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Die Erfindung betrifft ein Fahrsystem zur zumindest automatisierten Querführung eines Kraftfahrzeugs mit einer Funktion zum automatischen Bilden einer Rettungsgasse, ein entsprechendes Verfahren und entsprechende Software.
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Aus dem Stand der Technik sind Fahrsysteme zur zumindest automatisierten Querführung eines Kraftfahrzeugs mit einer Rettungsgassen-Funktion bekannt, womit bei Vorliegen einer Rettungsgassensituation, z.B. wenn festgestellt wird, dass sich das Fahrzeug in einem Stau befindet, durch automatisierte Fahrzeugführung automatisch eine Rettungsgasse für Rettungsfahrzeuge gebildet wird. Das eigene Kraftfahrzeug wird dabei seitens des Fahrsystems zum Freimachen einer Rettungsgasse in seiner Spurlage versetzt und mit einem Versatz beispielsweise innerhalb der eigenen Fahrspur automatisiert quergeführt.
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Eine derartige Rettungsgassen-Funktion ist beispielsweise aus den deutschen Patentanmeldungen 10
2020 104 118 und
10 2020 103 753 bekannt.
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In Ländern im Geltungsbereich der UN ECE R79 darf aus gesetzlichen Gründen der Spurversatz nur bis maximal zur seitlichen Spurlinie erfolgen. Bei maximalem Versatz wird dann das Kraftfahrzeug mit seiner Außenseite unmittelbar an der Spurlinie geführt, ohne dass diese Außenseite des Kraftfahrzeugs diese Spurlinie überschreitet. Es kann jedoch ein weiterer seitlicher Versatz gegenüber dem maximalen Versatz zur Bildung einer Rettungsgasse sinnvoll sein, beispielsweise wenn voraus- oder hinterherfahrende Fahrzeuge einen größeren lateralen Versatz aufweisen.
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Es ist Aufgabe der Erfindung, diesen Nachteil bekannter Fahrsysteme mit einer Rettungsgassen-Funktion auszuräumen.
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Die Aufgabe wird durch die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben. Es wird darauf hingewiesen, dass zusätzliche Merkmale eines von einem unabhängigen Patentanspruch abhängigen Patentanspruchs ohne die Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs oder nur in Kombination mit einer Teilmenge der Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs eine eigene und von der Kombination sämtlicher Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs unabhängige Erfindung bilden können, die zum Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs, einer Teilungsanmeldung oder einer Nachanmeldung gemacht werden kann. Dies gilt in gleicher Weise für in der Beschreibung beschriebene technische Lehren, die eine von den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche unabhängige Erfindung bilden können.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Fahrsystem zur zumindest automatisierten Querführung (insbesondere zu automatisierten Quer- und Längsführung) eines Kraftfahrzeugs (insbesondere Personenkraftwagens), mit einer Funktion zum automatischen Bilden einer Rettungsgasse, welches eingerichtet ist, das Kraftfahrzeug zur Bildung einer Rettungsgasse automatisiert zumindest querzuführen, und zwar mit einem ersten Spurversatz zu einer ersten Spurseite (z.B. zur linken Spurseite) hin. Die Funktion zur Bildung einer Rettungsgasse kann Teil eines Spurführungsassistenten sein.
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Beispielsweise entspricht der erste Spurversatz einem maximalen Spurversatz, bei dem das Kraftfahrzeug mit der der ersten Spurseite zugewandten Außenseite im Wesentlichen unmittelbar an der Spurlinie der ersten Spurseite geführt wird, ohne dass diese Außenseite des Kraftfahrzeugs diese Spurlinie überschreitet.
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Das Fahrsystem ist eingerichtet, verschiedene nachfolgend beschriebene Tätigkeiten durchzuführen. Dies erfolgt typischerweise mittels einer elektronischen Steuereinheit, die auch über mehrere Steuergeräte verteilt sein kann. Die Steuereinheit kann einen oder mehrere Prozessoren umfassen, die über ein oder mehrere Software-Programme gesteuert in erfindungsgemäßer Weise arbeiten.
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Das erfindungsgemäße Fahrsystem kennzeichnet sich dadurch, dass dieses ein oder mehrere Indizien hinsichtlich eines Bedarfs für einen gegenüber dem ersten Spurversatz zusätzlichen Spurversatz ermittelt.
