-
Eine
Anlage der Automatisierungstechnik gliedert sich heutzutage allgemein
in 4 Ebenen. Eine schematische Darstellung dieser Ebenen erfolgt
in 1 – „Ebenen
der Automatisierungstechnik".
-
Als
Bestandteile der unterste Ebene [1] bezeichnen wir die
Aktoren, Sensoren, Mess-, Analysen- und Feldgeräte (z.B. Regler, Schreiber,
Messumformer etc.) kurz: die Prozessinstrumentierung auf Feldgerätebene.
-
Mittlerweile
werden auch logische Busstrukturen (Feldbusse), wie Profibus, Industrial
Ethernet oder andere Verknüpfungsarten,
Zellstrukturen oder Feldbussysteme zu der Feldgeräteebene
hinzugezählt.
-
Die
darauf folgende Ebene wird als Prozessleitebene [2] (PLE),
bezeichnet und enthält
die gesamte Prozessleittechnik zur Steuerung der verfahrenstechnischen
Betriebsparameter, Überwachungs- und
Regelungseinrichtungen sowie Regelungen und Steuerungen der Automatisierungstechnik,
wie Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS), Prozesskontrollgeräte oder
auch Redundanzeinrichtungen etc.
-
Aufbauend
auf der PLE befindet sich die MES [3] (Manufacturing Execution
Systems), die auch als Betriebsleittechnik oder auch Produktionsleitsystem
bezeichnet wird (siehe auch Handbuch der Prozessautomatisierung,
3. Auflage erweiterte Auflage, Herausgeber: K.F. Früh/U. Meier,
Kapitel 2.2 Integrierte Betriebsleittechnik von Andreas Schumann
und Daniel Reinhold (S. 29–45).
Diese Ebene wird auch als vertikale Integration bzw. logistische Ebene
in Bezug auf die Materialwirtschaft bezeichnet und ist von großer Wichtigkeit
bei der Planung, Überwachung
und Bestellung von Material, Komponenten Erzeugnisse und Ergebnisse.
-
Als
weiter übergeordnete
Ebene steht das ERP-System [4] (Enterprise Ressource Planning). Eine
große
praktische Bedeutung hat hierbei das SAP-R/3 Produkt, das in vielen
industriellen Betrieben seine Anwendung findet. Weitere Informationen zur
SAP oder ERP siehe o.g. Quelle (g Handbuch der Prozessautomatisierung,
3. Auflage erweiterte Auflage, Herausgeber: K.F. Früh/U. Meier)
ab Seite 45.
-
Die
Vollständigkeit
bzw. Gesamtheit dieser 4 Ebenen [1], [2], [3]
und [4] kann auch als Automatisierungsanlage, Prozessanlage,
Fabrik oder Ähnliches bezeichnet
werden und wird im Folgenden als Anlage [5] gekennzeichnet.
-
Die
vorangegangene Beschreibung beschreibt die 4 Ebenen einer Anlage
und ist Stand der Technik. In der vorliegenden Erfindung geht es
uns jedoch nicht nur um die Daten der elektrischen Feldgeräte, sondern
wir sehen auch wesentliche Merkmale und Informationen in den Daten
der nicht elektischen Größen und
Geräten
bzw. notwendigen Prozessgegenstände
wie z.B. Behälter,
Tanks, Rohrleitungen, Rührer,
Autoklaven, etc, die verfahrenstechnische Daten (z.B. Höhe, Länge, Breite,
Tiefe, Durchmesser, Materialeigenschaften, Werkstoffdaten etc.) aufweisen
und daher prozessrelevant sind.
-
Daher
möchten
wir hier in dieser Beschreibung diese Daten in die Struktur der
Feldgeräteebene
bzw. der Feldebene mit einbinden, was nicht üblich ist.
-
Bisher
sind Anlagen nur mit speziellen Tools und nur im Einzelnen oder
mit Einschränkungen
und ohne Originaldaten simulierbar. Dabei bezieht sich der Begriff
Simulation fast immer auf die Tatsache einer vorangestellten Simulation
einer nicht existenten Anlage zum Zweck des Aufzeigens einer Machbarkeit
bzw. eines Prozesses. Die Anlage wurde also nicht realitätsnah abgebildet
und die Simulation konnte nur schlecht oder eingeschränkt zur
Erweiterung bzw. Weiterentwicklung einer Anlage verwendet werden.
Dies hatte bisher immer eine aufwendige Änderung des Anlagenprojektes,
der Regel- und Betriebsparameter zur Folge und zog umfangreiche
Implementierungen, Test und Simulationen nach sich.
