DE102009059026A1 - Auswertungsverfahren zur Beurteilung des oxidativen Stress in Menschen und Tieren: Zweidimensionales Diagramm des oxidativen Stress (ZOS) - Google Patents
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Abstract
Oxidativer Stress ist die Ursache und Begleiterscheinung vieler Krankheiten von Mensch und Tier. Seine Früherkennung ist möglich, noch bevor die Zellen des Körpers geschädigt und krankhafte Symptome diagnostiziert werden. Aktuell sind eine Reihe verschiedener Parameter für seine Beurteilung vorgeschlagen, die jedoch alle klinisch nicht nutzbar sind. Eine der Ursachen ist die Vernachlässigung der Existenz des antioxidativen Systems des Organismus, das allen pathologischen oxidationsbedingten Abweichungen entgegen wirkt und die Interpretation der Befunde erschwert. Wir haben herausgefunden, dass zwischen der antiradikalen Kapazität der exogenen und endogenen Antioxidantien im Blutplasma (Parameter des antioxidativen Schutzes) und der antiradikalen Fähigkeit von Plasmaproteinen (Parameter der oxidativen Schädigung) eine signifikante inverse Korrelation über den gesamten physiologischen Konzentrationsbereich besteht. Die Abweichung der aktuell gemessenen Werte – aufgetragen als ein Punkt auf dem zweidimensionalen Diagramm Schädigung vs. Schutz – von der Regressionsgeraden für die entsprechenden Parameter gesunder Menschen oder Tiere kann als der Grad des oxidativen Stress interpretiert und für die Beurteilung der pro-oxidativen Belastbarkeit des Untersuchten durch physische Anstrengungen, emotionellen Stress, schädliche chemische und physikalische Faktoren sowie für die Verordnung und Kontrolle einer antioxidativen Therapie genutzt werden.
Description
- Normales Attribut des aeroben Lebens ist die strukturelle Schädigung einer Vielzahl von Verbindungen – DNA, Proteinen, Kohlenhydraten, Lipiden – durch Oxidation. Die oxidative Schädigung durch reaktive Sauerstoffspezies wird oxidativer Stress genannt.
- Oxidativer Stress in lebenden Organismen resultiert im Zelluntergang, Funktionsstörungen in Organen, frühzeitiger Alterung.
- Oxidativer Stress ist Ursache bzw. Begleitphänomen der ”Zivilisationskrankheiten” wie Atherosklerose und Herzinfarkt, Krebs, Diabetes u. v. a.
- Erste Symptome bewirken meist einen Arztbesuch und eine Diagnose der Erkrankung. Aber bereits im symptomfreien Zustand kann durch eine Vorsorgeuntersuchung eine latente gesundheitliche Abweichung wie z. B. erhöhter Blutzuckerspiegel, hoher Blutdruck, organspezifische Enzyme im Blut gefunden werden. Dementsprechend werden die klinische und präklinische Diagnostik unterschieden. Frühestmögliche Erkennung des oxidativen Stress, die durch etablierte Laborparameter nicht möglich ist, definieren wir als „prä-präklinische” Diagnostik.
- Bei Leistungssportlern (Übertrainingsgefahr, Herzversagen) und bei „stummen Patienten” in der Tierarztpraxis, beispielsweise bei Rennpferden könnte diese Diagnostik perspektivisch eine besondere Bedeutung erlangen.
- Unumstritten ist der in Modellexperimenten demonstrierte reziproke Zusammenhang zwischen oxidativ bedingter Schädigung des Biosubstrats und der Konzentration antioxidativ wirksamer Substanzen.
- Die Ergebnisse klinischer Studien sind dagegen kontrovers. Insbesondere nach kurzzeitigen prooxidativen Stimuli, wie z. B. akuten physischen Belastungen bei Marathonläufern, Rennpferden u. a. fehlen eindeutige Beweise für oxidativen Stress [1, 2, 3].
- Die meisten Beobachtungs- bzw. Interventionsstudien scheitern in ihren Aussagen aufgrund der mechanistischen Betrachtungsweise eines lebenden Organismus als Summe des oxidationsanfälligen Substrats und der schützenden endogenen und exogenen antioxidativen Substanzen.
- Die systemische Betrachtung des Organismus und die Konzeption der Existenz des antioxidativen Systems, welches der Aufrechterhaltung der antioxidativen Homöostase dient [4, 5], erlaubt die erfolgslosen Ergebnisse vieler Studien zu erklären und notwendige und ausreichende Parameter für die Charakterisierung des oxidativen Stress unter den Bedingungen der medizinischen/tiermedizinischen Laboratoriumsdiagnostik zu empfehlen [6].
