-
Einführung,
Stand der Technik
-
Die
Grenzschicht, deren Aufbau und Verteilung über die Oberfläche eines
Flugkörpers,
hat eine wesentliche Bedeutung im zivilen und militärischen Flugzeug-,
Fluglenkkörper-
und Raketenbau.
-
An
Flugkörpern
mit einem Rumpf und mehreren Tragflächen (Flügel oder Leitwerke) wird die Grenzschichtströmung an
den Tragflächen
von der Grenzschichtströmung
am Rumpf beeinflusst. Die Grenzschichtströmung am Rumpf erreicht bis
zur Tragflächenwurzel
gewöhnlich
einen stark turbulenten Charakter, deshalb spricht man von einer „Kontaminierung" der Strömung an
der Tragfläche
durch den Rumpf.
-
Im
Flugzeug- und Raketenbau sind alle Hersteller interessiert und bemüht, eine
Lösung
für die Vermeidung
oder Beseitigung der Kontamination der Tragflügel-Grenzschicht durch die
turbulente Rumpfgrenzschicht zu finden. Solche Lösungen können „aktiv" oder „passiv" sein. Die aktiven Lösungen benutzen zusätzliche
Energiequellen, z. B. für
die Absaugung der kontaminierten Grenzschicht oder zweigen von den
vorhandenen Energiequellen des Flugkörpers Energie ab. Einige passive
Lösungen
versuchen, die Grenzschichtströmung über Transitionssteuerung
mittels Kleinwirbelerzeugung durch künstliche Rauhigkeit für bestimmte
Druckgradienten zu laminarisieren.
-
Bekannt
ist auch die Verwendung von Grenzschichtzäunen an den Tragflächen (z.
B. Fiat G91 oder Suchoi SU22).
-
Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine passive Vorrichtung zu
konzipieren, die in der Lage ist, die Grenzschicht an den Tragflächen so
zu gestalten, als wäre
die kontaminierte Grenzschicht des Rumpfes nicht vorhanden.
-
Die
Lösung
dieser Aufgabe wird mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs
1 erfüllt.
-
Die
Vorderkante der Tragfläche,
bzw. des Tragflügels
ist für
die Generierung und für
den Transport der Grenzschichtströmung maßgebend, da sich die kontaminierte
Grenzschicht des Rumpfes entlang dieser Vorderkante fortbewegt.
Wird die kontaminierte turbulente Grenzschicht entlang der Vorderkante unterbrochen,
so entsteht eine neue laminare Grenzschicht, die durch die Fortbewegung
entlang der Vorderkante die gesamte Grenzschicht über die
Tragfläche
steuert. Die Lösung
gemäß Patentanspruch
1 besteht in einer Vorrichtung an der Vorderkante der Tragfläche.
-
Die
Lösung
besteht darin, die kontaminierte Grenzschicht in Strömungsrichtung über die
Tragfläche
umzuleiten und einen in Spannweitenrichtung weiteren außerhalb
liegenden Startpunkt für
eine neue, nicht kontaminierte Grenzschicht zu generieren. Diese
Umleitung hat so zu erfolgen, dass stromauf und stromab von der
Vorrichtung eine möglichst geringe
Störung
auftritt.
-
Die
Vorrichtung besteht aus einem speziell geformten Körper, der
mittels verschiedener Flächen zwei
Funktionen gleichzeitig erfüllt:
- – die
verlustarme Teilung und Umlenkung der vom Rumpf kontaminierten Grenzschicht über die
Ober- und Unterseite der Tragfläche,
- – die
Erzeugung einer neuen, nicht kontaminierten Grenzschicht und die
verlustarme Weiterleitung der neuen, nicht kontaminierten Grenzschicht
auf die Vorderkante, bzw. Staulinie der Tragfläche,
- b) die Funktionsweise ist passiv, sprich sie arbeitet ohne Energiezufuhr
- c) sie ist klein und leicht und erfordert einen minimalen Aufwand
für die
Montage im Bereich der Vorderkante der Tragfläche
- d) sie ist praktisch für
alle Tragflächen
(Flügel, Leitwerke)
eines Flugkörpers
in Unter- oder Transschallströmung,
die vom Rumpf kontaminiert sind anwendbar,
- e) sie führt
zu geringerem spezifischen Kraftstoffverbrauch, geringerer Lärmentwicklung
und geringerer Schadstoffemission.
-
Im
Folgenden wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiel näher beschrieben.
