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Die Erfindung betrifft ein Fahrerassistenzsystem eines nicht spurgebundenen Fahrzeugs, das durch stoßartiges Anlegen eines Lenkmoments an das Lenkrad des Fahrers eine Lenkempfehlung abgibt. Zum technischen Umfeld wird lediglich beispielshalber auf die
EP 1 777 143 B1 verwiesen, welche Autobahnassistent zum semiautonomen Fahren für ein Kraftfahrzeug mit einem Spurwechselassistenten, einer Vorrichtung zur Fahrspurerkennung, einer Navigationseinrichtung und einer automatischen Distanzregelung ADR offenbart, wobei das Fahrzeug ferner eine Vorrichtung zur aktiven Lenkunterstützung aufweist. Ein zusätzliches Lenkmoment vorgegebener Größe und Dauer wird bei Rechtsverkehr nach links und bei Linksverkehr nach rechts wirkend zur Erzeugung eines entsprechenden Lenkwinkels vorgegebener Größe auf die Lenkunterstützung aufgebracht, wenn der Autobahnassistent erkennt, dass innerhalb einer vorgegebenen Vorausschauweite die Wunschgeschwindigkeit des ADR durch ein vorausfahrendes Fahrzeug herabgesetzt werden müsste, eine weitere Fahrbahn sich bei Rechtsverkehr links und bei Linksverkehr rechts von der aktuellen Fahrbahn befindet und eine Lücke zum Fahrbahnwechsel auf die weitere Fahrbahn vorhanden ist.
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Aus der
EP 2 135 789 B1 ist eine Fahrzeug-Fahrsicherheitsvorrichtung offenbart, welche ein Objekterfassungsmittel zum Erfassen eines sich in der Umgebung eines Fahrzeugs befindlichen Objekts umfasst. Weiterhin umfasst die Fahrzeug-Fahrsicherheitsvorrichtung ein Bewegungszustanderfassungsmittel zum Erfassen eines Bewegungszustands des Fahrzeugs und ein Kontaktmöglichkeitsbestimmungsmittel zum Bestimmen einer Kontaktmöglichkeit mit dem erfassten Objekt basierend auf dem erfassten Bewegungszustand. Zudem umfasst die Fahrzeug-Fahrsicherheitsvorrichtung ein Kontaktvermeidungsunterstützungsmittel zum Erkennen eines Objekts als Hindernis, wenn bestimmt wird, dass es eine Kontaktmöglichkeit mit dem Objekt gibt, und zum Durchführen eines Kontaktvermeidungsunterstützungsbetriebs zur Unterstützung der Kontaktvermeidung mit dem erkannten Hindernis durch eine Warnung oder Fahrzeugsteuerung. Schließlich umfass die Fahrzeug-Fahrsicherheitsvorrichtung ein Lenkdrehmomentanlegemittel zum Anlegen eines vorbestimmten Lenkdrehmoments als die Warnung, sowie ein Fahrerlenkkraft-Änderungsbetragberechnungsmittel zum Berechnen eines Änderungsbetrags der Lenkkraft des Fahrers in einer Richtung, die einer Richtung des angelegten vorbestimmten Lenkdrehmoments entgegengesetzt ist, und das Kontaktvermeidungsunterstützungsmittel den Kontaktvermeidungsunterstützungsbetrieb anstelle des Anlegens des vorbestimmten Lenkdrehmoments durchführt. Die Fahrzeug-Fahrsicherheitsvorrichtung ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kontaktvermeidungsunterstützungsmittel den Kontaktvermeidungsunterstütungsbetrieb anstelle des Anlegens des vorbestimmten Lenkdrehmoments durchführt, wenn der berechnete Lenkkraftänderungsbetrag des Fahrers kleiner als ein gesetzter Wert ist. Ferner enthält hierbei die Vorrichtung ein Lenkwinkeländerungsbetragberechnungsmittel zum Berechnen eines Änderungsbetrags des Lenkwinkels eines Lenkrads relativ zum angelegten vorbestimmten Lenkdrehmoment, und das Kontaktvermeidungsunterstützungsmittel, welches den Kontaktvermeidungsunterstützungsbetrieb verstärkt, wenn der berechnete Lenkkraftänderungsbetrag des Fahrers kleiner als der gesetzte Wert ist und der berechnete Lenkwinkeländerungsbetrag des Lenkrads kleiner als ein zweiter gesetzter Wert ist.
