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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Ermittlung
und Klassifizierung von Wandbewegungsstörungen eines Myokards
(Herzmuskels). Die Erfindung lässt sich insbesondere im Bereich
der Medizintechnik anwenden.
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Pathologische
Wandbewegungsstörungen des Myokards (Herzmuskels) ergeben
sich am häufigsten als Folge einer koronaren Herzerkrankung. Typischerweise
treten derartige Wandbewegungsstörungen nach einem Herzinfarkt
auf. Hierbei kommt es durch Verschluss eines oder mehrerer Herzkranzgefäße
zumindest zu einer Unterversorgung eines Myokardbereiches. Die Folge
davon kann eine lokale Schädigung des Myokards sein, die
sich als Myokardfehlfunktion, d. h. als Wandbewegungsstörung,
in diesem Bereich äußern kann. Für die
Beurteilung, ob eine pathologische Wandbewegungsstörung
vorliegt, ist neben Kenngrößen, die das Myokard
selbst kennzeichnen, insbesondere der zeitliche Ablauf der Bewegung
des Myokards von Interesse. Im Stand der Technik erfolgt diese Beurteilung
typischerweise anhand der Auswertung einer Zeitreihe von 3D-Bilddatensätzen
(4D-Bilddaten mit x-, y-, z-, und t-Koordinaten), die mit einem
bildgebenden medizinischen Gerät vom schlagenden Herzen
erfasst wurden. Zur Erfassung der Bilddatensätze werden vorzugsweise
Ultraschall-, CT- oder MR-Systeme verwendet. Die Auswertung und
Beurteilung der erfassten Bilddaten erfolgt im Stand der Technik
weitgehend manuell durch einen Fachmann, indem in Kurz- und Längsachsen-Schnittebenen
des Herzens durch manuelles oder automatisches weiterschalten von
Bilddatensatz zu Bilddatensatz, die Bewegung des Myokards rein visuell
betrachtet und beurteilt wird.
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Alternativ
ist bekannt, dass die Bewegung des Myokards durch die Darstellung
des schlagenden Herzens in dessen phasenweiser Volume-Rendering-Darstellung
abgeschätzt wird.
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Für
eine weitergehende quantitative Beurteilung der Wandbewegung hat
sich die Darstellung der Wandbewegung in so genannten „Polarmaps” etabliert.
Hierzu wird zunächst das Myokard in den jeweils aufgenommenen
Bilddatensätzen segmentiert (vgl. hierzu die Druckschrift
DE 10 2007 046 582
A1 ), anschließend die Wanddicke für jeden
Oberflächenpunkt des Myokards bestimmt und in einer Polarmap unter
Verwendung einer Polarkoordinatentransformation abgebildet.
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Obwohl
mit einer automatischen Segmentierung des Myokards und der Bestimmung
der vorstehend genannten Polarmaps eine Technik zur Verfügung
steht, um quantitative Werte der Wandbewegung zu bestimmen und zu
visualisieren, ist diese Vorgehensweise nach wie vor mit sehr viel
manueller Nutzerinteraktion verbunden. Eine Einordnung einer Wandbewegung
des Myokards als pathologisch erfolgt im Stand der Technik auf Basis
einer entsprechenden visuellen Betrachtung der erfassten Bilddatensätze.
Damit ist aber auch eine entsprechende Wahrscheinlichkeit von Falschbeurteilungen
verbunden, die für den Patienten ein Gesundheitsrisiko
darstellen.
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Aufgabe
der vorliegenden Erfindung ist ein Verfahren und eine Vorrichtung
zur Ermittlung und Klassifizierung von Wandbewegungsstörungen
eines Myokards anzugeben, bei der Wandbewegungsstörungen
des Myokards zuverlässig erkannt und klassifiziert werden
können.
