kerntechnische Reaktoranlage, insbesondere für einen Druckwasserreaktor, nach dem Oberbegriff des Anspruches 1. Weiterhin betrifft die Erfindung noch eine Reaktoranlage mit einem derartigen Zusatzboriersystem
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Es ist allgemein bekannt, dass bei Druckwasserreaktoren, zumindest im Einsatzgebiet Deutschland, die Reaktivität im Reaktorkern durch das Einfahren von Steuerelementen, herabgesetzt und beendet werden kann. Zusätzlich steht das betriebliche Boriersystem zur Verfügung, damit die Reaktivitätszunahme infolge der Temperaturabsenkung kompensiert werden kann. Ist dieses betriebliche Boriersystem ausgefallen, kann über verbundene Rohrleitungen zu den Flutbehältern oder Flutbecken boriertes Kühlwasser über das Volumenregelsystem in den Primärkeis eingespeist werden.
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Im Falle einer Störung wie beispielsweise einem Dampferzeuger-Heizrohrleck oder einem Ausfall der Steuerelemente-ATWS, wobei ATWS (Anticipated Transient without Scram) als die englische und auch offizielle Bezeichnung für einen Kernkraftwerks-Unfall mit Versagen der Schnellabschaltung gebräuchlich ist, steht ein zusätzliches Boriersystem mit hoch boriertem Kühlwasser von 7000 ppm Bor-10 zur Verfügung. Ein derartiges Boriersystem ist beispielsweise aus der
EP 0736214 bekannt.
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Bei Druckwasserreaktoren der Konvoi-Baureihe ist das zusätzliche Boriersystem als 4 vier mal 50% System ausgelegt. Es ist viersträngig ausgebildet, wobei jeder Strang einer Primärkreisschleife oder einem Primärkreisloop zugeordnet ist und einen Zusatzborierbehälter, eine Pumpe, Armaturen sowie verbindende Rohrleitungen, die erforderliche Stromversorgung und Einrichtungen der Leittechnik aufweist und umfasst.
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Bei älteren Druckwasserreaktoren kann ein bestimmtes Volumen von hochboriertem Kühlwasser von 7000 ppm Bor-10 über das betriebliche Boriersystem und den Pumpen des Volumenregelsystems in den Primärkreis eingespeist werden. Das betriebliche Boriersystem ist zweisträngig und vermascht, das heißt das borierte Kühlwasser gelangt über eine gemeinsame Sammelleitung zum Einspeisesystem des Volumenregelsystems.
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Bei der Konzeption der Druckwasserreaktoren sind zur Kühlmittelergänzung bei Kühlmittelverluststörfällen, wenn im Primärkreis ein Leck auftritt, neben dem Volumenregelsystem für sehr kleine Leckagen bis ca. 12 kg/s, auch das viersträngige 4 × 50% Kernnot- und Nachkühlsystem ausgelegt. In jedem Strang dieses Kernnot- und Nachkühlsystem können passive Druckspeicher ab einem Primärkreisdruck von weniger als 30 bar selbständig in den Primärkreis einspeisen. Für die aktive Einspeisung von boriertem Kühlwasser aus den Flutbehältern/Flutbecken stehen neben den Sicherheitseinspeisepumpen des Hochdruckeinspeisesystems auch die Nachkühlpumpen des Niederdruckeinspeisesystems zur Verfügung.
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Aufgrund zahlreicher Analysen aus Berechnungen mit verifizierten Programmen, wie beispielsweise RELAP und dergleichen, zu den Kühlmittelverluststörfällen sowie aus den experimentellen Ergebnissen an Untersuchungsmodellen (UPTS) ist gezeigt worden, dass diese Druckspeicher lediglich bei mittleren Kühlmitelverluststörfällen benötigt werden.
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Aufgrund der basissicheren beziehungsweise quasibasissicheren Ausführung der Primärkreise bei insbesondere Deutschen Druckwasserreaktoren wird das große Leck in Verbindung mit den Leckerkennungsmöglichkeiten nur noch für die Auslegung des Kernnot- und Nachkühlsystems berücksichtigt. Bei kleinen Kühlmittelverlusten werden die Druckspeicher gezielt von Hand zugefahren, um eine schnelle Druckabsenkung zu erreichen.