Es zeigen
-
1 Prinzip
der Grenzschichtumleitung – Draufsicht
-
2 Ausführungsbeispiel
der Erfindung – Zeichnung
-
3 Querschnitt
durch die Umlenkvorrichtung in der Symmetrieebene des Flügels
-
4 3D
Figur einer Umlenkvorrichtung für Unter-
und Transschallströmung
-
5 Umlenkvorrichtung
für Unter-
und Transschallströmung,
Draufsicht; die Höhe
der Vorrichtung senkrecht zur Vorderkante ist in wahrer Größe ersichtlich
-
6 Umlenkvorrichtung
für Unter-
und Transschallströmung,
Ansicht entlang des Rumpfes; die Breite des Plateaus (4)
und der Übergangsbereich
(8) sind gut ersichtlich
-
7 Umlenkvorrichtung
für Unter-
und Transschallströmung,
Ansicht entlang der Vorderkante; die Höhe und der Verlauf des Übergangs
sind in wahrer Größe ersichtlich
-
8 Beispiel
von Reibungslinien (ähnlich wie
Stromlinien) an der Vorderkante eines Tragflügels aus einer bei IBK durchgeführten RANS
(Reynolds Averaged Navier-Stokes) Simulation; Ansicht entlang der
Freiströmrichtung.
Die Form der Reibungslinien (Stromlinien) erinnert stark an die
Form der Schaufeln bei Pelton Turbinen.
-
Gemäß der Bezugszeichenliste
am Ende dieser Beschreibung sind mit verschiedenen Zahlen die wichtigsten
Bereiche der Vorrichtung in den 1 und 3 bis 7 gezeigt.
-
Die
Prinzipskizze in 1 zeigt in der Draufsicht den
Rumpf mit der gepfeilten Tragfläche.
Die Freiströmrichtung
oder Windrichtung (9) ist identisch bis auf die Pfeilrichtung
mit der Flugrichtung des Flugkörpers.
Deshalb sind in der Skizze die Pfeile der Freiströmrichtung
parallel mit dem Rumpf (14) dargestellt. Die Anwesenheit
der Tragfläche
endlicher Dicke führt
dazu, dass die Anströmung
eine Komponente (12) in Richtung der Vorderkante oder Staulinie (10)
aufweist. Diese Komponente transportiert die kontaminierte Grenzschichtströmung entlang
der Vorderkante oder Staulinie bis zur Umlenkvorrichtung. Die Umlenkvorrichtung
ist mit Hilfe von dicken schwarzen Linien dargestellt und hat zwei
wichtige Eigenschaften für
die störungsfreie
Umlenkung:
- A) Sie ist am Anfang nahezu tangent
zur Vorderkante (10), um möglichst stoßfrei die Strömung entlang
der Vorderkante abzufangen.
- B) Sie ist am Ende nahezu tangent zur Freiströmrichtung,
um die umgeleitete Grenzschichtströmung in diese Richtung möglichst
stoßfrei
freizugeben (7). Unter Umständen kann man eine leicht stärkere Umlenkung
vorsehen, da infolge ihrer Trägheit
die Grenzschichtströmung
etwas weniger umgelenkt wird.
-
Diese
Eigenschaften erinnern an eine Schaufel im Turbomaschinenbau, die ähnliche
Anforderungen erfüllen
muss. Aufgrund der Dicke der Tragfläche ist die Geometrie der Vorrichtung
nicht so einfach, wie in der Prinzipskizze nur auf der Oberseite
dargestellt. Die optimale Form der Umlenkflanken einer effizienten
Vorrichtung ist durch den Verlauf der Stromlinien im Bereich der
Vorderkante gegeben (s. 8).
- – Ein Ausführungsbeispiel
der Lösung
ist als Zeichnung in 2 und dreidimensional in 4 vorgestellt.
Maßgebend
ist die Geometrie der Vorrichtung, die durch die Gestaltung der
Flanken stromauf dafür
sorgt, dass die kontaminierte Grenzschicht sanft (ohne Stöße) umgeleitet
wird. Als Analogie kann man die Umleitung eines Wasserstrahls im
Wasserkraftbau durch die Schaufel einer Pelton Turbine erwähnen, die
nahezu stoßfrei
arbeitet.
-
Wenn
man die Tragfläche
und die Vorrichtung durch eine Ebene senkrecht zur Tragfläche, die die
Vorderkante oder Staulinie beinhaltet, schneidet, erhält man die
Skizze in 3, in der die wichtigsten Parameter
des Querschnittes eingezeichnet sind. Nachfolgend werden alle Parameter
zur Diskussion gestellt und deren Eigenschaften analysiert.
