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Die Erfindung geht aus von einem Verfahren zum Steigern der Beanspruchbarkeit von Bauteilen aus Stahl, insbesondere von druckführenden und/oder mechanisch hoch belasteten Bauteilen von Kraftstoff-Einspritzsystemen, unter zyklischer Belastung nach der Gattung des Anspruchs 1.
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Die Beanspruchung von druckführenden und/oder mechanisch hoch belasteten Bauteilen von Kraftstoff-Einspritzsystemen reicht von einer reinen Zug-Schwellbeanspruchung bis hin zu einer periodischen Zug-Druck-Wechselbeanspruchung.
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Die zyklische Beanspruchbarkeit von Bauteilen hängt vornehmlich von Gefüge und Festigkeit des gewählten Stahles ab. Sowohl durch eine Änderung der chemischen Zusammensetzung als auch durch eine Wärmebehandlung lässt sich die Struktur von Stählen so beeinflussen, dass sie die oben angeführten Beanspruchungsanforderungen erfüllt. Aufgrund der hohen Legierungselementanteile sowie der teilweise sehr aufwendigen Wärmebehandlungsprozesse führen diese Maßnahmen allerdings zu nachteilig hohen Werkstoff- und Fertigungskosten.
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Ein weiteres Verfahren zur Steigerung der zyklischen Beanspruchbarkeit ist das Einbringen von Druckeigenspannungen in die Oberfläche, beispielsweise durch Festwalzen oder Autofrettage. Hier ergeben sich jedoch verfahrensbedingt Einschränkungen in der Bauteilgeometrie.
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Weiterhin ist das Nitrieren von Stählen als Wärmebehandlungsverfahren mit Änderung der chemischen Zusammensetzung in der Randschicht bekannt. Es wird in der Praxis für Anwendungen eingesetzt, bei denen eine hohe Randschichthärte zur Erhöhung des Verschleißwiderstandes gefordert ist. Übliche Verfahren sind das Gasnitrieren, das Salzbadnitrieren sowie das Plasma-Nitrieren. Die dabei üblicherweise entstehenden Schichten bestehen aus einer Nitrid-Verbindungsschicht an der Oberfläche und einer Nitrid-Diffusionsschicht in der Randzone des Bauteils. Beste Ergebnisse in Bezug auf die Härte und die Verschleißfestigkeit werden dabei mit sog. Nitrierstählen erzeugt, die neben einem moderaten C-Gehalt auch einen hohen Anteil an Nitridbildnern wie Al, V, Cr aufweisen. In der Literatur dokumentierte Untersuchungen zeigen, dass durch das Nitrieren auch die Schwingfestigkeit gesteigert werden kann, jedoch wirkt sich die mit einer Dicke von mindestens 0,04 mm stark ausgeprägte Verbindungsschicht, die zur Verbesserung der Verschleißbeständigkeit erforderlich ist und einen gewissen Widerstand gegen Korrosion bildet, nachteilig auf die zyklische Beanspruchbarkeit aus.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren anzugeben, durch das die zyklische Belastbarkeit von schwellbeanspruchten Bauteilen auf kostengünstige Weise gesteigert werden kann.
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Vorteile der Erfindung
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren mit den Merkmalen von Anspruch 1 gelöst.
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Anders als beim üblichen Gasnitrieren, das zum Erhöhen der Randschichthärte mittels einer möglichst dicken Verbindungsschicht von mindestens 0,04 mm dient, wird erfindungsgemäß das Gasnitrieren zum gezielten Einbringen eines Festigkeitsgradientens und eines Druck-Eigenspannungsprofils in der sich an die Bauteiloberfläche anschließenden Randschicht verwendet. Dabei werden die Prozessparameter des Gasnitrierens, wie z. B. Nitriertemperatur und -dauer, Stickstoffkonzentration etc., so gewählt, dass auf die Bauteiloberfläche eine Nitrid-Verbindungsschicht mit einer Dicke von maximal 10 μm aufgebracht wird.
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Durch das erfindungsgemäße verbindungsschichtarme Gasnitrieren ist es möglich, die Randschicht von Stählen so zu verändern, dass die zyklische Beanspruchbarkeit der Bauteile signifikant gesteigert werden kann. Die Verwendung von un- und niedriglegierten Werkstoffen in Kombination mit dem prozessoptimierten Gasnitrieren stellt eine kostengünstige Alternative zu den herkömmlichen Maßnahmen der Schwingfestigkeitssteigerung dar. Weiterhin hat sich gezeigt, dass eine Verbindungsschicht mit einer Dicke von maximal 10 μm die Beständigkeit gegen Salzsprühnebel im Vergleich zu einem nicht behandelten Werkstoffzustand signifikant verbessert, ohne die zyklische Beanspruchbarkeit zu beeinträchtigen. Das Korrosionsverhalten eines erfindungsgemäß gasnitrierten Bauteils ist dem eines phosphatierten Bauteiles gleichzusetzen, so dass eine abschließende Beschichtung der Bauteile in der Prozesskette entfallen kann.
