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Die
vorliegende Erfindung betrifft ein Servo-Lenksystem für Kraftfahrzeuge,
insbesondere ein elektromechanisches Servo-Lenksystem, sowie ein Verfahren
zum Betreiben eines Servo-Lenksystems.
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Derartige
Lenksysteme umfassen gewöhnlich
einen Regelkreis, dessen Regelgröße zumindest von
dem Lenkradmoment abhängig
ist. Die in einem Steuergerät
gespeicherten Vorgabefunktionen dienen dem Berechnen des Sollwerts
des unterstützenden
Moments in Abhängigkeit
von Eingangsgrößen des
Steuergerätes,
insbesondere des Lenkradmomentes.
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In 1 ist
der übliche
Aufbau eines elektromechanisch arbeitenden Servo-Lenksystems eines Kraftfahrzeugs
dargestellt, welches ein Lenkrad 1 aufweist, das über einen
ersten Abschnitt 2 einer Lenkstange 13 mittels
eines oder mehrerer Kreuzgelenke 7 fest mit einem zweiten
Abschnitt 3 der Lenkstange verbunden ist. Die Lenkstange 13 überträgt das von
dem Fahrer des Kraftwagens auf das Lenkrad 2 aufgebrachte
Moment auf ein Ritzel 6, das in eine Zahnstange 8 eingreift,
die horizontal zur Achse des Fahrzeuges zwischen zwei gelenkten
Rädern 11 angeordnet
ist. Das Ritzel 6 kann auch durch ein beliebiges anderes Übertragungsmittel
gebildet sein, zum Beispiel eine Schneckenwelle. Jedes gelenkte Rad 11 ist
in der Lage, sich bei einer linearen Bewegung der Zahnstange 8 um
eine vertikale Drehachse A zu drehen, wobei das gelenkte Rad 11 über die Zahnstange 8 von
einem Gestänge 10 durch
einen Servomotor 9 angetrieben wird.
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Das
Servo-Lenksystem besitzt ferner eine Servo-Steuerung, die dazu dient,
auf die Zahnstange 8 eine Kraft auszuüben, die in der gleichen Richtung wirkt
wie die Kraft des Ritzels 6, wodurch dem Fahrer des Fahrzeugs
das Drehen des Lenkrads 1 erleichtert wird. Die Servo-Steuerung
umfasst einen Servomotor 9, dessen Ausgangsmoment von einem
elektronischen Steuergerät 12 gesteuert
wird, welches ein Sollwertsignal S des Hilfsmomentes an den Servomotor 9 liefert.
Das Ausgangsmoment des Servomotors 9 wird mittels einer
nicht dargestellten Antriebswelle des Servomotors 9 auf
die Zahnstange 8 und damit die Räder 11 übertragen.
Wegen der erheblichen zu übertragenden
Kräfte
wirkt die Antriebswelle des Servomotors 9 in der Regel über ein
nicht näher
dargestelltes Kugelgetriebe 14 auf die Zahnstange 8.
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Die
Abtriebswelle des Servomotors 9 ist somit über das
Kugelgetriebe 14, die Zahnstange 8 und das Ritzel 6 mechanisch
mit der Lenkstange 13 verbunden. Die mechanische Verbindung
zwischen der Abtriebswelle und der Lenkstange 13 kann aber
auch direkt erfolgen, indem die Abtriebswelle an der Lenkstange 13 über ein
geeignetes Getriebe direkt angreift. In dem Fall sitzt der Servo-/Unterstützungsmotor
an der Lenkstange. Die Abtriebswelle des Elektromotors unterstützt dabei
den Lenkeinschlag des Lenkrads 1, indem sie mittels der
vorstehend genannten mechanischen Einrichtungen auf die Lenkstange 13 ein
Hilfsmoment ausübt,
das direkt von dem Ausgangsmoment des Servo-Motors 9 und
folglich von dem Sollwertsignal S des Hilfsmoments abhängt.
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Das
Steuergerät 12 ist
in der Regel derart aufgebaut, dass es aufgrund der ankommenden
Eingangsignale, z. B. des Drehmomentes DM und/oder des Drehwinkels
DW, die Höhe
des durch den Servo-Motor 9 auszuübenden Hilfsmomentes berechnet und
den entsprechenden Sollwert S an den Servomotor 9 ausgibt.