-
Die
Schneide- oder Stauflanken mit Nr. 5 in 4 bis 7 markiert – sind die
Flächen,
die als erste mit der kontaminierten Grenzschicht in Kontakt kommen
und, wie die Bezeichnung auch besagt, schneiden bzw. in zwei Hälften teilen.
Um diese Aufgabe möglichst
optimal zu erledigen, müssen
diese Schneideflanken senkrecht zur Tragflügeloberfläche und symmetrisch zur Vorderkante
liegen. Theoretisch könnten
diese Flanken an der vordersten Seite eine scharfe Kante bilden.
Praktisch ist es besser einen kleinen Krümmungsradius (ca. 1–2 mm s. 2 und 4)
an dieser Kante zu bilden, da der Anstellwinkel der Flugkörper während des
Fluges in einem kleinen Bereich variiert und sich somit die Position der
Staulinie (Vorderkante) entlang der Tragfläche leicht verändert. Außerdem ist
eine abgerundete Kante – wie
auch beim Tragflügel
selbst – einer scharfen
vorzuziehen, da Festigkeits- und Erosionsaspekte auch eine wichtige
Rolle spielen. Dies führt zu
einem Staueffekt an diesen Flächen,
deshalb auch die Bezeichnung Stauflanken.
-
Die
Höhe der
Vorrichtung bzw. des Querschnitts (5)(s. 3),
in Richtung der Normalen zur Basis bzw. Tragflächenoberfläche gemessen, ist maßgebend
und muss ausreichend groß sein,
um den Staueffekt der Grenzschicht an der Vorrichtung – der unvermeidbar
ist – zu übertreffen.
Sie darf aber nicht viel größer sein,
da sonst die Vorrichtung dadurch zusätzliche Verluste generiert.
Die Höhe
der Vorrichtung wird so gewählt,
dass sie für
die ungünstigsten
Flugbedingungen ausreichend ist. Im vorliegenden Vorschlag ist sie
ca. 5 ungestörte
Grenzschichtdicken groß.
-
Die
Umlenk- oder Umleitflanken (6) (s 4 bis 7)
haben die wichtige Rolle, die kontaminierte und bereits geteilte
Grenzschichtströmung
möglichst
sanft (stoßfrei)
auf die Ober- bzw. Unterseite der Tragfläche umzuleiten. Dafür sind sie – wie auch die
Schneideflanken – senkrecht
zur Oberfläche
des Tragflügels
orientiert und folgen idealerweise der Stromlinien der Grenzschichtströmung. Diese
können
entweder während
eines Windkanalversuchs oder mittels einer Strömungssimulation sichtbar gemacht
werden, um die beste Form dieser Flanken zu erreichen (s. 8).
In der gleichen Weise kann für verschiedene
Anstellwinkel auch die Position der Staulinie an der Vorderkante
ermittelt werden. Wie bereits auf der Seite 6B) erwähnt, können diese
Flanken einen leicht größeren Umlenkwinkel
(um 1–2°) aufweisen,
um die Trägheit
der Strömung
zu kompensieren.
-
Die
Spitze der Vorrichtung (Nr. 3 in 2 und 4)
und der erste Teil des Plateaus (Nr. 4) haben die Aufgabe
dem neuen Startpunkt (Staupunkt) für die nicht kontaminierte Grenzschicht
den erforderlichen Raum bereitzustellen. Dafür erhält die Spitze einen kleinen
Krümmungsradius
(ca. 0,5 mm). Ein größerer Krümmungsradius
führt zu
einer größeren Höhe der Vorrichtung.
Die Breite des Plateaus soll mindestens so groß sein wie die Höhe der Vorrichtung,
um einen möglichen
Saugeffekt der neuen Strömung
auf die alte kontaminierte Grenzschicht vor der Vorrichtung zu vermeiden
(s. auch 2. 3. 4).
Eine Obergrenze der Breite kann durch die Befestigungsart an der
Vorderkante bestimmt werden, wahrscheinlich nicht mehr als zweimal
die Höhe.