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Beispielsweise kann sich ein Indiz für einen Bedarf für einen zusätzlichen Bedarf anhand der Spurposition vorausfahrender oder hinterherfahrender Kraftfahrzeuge ergeben. Sofern vorhanden, kann beispielsweise die Spurposition eines vorausfahrenden Kraftfahrzeug oder die Spurposition eines vorausfahrenden und eines hinterherfahrenden Fahrzeugs ausgewertet werden.
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Hierzu kann dann Information betreffend die jeweilige laterale Position eines oder mehrerer vorausfahrender oder hinterherfahrender Fahrzeuge ausgewertet werden. Derartige Information kann mittels einer entsprechenden Umfeldsensorik, beispielsweise mittels einer Kamera-Sensorik, ermittelt werden. Beispielsweise kann hierzu die laterale Position des einen oder der mehreren vorausfahrenden oder hinterherfahrenden Fahrzeuge
- - mit der (mittels einer Umfeldsensorik ermittelten) lateralen Position der Spurmarkierung auf der ersten Spurseite oder
- - mit der lateralen Position des eigenen Kraftfahrzeugs in Relation gesetzt werden, insbesondere ein lateraler Versatz zwischen dem einen oder der mehreren vorausfahrenden oder hinterherfahrenden Fahrzeuge und
- - der Spurmarkierung auf ersten Spurseite oder
- - dem eigenen Kraftfahrzeug
bestimmt werden, beispielsweise ein jeweiliger lateraler Versatz der Außenseite des jeweiligen Fahrzeugs zur Spurmarkierung auf der ersten Spurseite.
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Bei der Berücksichtigung mehrerer vorausfahrender oder hinterherfahrender Kraftfahrzeuge kann beispielsweise ein lateraler Versatz für jedes dieser Fahrzeuge in der Umgebung ermittelt werden und dann ein Mittelwert (beispielsweise arithmetischer oder geometrischer Mittelwert) aus den einzelnen Werten des Versatzes ermittelt werden. Der Wert des mittleren lateralen Versatzes (oder bei Berücksichtigung nur eines einzigen Umgebungsfahrzeugs der Versatz dieses Fahrzeugs) kann dann beispielsweise als Indiz für den Bedarf eines weiteren Spurversatzes verwendet werden. Bei (in Richtung weg von der Fahrspur des eigenen Kraftfahrzeugs gesehen) steigendem lateralen Versatz des oder anderen Fahrzeuge kann angenommen werden, dass der Bedarf für einen weiteren Spurversatz für das eigene Fahrzeug steigt.
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Beispielsweise kann erst bei einem (insbesondere mittleren) lateralen Versatz (in Richtung weg von der Fahrspur des eigenen Kraftfahrzeugs gesehen) größer oder größer gleich als ein Schwellwert (z. B. 40 cm) die Übersteuerung der Lenkfunktion vereinfacht werden. Es kann ferner vorgesehen werden, dass bei dann weiter steigendendem Spurversatz die Übersteuerung der Lenkfunktion sukzessive weiter vereinfacht wird.
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Es können beispielsweise eines oder mehrere der folgenden Umgebungsfahrzeuge (sofern vorhanden) hierbei berücksichtigt werden:
- - das unmittelbar vorausfahrende Fahrzeug (Vorderfahrzeug),
- - das sich vor dem Vorderfahrzeug befindliche Fahrzeug,
- - das unmittelbar hinterherfahrenden Fahrzeug (Hinterfahrzeug),
- - das sich hinter dem Hinterfahrzeug befindliche Fahrzeug.
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Ein zusätzliches oder alternatives Indiz hinsichtlich des Bedarfs für den zusätzlichen Spurversatz kann sich auch anhand ermittelter Information betreffend ein fahrerseitiges Lenken in Richtung der ersten Spurseite, insbesondere Information über einen in Richtung der ersten Spurseite gerichteten fahrerseitig aufgebrachten Lenkmoment-Eintrag oder eine fahrerseitige Beeinflussung des Lenkwinkels in Richtung der ersten Spurseite ergeben. Wenn erkannt wird, dass der Fahrer in Richtung der ersten Spurseite lenkt, ergibt sich hieraus ein Indiz für einen Bedarf für einen zusätzlichen Spurversatz, wobei beispielsweise mit stärker werdendem fahrerseitigem Lenken (z. B. stärker werdendem Lenkmoment-Eintrag) der Bedarf für einen zusätzlichen Spurversatz zunimmt.