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Weiterhin ist aus der
DE 10 2009 002 821 A1 Verfahren zur Betätigung eines Lenkaktors in einem Lenksystem eines Fahrzeugs offenbart, wobei das Lenksystem Lenkeinrichtungen zur Übertragung eines vom Fahrer vorgegebenen Lenkradwinkels in einen Radlenkwinkel an den lenkbaren Rädern des Fahrzeugs aufweist. Der Lenkaktor umfasst ein Überlagerungslenkgetriebe zur Erzeugung eines Überlagerungslenkwinkels, der dem Lenkradwinkel überlagerbar ist, und ist dadurch gekennzeichnet, dass durch Betätigung des Überlagerungslenkgetriebes ein Zusatzlenkmoment in der Lenkhandhabe erzeugt wird.
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Schließlich ist aus der
DE 10 2007 058 078 A1 Verfahren zum aktiven Halten einer Fahrspur eines Kraftfahrzeuges offenbart. Hierbei werden mittels mindestens einer Einrichtung zur Erfassung einer Fahrspur, mittels einer Auswerteeinheit zur Berechnung eines Zusatzlenkmomentes, um einem unerwünschten Verlassen der Fahrspur entgegenzuwirken, und mittels einer Stelleinrichtung zur Generierung des Zusatzlenkmomentes, die generierten Zusatzlenkmomente von Betrag und Gradienten begrenzt.
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Ein solches bekanntes Fahrerassistenzsystem kann dem Fahrer in bestimmten Fahrsituationen, so beispielsweise bei einer Autobahnfahrt im Falle eines zur Beibehaltung einer vom Fahrer vorgegebenen und von einem Geschwindigkeitsregelsystem geeignet geregelten Fahrgeschwindigkeit notwendigen Überholmanövers eine haptische Lenkempfehlung über das Lenkrad erteilen. Dazu wird von einem geeignet angesteuerten Motor ein gerichtetes Lenkmoment geeigneter Höhe an das Lenkrad des Fahrers angelegt, welches zu einer Änderung des bis dahin eingestellten Lenkradwinkels führen und schließlich einen durch den Fahrer gesteuerten Überholvorgang einleiten soll. Die Höhe des vom besagten Motor bzw. vom Fahrerassistenzsystem angelegten Lenkmomentes ist dabei üblicherweise so gewählt, dass der Fahrer stets in der Lage ist, dieses Lenkmoment zu übersteuern und den System-Wunsch zu überstimmen. Die Beaufschlagung des Lenkrads mit einem solchen eine Lenkempfehlung darstellenden Lenkmoment kann dabei auf unterschiedliche Weise erfolgen, so beispielsweise in Form eines Rechteckpulses vorgegebener Höhe und Zeitdauer oder in Form eines zunächst linear ansteigenden, dann kurz konstant gehaltenen und anschließend linear abfallenden Lenkmoments oder auch mit Hilfe einer zeitlich nichtlinearen Lenkmoment-Funktion, wobei alle diese und ähnliche Formen unter den eingangs (sowie im Oberbegriff des Anspruchs 1) verwendeten Begriff eines stoßartig angelegten Lenkmoments fallen sollen.