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Die
Aufgabe wird gelöst mit dem Verfahren gemäß Anspruch
1 und mit der Vorrichtung gemäß Anspruch 19. Weitere
vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens bzw. der Vorrichtung
sind den Unteransprüchen, der nachfolgenden Beschreibung
sowie der 1 zu entnehmen.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren zur Ermittlung und
Klassifizierung von Wandbewegungsstörungen eines Myokards
durch Auswerten einer Zeitreihe von Bilddatensätzen, in
denen das Myokard abgebildet ist, weist folgende drei Verfahrensschritte
auf:
In dem ersten Schritt erfolgt ein Segmentieren des Myokards
(Herzmuskels) in den Bilddatensätzen der Zeitreihe. Dabei
kann das gesamte Myokard oder Teile davon segmentiert werden. Entsprechende Segmentierungsverfahren
sind im Stand der Technik bekannt. Nach der Segmentierung liegt
eine entsprechende Zeitreihe der segmentierten Bilddatensätze vor,
in deren Bilddaten nur noch das Myokard abgebildet ist. Die hierzu
erforderliche Segmentierungsgenauigkeit sollte einerseits möglichst
hoch sein, damit im Folgenden die Kenngrößenwerte
mit hinreichender Genauigkeit gewonnen werden können. Anderseits
steigt mit der Segmentierungsgenauigkeit auch der damit verbundene
Rechenaufwand, so dass je nach Anforderung im Einzelfall durch Auswahl
eines entsprechenden Segmentierungsverfahrens ein Kompromiss gefunden
werden kann.
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Die
Zeitreihe der Bilddatensätze wird für das Verfahren
zuvor bereitgestellt. Die Bilddatensätze können
zwei- oder dreidimensionale Bilddaten enthalten. Die Bilddatensätze
werden mittels eines bildgebenden medizinischen Gerätes,
wie bspw. ein CT-, MR-, NMR-, PET-, oder Sonographiegerät,
erzeugt.
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Im
zweiten Schritt erfolgt ein Ermitteln von Kenngrößenwerten
für eine oder mehrere Kenngrößen auf
Basis der segmentierten Bilddatensätze. Unter dem Begriff „Kenngröße” wird
vorliegend eine qualitative Eigenschaft des in den segmentierten Bilddatensätzen
abgebildeten Myokards bzw. ein aus den segmentierten Bilddaten direkt
oder mittelbar ermittelbare qualitative Eigenschaft des Myokards
verstanden. Die Kenngrößen können sich
bspw. auf das gesamte Myokard oder aber auf Teile davon, bspw. das
linksventrikuläre und/oder das rechtsventrikuläre Myokard,
oder einer Kombination daraus beziehen. Unter dem Begriff „Kenngrößenwert” wird
ein aus den Bilddaten der Bilddatensätze direkt oder mittelbar
ermittelbarer Wert einer Kenngröße verstanden.
Weiterhin können für das Verfahren mehrere Kenngrößen
zu einem Kenngrößenvektor zusammengefasst werden,
der somit einen aus mehreren qualitativen Eigenschaften zusammengesetzten
Zustand des Myokards beschreibt.
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Vorzugsweise
kommen als Kenngrößen in Betracht:
- – Eine lokale Wanddicke des Myokards, wobei die lokale
Wanddicke für einen, einige oder alle Oberflächenpunkte
des Myokards bestimmt sein kann,
- – eine zeitliche Änderung einer lokalen Wanddicke
des Myokards,
- – eine Position eines oder mehrerer Punkte an der Oberfläche
oder innerhalb des Myokards,
- – eine zeitliche Änderung einer Position eines oder
mehrerer Punkte des Myokards,
- – ein Herzvolumen oder ein Herzteilvolumen,
- – eine zeitliche Änderung eines Herzvolumens oder
eines Herzteilvolumens,
- – ein Parameter der Herzfunktion, wie bspw. die Auswurffraktion,
oder
- – eine zeitliche Änderung eines Parameters
der Herzfunktion, wie bspw. die Auswurffraktion.
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Weitere
eine Wandbewegungsstörung kennzeichnende Kenngrößen
sind dem Fachmann bekannt und können als Kenngrößen
im Verfahren entsprechend verwendet werden. Die Kenngrößenwerte geben
somit die in den segmentierten Bilddaten ermittelten Werte bspw.
die lokale Wanddicke des Myokards, etc. an.
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Im
dritten Schritt erfolgt eine Auswertung der Kenngrößenwerte
mittels eines trainierten Klassifikators. Ein Klassifikator ist
vorliegend insbesondere eine programmgestützte Einheit,
die einen Merkmalsraum auf eine Menge von Klassen abbildet. Der Merkmalsraum
wird vorliegend durch die in den segmentierten Bilddaten ermittelten,
das Myokard kennzeichnenden Kenngrößenwerte gebildet.
Die Klassifikation der Kenngrößenwerte, d. h.
die konkrete Zuordnung eines Kenngrößenwertes
oder einer Kombination von Kenngrößenwerten zu
einer Klasse, kann je nach interessierender Fragestellung durch
ein entsprechendes Training des Klassifikators angepasst werden.
