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Einleitung
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Die
Erfindung betrifft Einrichtungen zur elektronikkompatiblen Ansteuerung
temperaturempfindlicher Array-Strukturen, insbesondere Hydrogelstrukturen,
mit aktorischen oder schaltbaren Speicher- bzw. Oberflächeneigenschaften.
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Stand der Technik
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DE 101 57 317 A1 ,
DE 102 26 746 A1 sowie [A.
Richter et al., J. Microelectromech. Syst. 12 (2003), S. 748–753] beschreiben
Einrichtungen, mit denen über
eine thermisch-elektrische Schnittstelle der Quellungszustand von
temperatursensitiven Hydrogelaktoren beeinflusst werden kann. Dies
erfolgt entweder durch Nutzung von Heizwiderständen, die in unmittelbarer
Nähe zu
den einzelnen Aktoren angeordnet sind, oder durch Verwendung energiereichen
Lichts, z.B. in Form eines Lasers dessen Energie durch Absorption
in thermische Energie umgesetzt wird. Der Laser kann u.a. ein Zeilenlaser,
der die Bildpunkte periodisch ansteuert, aber auch ein Laser sein,
der durch Spiegel die einzelnen Bildpunkte ansteuert.
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Die
Realisierung von Heizelement-basierten Ansteuerungen ist besonders
für große Arrays
außerordentlich
aufwändig.
Auch Zeilen- und Spiegellasersysteme sind aufwändig und kostenintensiv.
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Aufgabe der Erfindung
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Aufgabe
der Erfindung ist es deshalb, Einrichtungen zur elektronikkompatiblen
Ansteuerung temperaturempfindlicher Array-Strukturen, insbesondere Hydrogelstrukturen,
mit aktorischen oder schaltbaren Speicher- bzw. Oberflächeneigenschaften
zu schaffen, die einen einfachen Aufbau besitzen und möglichst
mit Standard-Bauteilen realisiert werden können.
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Beschreibung und Beispiele
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Erfindungsgemäß wird die
Aufgabe durch die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst. Vorteilhafte
Ausgestaltungen sind in den Ansprüchen 2 bis 11 angegeben.
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Temperatursensitive
Hydrogele sind Vertreter der „smarten" bzw. „stimuli-responsiven" Hydrogele. Diese
sind quellfähige
Polymernetzwerke mit integrierten Aktor-Sensor-Funktionen und besitzen die
Fähigkeit,
bei Einwirkung bestimmter Umgebungsgrößen einen diskontinuierlichen
Volumenphasenübergang
durchführen.
Sie ändern
dabei ihr Volumen vom gequollenen zum entquollenen Zustand um bis
zu 99% unter Abgabe des Quellmittels, welches wässriger Natur ist. Dieser Vorgang
ist reversibel und reproduzierbar. Mittlerweile ist eine große Vielzahl smarter
Hydrogele mit speziellen Sensitivitäten beispielsweise gegenüber der
Temperatur, elektrischen Feldgrößen, Licht
bestimmter Wellenlänge,
dem pH-Wert sowie Stoff- und
Ionenkonzentrationen bekannt. Besonders gute Gebrauchseigenschaften
besitzen temperatursensitive Hydrogele.
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Das
Prinzip der Erfindung beruht auf der zeitlich und räumlich definierten
Steuerung eines auf das Array einwirkenden Lichtfeldes durch ein
transparentes Flüssigkristall-Display
oder vergleichbare, in ihrer Transparenz steuerbare Systeme. Die
auf die Hydrogelstrukturen auftreffende Lichtenergie wird durch Absorption
in thermische Energie umgewandelt und löst an den belichteten Array-Bereichen
den Volumenphasenübergang
der Hydrogelstrukturen aus.
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Die
Erfindung soll an einigen Ausführungsbeispielen
näher erläutert werden.
In den zugehörigen
Zeichnungen zeigen:
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1 den
prinzipiellen Aufbau eines taktilen Displays auf Basis eines temperatursensitiven
Hydrogelaktor-Arrays mit lichtoptischer Ansteuerung,
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2 das
Wellenlängenspektrum
eines Filtersystems mit Bandpasscharakteristik,
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3 das
temperaturabhängige
Quellverhalten von Poly(N-Isopropylacrylamid),
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4 den
prinzipiellen Aufbau einer hydrogelbasierten Aktoreinheit mit Noppenfolie
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5 mögliche
Noppenformen, wobei
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5a rechteckige
Noppen
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5b runde
Noppen
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5c sechseckige
Noppen zeigt, und
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6 mögliche
Kantenformen mit
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6a Neunzig-Grad-Kanten
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6b gefasten
Kanten sowie
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6c abgerundeten
Kanten.
