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Technisches Gebiet
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Die Erfindung betrifft einen elektronisch steuerbaren Mikrofluidik-Prozessor mit integrierten steuerbaren Elementen zur Handhabung von Prozessmedien, mit auf temperatursensitiven Hydrogelen basierenden Elementen, deren zur Medienhandhabung relevante Sensibilitäten sich durch gezielt veränderbare Umgebungstemperatur ändern, wobei die Umgebungstemperatur über elektrische oder elektronikkompatible Schnittstellen steuerbar ist und wobei die integrierten Polymernetzwerk-basierten Elemente hardwaremäßig in einer logischen Grundkonfiguration zusammengeschaltet sind und über die Schnittstellen durch ein übergeordnetes System kontrollierbar sind.
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In der (bio-)chemischen, pharmazeutischen und biomedizinischen Industrie gibt es einen wachsenden Bedarf an Miniaturisierung der fluidischen Prozesstechnik. Diesem Wunsch entsprechen mikrofluidische Geräte. Realisieren diese Geräte durch Funktionen-Integration mehr oder minder aufwändige biologische, biochemische oder chemische Prozesse, so spricht man von Mikrofluidik-Prozessoren oder auch von „Labs an a Chip” (LOC), „Chip-Labore” bzw. „Micro Total Analysis Systems” (μTAS).
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Das LOC-Konzept offeriert mannigfaltige Vorteile. Die Verringerung der Fluidvolumina ermöglicht das Analysieren kleinster Probenmengen und einen sparsamen Umgang mit Reagenzien und Proben, die oft wertvoll, selten, schädlich oder gefährlich sind. Dadurch sind auch höhere Durchsätze erreichbar, da aufgrund der geringen Mengen verkürzte Bereitstellungs-, Misch- und Reaktionszeiten bei minimiertem Energiebedarf benötigt werden. Aufgrund geringerer System-Antwortzeiten kann sich auch die Prozesskontrolle erleichtern.
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Insgesamt ermöglichen LOC-Aufbauten bedeutende Prozessrationalisierungen, indem sie die Prozesszeit erheblich verkürzen und damit den möglichen Durchsatz erhöhen, und die Mengen der benötigten Medien (Probanden, Analyte, Reagenzien, Hilfsmedien) reduzieren.
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Trotz der offensichtlichen Vorteile gibt es nur in Ausnahmefällen realisierte LOC-Anwendungen. Die Ursachen hierfür sind darin zu suchen, welche Teil-Prozesse derzeit miniaturisiert (on-chip-integriert) sind.
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Stand der Technik
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Die typische Struktur biologischer, biochemischer oder chemischer Prozesse umfasst die Aufgaben der Probenpräparation, -handhabung und -reaktion bzw. -analyse in jeweils spezifischen Formen und Kombinationen. Derzeit erfolgt hauptsächlich eine on-chip-Integration der Probenvorbereitung sowie der Reaktion bzw. Analyse. Die aus der Rationalisierung dieser Teil-Prozesse resultierenden wirtschaftlichen Vorteile erwiesen sich jedoch im Regelfall als nicht tragfähig.
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Enormes Rationalisierungspotential bietet die Probenhandhabung, weil sie besonders zeit- und arbeitsintensiv ist. Aufgrund ihrer problematischen on-chip-Integration wird die Probenhandhabung derzeit manuell oder mit bestimmten Sonderapparaturen, wie Dilutern, Spritzenpumpen, Pipettiergeräten u. ä., außerhalb der Chips durchgeführt.
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Die durchaus vielfältig verfügbaren miniaturisierbaren elektronisch steuerbaren fluidischen Antriebe (Pumpen) und Schaltelemente (Ventile) besitzen aber solche Nachteile, dass sie entweder nicht wirtschaftlich in einen Lab-on-a-Chip-Aufbau integrierbar sind oder über unzulängliche Gebrauchseigenschaften verfügen.
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Fluidische Elemente auf Basis von Festkörperaktoren, wie Piezoaktoren [
US 5,224,843 A ,
US 2003/0143122 A1 ] und Formgedächtnisaktoren [
US 5,659,171 A ], sind zwar als Einzelelemente gut miniaturisierbar, besitzen aber einen komplizierten Aufbau, sind auf bestimmte, meist nicht kunststoffbasierte, Materialien festgelegt und müssen deshalb separat gefertigt werden. Eine mögliche Hybrid-Integration (z. B. Aufkleben der Elemente auf das LOC) ist im Regelfall unwirtschaftlich.