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Klassifikatoren
sind im Stand der Technik hinreichend bekannt.
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Der
Begriff Trainieren ist vorliegend breit zu verstehen. Trainieren
des Klassifikators bedeutet zum einen, dass dem Klassifikator Trainingskenngrößenwerte
oder Kombinationen von Trainingskenngrößenwerten
und deren Klassifizierung (Einordnung in eine Klasse) bekannt gemacht
werden, um ihn so in die Lage zu versetzen die in Schritt 1.2. ermittelten Kenngrößenwerte/Kombinationen
von Kenngrößenwerten in die entsprechenden Klassen
einordnen zu können. Trainieren bedeutet bspw. auch, mit
Hilfe des Klassifikators einen Kenngrößenvektor
(d. h. eine Kombination von Kenngrößen) derart
zu erstellen, dass dieser möglicht kurz ist, und zum anderen die
darin enthaltenen Kenngrößen die Klassifikation möglichst
gut durchführen.
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Weiterhin
sind in Zusammenhang mit dem Training von Klassifikatoren verschiedene
Trainingsarten (Lernarten) bekannt: betreutes Lernen (supervised
learning), halb-betreutes Lernen (semi-supervised learning), aktives
Lernen (active learning), Selbst-Training (self-training), unterstütztes
Lernen (reinforcement learning), oder unbetreutes Lernen (unsupervised
learning), die für das erfindungsgemäße
Verfahren je nach Anforderung angewandt werden können.
Weitere Details zum Thema Trainieren eines Klassifikators können
dem einschlägigen Stand der Technik entnommen werden.
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In
einer besonders bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen
Verfahrens wird der Klassifikator auf Basis von Trainingskenngrößenwerten
bekannter Wandbewegungsstörungen des Myokards trainiert.
Dieses Training erfolgt bevorzugt überwacht.
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In
einer weiteren besonders bevorzugten Ausführungsform des
erfindungsgemäßen Verfahrens geht es darum, die
für die Kenngrößen in den segmentierten
Bilddatensätzen ermittelten Kenngrößenwerte
nach einem entsprechenden Training des Klassifi kators einer der
beiden Klassen: „ohne Befund” (= es liegt keine
pathologische Wandbewegungsstörung vor) und „mit
Befund” (= es liegt eine pathologische Wandbewegungsstörung
vor) rechnergestützt fehlerfrei zuzuordnen.
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Die
Verfahrensschritte 1.1. bis 1.3. werden bevorzugt automatisiert
ausgeführt. Somit ist es insbesondere möglich,
sehr schnell und ohne die bisher erforderliche Nutzerinteraktion
das vorliegen einer pathologischen Wandbewegungsstörung
zuverlässig zu erkennen. Schließlich wird vorzugsweise
ein Ergebnis der Auswertung der Kenngrößenwerte
durch den trainierten Klassifikator auf einem Anzeigegerät, bspw.
einem Monitor, angezeigt.
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Die
Gesundheitsrisiken, die mit bisher bekannten Verfahren zur Erkennung
von pathologischen Wandbewegungsstörungen einhergehen,
können mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
reduziert werden. Darüber hinaus kann der behandelnde Arzt von
der Integration einer großen Wissensbasis durch den trainierten
Klassifikator profitieren.
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Der
vorrichtungsgemäße Teil der Aufgabe wird durch
die Vorrichtung gemäß Anspruch 19 gelöst.
Die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Ermittlung
und Klassifizierung von Wandbewegungsstörungen eines Myokards,
weist auf: eine Einheit zur Bereitstellung einer Zeitreihe von Bilddatensätzen,
in denen das Myokard abgebildet ist (bspw. eine Speichereinheit
oder eine Datenschnittstelle), ein ersten Modul, mit dem das Myokard
in den Bilddatensätzen segmentierbar ist, ein zweites Modul,
mit dem ein oder mehrere Kenngrößenwerte für
eine oder mehrere Kenngrößen auf Basis der segmentierten
Bilddatensätze ermittelbar sind, und ein drittes Modul,
mit dem die Kenngrößenwerte mittels eines trainierten Klassifikators
auswertbar sind. Vorzugsweise umfasst die Vorrichtung eine Anzeigeeinheit
zur Anzeige eines Ergebnisses der Auswertung der Kenngrößenwerte
durch den trainierten Klassifikator.
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Zur
Beschreibung der erfindungsgemäßen Vorrichtung
sowie vorteilhafter Ausführungsformen wird auf die vorstehende
Verfahrensbeschreibung verwiesen, die analog auf die Vorrichtung übertragbar
ist.
