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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Regelung einer Regelgröße oder einer Mehrzahl von Regelgrößen durch Zustandsrückführung gemäß dem Anspruch 1. Die Erfindung betrifft außerdem eine Regelungseinrichtung mit einem Zustandsregler gemäß dem Anspruch 7.
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Bei Systemen zur Regelung von Strukturschwingungen an Bauteilen liegt eine wesentliche Aufgabe in der Auslegung eines geeigneten Reglers. Zur Auslegung des Reglers wird einem Synthesealgorithmus eine so genannte generalisierte Regelstrecke und ein Wichtungsschema übergeben. Der Aufbau und die Parameter des Wichtungsschemas steuern die Eigenschaften des auszulegenden Reglers. Der Aufwand für die Festlegung der Vielzahl von Reglerparametern, die bei einem Zustandsregler mit einer Vielzahl von Regelgrößen einzustellen sind, ist relativ hoch. Hinzu kommt, dass sich die Parameter des Wichtungsschemas in Abhängigkeit von der betrachteten Regelstrecke ändern können und daher wiederholt angepasst werden müssen.
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Bisher mussten die Parameter heuristisch eingestellt werden, was viel Zeit und Erfahrung benötigt. Insbesondere das Verhältnis der Parameter zueinander muss dabei korrekt geschätzt werden, um gute Regelungsergebnisse zu erzielen. Ferner muss ein Fachmann vor Ort sein, der bei eventuellen Änderungen der Regelstrecke den Regler neu anpasst.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zu Grunde, die Auslegung eines Zustandsreglers zu vereinfachen, insbesondere die Bestimmung von dessen Parametern, und eine Regelungseinrichtung hierzu anzugeben.
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Diese Aufgabe wird durch die in den Ansprüchen 1 und 7 angegebene Erfindung gelöst. Die Unteransprüche geben vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung an.
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Es sei vorausgeschickt, dass die H∞-Norm für zeitdiskrete Systeme G(z) mit z = exp(j·w·T) wie folgt definiert ist: ||G(z)||∞ = max(σmax(G(z)))
- ||G(z)||∞
- ist der größte maximale Singulärwert der Übertragungsmatrix G(z).
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Die später noch angesprochene H
2-Norm für zeitdiskrete Systeme G(z) mit z = exp(j·w·T) ist wie folgt definiert:
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Die Erfindung vereinfacht die Reglerauslegung durch die Einführung zweier allgemeingültiger Parameter, auf deren Basis die einzustellenden Parameter des Wichtungsschemas anhand von Kenngrößen der Regelstrecke abgeleitet werden. Durch die Verwendung nur zweier Parameter wird bereits die Anzahl der festzulegenden Parameter erheblich reduziert. Daher kann die Reglerauslegung einfacher und schneller erfolgen. Die vorgeschlagenen zwei Parameter sind zudem derart allgemeingültig, dass sie auch bei Veränderungen der Regelstrecke beibehalten werden können. Vorteilhaft kann somit auch bei Veränderungen der Regelstrecke eine im Wesentlichen gleiche Regelgüte beibehalten werden.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass der maximale Singulärwert der Inversen einer Wichtungsfunktion einer Ausgangsgröße y der Regelstrecke begrenzt wird auf sqrt[||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)·vSG].
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass der maximale Singulärwert der Inversen einer Wichtungsfunktion einer Eingangsgröße d der Regelstrecke begrenzt wird auf sqrt[||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)·vSG].
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass der maximale Singulärwert der Inversen einer Wichtungsfunktion einer Eingangsgröße r des Zustandsreglers begrenzt wird auf vT/sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)·vSG].
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass der maximale Singulärwert der Inversen einer Wichtungsfunktion einer Ausgangsgröße u des Zustandsreglers begrenzt wird auf vT/sqrt[||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)·vSG].
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Dies kann in tabellarischer Form wie folgt wiedergegeben werden (Tabelle 1):
max. Singulärwert von | wird begrenzt auf |
[W SGy]–1 | sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG] |
[W SGd]–1 | sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG] |
[W RSr]–1 | vT/sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2) |
[W RSu]–1 | vT/sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG] |
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Mit der Bezeichnung sqrt sei in diesem Zusammenhang die Quadratwurzel gemeint.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung kann das erfindungsgemäße Verfahren zur Reduzierung von Strukturschwingungen eines Bauteils verwendet werden. Hierbei ist das Bauteil durch schwingungsbeeinflussende Aktoren beaufschlagbar, die nach einem Verfahren zur Zustandsregelung nach der zuvor beschriebenen Art vom Zustandsregler angesteuert werden.