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Wandlerelemente, die auf Änderungen des Aggregatzustandes beruhen, lassen sich mit zum Teil geringfügigen Eingriffen in das Layout der Kanalstrukturträger integrieren und sind deshalb meist zum Fertigungsprozess der Kunststoffformteile des Kanalstrukturträgers kompatibel. Es sind beispielsweise Schmelzelemente [R. Pal et al., Anal. Chem. 76 (2004) 13, S. 3740–3748] und Gefrierelemente [
US 6,536,476 B2 ] sowie thermische Blasengeneratoren [
US 6,283,718 B1 ] bekannt.
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Allerdings besitzen aggregatzustandsveränderliche Wandler einige unzulängliche Gebrauchseigenschaften. Mit Ausnahme der Blasengeneratoren lassen sich die Wandler nicht aktorisch nutzen, so dass ihre Anwendung auf Schaltelemente beschränkt ist. Durch die notwendigen Wärmeschwankungen sind die Prozessmedien erheblichem thermischen Stress, bei Gefrierelementen auch mechanischem Stress ausgesetzt.
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Wandler mit Gasbildung eignen sich für viele mikrofluidische Prozesse nicht, weil die meisten gasblasenempfindlich sind.
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Eine gattungsbildende Mikrofluidikvorrichtung ist aus
DE 199 29 734 A1 bekannt, wobei die Polymernetzwerk-basierten Elemente als Hydrogel-Mikroventile ausgebildet sind, welche den Fluidflussweg durch die Mikrofluidikvorrichtung steuern. Hydrogel-Mikroventile sperren einen Fluidfluß oder lassen ihn zu, je nach ihrem Zustand, sie können aber keine Prozessmedien pumpen.
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Aus der
US 2003/0210997 A1 ist ein steuerbare Aktuator auf Hydrogelbasis mit Ventilfunktion bekannt, wobei mehrere in einem Kanal hintereinanderliegende und nacheinander angesteuerte Ventile eine peristaltische Pumpe realisieren sollen. Allerdings ist die Anordnung für einen Flüssigkeitstransport ungeeignet, da die Ventilkörper keine Flüssigkeit verdrängen können. Sie nehmen beim Quellen Flüssigkeit auf und geben genau diese Flüssigkeitsmenge beim Schrumpfen wieder ab.
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In der
DE 101 57 317 A1 ist ein Mikrofluidik-Prozessor auf Basis eines quellfähigen Hydrogels offenbart, der gut miniaturisierbar ist sowie über elektrische oder elektronisch steuerbare Schnittstellengrößen steuerbar ist. In den fluidikdurchströmten Kanälen des Prozessors ist jeweils ein Aktordot mit Ventilfunktion platziert. Mehrere Kanäle können zu einem gemeinsamen Ausgang zusammengeführt sein.
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Dadurch lassen sich Mischvorgänge von Prozessmedien entsprechend der Kanalquerschnitte und Kanaleinlassdrücke realisieren. Durch Reihenschaltung mehrerer Aktordots soll sich zwar auch eine peristaltische Pumpe realisieren lassen, jedoch ist sie hierfür – wie oben erläutert – nicht geeignet.
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Darstellung der Erfindung
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Aufgabe der Erfindung ist es, eine LOC-Vorrichtung zu schaffen, die mit einem wirtschaftlich vertretbaren Fertigungsaufwand herstellbar ist und welche die Probenhandhabung in on-chip-integrierter Form enthält. Damit lässt sich die Probenpräparation und/oder Probenreaktion bzw. Probenanalyse mit der Probenhandhabung in einem LOC-Aufbau vereinen. Die Kernaufgabe des Mikrofluidik-Prozessors soll darin bestehen, mittels auf dem Mikrofluidik-Prozessor angeordneter Hydrogelaktoren und Schnittstellen für unterschiedliche Prozessmedien gesteuert bestimmte Mischungsverhältnisse zu realisieren und die Mischungen autark entweder zu einem Ausgang zu transportieren oder einer weiteren Verarbeitung auf dem Mikrofluidik-Prozessor zuzuführen.
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Erfindungsgemäß wird die Aufgabe durch die in den Ansprüchen 1 und 2 angegebenen Merkmale gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Ansprüchen 3 bis 12 angegeben.
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Die stoffliche Grundlage der Erfindung bilden Hydrogele. Hydrogele sind Polymernetzwerke, die bei Einwirkung wässriger Quellmittel ihr Volumen, ihre Festigkeit und andere Eigenschaften ändern. Diese Polymernetzwerke lassen sich nach der Art der Polymerketten-Verknüpfung untereinander in chemisch und physikalisch vernetzte Polymernetzwerke bzw. Hydrogele unterteilen. Bei chemisch vernetzten Polymernetzwerken sind die einzelnen Polymerketten durch kovalente (chemische) Verbindungen irreversibel miteinander verknüpft. Bei physikalisch vernetzten Polymernetzwerken sind die Polymerketten durch physikalische Wechselwirkungen miteinander verbunden, die meist wieder gelöst werden können.
