-
Die
Erfindung betrifft ein Schienenfahrzeug mit mindestens einem Zugsicherungssystem.
-
Bisher
wurden Lokomotiven und Züge
mit länderspezifischen
Zugsicherungssystemen ausgerüstet
und in die Länder
geliefert, in denen die Fahrzeuge grundsätzlich fahren sollen. Diese
Zugsicherungssysteme bilden mit dem Fahrzeug eine feste, zugelassene
Einheit.
-
Da
zunehmend Fahrzeuge von Leasinggesellschaften gekauft werden, ist
nicht von vornherein klar, in welchen Ländern der jeweilige Betreiber
die Fahrzeuge einsetzen wird, so dass entweder zu viele Zugsicherungssysteme
an board sind oder Zugsicherungssysteme fehlen und aufwändig nachgerüstet werden
müssen.
Aber auch staatliche Bahngesellschaften operieren zunehmend international
und müssen
flexibel auf Transportbedarfe reagieren können. Die Fahrzeuge selber
sind aufgrund ihrer Antriebskonzepte – bis zu vier unterschiedliche
Stromabnehmersysteme oder Dieselantrieb – im wesentlich nur durch die
Zugsicherung in ihrer Einsetzbarkeit begrenzt.
-
Eine
systemische Betrachtung der mit der europäischen Zugsicherung verbundenen
Prozesse, Systeme und Regeln bezogen auf Hersteller, Betreiber und
Behörden
zeigt, dass das System Zugsicherung, d. h. die Summe aller alten
Zugsicherungssysteme – nachfolgend
Altsysteme genannt – sowie ETCS – European
Train Control System – neu
konzipiert werden muss, um zukünftigen
Anforderungen zu genügen
und dass hierfür
die technischen Voraussetzungen fehlen.
-
Das
Problem ist die starre Kombination von verschiedenen, nationalen
Zugsicherungssystem mit einem speziellen Fahrzeugtyp.
-
Dies
führt zu
erheblichem Platzbedarf – bis zu
drei 19'' – Schränke – und erheblichem Fahrzeuggewicht,
verbunden mit Achslastproblemen, sowie hohen Lifecycle- und Investitionskosten – bis zu
30% des Gesamtfahrzeugpreises.
-
Dieses
Problem wird durch die Einführung von
ETCS weiter verschärft,
da ein zusätzliches
System in diesen starren Verbund eingefügt wird. Erst langfristig werden
Altsysteme durch ETCS abgelöst. Bis
dahin müssen
die Fahrzeuge doppelt ausgerüstet werden.
-
Bisher
wurde auf den Fahrzeugen der Maximalausbau mit Altsystemen realisiert,
um alle vorstellbaren Einsatzfälle
abzudecken oder es wurden die befahrbaren Länder beschränkt oder aufwändige Nachrüstungen
wurden durchgeführt.
-
In
Einzelfällen
wird versucht, Altsysteme mit dem zusätzlich benötigten ETCS zu kombinieren – Bi-Lösungen.
Beispielsweise mit USSB – Universal STM
Safe Box – wird
die Weiternutzung alter Zugsicherungssysteme ermöglicht, indem STMs – Specific Transmission
Modules – für den ETCS-Betrieb
verwendet werden. Dies führt
aber nicht zur Reduktion von Systemen auf dem Fahrzeug und dient
nicht dem flexiblen Einsatz von Altsystemen je nach Fahrauftrag.
-
Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das Zusammenspiel aller Altsysteme
auf dem Fahrzeug zu verbessern. Die Altsysteme sollen flexibel eingesetzt
oder abgelöst
werden können.
-
Starre
Kopplung Zugsicherungssysteme/Fahrzeug sollen vermieden werden.
-
Die
Aufgabe wird durch Einführung
einer Schnittstelle „Train
Control Manager” – TCM – gemäß Anspruch
1 gelöst.