-
Die
Hinterflanke der Vorrichtung (Nr. 7 in 4 bis 7),
die mit einem Krümmungsradius mit
dem Plateau stromauf und mit der Tragfläche stromab verbunden sein
soll, um möglichst
keine oder sehr kleine Stöße zu erzeugen,
hat die Aufgabe einer „Leitfläche" (Rutsche). Sie soll
die neue, nicht kontaminierte Grenzschicht stromab auf die Vorderkante
und Tragfläche
verlustarm leiten. Wichtigster Parameter ist die Neigung dieser
Fläche,
die in 3 durch die Hinterkante (Nr. 7) im Querschnitt
ersichtlich ist. Die Neigung muss so gewählt werden, dass die Freiströmrichtung
mit dieser Hinterkante einen kleinen Winkel γ = α – β (ca. 2°–3° in 2 und 3)
bildet.
-
Der Übergangsbereich
der Vorrichtung (Nr. 8 in 4 bis 7)
hat die Rolle, einen möglichst sanften Übergang
von der Höhe
der Vorrichtung (Plateau) zur glatten Oberfläche (Ober- und Unterseite) des
Tragflügels
zu bilden. Bei diesem Ausführungsbeispiel
ist der Übergang
von der Anfangshöhe
5 mm auf Null linear und mit einem kleinen Winkel (über eine
entsprechend größere Länge) vorgenommen worden,
aber man kann sich auch andere Übergangsformen
vorstellen.
-
Die
Tragflächen
haben grundsätzlich
an der Vorderkante einen Krümmungsradius,
der für
die Grenzschichtströmung
und somit auch für
die Gestaltung der Vorrichtung eine wesentliche Rolle spielt. Einerseits
legt er, durch seine Anwesenheit in der Formel für die Reynoldszahl, die Art
der Grenzschichtströmung
mit fest, andererseits muss die Vorrichtung über den Krümmungsradius der Vorderkante
hinaus auf die Ober- und Unterseite der Tragfläche hinaus erstreckt werden,
um eine sanfte (stoßfreie)
Umlenkung der Grenzschicht auf die Tragfläche zu gewährleisten (s. 2, 4 und 7).
Theoretisch kann die Vorrichtung in Tiefenrichtung der Tragfläche bis zur
Hinterkante gezogen werden, um eine materielle Grenze zwischen kontaminierter
und neuer, nicht kontaminierter Grenzschicht zu ziehen und dadurch eine
Interaktion zwischen diesen Regionen auf der Tragfläche zu unterbinden
(Grenzschichtzaun). Allerdings ist dies nicht notwendig, da die
zwei Arme der Vorrichtung in Richtung der freien, ungestörten Strömung verlaufen
und somit keine Druckgradienten über
die Arme in Spannweitenrichtung zu erwarten sind, wenn man vom Staudruck
an der Spitze absieht.
-
Werkstoffe:
-
sDie
Umlenkvorrichtung kann aus ähnlichen Werkstoffen
wie die Tragfläche,
Aluminium-, Stahl- oder Titanlegierungen gefertigt werden. Bei geringerer
Machzahl kann auch Kunststoff in Frage kommen.
-
Die
Herstellungsverfahren können
Gießen, Schmieden,
Fresen oder ähnliche
sein. Die einzigen Voraussetzungen für den Werkstoff sind die Formbeständigkeit
unter den Flugbedingungen und eine Mindestfestigkeit, die für eine zuverlässige Befestigung und
Funktionierung der Umlenkvorrichtung benötigt wird.
-
Montage:
-
Die
Umlenkvorrichtung soll möglichst
nah an den Rumpf, aber außerhalb
von dessen Grenzschicht, an der Vorderkante, bzw. Staulinie der
Tragfläche
fest montiert sein, um die maximalen Vorteile erreichen zu können.
-
Die wichtigsten Bereiche der Vorrichtung sind
mit verschiedenen Zahlen in den 1 und 3 bis 7 gezeigt:
- 1
- Oberseite
der Tragfläche
- 2
- Unterseite
der Tragfläche
- 3
- Spitze
der Vorrichtung
- 4
- Plateau
der Vorrichtung
- 5
- Stau-
oder Schneideflanken, auch als Höhe
in 3 angezeigt
- 6
- Umlenkflanken
- 7
- Hinter-
oder Leitflanken
- 8
- Übergangsbereich
zur Tragfläche
- 9
- Flug-
oder Windrichtung
- 10
- Vorderkante
oder Staulinie
- 11
- Basis
des trapezförmigen
Querschnitts
- 12
- Strömungskomponente
entlang der Vorderkante oder Staulinie
- 13
- Trapezförmiger Querschnitt
der Vorrichtung
- 14
- Rumpf
oder Rumpfähnlicher
Körper