Mit Hilfe geeigneter, in dem Steuergerät 12 abgelegter Berechnungsalgorithmen
wird dabei das Hilfsmoment in der Regel derart bestimmt, dass in
Abhängigkeit
von der errechneten Differenz des Drehwinkels DW und einem von einem
Lenkwinkelsensor 15 gemessenen Lenkwinkel LW der Räder 11 ein
von dem Servo-Motor 9 aufzubringendes Hilfsmoment bestimmt
wird. Dieses Hilfsmoment ist derart groß gewählt, dass hinsichtlich des
insgesamt zur Betätigung
der Räder
aufzubringenden Momentes am Lenkrad ein Restmoment übrig bleibt,
welches von dem Fahrer gut beherrschbar ist. Damit wird in der Regel
das Hilfsmoment auch von Größen abhängen, die
Einfluss auf das Lenkmoment der Räder besitzen, wie beispielsweise
Drehwinkelgeschwindigkeit, Temperatur, Fahrzustand des Fahrzeugs,
Straßenverhältnisse
und so weiter.
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Mit
den schwerer werdenden Fahrzeugen und den ansteigenden Ansprüchen an
den Fahrkomfort ist auch das von den Servomotoren ausgeübte Hilfsmoment
der Servolenkung stark gestiegen. Auf diese Weise ergibt sich eine
erheblich größere Verstärkung der
auf das Lenkrad wirkenden Drehmomente. Dies gilt auch dann, wenn
Anregungen des Fahrweges über
das Lenksystem auf das Lenkrad übertragen
werden. Es wurden daher erhebliche Anstrengungen unternommen, um
diese Störungen
zu reduzieren, wobei die Bekämpfung
dieser Störungen gezielt
auf die unterschiedlichen Störquellen
ausgerichtet wird, um die hieraus resultierenden Störungen entkoppelt
bekämpfen
zu können.
Eine hiervon abweichende Vorgehensweise hat sich als unbrauchbar erwiesen,
da eine große
Summe von sich einander überlagernden
Störsignalen
nicht mehr reproduzierbar ist und somit nicht mehr durch geeignete
Steuersignale beeinflusst werden kann. Dem Hersteller großer Fahrzeugserien
bleibt daher nur die Möglichkeit, die
Störungen
einzelner Störquellen
gezielt zu untersuchen und gezielt zu bekämpfen, da die Fahrzeuge nicht
einzelnen und für
sich abgestimmt werden können.
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Bei
elektromechanischen Lenksystemen ist der mechanische Wirkungsgrad
eine entscheidende Größe für die haptischen
Eigenschaften. Der mechanische Wirkungsgrad ist ein Maß für die Leichtgängigkeit
(lenkradseitige Anregung) und Stoßempfindlichkeit (straßenseitige
Anregung) des Lenksystems. Bei Lenkgetrieben ist der Wirkungsgrad
richtungsverschieden, so dass unterschieden werden muss zwischen
Führungswirkungsgrad
(lenkradseitigen Anregung) und dem Störwirkungsgrad (straßenseitige
Anregungen). Der Störwirkungsgrad
ist bei Zahnstangenlenkungen gegenüber dem Führungswirkungsgrad erhöht. Dies
führt zu
einer unerwünschten Übertragung
der von der Fahrbahn ausgehenden Störungen auf das Lenkrad.
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Der
Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, ein Servo-Lenksystem
sowie ein Verfahren zum Betreiben eines Servo-Lenksystems zu schaffen,
mittels derer die Kompensation von Störanregungen auf ein Lenkrad
verbessert wird.
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Die
Lösung
des technischen Problems ergibt sich durch die Gegenstände mit
den Merkmalen der Ansprüche
1 und 6. Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben
sich aus den Unteransprüchen.
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Die
Erfindung besteht im Prinzip darin, dass eine Erkennungseinrichtung
vorgesehen ist, welche zwischen lenkradseitigen und straßenseitigen
Anregungen zu unterscheiden in der Lage ist, dass eine Kompensationseinrichtung
vorgesehen ist, welche das zur Beseitigung der straßenseitigen
Störungen notwendige
Kompensationsmoment berechnet, dass eine Überlagerungseinrichtung vorgesehen
ist, welche dem Sollmoment-Signal das von der Kompensationseinrichtung
abgegebene Kompensationssignal überlagert,
und dass eine Antriebseinheit abhängig von dem so gebildeten
korrigierten Sollmoment-Signal gesteuert wird.
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In
einer bevorzugten Ausführungsform
umfasst das Servo-Lenksystem einen Situations-Erkenner, welcher aufgrund interner
Signale des Lenksystems und/oder einer ESP-Lenkwinkelsensorik die aktuelle Fahrsituation
bestimmt und ein an die Fahrsituation angepasstes Adaptionssignal
ausgibt, wobei ein Korrigierer vorgesehen ist, in welchem das Kompensationssignal
entsprechend der aktuellen Fahrsituation durch das Adaptionssignal
korrigiert wird.