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Eine besondere Klasse der Hydrogele sind solche mit „smartem” Charakter. Smarte Hydrogele vollführen als chemisch vernetzte Polymernetzwerke reversible diskontinuierliche Volumenphasenübergänge bei Einwirkung bestimmter Umgebungsgrößen. Als physikalisch vernetzbare Polymernetzwerke entnetzen oder vernetzen (auch Gelbilden bzw. Gelieren) sie zwischen dem maximal vernetzten und dem vollständig aufgelösten Zustand. Die Umgebungsgrößen können elektrische Feldgrößen, Strahlung, Temperatur, Ionen- und Stoffkonzentrationen sein. Eine elektrische bzw. elektronik-kompatible Steuerbarkeit smarter Hydrogele ist mit direkten elektrischen Größen und Feldgrößen derzeit problematisch, da die entsprechenden Effekte bzgl. ihres Wirkungsgrads noch unzureichend sind und eine eingeschränkte Reversibilität besitzen. Mit thermisch-elektronischen Schnittstellen lassen sich jedoch temperatursensitive Hydrogele sehr einfach steuern, da die notwendige Wärmezufuhr oder der Wärmeentzug technisch unkompliziert realisierbar ist.
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Ein erster Vorteil von Hydrogelen gegenüber anderen Wandlern besteht in der enormen Vielfalt von aktiven Funktionen, die mit ihnen realisierbar sind. Sie können als elektronisch steuerbare fluidische Elemente in Form von Schaltelementen [
DE 101 57 317 A1 ], fluidischen Antrieben, Aufnahme- sowie Abgabesystemen von Wirk- und anderen Stoffen, aber auch zum Einschließen/Fixieren bzw. Freigeben von Objekten (z. B. durch Gelieren oder Auflösen) Verwendung finden. Ein weiterer Vorteil dieser Effektträger ist die einfache Herstellbarkeit von Hydrogelstrukturen. Da Hydrogele selbst Kunststoffe sind, können sie mit den für diese Stoffklasse typischen Verfahren gefertigt werden. Da die meisten Funktionselemente auch gleiche oder ähnliche Grundstrukturen besitzen, lassen sich die Hydrogelelemente mit einem oder nur wenigen zusätzlichen Fertigungsschritten direkt auf den Kanalstrukturträgern herstellen.
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Wege zur Ausführung der Erfindung
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Die Erfindung soll anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert werden, wobei den verwendeten Bezugszeichen gleich bleibende Bedeutung zukommt. In den zugehörigen Zeichnungen zeigen:
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1a das Schaltbild eines Kanalstrukturträgers eines elektronisch steuerbaren Mikrofluidik-Prozessors auf Basis temperatursensitiver smarter Hydrogele, der z. B. für die Überwachung von Bioreaktoren anhand des Expressionslevels ausgewählter Wachstumsmarker Anwendung finden kann,
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1b einen prinzipiellen Aufbau eines elektronisch steuerbaren Mikrofluidik-Prozessors nach 1a mit einem separaten Aktorstrukturträger in aufgeschnittener Ansicht,
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2a einen prinzipiellen Aufbau eines elektronisch steuerbaren Mikrofluidik-Prozessors mit einem separaten Aktorstrukturträger in Schnittdarstellung,
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2b einen prinzipiellen Aufbau eines elektronisch steuerbaren Mikrofluidik-Prozessors ohne Aktorstrukturträger in Schnittdarstellung,
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3 das Quellverhalten chemisch vernetzter temperatursensitiver smarter Hydrogele in Abhängigkeit von der Temperatur,
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4 die prinzipielle Funktionsweise über thermischelektronische Schnittstellen angesteuerte Hydrogelelemente, wobei
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4a und 4b eine verdrängend wirkende Mikropumpe auf Basis eines chemisch vernetzten Hydrogels mit UCST-Charakteristik zeigen,
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4c und 4d eine Speichereinheit auf Basis eines chemisch vernetzten Hydrogels mit LCST-Charakteristik zeigen,
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4e und 4f ein temperatur-aktivierbares Gelierelement zum Einschließen von Partikeln zeigen,
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4g und 4h ein temperatur-aktivierbares Ventil auf Basis eines physikalisch vernetzten Hydrogels zeigen und
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5 ein mögliches Schaltbild eines LOC-Aufbaus für biochemische und medizinische Standardanwendungen, die auf Polymerase-Kettenreaktionen beruhen.
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Anhand von 1a wird zunächst beispielhaft eine Prozedur erläutert, welche mit den erfindungsgemäßen Mikrofluidik-Prozessoren realisiert werden kann. Mit den 1b sowie 2a und 2b werden mögliche Aufbauprinzipien sowie Fertigungsverfahren vorgestellt. 3 verdeutlicht die nutzbaren Effekte der Hydrogele als steuerbare Elemente, während 4a bis 4h die Funktionsweise einiger steuerbarer Hydrogelelemente vorstellen. Die 5 demonstriert weitere typische Anwendungsfälle der erfindungsgemäßen LOC.