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Bei den sehr seltenen noch zu betrachtenden Störfällen, wie insbesondere Dampferzeuger-Heizrohrleck oder Ausfall der Steuerelemente-ATWS, werden zwar diese Druckspeicher nicht benötigt, jedoch ist zur Beherrschung besagter Störfälle ein zuverlässiges und effizientes Zusatzboriersystem erforderlich, welches mit vergleichsweise geringem Aufwand realisierbar sein sollte um ggf. auch eine Nachrüstung bereits bestehender Reaktoranlagen zu ermöglichen.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zu Grunde ein verbessertes Zusatzboriersystem anzugeben, welches durch eine optimierte Nutzung auch vorhandener Ressourcen eine effizientere Störfallbehandlung bei gleichzeitig vergleichsweise geringem technischen Realisierungsaufwand ermöglicht.
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Diese Aufgabe wird durch ein Zusatzboriersystem für eine kerntechnische Anlage mit den Merkmalen des Anspruch 1 gelöst. Eine Reaktoranlage mit einem solchen Zusatzboriersystem sowie vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung sind in weiteren Ansprüchen und der nachfolgenden Beschreibung angegeben.
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Das erfindungsgemäße Zusatzboriersystem für eine kerntechnische Reaktoranlage, insbesondere für einen Druckwasserreaktor, umfasst demnach ein zusätzliches Leitungssystem sowie wenigstens eine Zusatzborierpumpe, insbesondere eine Kolbenpumpe, zur Förderung des borierten Kühlmittels, wobei im Zusammenwirken mit im jeweiligen Kernnot- und Nachkühlsystems der kerntechnischen Anlage vorgesehenen wenigstens einen Druckspeicher und/oder wenigstens einen Flutbehälter und/oder Flutbecken, bei Bedarf oder bei einem Störfall eine Freisetzung und Nutzbarmachung beziehungsweise Nutzung der in diesen gelagerten oder vorgehaltenen borierten Kühlmittelvorräte mittels der zusätzlichen Rohrleitungen des Leitungssystems und der wenigstens einen Zusatzborierpumpe bewirkt oder bewirkbar ist.
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In einer vorteilhaften Ausführung ist das Leitungssystem derart ausgestaltet, dass das borierte Kühlmittel bei einem Störfall oder Bedarfsfall parallel zu den vorhandenen Einspeiseleitungen mittels zusätzlicher Rohrleitungen und/oder der wenigstens einen Zusatzborierpumpe, insbesondere zwei Zusatzborierpumpen; in den Primärkreislauf, insbesondere zwischen die ersten und zweiten Primärkreisabsperrarmaturen, des Kernnot- und Nachkühlsystems der Reaktoranlage einspeisbar ist oder eingespeist wird.
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In einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung ist das Leitungssystem des Zusatzboriersystems derart ausgestaltet, dass das borierte Kühlmittel über das zusätzliche Leitungssystem und separate Rohrleitungen sowie wenigstens eine weitere im Rohrleitungssystem vorgesehene Zusatzborierpumpe, insbesondere zwei Zusatzborierpumpen, in eine vorhandene Sprühleitung des Druckhalters einspeisbar ist oder eingespeist wird.
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Dabei ist weiterhin vorsehbar, dass zumindest zwei Stränge des Kernnot- und Nachkühlsystems genutzt sind, in welchen insbesondere Druckspeicher und/oder Flutbehälter und/oder Flutbecken vorgesehen und angeordnet sind.
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Auch ist vorsehbar, dass wenigstens eine Zusatzborierpumpe als Kolbenpumpe ausgebildet ist und/oder wenigstens eine Zusatzborierpumpe für eine Kapazität oder eine Pumpleistung von mehreren Litern/s, insbesondere 2 l/s oder 3 l/s, ausgelegt und eingerichtet ist.
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Auch kann zur Kapazitäts- und Effizienzsteigerung vorteilhaft vorgesehen sein, dass alle Druckspeicher und Flutbehälter und/oder Flutbecken aus allen Kernnot- und Nachkühlsträngen genutzt sind.
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Weiterbildend kann der Borgehalt des in den Druckspeichern und/oder Flutbehälter vorgehaltenen borierten Kühlmittels derart erhöht sein, insbesondere auf bis zu 4%, so dass bei einem Störfall und einer demgemäßen Einspeisung des borierten Kühlmittels mittels des Zusatzboriersystems innerhalb von 2 Stunden der Borgehalt im Primärkreis um wenigstens 600 ppm erhöhbar ist.
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Zudem wird eine Reaktoranlage mit einem Kern- und Nachkühlsystem mit vorbeschriebenem Zusatzboriersystem beansprucht.