-
Die
Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Erstellung eines realen
Anlagenmodells als Abbild einer realen, vorhandenen, neuen (oder
geplanten) Anlage [5], dadurch gekennzeichnet, dass die
oben genannte Anlage mit Hilfe einer Scanfunktion bzw. Identifizierungsfunktion
(z.B. Lifelist) und/oder einer daraufaufbauenden Diagnosefunktion
erfasst wird, die den Zustand der Anlage einschließlich der
Einzelheiten der Anlage erkennt, insbesondere ablaufenden Prozesse,
wie z.B. Batch-, Konti-, Semikonti-anlagen/-prozesse und diskrete
Produktionsanlagen, sowie deren Prozessbetriebsparameter aber auch allgemeine
und weitere Daten, die zur Erzielung einer Simulation der realen
Anlage bzw. zum realen Prozessabbild führen und zur Optimierung des
Wirkungsgrades der Anlage verwendet werden können.
-
Im
Einzelnen bedeutet dies, dass eine Scanfunktion [6] auf
alle Ebenen einer Anlage [5], bestehend aus [1],
[2], [3] und [4] angewendet werden kann.
-
Diese
Identifizierungsfunktion [6] zeichnet sich dadurch aus,
daß sie
z.B. eine vorhandene Busstruktur, angefangen von der Adresse 0 bis
256 (für Profibus),
einzeln scannt und die etwaigen bzw. dort angeschlossenen Geräte erfasst.
Neben diesen physikalischen Adressen, im Falle von Profibus, kann
jedoch auch eine Schnittstelle (bspw. für Hart → Com1, Com2, ... Comn) oder
ein Netzwerk (bspw. für
Ethernet) oder anderes Medium zum Scan verwendet werden. Eine Diagnosefunktion
baut sich dann auf den von der Identifizierungsfunktion erfaßten Daten
auf.
-
Diese
Scanfunktion liefert neben den anlagenbeschreibenden Daten, wie
Busstruktur, Netztopologie, Gerätebeschreibung
und Gerätedaten,
Displaydaten, Automatisierungskomponenten oder Feldgeräte, den
verfahrentechnischen Daten, wie Stützwerte und Regelparameter
auch Originalwerte (Realdaten) oder weitere Daten zur Beschreibung des
genauen realen Verhaltens der Anlage, bspw. in Normalbetrieb. Diese
Originaldaten oder Simulationsdaten genannt, können bspw. Messwerte, Stützwerte,
Erfahrungswerte, Regelparameter, Parameterdaten oder weitere Daten
sein. Es ist vorgesehen, dass diese Realdaten über eine definierte Zeitbasis aufgenommen
werden und so eine Anlage realitätsnah
beschreiben können.
Aufbauend auf diesen Daten ist es möglich, Bereichsgrenzen der
Anlage, Extremwerte, komplette Regelstrecken oder Verfahren bzw.
weitere verfahrenstechnische Betriebsparameter stochastisch zu berechnen.
Erstmals bietet sich so auch die Möglichkeit, eine Erweiterung
einer Anlage mit Originaldaten zu beschreiben, zu testen und anzuwenden.
-
Eine Übertragung
dieser Erfahrungswerte ist jedoch auch leicht auf andere Bereiche
möglich,
wie bspw. die logistische Ebene, um z.B. Materialplanungen zeitnah
vorauszuberechnen (MES-Beispiel).
-
Bei
einer derartigen realen Anlage kann es sich beispielsweise um eine
geplante bzw. eine bereits existierende Industrieanlage, um Maschinen
als auch um einzelne Baugruppen derselben handeln. In der Praxis
ist es dabei häufig
der Fall, dass diese realen Anlagen mit den ursprünglichen
Plänen
der Anlage nicht bzw. nicht mehr vollkommen übereinstimmen, da bspw. bei
der Erstellung der Anlage bereits spezielle Anpassungen oder Nachrüstungen
durchgeführt
worden sind bzw. deren Pläne
nicht die für
die datentechnische Weiterbearbeitung notwendigen Informationen
beinhalten. So ist es notwendig, alle Eigenschaften, Parameter usw.
der Anlage zu erfassen.
-
Die
Speicherung bzw. Übertragung
der Daten [7] kann in der Form einer Datenbank, einer DDL (data
definition language → XML-Datei
oder ähnlichem)
oder eines anderen textbasierten Formates erfolgen.
-
Im
Folgenden werden die möglichen
Einsatzszenarien der Simulation einer Anlage am Beispiel a) vereinfachte
Inbetriebnahme, b) Optimierung und Fehlerkorrektur einer Anlage,
c) Erweiterung einer Anlage und d) Migration einer Anlage beschrieben,
andere Möglichkeiten
werden dadurch jedoch nicht ausgeschlossen.
-
a) Vereinfachte Inbetriebnahme
einer Anlage:
-
Auf
Grundlage der neu vorliegenden Simulationsdaten der Anlage, lässt sich
die Inbetriebnahmephase deutlich beschleunigen und gliedert sich
nach folgenden Punkten:
- • Entwurf der Anlage
- • Entwicklung
eines Anlagenprojektes
- • Aufbau
der Anlage
- • Überspielen
des Projektes auf die Anlage
- • Testbetrieb
mit Speicherung von Anlagen- und Simulationsdaten (über vorher
definierte Zeitbasis) durch Scanfunktion
- • Export
dieser Daten (XML, textbasiert...)