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Stellvertretend
für viele
weitere Anwendungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der lichtoptischen
Ansteuerung wird anhand von 1 der prinzipielle
Aufbau, ein mögliches
Fertigungsverfahren und die Wirkungsweise eines taktilen Displays
auf Basis der erfindungsgemäßen Ansteuerung
vorgestellt.
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Die
Ausgabeeinheit des in 1 gezeigten taktilen Displays
ist die Aktoreinheit (6). Das Aktor-Array (6)
ist direkt auf einer monochromen Flüssigkristall-Anzeige (5)
(Liquid Crystal Display LCD) ALPS LSU751011A mit 96 × 32 Pixeln
platziert, der durch Entfernen der Reflexionsschicht transparent gemacht
wurde. Die ganze Baugruppe wird mit einem Temperiersystem (4)
aktiv wassergekühlt.
Da das LC-Display (5) seine Transparenz nur im Lichtwellenlängen-Bereich
von 500 nm bis 650 nm ändert, wird
das Spektrum der Lichtquelle (1) durch ein Filtersystem
(3), bestehend aus einem Bandpass BG 18 und einem Tiefpass
OG 530)(Schott), entsprechend beschränkt (siehe 2).
Die Parallelisierung und Führung
des Strahlenganges (7) erfolgt mit einem Linsensystem (2),
bestehend aus zwei Plankonvex-Linsen (f1 =
15 mm, f2 = 75 mm) und einem nicht dargestellten
Reflektorspiegel. Als Lichtquelle (1) dient eine 150W Lampe.
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Das
Rastermaß des
Aktor-Arrays (6) entspricht vorteilhaft dem Rastermaß der Flüssigkristall-Anzeige
(5) von 580μm.
Damit ist jedem LCD-Pixel genau ein Einzelaktor zugeordnet. Da die
Hydrogelaktoren noch Quellmittel benötigen, beträgt die Einzel-Aktorstandfläche (400 × 400)μm2 bei 180μm Aktorabstand.
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Die
taktile Bildinformation des Aktor-Arrays (6) wird durch
das LCD (5) gesteuert. Während dunkle, nichttransparente
LCD-Pixel (5b)
die entsprechenden Bereiche des Hydrogel-Arrays (6b) abdecken,
passiert das Licht das LCD in seinen transparenten Bereichen (5a)
und trifft auf die Aktor-Array-Ebene. Das Hydrogel bzw. die im Hydrogel
enthaltenen Farbpigmente (für
den genutzten Wellenlängenbereich
eignet sich z.B. Sicopal-Blau K7210 von BASF) absorbieren das Licht
und wandeln es in Wärme
um. Die Aktoren bestehen aus Poy(N-Isopropylacrylamid) (PNIPAAm), welches
ein temperatursensitives Hydrogel mit lower critical solution temperature
(LCST) Charakteristik ist (3). Derartige Hydrogele
sind bei niedrigen Temperaturen, z.B. bei Raumtemperatur, gequollen,
und entquellen bei Überschreiten
einer Volumenphasenübergangstemperatur
PÜT durch
Quellmittelabgabe. Wird infolge der Lichteinwirkung die für PNIPAAm
charakteristische PÜT
von 34°C überschritten,
so entquellen die Hydrogelaktoren (6a). Die unbelichteten
Aktoren (6b) bleiben hingegen gequollen und sind deshalb
mit den taktilen Informationen „fühlbar" bzw. „erhaben" und „weich" verknüpft. Entquollene Aktoren (6a)
besitzen den Informationsgehalt „nicht fühlbar" bzw. „hart".
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Die
Aktoren sind in ihrer Höhe
zwischen 500μm
im gequollenen und ca. 300μm
im entquollenen Zustand schaltbar, so dass sich ein effektiver Pixelhub
von 200μm
ergibt.