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Beispielsweise kann als Information für den Lenkmoment-Eintrag das fahrerseitig aufgebrachte Handmoment ermittelt werden (beispielsweise aus einem gemessenen Drehstabmoment und einem gemessenen Lenkwinkel), wobei der Wert des Handmoments dann ein Indiz für einen Bedarf für einen zusätzlichen Spurversatz darstellt. In Abhängigkeit des Handmomentwerts kann dann unter Berücksichtigung des Vorzeichens des Handmomentwerts das fahrerseitige, manuelle Übersteuern der automatisierten Querführung vereinfacht werden. Hierbei kann beispielsweise mit zunehmendem Betrag des in Richtung der ersten Spurseite wirkenden Handmomentwerts das manuelle Übersteuern der automatisierten Querführung zunehmend vereinfacht werden. Alternativ oder zusätzlich kann erst bei Erreichen oder Überschreiten eines Schwellwerts betreffend des Handmoments das manuelle Übersteuern der automatisierten Querführung vereinfacht werden, sofern das Handmoment in Richtung der ersten Spurseite wirkt. Vorstehende Aussagen können auch auf eine andere für den Lenkmoment-Eintrag des Fahrers charakteristische Größe übertragen werden.
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Beispielsweise kann erst bei einem fahrerseitigen Lenkmoment-Eintrag (in Richtung weg von der Fahrspur des eigenen Kraftfahrzeugs gesehen) größer oder größer gleich als ein Schwellwert die Übersteuerung der Lenkfunktion vereinfacht werden. Es kann ferner vorgesehen werden, dass bei dann weiter steigendendem Lenkmoment-Eintrag die Übersteuerung der Lenkfunktion sukzessive weiter vereinfacht wird.
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Zur Ermittlung einer fahrerseitigen Beeinflussung des Lenkwinkels kann beispielsweise der Lenkwinkel mit der Trajektorie der automatisierten Querführung abgeglichen werden.
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Ferner kann sich ein Indiz für einen Bedarf für einen zusätzlichen Spurversatz anhand der Blickrichtung des Fahrers ergeben, die mittels einer Innenraum-Kamera und geeigneter Bildverarbeitung bestimmbar ist.
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Vorzugsweise wird bei der Ermittlung der einzustellenden Vereinfachung der Übersteuerung der Einfluss mehrerer Indizien, beispielsweise der laterale Versatz der vorausfahrenden / hinterherfahrenden Fahrzeuge und der Lenkmoment-Eintrag des Fahrers, in Kombination berücksichtigt, so dass die Vereinfachung stärker ausfällt, wenn mehrere Indizien auf einen Bedarf für einen zusätzlichen Spurversatz hindeuten, als wenn nur eines dieser Indizien mit dem gleichen Wert auf einen Bedarf für einen zusätzlichen Spurversatz hindeutet.
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Das Fahrsystem ist eingerichtet, in Abhängigkeit der ermittelten ein oder mehreren Indizien hinsichtlich eines Bedarfs für den zusätzlichen Spurversatz ein (durch einen manuellen Lenkeingriff) manuelles Übersteuern der automatisierten Querführung für den Fahrer des Kraftfahrzeugs zu vereinfachen.
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Das erfindungsgemäße Fahrsystem bewirkt also bei Feststellung eines gewissen Bedarfs für einen zusätzlichen Spurversatz eine Vereinfachung des Übersteuerns der automatisierten Querführung, so dass der Fahrer einen zusätzlichen Spurversatz durch ein erleichtertes Übersteuern bewirken oder auslösen kann.
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Mit anderen Worten: Es erfolgt eine Vereinfachung des Übersteuerns der automatisierten Lenkfunktion bei Erkennen des Bedarfs eines weiteren Spurversatzes beim Bilden einer Rettungsgasse. Dann kann ein manueller weiterer Spurversatz mit weniger Kraftaufwand durch den Fahrer selbst durchgeführt werden, wobei die Rettungsgassen-Funktion weiterhin die vorstehend genannte gesetzliche Anforderung einhalten kann.
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Das Vereinfachen des manuellen Übersteuerns kann beispielsweise in der Reduzierung einer den manuellen Lenkeintrag betreffende Schwelle, insbesondere Lenkkraft- oder Lenkmomentenschwelle, bestehen, sofern eine solche Schwelle vorgesehen ist. Bei fahrerseitigen Überschreiten einer derartige den manuellen Lenkeintrag betreffende Schwelle durch den Lenkeintrag wird beispielsweise die automatisierte Querführung deaktiviert.