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Die Erfindung umfasst zudem eine vorteilhafte Regelungseinrichtung mit einem Zustandsregler, der eingerichtet ist zur Ausführung eines Verfahrens der zuvor beschriebenen Art.
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Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf Zeichnungen näher erläutert.
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Es zeigen
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1 – einen Regelkreis und
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2 – einen Regelkreis unter Verwendung von Wichtungsfunktionen und
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3 bis 6 – Amplitudengänge des Regelkreises.
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Die 1 zeigt einen Regelkreis in Zustandsraumdarstellung. Der Regelkreis weist eine Regelstrecke G auf, die eine Mehrzahl zu regelnder Regelgrößen aufweist. Die Regelstrecke G weist als Eingangsgröße einen Eingangssignalvektor d auf. Als Ausgangsgröße der Regelstrecke G ist ein Ausgangssignalvektor y dargestellt. Der Ausgangssignalvektor y ist, nach Differenzbildung mit einem als Eingangsgröße eines Zustandsreglers R dargestellten Eingangssignalvektor r, als Eingangssignalvektor e dem Zustandsregler R zugeführt. Eine Ausgangsgröße des Zustandsreglers R in Form eines Ausgangssignalvektors u ist, nach Differenzbildung mit dm Eingangssignalvektor d, auf die Regelstrecke G zurückgeführt. Hierdurch ist ein Regelkreis mit Zustandsrückführung gebildet.
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Für die Auslegung eines Reglers müssen die zu erfüllenden Randbedingungen in Form von Gleichungen formuliert werden. Bei modernen Zustandsreglern erfolgt diese Formulierung durch die Wichtungsfunktionen, die wie die Regelstrecke und der Zustandsregler als Matrix dargestellt werden. Über die Wichtungsfunktionen können bei der Reglerauslegung die Regelziele formuliert werden. Das Schema in der
1 hat sich für die Auslegung von Reglern für die Strukturregelung als besonders geeignet erwiesen und ist in der Literatur bekannt. Das Zustandsraummodell
G ist die Regelstrecke und R der Regler. Die Übertragungsfunktion dieses Wichtungsschemas lautet:
mit der Sensitivität
S = [E + GR]–1 und der komplementären Sensitivität
T = GRS
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Die Wichtungsfunktionen beschreiben den gewünschten Verlauf des maximalen Singulärwerts, berechnet durch die H
∞-Norm ||...||
∞, von
T,
SG,
RS und –
RSG. Die Einstellung der Parameter dieser Wichtungsfunktionen geschieht bislang durch „Ausprobieren”. Die gemäß der Erfindung eingeführten Vorgabewerte v
T und v
SG vereinfachen die Bestimmung der Parameter. Der Vorgabewert v
T ist eine Vorgabe für die Robustheit des Regelkreises gegenüber Veränderungen der Regelstrecke. Der Vorgabewert v
SG ist eine Vorgabe für die Reduktion der Störgrößen im Regelkreis. Die folgende Tabelle zeigt die Verwendung der Vorgabewerte zur Festlegung des maximalen Singularwerts der Strecken (Tabelle 2):
max. Singularwert von | wird begrenzt auf |
T | vT |
SG | ||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG |
RS | vT 2/(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG) |
–RSG | vT |
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Durch die Einbeziehung der H2- und H∞-Norm der Regelstrecke sind die beiden Faktoren unabhängig von der Streckenverstärkung und somit allgemeingültig. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass das Maß für die Reduktion von Störgrößen die H∞-Norm ist, also das Maximum der Störübertragungsfunktion SG. Nach Erkenntnissen aus der Praxis sind meist nur Regelungen, die die H∞-Norm nicht kleiner als die H2-Norm einstellen, wirklich als stabiler Regelkreis realisierbar. Bei vSG = 1 wird der maximale Singulärwert von SG beschränkt auf ||G||∞. Bei vSG = 0 wird der maximale Singulärwert von SG beschränkt auf ||G||2. Der Vorgabewert vSG, der im Bereich von 0..1 einstellbar ist, bietet somit eine einfache Einstellung der Störgrößenreduktion.
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Ein Maß für die Robustheit eines Regelkreises ist die H∞-Norm der komplementären Sensitivität T. Unabhängig von der Beschaffenheit der Strecke G sollte sie kleiner als eins sein. Die Einstellung erfolgt direkt über den zweiten Vorgabewert vT, der ebenfalls der im Bereich von 0..1 einstellbar ist.