Der TCM wird fester Bestandteil des Fahrzeugs und ermöglicht als
Plattform den flexiblen Ein- und Ausbau von Altsystemen, d. h. von sogenannten
Class B-Zugsicherungssystemen. Der TCM ist vorzugsweise eine signaltechnisch
sichere Funktion auf einer SIL4-HW, die vorhandene Class B-Zugsicherungssysteme
und den Fahrzeugtyp sicher erkennt und mit den erlaubten Konfigurationen Schienenfahrzeugtyp/Zugsicherungssystem
automatisch vergleicht. Der TCM prüft, ob die gewählte Konfiguration
zugelassen ist und ermöglicht
oder verweigert dem Triebfahrzeugführer über ein Driver-Machine Interface – DMI – mittels
plug&play Funktionalität die Aktivierung
und Bedienung der verschiedenen Systeme.
-
Durch
die Trennung der Einheit Zugsicherungssysteme/Fahrzeug und da nicht
alle möglichen Kombinationen
von Altsystemen zu einer Zeit gebraucht werden, müssen nur
die tatsächlich
benötigten
Systeme mitgenommen werden. Daraus resultieren insbesondere folgende
Vorteile:
- – geringerer
Einbauraum im Fahrzeug,
- – geringeres
Fahrzeuggewicht,
- – Fahrzeughersteller
können
das Fahrzeug ohne eingebaute Zugsicherung verkaufen – keine
Kettengeschäfte,
- – Fahrzeugbetreiber
können
einen Pool von Altsystemen anlegen,
- – Leasinggeschäft und 2nd-hand-markt
wird für Altsysteme
möglich,
- – Der
Mehraufwand durch den TCM und die zusätzlichen Kassetten für die Altsysteme
wird durch die Einsparungen ungenutzter Altsysteme um ein Mehrfaches übertroffen
sowie
- – alle
TEN-T-Korridore werden befahrbar mit nur einem Schrank.
-
Die
unabhängige
Betrachtung verschiedener nationaler Altsysteme durch die jeweilige
Zulassungsbehörde
ermöglicht
eine beschleunigte Markteinführung
neuer Fahrzeuge, da nicht alle Zulassungen sofort vorhanden sein
müssen
und nach Erweiterung mit zusätzlichen
Altsystemen keine Wiederzulassung nach Bauartänderung bei den Behörden der anderen
schon zugelassenen Altsysteme erforderlich ist.
-
Durch
das Wissen über
die – temporär – eingebauten
Altsysteme an zentraler Stelle mit Hilfe des TCM ergeben sich insbesondere
folgende Vorteile:
- – Synergiemöglichkeiten für Displays
und Sensoren/Antennen, indem der TCM als „Peripherieweiche” fungiert,
- – komfortablere
Bedienerführung
im Umgang mit den Altsystemen via TCM-Dislpay,
- – der
TCM kapselt die temporär
vorhandenen Altsysteme gegenüber
einem optionalen EVC und stellt diesem die Altsystemkonfiguration
dynamisch zur Verfügung – Wegfall
der EVC-Projektierung
bzgl. der Altsysteme und
- – automatische
Transition von Altsystemen in Abhängigkeit von Streckeninformationen
via Eurobalisen.
-
Möglich ist
eine „ETCS-ready” Eigenschaft, da
die TCM-Hardware EVC-geeignet ist und umgekehrt. Daraus ergeben
sich vor allem kommerzielle Vorteile.
-
Möglich ist
darüberhinaus
die Verwendung nur einer Systembasis mit ETCS-Antenne für verschiedene
nationale P44-Systeme, wodurch eigenständige P44-Rechner eingespart
werden können. Das
TCM unterstützt
nationale Migrationspläne
zu ETCS über
den Zwischenschritt der P44-Lösung.
-
Alternativ
zu manueller Auswahl des Zugsicherungssystems durch den Triebfahrzugführer kann der
TCM gemäß Anspruch
2 die Aktivierung der Zugsicherungssysteme in Abhängigkeit
von Streckeninformationen auch automatisch durchführen.