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Wenn beispielsweise ein auf das Lenkrad eingeprägtes Handmoment größer oder größer gleich als eine Momentenschwelle ist, wird die automatisierte Querführung vorzugsweise deaktiviert.
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Das Vereinfachen des manuellen Übersteuerns kann alternativ oder zusätzlich auch darin bestehen, dass die (aus Sicht des Fahrers bei einem manuellen Lenkeintrag fühlbare) Steifigkeit der automatisierten Querführung reduziert wird (d. h. die Nachgiebigkeit der automatisierten Querführung erhöht wird). Die Steifigkeit gibt also einen Kooperationsgrad zwischen der automatisierten Querführung und dem Fahrer an, d. h. wie leicht oder schwer der Fahrer die Assistenzfunktion überdrücken kann. Die Einstellung der Steifigkeit einer automatisierten Querführung ist beispielsweise in der Druckschrift
DE 10 2014 208 785 B4 beschrieben. Sofern die Steifigkeit der automatisierten Querführung reduziert wird, kann der Fahrer beispielsweise durch einen entsprechenden Lenkeintrag auf einfachere Weise einen zusätzlichen Querversatz einstellen, wobei die automatisierte Querführung die Querlage des Kraftfahrzeugs vorzugsweise weiterhin auf den ersten Spurversatz regelt (was jedoch aufgrund der geringen Steifigkeit für den Fahrer weniger störend ist).
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Es ist von Vorteil, wenn das Fahrsystem eingerichtet ist, eine Gefährdung des Kraftfahrzeugs für den Fall eines zusätzlichen Spurversatzes zu prüfen (z. B. wegen Randbebauung oder mangelnder Befahrbarkeit des Fahruntergrunds), insbesondere zu prüfen, ob ein zusätzlicher Spurversatz gefahrlos möglich. Das Vereinfachen des manuellen Übersteuerns der automatisierten Querführung ist dann von dieser Prüfung abhängig, wobei insbesondere bei Feststellen einer merklichen Gefährdung des Kraftfahrzeugs das Vereinfachen des manuellen Übersteuerns nicht zugelassen wird. Die Prüfung kann beispielsweise eine Gefährdung aufgrund seitlicher Hindernisse, beispielsweise Randbebauung, und/oder aufgrund mangelnder Befahrbarkeit des Untergrunds im Bereich des zusätzlichen Spurversatzes betreffen.
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Beispielsweise kann das Fahrsystem eingerichtet sein,
- - einen Bedarf für einen zusätzlichen Spurversatz, z.B. anhand der Spurposition vorausfahrender / hinterherfahrender Fahrzeug(e) und/oder anhand eines erkannte Lenkmoment-Eintrags des Fahrers am Lenkrad, zu erkennen,
- - zu prüfen, ob ein weiterer Spurversatz gefahrlos möglich ist (z.B. wegen Randbebauung),
- - bei erkanntem Bedarf (z. B. aufgrund der Spurposition der anderen Fahrzeug(e) und anhand eines erkannten fahrerseitigen Lenkmoment-Eintrags) und bei Bestätigung der Gefahrlosigkeit eine Entscheidung zur Vereinfachung des fahrerseitigen Übersteuerns zu treffen, beispielsweise die Kraft-Schwelle zum Übersteuern der Lenkfunktion zu übersteuern und/oder die Steifigkeit zu reduzieren, und
- - bei positiver Entscheidung das Übersteuern zu vereinfachen, beispielsweise die Kraft-Schwelle zum Übersteuern der Lenkfunktion abzusenken und/oder die Steifigkeit zu reduzieren.
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Vorzugsweise ist nach initialer Vereinfachung der Übersteuerung der automatisierten Querführung die Vereinfachung in Abhängigkeit der jeweiligen aktualisierten Parameterwerte der Indizien weiterhin angepasst wird.
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Es ist aber von Vorteil, wenn nach Einstellung einer Vereinfachung betreffend die Übersteuerung der automatisierten Querführung die resultierende Vereinfachung (z. B. eine verringerte Schwelle und/oder eine verringerte Steifigkeit) mittels einer Hysterese gehalten wird und/oder mit begrenzter Änderungsrate zurückgenommen wird, und nicht schlagartig zurückgenommen wird, wenn die der Einstellung der Vereinfachung zugrunde liegenden Parameter (z. B. Lenkmoment-Eintrag und/oder Versatz der Umgebungsfahrzeuge) sich wieder zurückändern.