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Die Vorteile der beiden Vorgabewerte sind:
Die Parameter sind unabhängig von der Streckenverstärkung von G, d. h. das Verhältnis der H∞-Norm der geregelten Strecke SG zur H∞-Norm der ungeregelten Strecke G ist bei gleichen Parametern und stets gleich.
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Eine automatisierte Reglerauslegung kann stets mit dem gleichen, einmal bewährten Parametersatz (vSG und vT) arbeiten. Die Wartungskosten eines Systems werden gesenkt, da ein Fachmann zur Nachstellung der Parameter nicht erforderlich ist.
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Als Beispiel für die Realisierung der Begrenzung des maximalen Singulärwerts ist in 2 die Einführung von vier Wichtungsfunktionen W SGd, W RSr, W SGy, W RSu dargestellt, die den Eingangs- und Ausgangsgrößen des Schema in 1 vor- bzw. nachgeordnet sind.
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Die Übertragungsmatrix des Regelkreises in
2 ist:
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Die Wichtungsfunktionen W SGd, W RSr, W SGy, W RSu sind in einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung Übertragungsmatrizen mit Diagonalform. Das bedeutet, dass der Eingang 1 mit Filter 1 gefiltert wird und als Ausgang 1 ausgegeben wird. Entsprechendes gilt für die anderen Kanäle. Es existieren dann keine Kopplungen. Die Inversen der Wichtungsfunktionen beschreiben den gewünschten Verlauf des maximalen Singulärwerts der gewichteten Größe. Beispielsweise beschreiben [W SGy]–1 und [W RSr]–1 den gewünschten Singulärwertverlauf von T. Als Wichtungsfunktionen werden vorteilhaft Übertragungsfunktionen gewählt, die invertierbar sind und deren Inverse auf die maximalen Singulärwerte in Tabelle 2 beschränkt sind.
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Das Verhalten des Regelkreises ist anhand eines einfachen Beispielsystems in den 3 bis 6 dargestellt. Die Invarianz der Regelgüte (Verhältnis G zur Störübertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises SG) von der Streckenverstärkung wird in den 3 bis 6 gezeigt, indem die Strecke G vor der Reglerauslegung mit einem Faktor multipliziert wird. Die 3 zeigt die Resultate bei einer Streckenverstärkung mit dem Faktor 1, die 4 bei dem Faktor 2, die 5 bei dem Faktor 3 und die 6 bei dem Faktor 4. Wie erkennbar ist, ist die Regelgüte im Wesentlichen invariant. Ferner ist sehr gut zu erkennen, dass der Singulärwertverlauf von T, dem gewählten Maß für die Robustheit des Kreises, stets gleich ist. Die veränderte Streckenverstärkung wird durch ein geändertes RS kompensiert.
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In dem Beispiel, das den
3 bis
6 zugrunde liegt, wurden für die vier Wichtungsfunktionen folgende Ansätze gewählt:
[W SGy]–1, [W SGd]–1 | Diagonale Matrizen mit gleichen konstanten Werten (= sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG]) auf der Diagonalen |
[W RSr]–1, [W RSu]–1 | Diagonale Systeme mit dem Produkt zweier Übertragungsfunktionen:
[W RSr]–1 = diag([W RS1]–1[W RS2]–1),
[W RSu]–1 = diag([W RS1]–1[W RS2]–1) auf der Diagonalen |
[W RS1]–1 | Invertierbarer Hochpass mit maximaler Amplitude von vT/sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG] |
[W RS2]–1 | Invertierbarer Tiefpass mit maximaler Amplitude von 1 |
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Die einzelnen Wichtungsfunktionen sind diskrete Zustandsraummodelle mit einem Ein- und Ausgang sowie einem Zustand, die mit dem folgenden Ansatz generiert werden:
mit
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Für die Filter werden folgenden Einstellungen gewählt:
WRS1 | aRS1 = 0,1εRS1 | εRS1 = vT/sqrt[(||G||2 + (||G||∞ – ||G||2)vSG] | fgRS1 = 5 Hz |
WRS2 | aRS2 = 1 | εRS2 = sqrt(0,01) | fgRS2= 3,9/(8T) |
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Die Parameter a, ε und fg beschreiben den Frequenzgang des Filters. T ist die Abtastzeit des Regelungssystems.