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Das in 1a dargestellte Schaltbild einer LOC-Kanalstruktur ist für eine ganze Reihe von chemischen, biotechnologischen und medizinischen Standardanwendungen geeignet. Seine Funktionalität wird anhand der online-Bestimmung der Enzymaktivität (Laccaseaktivität) eines Bioreaktors erläutert. In zwei Hydrogel-Pumpen 15a und 15b befinden sich 0,05 M Malonatpuffer des pH 5,0. Eine weitere Hydrogel-Pumpe 15c enthält eine als Substrat fungierende 2 mM 2,2'-Azino-Bis(3-Ethylbenzothiazolin-6-Sulfonsäure) (ABTS)-Lösung in einem 0,05 M Malonatpuffer des pH 5,0. In einer vierten Hydrogel-Pumpe 15d befindet sich eine Probe eines Bioreaktorproduktes Laccase, welche z. B. dem laufenden Reaktorbetrieb entnommen wurde.
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Durch gleichzeitiges Pumpen der Hydrogel-Pumpen 15a und 15c sowie der Hydrogel-Pumpen 15b und 15d werden Puffer und Substrat (Hydrogel-Pumpe 15a mit Hydrogel-Pumpe 15c) sowie Puffer und Probe (Hydrogel-Pumpe 15b mit Hydrogel-Pumpe 15d) durch Mischmäander 18a, 18b gemischt und auf Hydrogel-Pumpen 16a bis 16f verteilt, wobei in den Hydrogel-Pumpen 16a bis 16c jeweils ein Puffer-Probegemisch und in den Hydrogel-Pumpen 16d bis 16f ein Puffer-Substratgemisch vorgelegt wird. Alle Hydrogel-Pumpen 15a–15d und 16a–16f basieren auf steuerbaren Polymernetzwerken.
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Durch gleichzeitiges Pumpen der Hydrogel-Pumpen:
- – 16a und 16f (Mischungsverhältnis 2:1)
- – 16b und 16e (Mischungsverhältnis 1:2)
- – 16d und 16c (Mischungsverhältnis 1:1)
werden Puffer-Substrat und Puffer-Probe durch weitere Mischmäander 18c bis 18e gemischt und in Reaktions- bzw. Analyseeinheiten 17a bis 17c transportiert. In diesen lässt sich die Enzymreaktion mit optischen Analysenmethoden verfolgen. Als einfachste optische Analyseeinheit kann ein nicht näher dargestellter lichtempfindlicher Widerstand (LDR – light dependent resistor) dienen, der eine einfache Ja-Nein-Antwort (Enzymaktivität vorhanden bzw. nicht vorhanden) gibt. Enzymkinetische Parameter lassen sich mit lichtspektroskopischen Methoden (z. B. UV-VIS Spektroskopie) ermitteln.
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Durch Parallelisierung mehrerer solcher LOC kann eine kürzere Taktung und somit eine kontinuierliche Enzymaktivitätskontrolle, welche der Enzymproduktionskontrolle entspricht, erreicht werden.
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Die erfindungsgemäßen Mikrofluidik-Prozessoren können zwei prinzipielle Bauformen besitzen.
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Der in 1b gezeigte Mikrofluidik-Prozessor besitzt einen separaten Quellmittelkreislauf in einem Aktorstrukturträger 2, in dem sich je nach deren Funktionsweise auch ein Großteil steuerbarer Hydrogelelemente 4a, 4b befindet. Dieser Prozessor-Typ besteht aus drei Funktionsebenen. Ein Kanalstrukturträger 1 enthält fluidische Kanäle für das Prozessmedium sowie Kammern für die einzelnen Funktionselemente. Der Aktorstrukturträger 2 mit dem Quellmittelkreislauf befindet sich über dem Kanalstrukturträger 1. Die Kanalsysteme beider Strukturträger 1, 2 sind durch eine oder mehrere flexible Membranen 3 voneinander getrennt. Dient für die Hydrogelelemente 4a, 4b das Prozessmedium als Quellmittel, können die Kanalsysteme von Kanalstrukturträger 1 und Aktorstrukturträger 2 miteinander verbunden sein.
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Wie 1b und 2a schematisch zeigen, enthält der Aktorstrukturträger 2 außerdem die Hydrogelelemente 4a, 4b. Das Hydrogelelement 4a stellt in seiner Zweitfunktion als Quellmittelreservoir das notwendige Quellmittel zur Verfügung, während das Hydrogelelement 4b das Prozessmedium als Quellmittel nutzt. Die Ebene des Aktorstrukturträgers 2 ist durch einen Strukturträger 5 für eine elektrischen Ansteuerung abgedeckt und trägt Heizstrukturen 6a, 6b sowie deren elektrische Kontaktierungen.