- • Import
der Daten auf einem Simulationsrechner
- • Umfangreiche
Simulation der Anlage und Korrektur aller Fehler
- • hier
sind auch Erweiterungen und Optimierungen möglich
- • Rückübertragung
des fertigen und korrigierten Projektes auf die Anlage
- • Freigabe
der Anlage und Starten des normalen Betriebes
-
b) Optimierung und Fehlerkorrektur
einer Anlage
-
Durch
die Aufnahme von realen Anlagendaten ist es erstmals möglich, eine
genaue Simulation der Anlage, unabhängig von der Originalanlage, durchzuführen. Die
so ansetzbaren Optimierungsverfahren können maßgeblich zur Verbesserung des Wirkungsgrades
der Anlage verwendet werden. Im Folgenden wird beispielhaft eine
Vorgehensweise zur Optimierung vorgestellt:
- • Normalbetrieb
der Anlage und Aufnahme von Anlagen- und Simulationsdaten durch
die Scanfunktion
- • Export
dieser Daten an den Simulationsrechner
- • Optimierung
der verfahrenstechnischen Betriebsparameter, Regelstrecken, Stützwerte
usw. auf den Simulationsrechner (eine Anlagenerweiterung wäre hier
anwendbar)
- • Import
der verbesserten Projektdaten auf der realen Anlage
- • Neuanlauf
der nun verbesserten Anlage
-
Als
wichtigste Funktion sehen wir hier, das die Anlage auf dem Simulationsrechner,
und nicht wie bisher auf der Originalanlage optimiert wird. Ein ununterbrochener
Betrieb ist somit gewährleistet. Denkbar
ist jedoch auch ein Kreislauf einer existierenden Anlage mit einem
Simulationsrechner bzw. einem Simulationsprogramm zur ständigen Verbesserung
der Anlage.
-
c) Erweiterung einer Anlage
-
Der
Einsatz der Erweiterung ist ähnlich
der Optimierung einer Anlage und gliedert sich in folgende Punkte:
- • Normalbetrieb
der Anlage und Aufnahme von Anlagen- und Simulationsdaten durch
die Scanfunktion
- • Export
dieser Daten an den Simulationsrechner
- • Test
von geplanten Erweiterungen auf dem Simulationsrechner mit den gespeicherten
Realdaten und evtl. Optimierungen
- • Erweiterung
der bestehenden Originalanlage aus den Daten des Simulationsrechners
- • problemloser
Betrieb der erweiterten Anlage
-
d) Migration einer Anlage
-
Durch
das hier vorgestellte Verfahren bietet sich erstmals die Möglichkeit,
eine bestehende Anlage herstellerunabhängig zu migrieren. Neben der Scanfunktion
ist hier auch eine herstellerunabhängige Gerätebeschreibung, wie bspw. EDD
(Electronic Device Description), notwendig. Im Folgenden werden
die hierfür
notwendigen Schritte aufgezeigt:
- • Ausführen der
Scanfunktion auf die komplette Anlage zur Ermittlung der anlagenbeschreibenden
Daten (Netzstruktur, Gerätebeschreibung usw.)
- • Aufnahme
von Simulationsdaten (Messwerte, Parameterdaten, Stützwerte
usw.) über
eine definierte Zeitbasis
- • Übertragung
dieser Daten auf den Simulationsrechner ggf. werden die eben beschriebenen
Daten schon mit dem Simulationsrechner aufgezeichnet, wenn dieser
an der Anlage angeschlossen ist (am Bus der Anlage, o.Ä.)
- • Speichern
dieser Daten als aktuelles Anlagenprojekt, dabei ist die Verwendung
verschiedener Herstellertools möglich
(somit herstellerunabhängig)
- • Simulation
der Anlage, Zuweisung und/oder Anpassung herstellerspezifischer
Merkmale (Gerätekomponenten,
Automatisierungssysteme usw.), Korrektur von Fehlern und Optimierung
der Anlage
- • Migrierung
der Anlage mit dem eben erstellten Projekt (z.B. durch Wechsel der
Prozessleittechnik o.Ä.)
- • Freigabe
und Start des normalen und verbesserten Betriebs der Anlage
-
In 2: „Systembild
Realisierungsnahe Simulation von Anlagen" beschreibt [10] einen Kreislauf
aller Einzelkomponenten, bestehend aus der Anlage [5] mit
all ihren Ebenen, der Scanfunktion [6] zur Ermittlung relevanter
Daten, der zu übertragenden Daten
[7] ggf. in einem besonderen Format, die Übermittlung
dieser Daten an einen Simulationsrechner [8] zu Verbesserung
verschiedenster Betriebsparameter oder zur Erweiterung der bestehenden
Anlage und die Rückübertragung
dieser verbesserten Daten [9] als reine Daten, formatierte
Daten oder als Projekt an die Anlage [5]. Der Schluss zu
einer sich selbst überwachenden,
erweiternden und/oder verbessernden Anlage liegt somit sehr nah.