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Sind der Betrag, d.h. die Größe, und die Zeitdauer des eine Lenkempfehlung darstellenden Lenkmoments so gewählt, dass der Fahrer dieses haptische Signal in ausreichendem Maße wahrnimmt, so dämpft der Fahrer dann, wenn er sein Lenkrad mit den Händen ausreichend fest hält, den aus diesem Lenkmoment resultierenden kurzzeitigen Lenkimpuls des Fahrzeugs stark ab, so dass alleine durch das Assistenzsystem nahezu keine Abweichung des Fahrzeugs vom ursprünglichen Kurs erfolgen wird. Hält jedoch der Fahrer sein Lenkrad nur leicht, bspw. nur mit einer Hand fest oder hat der Fahrer seine Hände sogar vollständig vom Lenkrad entfernt (Hands-Off), so führt der vom Fahrerassistenzsystem aufgeschaltete und kaum gedämpfte Lenkimpuls trotz der relativen kurzen Zeitdauer zu einer Dreh-Beschleunigung des Lenkrads und einer damit einhergehenden kontinuierlich ansteigenden Abweichung des Fahrzeugs von seiner ursprünglichen Fahr-Trajektorie. Will in einem solchen Fall der Fahrer der Empfehlung des Fahrerassistenzsystems nicht folgen, so beispielsweise weil die Nachbar-Fahrspur, in die das Assistenzsystem zu wechseln empfiehlt, für den Fahrer nicht ausreichend frei ist, so verstreicht zumindest die Reaktionszeit des Fahrers, bis dieser den nicht gewollten Kurs des Fahrzeugs korrigieren kann.
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Eine Abhilfemaßnahme für diese geschilderte Problematik aufzuzeigen, ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung.
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Die Lösung dieser Aufgabe ist für ein Fahrerassistenzsystem nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 dadurch gekennzeichnet, dass zeitlich anschließend an das eine Lenkempfehlung darstellende Lenkmoment ein diesem entgegen gerichtetes und dieses im Wesentlichen neutralisierendes Lenkmoment von geringerem Betrag und entsprechend längerer Zeitdauer an das Lenkrad angelegt wird, wobei die entsprechend längere Zeit dadurch definiert ist, dass der Betrag des Integrals des eine Lenkempfehlung darstellenden Lenkmoments über dessen Wirkungsdauer im Wesentlichen gleich dem Betrag des Integrals des neutralisierenden Lenkmoments über dessen Wirkungsdauer ist.
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Um einerseits eine sichere Wahrnehmung des Lenkhinweises durch den Fahrer auch dann, wenn dieser das Lenkrad festhält, zu gewährleisten und um gleichzeitig im Falle, dass der Fahrer das Lenkrad nicht oder kaum festhält, keine signifikante End-Drehgeschwindigkeit des Lenkrads durch das stoßartige Anlegen eines Lenkmoments vom Fahrerassistenzsystem zu erhalten, wird quasi ein selbsttätiges Gegenmoment zur vorhergehend abgegebenen Lenkempfehlung vorgeschlagen, welches ebenfalls vom Fahrerassistenzsystem an das Lenkrad angelegt wird. Dieses Gegenmoment soll für den Fahrer am Lenkrad jedoch möglichst wenig oder zumindest nennenswert geringer spürbar sein als die vorhergehende Lenkempfehlung, weswegen der Betrag des der Lenkempfehlung entgegen gerichteten und diese quasi neutralisierenden Gegen-Lenkmoments geringer gewählt wird als der Betrag des die Lenkempfehlung darstellenden Lenkmoments. Es wird also im Anschluss an die eigentliche Lenkempfehlung mit einem maximalen Betrag von |LM1| ein entgegengesetzt gerichtetes sog. „neutralisierendes“ Lenkmoment von vorzugsweise deutlich kleinerem Betrag |LM2| (mit |LM2|« |LM1|) aufgeschaltet. Um dabei die Neutralität der Lenkrad-Drehgeschwindigkeit am Ende des vollständigen Eingriffs (bestehend aus der Lenkempfehlung und dem Gegenmoment) zu gewährleisten, wird vorgeschlagen, das betragsmäßig größere Moment der Lenkempfehlung für eine kürzere Zeitdauer (Δt1) und das betragsmäßig kleinere der Lenkempfehlung entgegen gerichtete Gegen-Lenkmoment für eine (entsprechend) längere Zeitdauer (Δt2) aufzuschalten. Diese längere Zeitdauer (Δt2) ergibt sich idealerweise aus der Forderung, dass das Integral des wirksamen Lenkmoments über dem Gesamtzeitraum (Δtges = Δt1 + Δt2) des vollständigen Eingriffs hinweg zumindest annähernd den Wert „Null“ annehmen sollte.