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Das Hydrogelelement 4a besitzt die Funktion eines fluidischen Antriebs. Wird es mit den Heizelementen 6a von links nach rechts angesteuert, fängt es an, unter Lösungsmittelaufnahme aus den Speicherplätzen des Aktorstrukturträgers 2 zu quellen, so dass es die flexible Membran 3 von links nach rechts in eine Pumpenkammer 7 des Kanalstrukturträgers 1 einlenkt und das dortige Prozessmedium aus der Pumpenkammer 7 verdrängt. Da die Pumpenkammer 7 linksseitig durch das erste Segment des Hydrogelelements 4a geschlossen ist, wird das Prozessmedium durch einen Durchbruch 8 zu dem als Ventil wirkenden Hydrogelelement 4b gefördert. Ist dieses durch die Heizstruktur 6b so angesteuert, dass es entquollen ist, kann das Prozessmedium das geöffnete Hydrogel-element 4b passieren. Die Bezugszeichen 11 bezeichnen die Eingänge/Einlässe der Pumpenkammern 7 für das zu pumpende Prozessmedium, die Bezugszeichen 10 die Ausgänge/Auslässe. Mit Hilfe von Hydrogel-Ventilen 19a–19c lässt sich der Durchfluss an Prozessmedium durch die Hydrogel-Pumpeneinheit 16a–16f, Reaktions- bzw. Analyseeinheiten 17a–17c und Mischmäander 18a–18e ändern.
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Das Hydrogelelement 4b, welches sich eigentlich im Prozesskreislauf befindet, ist aus zwei Aspekten mittels der Durchbrüche 8 in die Ebene des Aktorstrukturträgers 2 verlegt. Zum einen lassen sich so sämtliche Hydrogelelemente 4a, 4b in der Ebene des Aktorstrukturträgers 2 fertigen, zum anderen können alle Hydrogelelemente 4a, 4b von einer einzigen Seite durch die Heizstrukturen 6a, 6b des Strukturträgers 5 angesteuert werden.
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Der Aufbau des Mikrofluidik-Prozessors nach 2b besitzt die gleiche Funktionalität wie der in 2a dargestellte. Er ist jedoch einfacher aufgebaut, da er keinen eigenständigen Quellmittelkreislauf benötigt. Die Hydrogelelemente 4a, 4b nutzen das Prozessmedium zum Quellen. Die Hydrogelelemente 4a, 4b sind direkt in Kanälen 1a des Kanalstrukturträgers 1 platziert und sitzen auf dem Strukturträger 5 für die Heizstrukturen 6a, 6b. Die Kanalstrukturen werden dabei durch eine Abdeckung 9 verschlossen, wobei diese Abdeckung 9 funktionelle Bereiche wie einen elastischen Federkraftspeicher 9a aufweisen kann.
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Die Fertigung der erfindungsgemäßen Mikrofluidik-Prozessoren kann für die Aktor- und Kanalstrukturträger 1, 2 mit den üblichen Verfahren der Massenfertigung von Kunststoffformteilen, wie Spritzguss, Heißabformung oder ähnlichem erfolgen. Als Materialien eignen sich die für die Mikrofluidik üblichen, z. B. Polycarbonat (PC), Cycloolefine (COC), Polyamide (PA), Polyester (PES), Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid PVC), Polydimethylsiloxan (PDMS), Polymethylmethacrylat (PMMA) oder auch Polytetrafluorethylen (PTFE).
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Zur Fertigung kleiner Serien oder von Unikaten eignen sich Verfahren des Rapid Prototyping, z. B. das Fräsen der Kanalstrukturen. Eine recht einfache Variante zur Fertigung kleiner Serien ist das Masterabformen von PDMS. Dazu werden Negativstrukturen von dem Kanalstrukturträger 1 und dem Aktorstrukturträger 2 fotolithografisch in Siliziumwafern erzeugt und diese anschließend mit Teflon durch Sputtern beschichtet, um eine gute Abformbarkeit zu erhalten. Danach wird das PDMS auf die Formen gebracht und für eine Stunde bei 100°C ausgehärtet.
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Die flexiblen Membranen 3; 9a lassen sich ebenfalls in PDMS durch Rotationsbeschichten herstellen. Die Schichtdicken können mit diesem Verfahren sehr gut zwischen ca. 15 μm bis 100 μm eingestellt werden. Folien der erforderlichen Dicken lassen sich aber auch kommerziell erwerben.