- Mittels der von uns entwickelten Methoden [7, 8, 9, 10, 11] kann die antiradikale Kapazität des Blutplasmas analysiert werden [6]:
1 . Drei Parameter: UA, ASC und AOW charakterisieren den antioxidativen Schutz und ARAP ist ein Maß des Grades der oxidativen Modifikation der Blutplasmaproteine [10]. - Eigene Untersuchungen mittels der Methode der thermoinitiierten Chemolumineszenz (TCL) [6, 11] und Literaturangaben zeigen, dass die Entscheidung über das Vorhandensein eines oxidativen Stress für eine konkrete Person allein aufgrund der Messung eines einzelnen Parameters nicht getroffen werden kann, da in Grenzbereichen gleiche Werte sowohl bei Gesunden als auch bei Kranken vorkommen können. Nur Auswertungen einer großen Untersuchungszahl ergeben statistisch signifikante Differenzen.
- Wir haben daher versucht, das Dilemma durch den paarweisen Vergleich der Parameter miteinander und eine zweidimensionale graphische Darstellung zu lösen. Überraschenderweise hat sich eine hohe inverse Korrelation zwischen den Parametern Schutz und Schädigung ergeben. In der
2 . ist ein Beispiel für UA und ARAP bei einer Gruppe von 40 gesunden Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts dargestellt. - Die Auswertung der gleichen Daten einer während mehrerer Wochen untersuchten Person ergab die in der
3 dargestellten Ergebnisse. Ähnliche Resultate wurden bei einer weiteren über einen längeren Zeitraum beobachteten Person erzielt. In diesem Fall zeigte sich eine plötzliche Abweichung von der „individuellen Regressionsgerade” der antioxidativen Homöostase (IRAN) zwei Tage vor der Erkrankung an einer Lungenentzündung. Während der antibiotischen Behandlung normalisierten sich die Werte allmählich. Somit kann der rechtzeitige quantitative Nachweis des oxidativen Stress als Abweichung der aktuellen Messwerte von der IRAN bzw. von der an einer Gruppe gesunder Personen vergleichbaren Alters und Geschlechts erstellten Regressionsgerade als „Frühwarnsystem” bezeichnet werden. - Eine Studie zum Zusammenhang zwischen oxidativer Schädigung (ARAP) und verschiedenen antioxidativen Schutzparametern an einer Person während 6 Wochen mit drei Messungen pro Woche (insgesamt 18) zeigte die schwächste Korrelation zwischen ARAP und ASC (Vitamin C): R2 = 0,347, für UA war der Zusammenhang deutlich signifikanter: R2 = 0,708, für ASC + UA: R2 = 0,846 und für ASC + UA + AOW = ACW – ARAP maximal: R2 = 0,857.
- Wir erklärten die Ergebnisse vom Standpunkt der bekannten Tatsache, dass der Mensch ebenso wie auch alle anderen Primate nicht in der Lage ist, Askorbinsäure (Vitamin C) zu synthetisieren und unter entsprechenden Umständen die Harnsäure als Ersatz für Vitamin C nutzt.
- Daher war der Befund bei askorbinsäuresynthesefähigen Pferden sehr überraschend. Auch in diesem Fall war die Beziehung UA ↔ ARAP linear und hochsignifikant. Mehr noch, eine starke Abweichung von der Regressionsgeraden bei einem der 10 untersuchten Tiere (sein Besitzer bezeichnete es als krank, obwohl die laborchemischen Parameter unauffällig waren) war offensichtlich Merkmal von deutlichem – durch das eigene antioxidative System nicht mehr kompensierbaren – oxidativen Stress und Vorzeichen eines letalen Ausganges:
4 . - Aufgrund dieser Ergebnisse kommen wir zu der Schlussfolgerung, dass eine zweidimensionale Darstellung der Messdaten der Parameter der antioxidativen Homöostase die Charakterisierung des oxidativen Stress ermöglicht, indem durch die Position der aktuellen Werte in Bezug auf die entsprechende „Regressionsgerade” eine bedrohliche Dekompensation im Rahmen der Funktion des antioxidativen Systems des Organismus erkennbar wird. Bedarfsgerecht können somit entsprechende Sofortmaßnahmen wie eine den individuellen Bedürfnissen angepasste antioxidative Therapie verordnet bzw. Maßnahmen zur Eindämmung der prooxidativen Einflüsse eingeleitet werden, z. B. eine Änderung des Trainingplanes bei Sportlern.