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In diesem Sinne kann also der Betrag des (mathematischen) Integrals des eine Lenkempfehlung darstellenden Lenkmoments über dessen Wirkungsdauer im Wesentlichen gleich dem Betrag des (mathematischen) Integrals des neutralisierenden Gegen-Lenkmoments über dessen Wirkungsdauer sein.
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Zwei Beispiele entsprechender zeitlicher Verläufe solcher Lenkmomente unter Verwendung obiger Bezeichnungen (LM1 = das eine Lenkempfehlung darstellende Lenkmoment; LM2 = das dieses LM1 im Wesentlichen neutralisierende Gegen-Lenkmoment) sind in den beigefügten Figuren (Bild 1.1, Bild 1.2) dargestellt; dabei sind die Zeitspannen, während derer die jeweiligen Momente vom Fahrerassistenzsystem an das Lenkrad angelegt werden wie im vorangegangenen Absatz (Δt1, Δt2) bezeichnet.
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Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass zur Erzielung der erfindungsgemäßen Wirkung keine vollständige (mathematische) Gleichheit der Beträge der Integrale des eine Lenkempfehlung darstellenden Lenkmoments und des neutralisierenden Gegen-Lenkmoments dargestellt werden muss. Vielmehr kann eine grobe Übereinstimmung ausreichend sein, da der Fahrer geringe Abweichungen auch nach Ablauf seiner Reaktionszeit einfach ausgleichen kann. Ferner sei darauf hingewiesen, dass das neutralisierende Gegen-Lenkmoment möglichst direkt im Anschluss an das eine Lenkempfehlung darstellende Lenkmoment an das Lenkrad angelegt werden sollte, so wie dies in den beiden Figuren dargestellt ist. Jedoch kann zwischen dem eine Lenkempfehlung darstellenden Lenkmoment (LM1) und dem neutralisierenden Gegen-Lenkmoment (LM2) durchaus für eine kurze Zeitspanne seitens des Fahrerassistenzsystems überhaupt kein Moment an das Lenkrad angelegt werden.
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Im übrigen können bei der Bestimmung der Beträge der jeweiligen Lenkmomente oder von deren Integralen Reibungseffekte im Lenksystem des Fahrzeugs geeignet berücksichtigt werden, soweit bekannt ist, dass ein kurzzeitigerer und größerer Lenkimpuls um ein gewisses Maß stärker durch Reibung gedämpft wird als ein geringfügig länger währender Lenkimpuls von geringerem Betrag.
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Die hier vorgeschlagene Maßnahme führt im Falle, dass das Lenkrad vom Fahrer nicht oder nahezu nicht festgehalten wird, im Anschluss an eine vom Assistenzsystem abgegebene Lenkempfehlung zu einer erheblich geringeren Auswirkung eines solchen Assistenz-Eingriffs auf die Fahr-Trajektorie, da das Lenkrad nach dem Eingriff dieselbe Geschwindigkeit besitzt wie vor dem Eingriff. Als Folge entspricht die Orientierung oder Ausrichtung des Fahrzeugs nach einem solchen erfindungsgemäßen Assistenz-Eingriff im Wesentlichen der Ausgangs-Orientierung vor diesem Eingriff. Vom Fahrer nicht erwartete Situationen können somit vermieden werden. Gleichzeitig werden bei festgehaltenem Lenkrad die Wahrnehmung des Lenkhinweises, sowie die Reaktion darauf durch den Fahrer aufgrund der vorgeschlagenen Maßnahme nicht nennenswert beeinträchtigt, insbesondere wenn das neutralisierende Lenkmoment betragsmäßig im Bereich der Wahrnehmungsgrenze liegt.