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Die elektrische Ansteuerung der Mikrofluidik-Prozessoren kann ebenfalls mit den bekannten Verfahren zur Herstellung von Verdrahtungsträgern gefertigt werden. Der Strukturträger 5 mit den Heizstrukturen 6a, 6b kann z. B. mit herkömmlichen Methoden und Materialien der Leiterplattentechnik realisiert werden. Dazu kann beispielsweise eine Polyesterfolie mit 35 μm dicker Kupferfolie laminiert, mit einer Maske versehen und anschließend nasschemisch strukturiert werden.
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Der Strukturträger 5 kann anschließend mit Heizstrukturen 6a, 6b, z. B. in SMD-Form, per Schwalllöten bestückt werden. Alternativ können die Heizstrukturen 6a, 6b auch per Siebdruck entsprechender Dickschicht-Leitpasten erzeugt werden.
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Der Dickschicht-Leitpasten-Siebdruck ist auch eine eigenständige Fertigungsmöglichkeit der elektrischen Ansteuerung. Die Leiterbahnen und Heizwiderstände können direkt auf den Strukturträger 5, oder, sofern er integraler Bestandteil von dem Kanalstrukturträger 1 oder dem Aktorstrukturträger 2 ist, auch direkt auf den Aktor- bzw. Kanalstrukturträger 1, 2 gedruckt werden.
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Die einzelnen Lagen des LOC können miteinander verklebt, verschweißt oder kraftschlüssig gefügt werden. PDMS-Formteile lassen sich beispielsweise nach einer Niederdruck-Sauerstoff-Plasma-Behandlung sehr gut mit PDMS als Klebstoff und anschließender Temperaturhärtung verkleben.
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Hydrogelelemente sind mit verschiedenen Verfahren herstellbar. Zum Strukturieren von Hydrogelschichten können die vernetzende Fotopolymerisation [D. J. Beebe et al., Nature 404 (2000), S. 588–590] und die Fotovernetzung A. Richter et al., J. Microelectromech. Syst. 12 (2003) 5, S. 748–753] verwendet werden. Weiterhin ist das Formgießen mit anschließender Polymerisation [M. E. Harmon et al., Polymer 44 (2003), S. 4547–4556] sowie das Erzeugen von Hydrogelpartikeln [K.-F. Arndt et al., Polym. Adv. Technol. 11 (2000), 496–505] möglich.
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Smarte Hydrogele lassen sich derzeit nur schwierig direkt mit elektrischen Größen steuern. Temperatursensitive Hydrogele können aber sehr einfach über eine thermische Schnittstelle elektrisch angesteuert werden und sind deshalb als elektronisch steuerbare Elemente einsetzbar. Das Eigenschaftsprofil von elektronikkompatiblen Hydrogelen und ihre Anwendungsmöglichkeiten werden deshalb anhand temperatursensitiver Hydrogele dargestellt.
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Chemisch vernetzte temperatursensitive smarte Hydrogele können zwei Verhaltensweisen beim Volumenphasenübergang aufweisen (siehe 3). Die meisten temperatursensitiven smarten Hydrogele besitzen eine Lower Critical Solution Temperature (LCST)-Charakteristik, d. h., sie sind bei niedrigen Temperaturen gequollen und entquellen bei Überschreiten der Phasenübergangstemperatur. Das bekannteste Hydrogel mit LCST-Charakteristik, Poly(N-Isopropylacrylamid) (PNIPAAm), besitzt eine Volumenphasenübergangstemperatur von 32,8°C. Die Lage der Phasenübergangs- bzw. Schalttemperatur von NIPAAm-basierten Hydrogelen kann durch Copolymerisation und Variation der Syntheseparameter in einem Bereich von +5°C und ca. 60°C eingestellt werden. Mögliche Synthese- und Strukturierungsverfahren von PNIPAAm-basierten Hydrogelen sind z. B. in A. Richter et al., J. Microelectromech. Syst. 12 (2003) 5, S. 748–753, beschrieben.
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Ähnlich gute Phasenübergangs-Eigenschaften mit LCST-Charakteristik besitzt das ebenfalls in 3 gezeigte Poly(Methylvinylether) (PMVE). Die Lage der Phasenübergangstemperatur dieses Hydrogels liegt bei 37°C. PMVE wird mit hochenergetischer Strahlung (Elektronenbestrahlung, Gamma-Bestrahlung) vernetzt [K.-F. Arndt et al., Macromol. Symp. 164 (2001), S. 313–322]. Weitere Vertreter mit LCST-Charakteristik basieren z. B. auf Hydroxypropylcellulose [B. Kabra et al., Macromolecules 31 (1998), S. 2166–2173].