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Beim erfindungsgemäßen Gasnitrieren zur Steigerung der Schwingfestigkeit mit minimaler Verbindungsschicht werden folgende metallphysikalische Grundmechanismen zur gezielten Einstellung eines Eigenschaftsgradientens in der Randzone genutzt:
- i. Einstellen eines Druck-Eigenspannungsprofils in der Randzone durch Einlagerung von Stickstoff in der Randzone
- ii. Graduelle Erhöhung der Festigkeit in der Randzone durch Diffusion von Stickstoff unter Bildung von Nitriden
- iii. Erhöhung der Beständigkeit gegen atmosphärische Korrosion oder Korrosion in wässrigen Medien (Kraftstoffe, Kondensate)
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Das Einstellen von Druckeigenspannungen (i) an der Oberfläche beruht auf der Einlagerung von Stickstoff in der Randzone. Die vom Betrag her negativen Eigenspannungen überlagern sich mit den vom Betrag her positiven Lastspannungen, so dass die lokal auftretende, resultierende Betriebsbelastung geringer ist als bei einem nicht nitrierten Werkstoffzustand. Als Folge dieser lokal reduzierten Betriebsspannung wird die Rissinitiierung oder die Ausbreitung von Rissen an der Oberfläche verzögert oder sogar vermieden.
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Die Schwingfestigkeit hochbeanspruchter Bauteile kann somit gezielt für spezifische Bauteilgeometrien auf einfache und kostengünstige Weise gesteigert werden. Dadurch können beispielsweise mit Druck und/oder Zug zyklisch beanspruchte Komponenten von Verbrennungsmotoren, wie etwa Zylinderköpfe, Injektorkörper, Druckspeicher, Ventilkörper oder dergl., gegenüber den im Betrieb auftretenden Schwellbelastungen widerstandsfähiger gemacht werden. Hierbei ist ein nachträgliches Reduzieren bzw. ein Abtragen der in die Bauteile eingebrachten Verbindungsschicht nicht notwendig, da diese bei der erfindungsgemäßen, prozessoptimierten Gasnitrierung auf ein Minimum reduziert wird.
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Die Einlagerung des Stickstoffs in der Randzone ist gleichbedeutend mit einer lokalen Erhöhung der Festigkeit (ii) und der Härte. Dabei können an der Oberfläche Härtewerte von bis zu 1000 HV, je nach Legierungszusammensetzung, erreicht werden.
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Grundsätzlich kann entsprechend des FKM-Ansatzes die Zug-Druck-Wechselfestigkeit σW,ZD wie folgt mit der statischen Festigkeit Rm korreliert werden: σW,ZD = 0,45·Rm
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Für homogene Werkstoffzustände entspricht die Erhöhung der Beanspruchbarkeit unter Wechsellast etwa der Hälfte des Betrages einer Festigkeitssteigerung unter statischer Beanspruchung. Die Erhöhung der zyklischen Beanspruchbarkeit in einer gezielt durch Nitrieren optimierten Randzone kann nach FKM-Richtlinie wie folgt quantifiziert werden: σW,ZD = Kv·0,45·Rm mit
- Kv
- = 1,15 bis 1,25 für glatte/schwach gekerbte Bauteile
- Kv
- = 1,30 bis 2,0 für gekerbte Bauteile
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In der Randzone können somit durch das verbindungsschichtarme Gasnitrieren sehr hohe Schwingfestigkeitskennwerte gezielt eingestellt werden. Je nach Bauteilgeometrie und Grundwerkstoff können Steigerungen der Beanspruchbarkeit unter wechselnder Last um 25 bis 100% erreicht werden. Je nach absoluter Höhe der Belastung im Betrieb kann somit ein Werkstoff verwendet werden, der eine niedrigere Grundfestigkeit aufweist als die üblicherweise für hochdruckbeanspruchte Bauteile verwendeten hochfesten Stähle. Durch Reduzierung der Matrixhärte werden die Kosten für die mechanische Fertigung zusätzlich gesenkt.
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Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Gasnitrierens gegenüber anderen schwingfestigkeitssteigernden Verfahren liegt darin, dass sowohl die Festigkeitssteigerung in der Randzone als auch die Eigenspannungen bei erhöhten Betriebstemperaturen unterhalb der Nitriertemperatur stabil sind.
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Die Verbesserung des Korrosionsverhaltens (iii), ähnlich der einer Passivschicht, beruht auf der Bildung der Verbindungsschicht, welche überwiegend aus Eisennitriden besteht. Diese ε- und γ'-Nitride stellen in Bezug auf Korrosionsvorgänge stabile Phasen dar, welche die Korrosionsreaktionen in wässrigen und chloridhaltigen Medien im Vergleich zu einer ungeschützten, metallischen blanken Oberfläche deutlich verlangsamen. Die Dicke der Verbindungsschicht bestimmt das Maß der Korrosionsverzögerung. Durch die Prozessführung beim Gasnitrieren wird eine Verbindungsschichtdicke eingestellt, die ein Optimum zwischen Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit einerseits und Schwingfestigkeitssteigerung andererseits gewährleistet.