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Anhand einiger Figuren sowie der diesbezüglich angegebenen Ausführungsbeispiele soll die Erfindung, ihre Vorteile sowie weitere Verbesserungen näher erläutert und weiter beschrieben und dargelegt werden.
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Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen des Erfindungsgegenstandes sind den abhängigen Ansprüchen zu entnehmen.
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Anhand den in den Zeichnungen angegebenen Ausführungsbeispielen sollen die Erfindung, ihre Vorteile sowie weitere Verbesserungen der Erfindung näher erläutert und beschrieben werden
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Es zeigen
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1 eine schematische Darstellung eines Kernnot- und Nachkühlsystems einer kerntechnischen Reaktoranlage mit einem Druckwasserreaktor sowie beispielhaft ausgestaltetem erfindungsgemäßen Zusatzboriersystem,
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2 eine schematische Teildarstellung des aus 1 bekannten Kernnot- und Nachkühlsystems mit beispielhaft ausgestaltetem erfindungsgemäßen Zusatzboriersystem mit Leitungen zur Zuspeisung des im Druckspeicher vorgehaltenen borierten Kühlmittels zwischen Primärkreisarmaturen des Primärkreises,
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3 eine schematische Teildarstellung des aus 1 bekannten Kernnot- und Nachkühlsystems mit beispielhaft ausgestaltetem erfindungsgemäßen Zusatzboriersystem mit Leitungen zur Zuspeisung des in Flutbehältern vorgehaltenen borierten Kühlmittels in die vorhandenen Sprühleitungen des Druckhalters des Reaktorkühlsystems.
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In 1 ist eine schematische Darstellung eines Kernnot- und Nachkühlsystems einer beispielhaften Reaktoranlage mit einem Druckwasserreaktor und einem erfindungsgemäß ausgebildeten und eingerichteten Zusatzboriersystem angegeben. Das beispielhaft ausgestaltete Zusatzboriersystem greift dabei auf im Wesentlichen bereits in der Reaktoranlage vorhandene beziehungsweise vorgesehene Komponenten wie insbesondere in zwei Strängen des Kernnot- und Nachkühlsystems des Druckwasserreaktors vorgesehene Druckspeicher 1 sowie Flutbehälter 2, 3 zu und wirkt mit diesen zusammen.
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Dies zu ermöglichen umfasst das Zusatzboriersystem weitere Rohrleitungen 4, 4a, 4b, 6, 6a, 6b zur flüssigkeitsleitenden Verbindung, insbesondere zur kühlmittelleitenden Verbindung, von Druckspeicher 1, Flutbehälter 2, 3 und Hochdruckbereich des Kernnot- und Nachkühlsystems 5. Weiterhin sind in den parallel zu den vorhandenen Einspeiseleitungen geführten separaten, weiteren Rohrleitungen 4, 4a, 4b, 6, 6a, 6b, wobei sich parallel nicht auf die räumliche Anordnung der Leitungen bezieht, zudem noch Zusatzborierpumpen 7, 8, 9, 10 zur schnellen und effizienten Förderung des Kühlmittels aus Druckspeicher 1 und Flutbehälter 2, 3 und Einspeisung desselben in den Primärkreis über den Hochdruckbereich des Kernnot- und Nachkühlsystems 5 bzw. in den Druckhalter 16 des Primärkreises vorgesehen.
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Eine erste Leitungsanordnung 4, 4a, 4b ist dabei derart zwischen Druckspeicher 1 und zwischen die ersten und zweiten Primärkreisabsperrarmaturen des Kernnot- und Nachkühlsystems der Reaktoranlage 5 ausgebildet, dass das borierte Kühlmittel aus dem Druckspeicher 1 über zunächst eine erste am Druckspeicher angeordnete und sich von diesem erstreckende Leitung 4, die sich im weiteren Verlauf in zwei weitere Leitungen 4a, 4b verzweigt und welche jeweils zwischen die ersten 14b, 15b (Erstabsperrungen) und zweiten 14a, 15a Primärkreisabsperrarmaturen des Hochdruckbereiches des Kernnot- und Nachkühlsystems 5 in diese einkoppeln beziehungsweise in diesen münden, in den Primärkreis eingespeist wird beziehungsweise einspeisbar ist. In jeder der beiden weiteren Leitungen 4a, 4b ist dabei wenigstens eine Zusatzborierpumpe 7, 8, insbesondere eine Kolbenpumpe, zur bedarfsgerechten Förderung des borierten Kühlmittels, insbesondere bei einem auftreten Störfall, aus dem Druckspeicher 1 und Einspeisung des Kühlmittels in den Hochdruckbereich des Kernnot- und Nachkühlsystems und über die Erstabsperrungen 14b, 15b in den Primärkreis vorgesehen.