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Temperatursensitive Hydrogele mit einer Upper Critical Solution Temperature (UCST)-Charakteristik quellen bei Über schreiten der Phasenübergangstemperatur und sind bei geringen Temperaturen entquollen. Ein Hydrogel mit UCST-Verhalten ist das Copolymer aus Hydroxyethyl Methacrylat (HEMA) und Acetoacetoxyethyl Methacrylat (AAEM) [V. Boyko et al., Macromol. Chem. Phys. 204 (2003), S. 2031–2039]. In einer 60wt%:40wt% Ethanol/Wasser-Mischung liegt dessen Phasenübergangstemperatur bei 31,5°C (siehe 3).
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Physikalisch vernetzbare Polymernetzwerke bilden sich bei Einwirken bestimmter Umgebungsgrößen aus einer Polymerlösung durch Gelieren, indem sich die einzelnen Polymermoleküle zu einem dreidimensionalen Netzwerk verknüpfen. Diese Vorgang ist meist reversibel (Sol-Gel-Übergangsverhalten). Durch Einwirken der kritischen Umgebungsgröße werden die Verknüpfungspunkte wieder aufgetrennt und die Polymermoleküle liegen gelöst vor.
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Typische temperaturschaltbare physikalisch vernetzbare Hydrogele sind Gelatine, Pektine und Agarose. Ihre Sol-Gel-Übergangstemperaturen lassen sich durch verschiedene Maßnahmen zwischen etwa 15°C und 95°C einstellen. Zu diesen und weiteren physikalisch vernetzbaren Polymernetzwerken bietet [K. te Nijenhuis, Thermoreversible Networks, Adv. Polym. Sci. 130, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1997] einen Überblick. Es gibt auch Polymernetzwerke, die chemisch vernetzt sind und über physikalisch vernetzbare Komponenten verfügen. Durch Einwirken auf die physikalisch vernetzbaren Komponenten lassen sich zusätzliche Vernetzungspunkte ausbilden bzw. aufheben, so dass der Vernetzungsgrad und damit auch der Quellungsgrad beeinflusst werden kann.
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Chemisch vernetzte smarte Hydrogele ändern beim Phasenübergang eine ganze Reihe von Eigenschaften. Für Hydrogelelemente sind hauptsächlich die Änderungen ihres Volumens, der Festigkeit, der Permeabilität (Stoffdurchlässigkeit) bzw. Diffusionseigenschaften sowie des Speichervermögens nutzbar. Durch die Nutzung der Volumenänderung lassen sich beispielsweise Ventile, fluidische Antriebe (Pumpen) und Stellglieder realisieren, die über elektronikkompatible Schnittstellengrößen steuerbar sind.
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Festigkeits- und Nachgiebigkeitsveränderungen lassen sich z. B. für schaltbare Sperren und Anschläge nutzen.
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Änderungen der Permeabilität bzw. der Diffusionseigenschaften sind ebenfalls zum Schalten oder Beeinflussen von Stoffflüssen nutzbar.
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Physikalisch vernetzbare Hydrogele können im vernetzten Zustand ebenfalls Volumen, Festigkeit und Permeabilität ändern. Als rein physikalisch vernetzte Hydrogele verfügen sie jedoch nicht über ein Volumenphasenübergangsverhalten, sondern ändern diese Eigenschaften spontan bei der Quellung aus dem Trockenen bzw. beim Austrocknen. Sie lassen sich aber in ihrem Vernetzungszustand schalten, d. h., man kann einen Hydrogel-Festkörper erzeugen, auflösen oder in seinen Quellungs- bzw. Festigkeitseigenschaften beeinflussen.
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Diese Eigenschaften lassen sich für einmalig aktivierbare Hydrogelelemente, z. B. in Form von Ventilen, Formkörpern mit Sperr-, Arretier- oder Stellfunktion, verwenden, die über die elektronikkompatible Schnittstellengrößen in ihrer Festigkeit verändert, aufgelöst oder durch Gelbildung erzeugt werden. Der Gelbildungs- bzw. -Auflösungsprozess kann zudem zum gesteuerten Einschluss bzw. zur Freigabe von Flüssigkeiten, aber auch Feststoffen (z. B. Partikel, Zellen usw.), genutzt werden.
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Die 4a bis 4h verdeutlichen die prinzipiellen Funktionsweisen einiger Hydrogelelemente, wie sie für die erfindungsgemäßen LOC-Aufbauten benötigt werden.