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Die
Bildwiederbeschreibrate ist abhängig von
der Lichtabsorption der Aktorstrukturen und der effektiv einwirkenden
Lichtleistung. Die Systemdynamik lässt sich durch einen optimierten
und gesteuerten Lichtbetrieb deutlich verbessern. So sind die Aktorschaltzeiten
durch Lichtleistungsspitzen (kurzzeitige signifikante Erhöhung der
Lichtleistung) bei Schaltvorgän gen
sowie eine reduzierte Leistung beim Halten der Bildinformation noch
deutlich verkürzbar.
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Sowohl
die Bildwiederbeschreibrate als auch der Energieverbrauch des hydrogelbasierten
Displays kann durch eine gesteuerte Bereitstellung des Aktorquellmittels
positiv beeinflusst werden, indem beim Schalten ein Überschuss,
beim Haltevorgang ein moderater Quellmittelmangel realisiert wird,
so dass sie nicht mehr quellen können.
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Auf
das Filtersystem zum Beschränken
des Wellenlängenbereiches
kann verzichtet werden, wenn die Lichtquelle bereits monochromes
bzw. in seiner Wellenlänge
entsprechend eingeschränktes Licht
liefert, wie dies beispielsweise bei Laserlicht vorliegt.
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Eine
aktive Temperierung des Systems ist aus zwei Gründen notwendig. Flüssigkristall-Anzeigen
sind temperaturempfindlich. Zu hohe Temperaturen beeinträchtigen
ihre Funktionalität.
Weiterhin muss für
die angesteuerte Aktoreinheit eine konstante Basistemperatur sichergestellt
werden, um deren Funktion und Reproduzierbarkeit sicherzustellen.
Die Temperierung kann z.B. durch Wasser- oder aktive Luftkühlung erfolgen.
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Die
Umwandlung des Lichts in Wärme
erfolgt in oder an den temperatursensitiven Strukturen. Neben dem
schon vorgestellten Einsatz von Füllstoffen (z.B. Farbpigmente)
können
auch die Trägermaterialien
der Funktionsschichten mit entsprechenden absorbierenden Materialien
beschichtet sein. Ist es z.B. aufgrund einer zusätzlichen visuellen Information
erforderlich, dass die Hydrogelpixel des taktilen Displays transparent
sind, reichen auch deren Absorptionseigenschaften zum Auslösen des
Volumenphasenübergangs
aus. Zum Schutz des Betrachters vor zu hoher Lichtleistung kann
die Abdeckung der Aktoreinheit eine eingeschränkte Transparenz besitzen.
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Die
Hydrogelaktoren eines taktilen Displays eignen sich aufgrund ihrer
Weichheit nur bedingt zum Übermitteln
taktiler Informationen.
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Die übermittelbare
taktile Information lässt sich
maßgeblich
von der eingesetzten Abdeckfolie aus härterem Material bestimmen.
Mit einer glatten Folie lassen sich besonders Unterschiede in der
Materialeigenschaft „Weichheit" darstellen. Die
vermittelbaren Eindrücke
reichen etwa von der Weichheit von Fettgewebe bis hin zu festen
Oberflächen
wie Holz. Konturen sind mit solchen Folien nur schwierig fühlbar. Dies
lässt sich
durch Einsatz oberflächenstrukturierter,
z.B. genoppter, Folien erreichen. Die fühlbare Kantenschärfe, aber
auch die vermittelbaren Texturen werden von der Noppenform und -größe bestimmt.
Das Noppenmaterial beeinflusst mit seiner Härte das Fühlerlebnis. Der Noppengrundriss
kann vielfältig
sein (5). Noppen mit viereckigem Grundriss
(5a) besitzen scharfe Ecken und können die
gleiche Form wie die darunter befindlichen Hydrogelaktoren besitzen.
Die in 5b gezeigten runden Noppen weisen
keine Ecken auf. Die versetzt angeordneten Sechsecke nach 5c ermöglichen das
Erreichen einer hohen Noppendichte mit fühlbaren Ecken.
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Wie 6 verdeutlicht, können auch die Noppenkanten
beeinflusst werden. Die in 6a gezeigte
Noppe besitzt scharfe Kanten. Durch eine Fase lässt sich die fühlbare Kantenschärfe abschwächen (6b).
Gleiches ist durch Abrunden der Noppenkanten erreichbar (6c).
Auch die Noppengröße und – dichte
besitzen einen deutlichen Einfluss auf das Fühlerlebnis. Wesentlich ist
ebenfalls der Noppenhub, welcher von den Hydrogelaktoren bestimmt
wird. Unterschiede in der Noppenhöhe lassen sich ab etwa 100μm fühlen.