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Ein zweiter Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum automatischen Bilden einer Rettungsgasse, mit dem Schritt:
- - zumindest automatisiertes Querführen des Kraftfahrzeug zur Bildung einer Rettungsgasse, und zwar mit einem ersten Spurversatz zu einer ersten Spurseite hin (vorzugsweise automatisierte Quer- und Längsführung).
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Das Verfahren ist gekennzeichnet durch die weiteren Schritte:
- - Ermitteln eines oder mehrerer Indizien hinsichtlich eines Bedarfs für einen gegenüber dem ersten Spurversatz zusätzlichen Spurversatz; und
- - Vereinfachen des manuellen Übersteuerns der automatisierten Querführung durch einen manuellen Lenkeingriff für den Fahrer des Kraftfahrzeugs in Abhängigkeit der ermittelten ein oder mehreren Indizien hinsichtlich eines Bedarfs für den zusätzlichen Spurversatz.
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Die vorstehenden Ausführungen zum erfindungsgemäßen Fahrsystem nach dem ersten Aspekt der Erfindung gelten in entsprechender Weise auch für das erfindungsgemäße Verfahren nach dem zweiten Aspekt der Erfindung. An dieser Stelle und in den Patentansprüchen nicht explizit beschriebene vorteilhafte Ausführungsbeispiele des erfindungsgemäßen Verfahrens entsprechen den vorstehend beschriebenen oder in den Patentansprüchen beschriebenen vorteilhaften Ausführungsbeispielen des erfindungsgemäßen Fahrsystems.
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Ein dritter Aspekt betrifft Software mit Programmcode zur Durchführung des Verfahrens nach dem zweiten Aspekt der Erfindung, wenn die Software auf einer oder mehreren softwaregesteuerten Einrichtungen, beispielsweise auf einem oder mehreren Fahrzeugsteuergerät, abläuft.
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Unter dem Begriff „automatisiertes Fahren“ kann im Rahmen des Dokuments ein Fahren mit automatisierter Längs- oder Querführung oder ein autonomes Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung verstanden werden. Bei dem automatisierten Fahren kann es sich beispielsweise um ein zeitlich längeres Fahren auf der Autobahn oder um ein zeitlich begrenztes Fahren im Rahmen des Einparkens oder Rangierens handeln. Der Begriff „automatisiertes Fahren“ umfasst ein automatisiertes Fahren mit einem beliebigen Automatisierungsgrad. Beispielhafte Automatisierungsgrade sind ein assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes oder vollautomatisiertes Fahren. Diese Automatisierungsgrade wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definiert (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012). Beim assistierten Fahren führt der Fahrer beispielsweise dauerhaft die Längsführung aus, während das System die Querführung in gewissen Grenzen übernimmt. Beim teilautomatisierten Fahren (TAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum und/oder in spezifischen Situationen, wobei der Fahrer das System wie beim assistierten Fahren dauerhaft überwachen muss. Beim hochautomatisierten Fahren (HAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum, ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss; der Fahrer muss aber in einer gewissen Zeit in der Lage sein, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Beim vollautomatisierten Fahren (VAF) kann das System für einen spezifischen Anwendungsfall das Fahren in allen Situationen automatisch bewältigen; für diesen Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr erforderlich. Die vorstehend genannten vier Automatisierungsgrade entsprechen den SAE-Level 1 bis 4 der Norm SAE J3016 (SAE - Society of Automotive Engineering). Beispielsweise entspricht das hochautomatisierte Fahren (HAF) Level 3 der Norm SAE J3016. Ferner ist in der SAE J3016 noch der SAE-Level 5 als höchster Automatisierungsgrad vorgesehen, der in der Definition der BASt nicht enthalten ist. Der SAE-Level 5 entspricht einem fahrerlosen Fahren, bei dem das System während der ganzen Fahrt alle Situationen wie ein menschlicher Fahrer automatisch bewältigen kann; ein Fahrer ist generell nicht mehr erforderlich.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels unter Zuhilfenahme der beigefügten Zeichnungen beschrieben. In diesen zeigen:
- 1 beispielhafte Komponenten eines Personenkraftwagens;
- 2 ein beispielhaftes Ablaufdiagramm;
- 3, 4 eine beispielhafte Fahrsituation;
- 5 die Abhängigkeit der Steifigkeit in Abhängigkeit des lateralen Versatzes von vorausfahrenden / hinterherfahrenden Fahrzeugen und des Handmoments; und
- 6 einen beispielhaften Zeitverlauf des Faktors der Steifigkeitsreduzierung.