-
Gemäß Anspruch
3 ist ein Konfigurationenspeicher vorgesehen. Vorzugsweise ist ein
Einbauschrank mit dem Fahrzeug fest verbunden und trägt u. a.
den Speicher, der eine MD5-codierte Tabelle mit allen zugelassen
Altsystemkombinationen umfasst. Dieser Speicher kann vom TCM über ein
Profinet/-bus-IO-Modul gelesen werden.
-
Durch
die sichere Speicherung der erlaubten Konfigurationen im Einbauschrank
auf dem Fahrzeug ergeben sich folgende Vorteile:
- – Der TCM
muß nicht
projektiert werden, sondern bildet seine Projektierung dynamisch
aus den Codes.
- – Durch
die flexible Erweiterung um zusätzliche Konfigurationen
werden weitere Länder
befahrbar, ohne das Schrankkonzept ändern zu müssen.
- – Das
TCM bildet die Grundlage für
intelligentes Konfigurations- und Asset-Management der Hersteller,
Behörden
und Betreiber.
-
Der
Einbauschrank nimmt gemäß Anspruch 4
außer
dem fahrzeugtypspezifischen Speicher vorzugsweise auch Altsystem-Kassetten
auf. Dabei ist jedes Altsystem fest in einer Kassette eingebaut,
die ebenfalls einen Speicher mit einer eindeutigen elektronischen
MD5-Codierung trägt,
die vom TCM über ein
Profinet/-bus/-IO-Modul gelesen werden kann. Die Kassetten können in
den Einbauschrank gesteckt werden und ermöglichen alle notwendigen elektrischen
Verbindungen zu der Peripherie des Altsystemes, z. B. galvanisch
oder per Funk, insbesondere per WLAN. Die nationale Zulassung wird
auf die jeweilige Kombination des nationalen Altsystems in seiner
Kassette mit dem TCM und dem Fahrzeug beschränkt. Die sichere Eigenschaft
des TCM gewährleistet,
dass andere nationale Altsysteme rückwirkungsfrei auf die jeweilige
nationale Lösung
mitgeführt
werden dürfen.
Die zugelassene Konfiguration wird von der Behörde codiert und mit einem privaten Schlüssel signiert.
Diese „Erlaubnis” wird in
die Schrankspeicher übertragen.
Der TCM prüft
mit einem öffentlichen
Schlüssel
die Signatur.
-
Durch
den Einbau bestehender Altsysteme in Kassetten mit Profinet/-bus
-Anschluss ergeben sich folgende Vorteile:
- – Kassetten
ermöglichen
verteilte Einbauräume,
- – Kassetten
ermöglichen
bessere Wartungskonzepte – kleinste
tauschbare Einheit,
- – Profinet/-bus
ermöglicht
auch die flexible Verwendung von STMs anstelle des Altsystems am TCM
mit EVC – Vermeiden
eines starren, zentralen USSB und Auflösung der USSB-Funktion auf einzelne
Kassetten,
- – Altsystem-Recycling
derart, dass vorhandene Altsysteme, z. B. von stillgelegten Fahrzeugen,
in eine Kassette eingebaut werden und wieder der flexiblen Verwendung
zugeführt
werden.
-
Es
entsteht ein 3rd party Markt rund um das Kassettengeschäft, insbesondere
hinsichtlich Zusammenbau, Zertifizierung, Verkauf und Vermietung. Der
Preis für
Altsysteme sinkt, da er Angebot- und Nachfrage unterliegt.