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In
einer weiteren bevorzugten Ausführungsform
umfasst die Erkennungseinrichtung einen Entscheider, welcher in
Abhängigkeit
von internen Signalen des Lenksystems und/oder der ESP-Lenkwinkelsensorik
entscheidet, ob es sich bei den gemessenen Signalen um eine Führungsgröße, eine
Störgröße oder
um beide Größen handelt.
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In
einer weiteren bevorzugten Ausführungsform
ist der Entscheider mit einer Fuzzy-Logik ausgebildet.
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In
einer alternativen Ausführungsform
ist der Entscheider mit einem Laufzeiterkenner ausgebildet, der
die Reihenfolge des Erscheinens eines Signals an dem dem Lenkrad
zugeordneten Lenkwinkelsensor und an dem der Antriebseinheit zugeordneten Lenkwinkelsensor überprüft und anhand
der Reihenfolge des Erscheinens des Signals an den beiden Lenkwinkelsensoren
entscheidet, ob es sich um eine lenkradseitige oder eine straßenseitige
Anregung handelt.
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Die
Ausführungen
für das
Servo-Lenksystem gelten auch vollinhaltlich für das parallel beanspruchte
Verfahren zum Betreiben eines solchen Servo-Lenksystems.
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Die
Erfindung wird nachfolgend anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels
näher erläutert. Die
Fig. zeigen:
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1 einen
schematischen Aufbau einer elektromechanischen Servolenkung,
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2 einen
beispielhaften Verlauf von Führungs-
und Störungswirkungsgrad
bei einem elektromechanischen Zahnstangen-Lenksystem,
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3 das
erfindungsgemäße Wirkprinzip zur
Minimierung der Stoßempfindlichkeit
und zur Vermeidung von straßenseitigen
Störanregungen
und
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4 ein
Blockschaltbild zur Darstellung des erfinderischem Prinzips der
Reduktion straßenseitigen
am Störempfindlichkeit
bei einem elektromechanischen Lenksystem.
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Nachdem
Einzelheiten zu 1 schon eingangs erläutert wurden,
zeigt 2 beispielhaft den Führungs- und Störungswirkungsgrad
bei elektromechanischen Zahnstangen-Lenksystemen. Der Störwirkungsgrad ist bei der Zahnstangenlenkung
gegenüber
dem Führungswirkungsgrad
erhöht.
Dies kann zu einer unerwünschten,
von der Fahrbahn ausgehenden Störung
auf das Lenkrad führen.
Vorteilhaft ist es, wenn der Führungswirkungsgrad
deutlich erhöht
gegenüber
dem Störwirkungsgrad
ist. Hierdurch wird gewährleistet,
dass die geforderte Feinfühligkeit der
Lenkung bei gleichzeitig geringer straßenseitiger Stoßempfindlichkeit
gegeben ist.
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3 zeigt
die Möglichkeit,
die lenkradseitige von einer straßenseitigen Anregung unterscheiden
zu können.
Hierzu kann ein Entscheider dienen, wie er in 3 näher beschrieben
ist. Unter Nutzung von lenksysteminternen Signalen und/oder Signalen der
ESP-Lenkwinkelsensorik wird via Softwarealgorithmus detektiert,
ob ein lenkradseitiger eingeleiteter Lenkbefehl vorliegt oder ob
es sich um eine straßenseitige
Störanregung
handelt. Bei erkannter straßenseitiger
Anregung wird ein Kompensationsmoment generiert, derart, dass die
Störanregung
durch die elektrische Antriebsmaschine des Lenksystems fahrsituationsabhängig kompensiert
wird und die Störung nicht
an das Lenkrad gelangt.
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In 3 sind
die einzelnen Blöcke
mit einer ausführlichen
Beschreibung versehen, so dass diese Figur selbsterklärend ist.
Der Entscheider gemäß 3 kann
sich entsprechend der Darstellung nach 4 einer
Fuzzy-Erkennungslogik bedienen. Fuzzy-Logik ist eine Theorie, welche
vor allem für
die Darstellung des menschlichen (und damit unscharfen) Wissens
entwickelt wurde. Sie ist eine Verallgemeinerung der zweiwertigen
Booleschen Logik um einen weiteren unscharfen Wahrheitswert, der
zwischen wahr (1) oder falsch (0) liegt. Beispielsweise kann der
Wahrheitswert den Wert 0,5 annehmen, so dass damit auch unscharfe
Angaben wie ”ein
bisschen”, ”ziemlich” oder ”stark” mathematisch
behandelt werden können.
Damit arbeiten fuzzylogikunterstützte
Programme näher
am menschlichen Denken als übliche
Programme.
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Mit
Hilfe der Fuzzy-Logik werden gemäß 4 aufgrund
der entsprechenden Eingangssignale eindeutige Entscheidungen getroffen,
die in der Tabelle ”Aktionsentscheidung” abgelegt
werden und so für
die Entscheidung zur Verfügung
stehen, ob eine festgestellte Anregung nun als straßenseitige
Anregung kompensiert werden soll oder als lenkradseitige Anregung
nicht kompensiert werden soll.