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Die
Erfindung wird nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen
erläutert. Es zeigen:
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1 einen
schematischen Verfahrensablauf eines Ausführungsbeispiels
des erfindungsgemäßen Verfahrens, und
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2 einen
schematischen Aufbau einer erfindungsgemäßen Vorrichtung.
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Die
1 zeigt
den Verfahrensablauf eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen
Verfahrens. In Schritt
101 erfolgt zunächst das
Bereitstellen einer Zeitreihe von 3D-CT-Bilddatensätzen,
in denen das Myokard eines Patienten abgebildet ist. Die 3D-CT-Bilddatensätzen
wurden zuvor durch Abtastung des Patienten mittels eines Computertomographen
(CT) erzeugt. In Schritt
102 erfolgt eine automatisch bestimmte
Segmentierung des linksventrikulären Myokards in den Bilddatensätzen
gemäß dem in der Druckschrift
DE 10 2007 046 582 A1 beschriebenen
Verfahren. Der Offenbarungsgehalt dieser Druckschrift wird hiermit
in vollem Umfang in diese Beschreibung einbezogen. Dies gilt insbesondere für
die Beschreibung des Segmentierungsverfahrens. Als Ergebnis dieses
Schrittes liegt eine Zeitreihe segmentierter Bilddatensätze
vor, in denen jeweils nur Bilddaten enthalten sind, die das linksventrikuläre Myokard
repräsentieren. In Schritt
103 werden Kenngrößenwerte
für Kenngrößen auf Basis der in Schritt
102 segmentierten
Bilddatensätze ermittelt. Als Kenngrößen
für eine maschinelle (automatische) Klassifikation pathologischer
Wandbewegungsstörungen bieten sich grundsätzlich
die in einem Polarmap Abtastschema bestimmten Wanddicken des linksventrikulären
Myokards an. Darüber hinaus kann auch die Zeit-Volumen-Kurve
sowie die üblichen volu metrischen Parameter der Herzfunktion
wie z. B. die Auswurffraktion als Merkmal für die Klassifikation verwendet
werden. Die Verwendung der Zeit-Volumen-Kurve als Kenngrößenmerkmal
bietet den Vorteil, dass das Klassifikationsverfahren für
alle Modalitäten genutzt werden kann, mit denen die Zeit-Volumen-Kurve
bestimmt werden können. In dem vorliegenden Ausführungsbeispiel
wird in jedem segmentierten Bilddatensatz für jeden Oberflächenpunkt
des linksventrikulären Myokards die lokale Wanddicke bestimmt.
Darüber hinaus wird für jeden segmentierten Bilddatensatz
das linksventrikuläre Volumen des Myokards und damit die
entsprechende Zeit-Volumenkurve bestimmt. In Schritt
104 erfolgt
eine Auswertung in Schritt
103 ermittelten Kenngrößenwerte (lokale
Wanddicke und Volumen für das linksventrikulären
Myokard) mittels eines trainierten Klassifikators. Zur vollautomatischen
Erkennung von pathologischen Wandbewegungsstörungen berechnet
der trainierte Klassifikator bspw. die Wahrscheinlichkeit für
das vorliegen einer bestimmten Pathologie. In Schritt
105 wird
das Ergebnis von Schritt
104 auf einem Anzeigegerät
(
50) angezeigt.
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Die 2 zeigt
den schematischen Aufbau eines Ausführungsbeispiels der
erfindungsgemäßen Vorrichtung 1. Die
Vorrichtung 1 zur Ermittlung und Klassifizierung von Wandbewegungsstörungen
eines Myokards, weist auf: eine Einheit 10 zur Bereitstellung
einer Zeitreihe von Bilddatensätzen, in denen das Myokard
abgebildet ist, ein ersten Modul 20, mit dem das Myokard
in den Bilddatensätzen segmentierbar ist, ein zweites Modul 30,
mit dem Kenngrößenwerte für eine oder
mehrere Kenngrößen auf Basis der segmentierten
Bilddatensätze ermittelbar sind, ein drittes Modul 40,
mit dem die Kenngrößenwerte mittels eines trainierten
Klassifikators auswertbar sind, und eine Anzeigeeinheit 50,
mit der ein Ergebnis der Auswertung der Kenngrößenwerte
durch den trainierten Klassifikator anzeigbar ist.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- - DE 102007046582
A1 [0004, 0026]