- Literatur:
-
- 1. C. Leeuwenburgh, C., J. W. Heinecke: Oxidative Stress and Antioxidants in Exercise. Current Medicinal Chemistry 2001, 8: 829–838
- 2. Jenkins, R. R.: Exercise and oxidative stress methodology: a critique. Am. J. Clin. Nutr. 2000, 72 (suppl.): 670 S–674 S
- 3. Marlin, D. J., K. Fenn, N. Smith, C. D. Deaton, C. A. Roberts, P. A. Harris, C. Dunster, F. J. Kelly: Changes in Circulatory Antioxidant Status in Horses during Prolonged Exercise. J. Nutr. 2002, 132: 1622 S–1627 S
- 4. Popov, I., G. Lewin: Konzeption über die antioxidative Homöostase im Organismus in ihrer Bedeutung für die Erfahrungsmedizin – theoretische Grundlagen. Erfahrungsheilkunde 1996, 7: 434–440
- 5. Lewin, G., I. Popov: The antioxidative system of the organism. Theoretical basis and practical consequences. Med. Hypotheses 1994, 42: 269–275
- 6. Popov, I., M. Popov, G. Lewin: Assessing the risk of diseases by means of oxidative stress parameters of blond plasma. In: D. Galaris (Ed.) Free Radicals and Oxidative Stress: Chemistry, biochemistry and pathophysiological implications. Proceedings of the Meeting of the Society for Free Radical Research. Medimond, Ioannina, 2003: 219–223
- 7. Popov, I., G. Lewin: Verfahren zur Bestimmung der antiradikalen Aktivität von Stoffen.
DR 249618 - 8. Popov, I., G. Lewin: Verfahren zur Bestimmung von Harnsäure in Körperflüssigkeiten.
DD 300328 - 9. Popov, I., G. Lewin: Verfahren und Testbesteck zur Bestimmung von Askorbinsäure in biologischen Proben.
DE 4304728 C2 - 10. Popov, I., G. Lewin: Verfahren zur Beurteilung der oxidativen Modifikation proteinhaltiger Stoffe mittels Messung ihrer antiradikalen Aktivität.
DE 198 46 148 C2 . - 11. Popov, I., G. Lewin: Verfahren zur Beurteilung der antiradikalen Eigenschaften von Stoffen. Offenlegungsschrift
DE 103 27 971 A1
Claims (6)
- Verfahren zur Beurteilung des oxidativen Stress im Organismus mittels Messung der Parameter des antioxidativen Schutzes und der Parameter der oxidativen Schädigung des Biosubstrats dadurch gekennzeichnet, dass die in derselben Probe gemessenen o. g. Parameter kombiniert als ein Punkt auf einem zweidimensionalen Diagramm „Schädigung vs. Schutz” dargestellt werden.
- Verfahren nach Anspruch 1. dadurch gekennzeichnet, dass als „Schutz” eine einzelne Komponente oder eine Kombination aus mehreren Komponenten der integralen antioxidativen Kapazität des Biosubstrats genommen wird.
- Verfahren nach Anspruch 1. dadurch gekennzeichnet, dass als „Schädigung” ein Merkmal der oxidativ bedingten Modifikation einer oder mehrere Komponenten des Biosubstrats genommen wird.
- Verfahren nach Ansprüchen 1. bis 3. dadurch gekennzeichnet, dass unter Biosubstrat Körperflüssigkeiten, Zellen bzw. jeweilige Bestandteile verstanden wird.
- Verfahren nach Ansprüchen 1. bis 4. dadurch gekennzeichnet, dass für eine quantitative Beurteilung des Grades des oxidativen Stress die durch vorherige Untersuchungen von Menschen (bzw. Tieren) gleichen Geschlechts und vergleichbaren Alters im gesunden Zustand ermittelte Bezugskurve (speziell Regressionsgerade) verwendet wird und der Abstand des aktuell bestimmten Punktes von dieser Kurve als quantitatives Maß des oxidativen Stress angenommen wird.
- Verfahren nach Ansprüche 1. bis 5. dadurch gekennzeichnet, dass für die Erhöhung der Zuverlässigkeit der Aussage für eine Person bzw. ein Tier ihre/seine eigene „individuelle” Regressionsgerade aufgrund von Längsschnittuntersuchungen im gesunden Zustand und im jungen Erwachsenenalter erstellt werden soll.
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