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Eine
andere Möglichkeit
zur Unterscheidung von straßenseitigen
Anregungen gegenüber
lenkradseitigen Anregungen ist eine Laufzeiterkennung. Aufgrund
der Systemträgheit
bzw. endlichen Übertragungsgeschwindigkeit
des Lenksystems sprechen bei einer durch den Fahrer durchgeführten Lenkbewegung
zunächst
der Lenkradlenkwinkelsensor und dann der Motorwinkellagesensor an
(Winkelsignal des Lenkradsensors eilt dem Motorwinkellagesensor vor).
Bei einer straßenseitigen
Anregung (z. B. unebene Straße/Kopfsteinpflaster,
Schlagloch, ...) eilt das Motorwinkellagesensorsignal dem Lenkradlenkwinkelsignal
vor (Signalvorlaufvergleich/-phasenvergleich). Somit ist es möglich, zwischen
der Führungs- und
der Störgröße zu unterscheiden.
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Im
nächsten
Schritt erfolgt eine Plausibilitätsprüfung, ob
der Fahrer selbst lenken wollte. Dieses wird durch Analyse des Handmoments
des Fahrers erreicht. Ist dieses Moment nahezu konstant oder von
der Bewegungsrichtung entgegen dem Störmoment, wollte der Fahrer
scheinbar nicht lenken bzw. in die andere Richtung lenken, und es
handelt sich um eine Störgröße. Bei
gleichgerichtetem Moment handelt es sich bei der Auslenkung um den
Fahrerwunsch, wobei die Führungsgröße in der
Regel immer größer als
die Störgröße sein
sollte, auch wenn diese in die gleiche Lenkrichtung wirken. In 4 ist dazu
eine Entscheidungsmatrix angegeben, mit der der Regelalgorithmus
entscheidet, in welchen Fällen eine
Kompensation vorzunehmen ist.
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Bei
Einkopplung einer Störgröße wird
im nächsten
Schritt ermittelt, wie groß die
Führungs- und die Störgröße jeweils
ist und welche Kompensation vorzunehmen ist. Dazu misst eine Drehmomenteinheit
das Handmoment des Fahrers (= Führungsgröße). Das
erfasste Störmoment
wird ermittelt über
den gemessenen Motorwinkel, der mit einem Faktor multipliziert wird.
Dieser Faktor ist von der Konstruktion der Lenkung abhängig und
statisch.
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Das
Störmoment
wird als adaptierte Stellgröße dem Antriebsmotor
zugeführt.
Je nachdem, welche Rückkopplung
an der Lenkung über
die Fahrbahnbeschaffenheit gewünscht
ist, kann der Faktor eingestellt werden (fahrtypabhängig (z.
B. personalisierbar), fahrsituationsabhängig, fahrgeschwindigkeitsabhängig, korreliert
mit Fahrzeugdämpfereinstellungen
(komfortabel – sportlich)
etc.).
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Unabhängig davon,
ob nun die Entscheidung über
die Art der Anregung (straßenseitig
oder lenkradseitig) mittels Laufzeitvergleich oder mittels des Entscheides
nach 4 mit Fuzzy-Logik
getroffen wird, empfiehlt es sich, die Kompensationen der Störsignale
von der aktuellen Fahrsituation abhängig zu machen. Dies ist durch
die entsprechend bezeichneten Blöcke
in 3 und in 4 angedeutet.
Wird beispielsweise festgestellt, dass sich das Fahrzeug auf einer
schnellen Geradeausfahrt (Autobahn) befindet, so macht es wenig
Sinn, ein einmaliges Schlagloch als Störung auf das Lenkrad zu übertragen.
In diesem Fall wird man daher die straßenseitigen Anregung stark
kompensieren. Umgekehrt ist es nicht sinnvoll, bei einer Fahrt über grobes
Kopfsteinpflaster oder einen Feldweg durch eine sehr starke Kompensation
der Straßenanregung
zu versuchen, den Fahrer darüber
im unklaren zu lassen, dass er sich auf einer schlechten Wegstrecke
befindet. Im Übrigen
stände
in diesem Fall die Bewegung des Lenkrades im Gegensatz zur Bewegung
des Fahrzeugsaufbaus, was leicht zu Irritationen des Fahrers und
damit zu seiner Ablenkung vom Fahrgeschehen führen könnte. Dabei sei angemerkt,
dass nicht alle in 4 dargestellten Eingangsgrößen für den Entscheider
und die Fahrsituationserkennung notwendig sind, sondern einzelne
Eingangsgrößen weggelassen
werden können.