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Die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelten Stähle gehören insbesondere zu den folgenden Gruppen:
- – un- und niedriglegierte Einsatzstähle
- – un- und niedriglegierte Vergütungsstähle
- – ausscheidungshärtende Stähle und AFP-Stähle
- – Nitrierstähle
- – Warmarbeitsstähle
- – Schnellarbeitsstähle
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Zum Erreichen der gewünschten Schwingfestigkeitssteigerung und Beständigkeit gegenüber atmosphärischer und wässriger Korrosion ist eine thermische Behandlung bei Temperaturen oberhalb von ca. 420°C, insbesondere zwischen 480°C und 620°C, für eine von der erwünschten Zielfestigkeit abhängige Nitrierdauer bevorzugt. Die Nitrierdauer kann bis zu 96 Stunden, vorzugsweise zwischen zwei und zwölf Stunden betragen.
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Zur optimalen Steigerung der zyklischen Belastbarkeit sowie der Verschleißbeständigkeit der Bauteile wird die Nitrid-Diffusionsschicht mit einer Dicke von mindestens ca. 0,1 mm, bevorzugt von mindestens ca. 0,3 mm, in die Bauteiloberfläche eingebracht.
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Die Erfindung betrifft in einem weiteren Aspekt auch ein mit dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestelltes Bauteil mit den Merkmalen von Anspruch 5.
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Weitere Vorteile und vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands der Erfindung sind der Beschreibung, der Zeichnung und den Ansprüchen entnehmbar.
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Zeichnungen
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Nachstehend wird die Erfindung anhand eines in der Zeichnung stark schematisiert wiedergegebenen Ausführungsbeispiels näher erläutert. Es zeigen:
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1 ein mit dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Beispielbauteil; und
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2 den Verlauf der Härte und der Eigenspannungen des in 1 gezeigten Beispielbauteils in Abhängigkeit des Abstands von der Bauteiloberfläche.
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Beschreibung des Ausführungsbeispieles
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Das in 1 schematisch gezeigte Bauteil 1 ist aus Stahl und insbesondere ein druckführendes und/oder mechanisch hoch belastetes Bauteil eines Kraftstoff-Einspritzsystems. Um die Beanspruchbarkeit des Bauteils 1 unter zyklischer Belastung zu steigern, ist in die Bauteiloberfläche gezielt ein Druckeigenspannungsprofil eingebracht, welches der bei zyklischer Belastung an der Bauteiloberfläche wirkenden Lastverteilung entgegenwirkt. Die Druck-Eigenspannungen sind mittels Gasnitrierens des Bauteils 1 gezielt in die Bauteiloberfläche eingebracht, indem das Bauteil bei einer Nitriertemperatur zwischen ca. 420°C und ca. 620°C für eine von der erwünschten Zielfestigkeit abhängige Nitrierdauer gasnitriert wird Die Nitrierdauer kann bis zu 96 Stunden, vorzugsweise zwischen zwei und zwölf Stunden betragen.
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Durch das Gasnitrieren sind sowohl in die Bauteiloberfläche bzw. -randzone eine Nitrid-Diffusionsschicht 2, welche die gewünschte Festigkeitserhöhung und die erforderlichen Druck-Eigenspannungen erzeugt, eingebracht, als auch auf die Bauteiloberfläche eine Nitrid-Verbindungsschicht 3 aufgebracht. Die Erzeugung der Druck-Eigenspannungen in der Diffusionsschicht 2 beruht auf der Einlagerung (Eindiffusion) von Stickstoff in der Randzone. Die Verbindungsschicht 3 besteht überwiegend aus Eisennitriden, die auf der Bauteiloberfläche abgelagert wurden. Die Nitrier-Prozessparameter, wie z. B. Nitriertemperatur und – dauer, Stickstoffkonzentration etc., sind so gewählt, dass die Dicke d der Nitrid-Verbindungsschicht maximal 10 μm beträgt. Demgegenüber ist die Dicke D der Nitrid-Diffusionsschicht 2 deutlich größer und beträgt im gezeigten Ausführungsbeispiel ca. 0,3 mm.
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Wie in 2 gezeigt, betragen die durch das Gasnitrieren in das Bauteil 1 eingebrachten Druck-Eigenspannungen ES ungefähr 1000 MPa an der unmittelbaren Bauteiloberfläche und nehmen mit dem Abstand X von der Bauteiloberfläche exponentiell ab, bis sie in diesem Beispiel in einer Bauteiltiefe von ca. 0,3 mm in Zugeigenspannungen übergehen. Im Beispielbauteil 1 ist außerdem an der Bauteiloberfläche eine lokale Erhöhung der zyklischen Festigkeitseigenschaften festzustellen, hier dargestellt als Erhöhung der Härte H mit Werten von bis zu 1000 HV direkt an der Oberfläche. Diese lokal erhöhte Härte nimmt mit zunehmendem Abstand X ab und erreicht in dem Beispiel in einem Abstand von ca. 0,3 mm von der Oberfläche die Härte des Grundwerkstoffes.