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1 zeigt ein beispielhaften Personenkraftwagen 100 mit ein oder mehreren Umfeldsensoren 102, die eingerichtet sind, Sensordaten bzw. Umfelddaten in Bezug auf das Umfeld des Fahrzeugs 100 zu erfassen. Beispielhafte Umfeldsensoren 102 sind eine Kamera-Sensorik (beispielsweise nach vorne und vorzugsweise auch nach hinten), ein Radarsensor, ein Lidarsensor, ein Ultraschallsensor, etc. Die Steuereinheit 101 des Fahrzeugs 100 ist ausgebildet, auf Basis der Sensordaten ein oder mehrere Objekte (z.B. Fahrspurmarkierungen, andere Fahrzeuge, etc.) zu detektieren. Insbesondere kann auf Basis der Sensordaten ein Umfeldmodell des Umfelds des Fahrzeugs 100 erstellt und über der Zeit aktualisiert werden.
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Die Steuereinheit 101 des Fahrsystems ist ferner eingerichtet, das Fahrzeug 100 in Abhängigkeit von den Sensordaten, insbesondere in Abhängigkeit von dem Umfeldmodell, automatisiert quer- und vorzugsweise auch längszuführen. Insbesondere können ein oder mehrere Längs- und Querführungsaktoren 103 des Fahrzeugs 100 (z.B. ein Antriebsmotor, eine Bremsvorrichtung und/oder eine Lenkvorrichtung) automatisch betrieben werden, um das Fahrzeug 100 automatisiert längs- und querzuführen.
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Die Steuereinheit 101 (bzw. ein entsprechendes Fahrsystem) kann insbesondere eingerichtet sein, eine Fahrfunktion zum Bilden einer Rettungsgasse bereitzustellen, die es ermöglicht,
- - auf Basis der Sensordaten der ein oder mehreren Umfeldsensoren 102 und/oder auf Basis von Daten, die von einem Backend-Server und/oder von einem anderen Fahrzeug bereitgestellt werden, eine Rettungsgassensituation (z.B. einen Stau) zu detektieren, bei der eine Rettungsgasse gebildet werden sollte;
- - zu bestimmen, ob das Fahrzeug 100 zum Bilden der Rettungsgasse an den rechten oder an den linken Fahrspurrand fahren sollte (dies kann z.B. auf Basis der Fahrspur ermittelt werden, in der sich das Fahrzeug 100 aktuell befindet); und
- - zu veranlassen, dass das Fahrzeug 100 automatisiert an den ermittelten Fahrspurrand (längs- und quer-) geführt wird, und dann automatisiert entlang des Fahrspurrands weitergeführt wird. Hierbei wird das Fahrzeug bei mit der dem ermittelten Fahrspurrand zugewandten Außenseite im Wesentlichen unmittelbar an der Spurlinie des ermittelten Fahrspurrands geführt wird, ohne dass diese Außenseite des Kraftfahrzeugs diese Spurlinie überschreitet.
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3 zeigt eine beispielhafte Fahrsituation mit einer zwischen den Fahrspuren 1 und 2 gebildeten Rettungsgasse 3, wobei das eigene Kraftfahrzeug 100 mit einem Spurversatz 4 (bezogen auf die Mittelposition der Spur) zu der linken Spurseite der eigenen Fahrspur 1 hin quergeführt wird (vorzugsweise wird das Fahrzeug auch automatisiert längsgeführt). Hierbei wird das eigene Fahrzeug 100 bei mit der der linken Fahrspurseite zugewandten Außenseite im Wesentlichen unmittelbar an der Spurlinie 5 geführt, ohne dass diese Außenseite des Kraftfahrzeugs 100 diese Spurlinie 5 überschreitet.
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Die automatisierte Querführung und optional Längsführung des eigenen Kraftfahrzeugs 100 an der linken Spurseite entspricht dem Verfahrensschritt 200 in 2.
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In Schritt 300 wird ein in 3 dargestellter mittlerer Versatz 6 zwischen der Spurmarkierung 5 und der linken Außenseite der vorausfahrenden / hinterherfahrenden Fahrzeuge 150 bestimmt. Ferner wird in Schritt 300 das vom Fahrer am Lenkrad aufgeprägte Handmoment in Richtung der linken Fahrspurseite oder eine andere für den Lenkmoment-Eintrag charakteristische Größe ermittelt.