-
Der
TCM ist ausserhalb des Schrankes montiert und liest nach dem Hochlauf
die erlaubten Altsystemkonfigurationen aus dem Schrankspeicher und
vergleicht sie mit den Codes der eingesteckten Kassetten. Wenn eine
unzulässige
Kombination ermittelt wird, wird der Triebfahrzeugführer entsprechend
informiert, ansonsten wird die Präsenz der eingebauten Altsysteme
am DMI angezeigt. Der Triebfahrzeugführer wählt über das TCM-DMI das zu aktivierende Altsystem aus – manuelle
Transition. Alternativ können über entsprechend
projektierte Eurobalisen zu aktivierende Altsysteme angekündigt und vom
TCM empfangen werden – automatische
Transition. Der TCM aktiviert/deaktiviert daraufhin das jeweilige
Altsystem über
das Profinet/bus/-IO-Modul der Kassette.
-
In
der einfachsten Form ist der TCM ein betriebliches Overlay-System
zu den bisher parallel und unabhängig
voneinander fest eingebauten Altsystemen, welches nun die Einbauflexibiltät ermöglicht. Sobald
der TCM ein Altsystem aktiviert hat, bedient der Triebfahrzeugführer dieses
wie gewohnt. Der TCM kann dann die Transitionsbedingungen überwachen,
z. B. hinsichtlich Einschränkung
der Umschaltung zwischen Altsystemen oder Mehrfachaktivierung.
-
Wenn
ein EVC – European
Vital Computer – vorhanden
ist, aktiviert der Triebfahrzeugführer diesen über den
TCM und überlässt dem
EVC die Transitionen. Die TCM-Funktionalität steht dann auch dem EVC zur
Verfügung.
-
Die
TCM-Funktionalität
kann stand-alone auf einer SIL4-HW realisiert werden oder als Applikation zusammen
mit einem EVC auf einer gemeinsamen HW laufen.
-
Vorzugsweise
ist der TCM mit einer ETCS-Antenne ausgestattet und bildet somit
eine frei programmierbare Plattform für die Implementierung von P44-Systemen.
Dabei handelt es sich um ETCS-Komponenten-basierte nationale Systeme, die
das ETCS-Telegramm Nr. 44 verwenden, um national gültige Zugsicherungsinformationen
zu übertragen.
-
Mit
einem Application Programmers Interface – API – wird der Zugriff auf die
Peripherie, insbesondere Antennen, Sensoren, Displays und Fahrzeugschnittstellen,
durch nationale Applikationen ermöglicht.
-
Die
Erfindung wird nachfolgend anhand eines figürlich dargestellten Ausführungsbeispiels
erläutert.
-
Die
Figur zeigt in stark vereinfachter und schematisierter Darstellungsweise
wesentliche Komponenten einer Schienenfahrzeugausstattung. Innerhalb
des Schienenfahrzeugs 1 ist ein Einbauschrank 2 angeordnet,
welcher einen Speicher 3 aufnimmt, der Informationen über den
Fahrzeugtyp beinhaltet. Der Einbauschrank 2 ist weiterhin
zur Aufnahme verschiedener nationaler Zugsicherungssysteme 4 ausgebildet.
Jedes Zugsicherungssystem 4 ist mit einem Speicher versehen,
der Informationen zur Identifizierung des Zugsicherungssystems 4 beinhaltet.
Diese Identifizierungsspeicher und der fahrzeugtypspezifische Speicher 3 sind
mit einen TCM – Train
Control Manager – 5 verbunden,
welcher das von einem Triebfahrzeugführer 6 oder durch
externe Streckeneinrichtungen 7 ausgewählte Zugsicherungssystem 4 auf
Zulässigkeit überprüft. Dazu
ent hält
das TCM 5 ein Register, welches die den nationalen Gegebenheiten
entsprechenden Konfigurationen Schienenfahrzeugtyp/Zugsicherungssystem
beinhaltet. Dieses Register kann auch Bestandteil des fahrzeugtypspezifischen
Speichers 3 sein, so dass der TCM 5 nur noch Vergleichsfunktionen
ausführt
und keiner Projektierung mehr bedarf. Der TCM 5 wird dadurch universell,
d. h. für
jeden Fahrzeugtyp und jede Konfiguration Schienenfahrzeugtyp/Zugsicherungssystem – auch bei
deren Änderungen – einsetzbar.