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Zudem sind die in den Strängen des Kernnot- und Nachkühlsystems zwei Flutbehälter 2, 3 vorgesehen und im Rahmen des Zusatzboriersystems derart genutzt, eine zweite Leitungsanordnung 6, 6a, 6b vorgesehen ist, welche sich ausgehend von den Flutbehältern 2, 3 in zwei Leitungen 6a, 6b verzweigt beziehungsweise aufzweigt und in den Sprühleitungen 12a, 12b des Druckhalters 16 einkoppelt beziehungsweise in diesen mündet. in den beiden in die Sprühleitungen 12a, 12b mündenden Leitungen 6a, 6b ist jeweils eine Zusatzborierpumpe 9, 10 vorgesehen, mit welcher das borierte Kühlmittel über die zusätzlichen Rohrleitungen 6, 6a, 6b der zweiten Leitungsanordnung in die vorhandenen Sprühleitungen 12a, 12b des Druckhalters 16 des Reaktorkühlsystems einspeisbar ist beziehungsweise eingespeist wird.
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Auf diese Weise werden im Zusammenwirken mit bereits vorhandenen Druckspeichern 1 und Flutbehältern 2, 3 oder Flutbecken der jeweiligen Reaktoranlage, insbesondere eines Druckwasserreaktors, die in diesen gelagerten borierten Kühlmittelvorräte zur Störfallbehandlung effizient nutzbar gemacht und einsetzbar.
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In 2 ist ein Teilbereich des bereits aus 1 bekannten Kernnot- und Nachkühlsystems mit beispielhaft ausgestaltetem erfindungsgemäßen Zusatzboriersystem mit Leitungen 4, 4a, 4b zur Zuspeisung des im Druckspeicher 1 vorgehaltenen borierten Kühlmittels zwischen Primärkreisarmaturen 14a, 14b, 15a, 15b des Primärkreises gezeigt. Demgemäß wird bei einem auftretenden Störfall mittels einer ersten Leitungsanordnung 4, 4a, 4b mit einer zunächst weiteren ersten 4 sich in zwei weitere 4a, 4b verzweigende Rohrleitung sowie jeweils in den weiteren Leitungen 4a, 4b vorgesehenen Zusatzborierpumpen 7, 8, das borierte Kühlmittel aus dem Druckspeicher 1 bei einem Störfall zwischen die ersten 14b, 15b und zweiten 14a, 15a Primärkreisabsperrarmaturen des Hochdruckbereiches des Kernnot- und Nachkühlsystems 5 in den Primärkreis eingespeist.
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In 3 ist eine schematische Teildarstellung des aus 1 bekannten Kernnot- und Nachkühlsystems mit beispielhaft ausgestaltetem erfindungsgemäßen Zusatzboriersystem mit Leitungen 6, 6a, 6b zur Zuspeisung des in Flutbehältern 2, 3 vorgehaltenen borierten Kühlmittels in die vorhandenen Sprühleitungen 12a, 12b des Druckhalters 16 des Reaktorkühlsystems angegeben. Demgemäß wird bei einem auftretenden Störfall mittels einer zweiten Leitungsanordnung 6, 6a, 6b, mit einer von den Flutbehältern 2, 3 ausgehenden ersten 6 sich in zwei weitere Leitungen 6a, 6b verzweigende beziehungsweise aufzweigende sowie in den weiteren Rohrleitungen 6a, 6b vorgesehenen Zusatzborierpumpen 9, 10, insbesondere Kolbenpumpen, das borierte Kühlmittel über die zusätzlichen Rohrleitungen 6, 6a, 6b der zweiten Leitungsanordnung in die vorhandenen Sprühleitungen 12a, 12b des Druckhalters 16 in den Hochdruckbereich des Reaktorkühlsystems einspeisbar ist beziehungsweise eingespeist wird
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Die vorliegende Erfindung umfasst dabei auch beliebige Kombinationen bevorzugter Ausführungsformen sowie einzelner Ausgestaltungsmerkmale oder Weiterbildungen, sofern diese sich nicht gegenseitig ausschließen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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