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Ferner wird in Schritt 350 geprüft, ob sich eine konkrete Gefährdung aufgrund eines zusätzlichen Spurversatzes ergeben würde (z. B. aufgrund Randbebauung oder nicht befahrbaren Fahruntergrunds).
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In Abhängigkeit der mittleren Versatz 6 und des ermittelten Handmoments (oder einer anderen für den Lenkmoment-Eintrag charakteristische Größe) wird in Schritt 400 entschieden, ob und vorzugsweise auch wieweit das manuelle Übersteuern für den Fahrer vereinfacht werden soll und dann die entsprechende Vereinfachung ausgelöst, beispielsweise die Steifigkeit entsprechend reduziert, so dass der Fahrer die automatisierte Querführung leicht übersteuern kann, um die Fahrzeug 100 mit einem gegenüber dem initialen Spurversatz 4 zusätzlichen Spurversatz 7 zu führen, wie dies in 4 dargestellt ist. Das Übersteuern wird vorzugsweise nicht vereinfacht, wenn in Schritt 350 eine Gefährdung erkannt wurde.
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Die Übersteuerbarkeit der automatisierten Querführung kann in Abhängigkeit des aktuellen mittleren Versatzes 6 und des aktuellen Handmoments laufend angepasst werden.
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In 5 ist eine beispielhafte Abhängigkeit der Steifigkeit S in Abhängigkeit des (mittleren) lateralen Versatzes v der vorausfahrenden / hinterherfahrenden Fahrzeuge 150 (s. Diagramm A) und in Abhängigkeit des Handmoments des Fahrers (s. Diagramm B) dargestellt.
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Wie aus Diagramm A ersichtlich ist, nimmt die Steifigkeit S ab einem gewissen Schwellwert VTH1 für den lateralen Versatz v linear bis zum Erreichen eines weiteren Schwellwerts VTH2 ab, ab dem die Steifigkeit in Abhängigkeit des lateralen Versatzes v unverändert bleibt.
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Wie aus Diagramm B ersichtlich ist, nimmt die Steifigkeit S ab einem gewissen Schwellwert MTH1 für das Handmoment M linear bis zum Erreichen eines weiteren Schwellwerts MTH2 ab, ab dem die Steifigkeit in Abhängigkeit des Handmoments M unverändert bleibt.
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Die tatsächlich eingestellte Steifigkeit S ergibt sich der Kombination der Verringerung der Steifigkeit S in Abhängigkeit des lateralen Versatzes v und in Abhängigkeit der Verringerung der Steifigkeit in Abhängigkeit des Handmoments M.
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Wie vorstehend ausgeführt, ist es von Vorteil, wenn nach Verringerung der Steifigkeit ein sich ergebender verringerter Steifigkeitswert mittels einer Hysterese gehalten wird (und/oder nur mit begrenzter Änderungsrate zurückgenommen wird) und nicht schlagartig zurückgenommen wird, wenn die der Verringerung der Steifigkeit zugrunde liegenden Parameter (z. B. Lenkmoment-Eintrag und/oder Versatz der Umgebungsfahrzeuge) sich wieder ändern. In 6 ist hierzu ein beispielhafter Verlauf des Faktors der Reduzierung der Steifigkeit über der Zeit dargestellt. Der Faktor der Steifigkeitsreduzierung ergibt sich aus dem Handmoment M und dem Versatz v der Fahrzeuge in der Umgebung.
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Zur Erzeugung einer Hysterese wird der Faktor gefiltert. Die durchgezogene Linie zeigt den Verlauf des ungefilterten Faktors (ohne Hysterese) und die gestrichelte Linie zeigt den Verlauf des gefilterten Faktors (mit Hysterese).
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Der Faktor der Steifigkeitsreduzierung nimmt in 6 erst ab dem Zeitpunkt t1 ab (d. h. die Steifigkeit nimmt erst ab dem Zeitpunkt t1 wieder zu), an dem der Verlauf des ungefilterten Faktors den Schwellwert für die Hysterese erreicht. Wenn der gefilterte Faktor dann abnimmt, ist außerdem die Änderungsrate begrenzt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 2020104118 [0003]
- DE 102020103753 [0003]
- DE 102014208785 B4 [0027]