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Als
Gestaltungsrichtlinie kann gelten, dass scharfkantige, größere Noppen
besonders gut zur Konturdarstellung geeignet sind. Kleinere abgerundete
Noppen ermöglichen
eine größere Vielfalt
in der Texturübermittlung.
Glatte Oberflächen,
welche z.B. durch eine hohe Noppendichte erreichbar sind, ermöglichen
ein verbessertes Fühlen
der Weichheit, da Hydrogelaktoren als taktile Information neben
dem Hub auch Änderungen
ihrer Elastizität
(Weichheit) liefern. Die ist für
den jeweiligen Anwendungsfall zu optimieren.
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Werden
einer Noppe mehrere Aktoren, z.B. drei Aktoren zugeordnet, kann
diese in ihrer Neigung definiert verändert und vollständig um
die z-Achse gedreht werden.
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Weiterhin
ist es denkbar, daß die
Folie mit Bereichen unterschiedlicher Noppeneigenschaften ausgestattet
ist. Dies kann insbesondere für
Anschauungsmaterialien interessant sein.
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Noppenfolien
können
beispielsweise aus Polydimethylsiloxan (PDMS) hergestellt werden.
Basissubstanz und Härter
wird in einem Verhältnis
von 9:1 gemischt. Durch Rotationsbeschichten bei 3000 U/min für 25s wird
ein etwa 30μm
dicker Film auf einem planen Glasträger erzeugt und bei 65°C für drei Stunden
polymerisiert. Die Noppen lassen sich mit einem teflonbeschichteten
Silizium-Abformmaster (nasschemisches Tiefenätzen durch ASE-Bosch-Prozess,
Teflonbeschichtung durch PECVD) herstellen. Dazu wird die Elastomer-Mischung
in die Noppenformen eingefüllt
und entgast. Anschließend
wird die Form auf den PDMS-beschichteten Glasträger gepresst und für drei Stunden bei
65°C polymerisiert.
Die Noppen bilden mit der Folie einen unlösbaren Verbund.
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Neben
PNIPAAm weisen auch noch eine Reihe anderer Hydrogele eine LCST-Charakteristik auf.
Dies sind zum Beispiel Poly(Methylvinylether) sowie Polymere auf
Basis von Hydroxypropylcellulose.
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Temperatursensitive
Hydrogele mit einer Upper Critical Solution Temperature (UCST)-Charakteristik
quellen bei Überschreiten
der Phasenübergangstemperatur
und sind bei geringen Temperaturen entquollen. Ein Hydrogel mit
UCST-Verhalten ist das Copolymer aus Hydroxyethyl Methacrylat (HEMA)
und Acetoacetoxyethyl Methacrylat(AAEM), welches dieses Verhalten
in Wasser-Alkohol-Mischungen zeigt.
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Die
lichtoptische Ansteuerung lässt
sich für vielfältige weitere
Anwendungen hydrogelbasierter Arrays nutzen. So sind steuerbare
Stempel für
den Mikrokontaktdruck, Arrays aus vielen Speicherzellen, Ventil-Arrays,
peristaltische Pumpen, hydrogelbasierte Oberflächen, Spiegel-Arrays, Lab-on-a-Chip- Aufbauten usw. mit
der erfindungsgemäßen Ansteuerung
betreibbar.
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Das
Ansteuerprinzip kann ebenso für
andere Anwendungen, bei denen ein steuerbares Temperaturfeld benötigt wird,
eingesetzt werden. Es ist ebenso für Aktor-Arrays auf Basis photoempfindlicher
Hydrogele (Hydrogele, welche sich bei Einwirkung von Licht bestimmter
Wellenlänge
in ihren aktorisch wirksamen Eigenschaften beeinflussen lassen)
geeignet.
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- 1
- Lichtquelle
- 2
- Linsensystem
- 3
- Filtersystem
- 4
- Temperiersystem
- 5
- Flüssigkristall-Anzeige
- 5a
- Lichttransparenter
Bereich
- 5b
- Lichtundurchlässiger Bereich
- 6
- Aktoreinheit
- 6a
- entquollener
Bereich
- 6b
- gequollener
Bereich
- 7
- Aktorstrukturträger
- 8
- Hydrogelaktor
- 9
- Abdeckfolie
- 9a
- Noppe