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Die in 4a und 4b dargestellte verdrängend wirkende Mikropumpe, wie sie z. B. für die Hydrogel-Pumpen 15a–15d und 16a–16f nach 1a nutzbar sind, basiert beispielsweise auf dem chemisch vernetzten temperatursensitiven UCST-Hydrogel Hydroxyethyl Methacrylat (HEMA) und Acetoacetoxyethyl Methacrylat (AAEM). Das im Aktorstrukturträger 2 bevorratete Quellmittel 4d ist eine 60wt%:40wt% Ethanol/Wasser-Mischung. Bei Raumtemperatur ist dieses Hydrogel 4d entquollen. Die Pumpenkammer 7 ist mit dem zu fördernden Prozessmedium gefüllt. Um einen Stofffluss in Richtung eines Ausgangs 10 generieren zu können, muss die Pumpenkammer 7 zunächst am Eingang 11 verschlossen werden. Dazu wird das erste Heizelement 6 betätigt, so dass die Phasenübergangstemperatur des Hydrogels überschritten wird, das Hydrogel 4c quillt und durch Auslenkung der Membran 3 den Eingang 11 verschließt (4a). Dann werden die Heizelemente 6 sequenziell in Richtung Ausgang 10 betätigt, so dass die Pumpenkammer 7 durch das fortschreitend quellende Hydrogel 4c und die entsprechend ausgelenkte Membran 3 in Richtung Ausgang 10 entleert wird (4b).
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Die in 4c und in 4d dargestellte Speichereinheit beruht z. B. auf dem chemisch vernetzten Hydrogel PNIPAAm. Die Speichereinheit kann durch Quellung des Hydrogelelements 4c in einem zu speichernden Prozessmedium beladen werden. Wird das gequollene Hydrogelelement 4c (4c) durch die Heizstruktur 6 über seine Phasenübergangstemperatur von ca. 33°C erwärmt, entquillt es (4d) und setzt einen Wirkstoff 12 in eine Kanalstruktur 13 des Kanalstrukturträgers 1 frei. Der Aufbau von 4c und 4d kann auch zum Realisieren einer Ventilfunktion genutzt werden. Bei Raumtemperatur ist das PNIPAAm-Element 4c bis an die Abdeckung 9 gequollen und verschließt den Ventilsitz vollständig. Durch Beheizen mit dem Heizelement 6 über die Phasenübergangstemperatur entquillt es, so dass sich der Ventilsitz öffnet.
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4e und 4f zeigen ein temperaturaktivierbares Gelierelement zum Einschließen von Partikeln 14. In der Kanalstruktur 13 befindet sich neben den Partikeln 14 eine gelierfähige Lösung 4e. Wird die partikelhaltige Lösung durch ein Peltierelement 6 auf eine Temperatur unterhalb einer Gelbildungstemperatur abgekühlt, so verfestigt sich die Lösung 4e zu einem Gel 4f, so dass die Partikel 14 durch Einschluss örtlich fixiert sind. Zum Freisetzen der Partikel 14 kann das Gel 4f durch Überschreiten der Gelbildungstemperatur wieder aufgelöst werden. Die Gelbildungstemperaturen lassen sich durch entsprechende Wahl der Gelatine bzw. des Polysaccharides zwischen etwa 30°C und 95°C einstellen.
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Das temperaturaktivierbare Ventil auf Basis eines physikalisch vernetzten Hydrogels nach den 4g und 4h kann beispielsweise ein in die Kanalstruktur 13 des Kanalstrukturträgers 1 eingelagertes Hydrogel-Ventil 19a–19c nach 1a sein. Um eine Befüllung der Reaktionseinheiten 17a–17c (1a) mit dem Prozessmedium zu gewährleisten, müssen die Hydrogel-Ventile 19a–19c zunächst geöffnet sein. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die Hydrogel-Ventile 19a–19c zunächst im trockenen oder angefeuchteten Zustand vorliegen. Sind die Reaktionskammern 17a–17c gefüllt, wird das Prozessmedium zum Ausgang streben und dabei den Ventilsitz erreichen. Das Hydrogel 4f (4g) fängt an zu quellen und die Hydrogel-Ventile 19a–19c verschließen die Kanäle 13 (4g, 4h). Zum Öffnen wird das Hydrogel 4f (4g) über seine Geliertemperatur erwärmt, so dass es sich auflöst (Hydrogelzustand 4g in 4h) und das jeweilige Ventil 19a–19c (1a) geöffnet ist.
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5 zeigt das Schaltbild eines LOC-Aufbaus für biochemische und medizinische Standardanwendungen, die auf Polymerasekettenreaktionen (PCR – polymerase chain reaction) beruhen. Für die Polymerasekettenreaktion wird ein Mastermix, eine Templat-DNA für die Kontrollreaktion (Templat-DNA1) und eine Templat-DNA für die eigentliche PCR-Reaktion (Templat-DNA2) vorgelegt.
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Der Mastermix kann beispielsweise folgende Zusammensetzung besitzen:
- – 4 μl 10 × Puffer mit 25 mM MgSO4 (10 × Pfu-Polymerasereaktionspuffer, Fermentas Life Science)
- – 0,2 μl Forward Primer (FP) Endkonzentration 1 μM
- – 0,2 μl Reverse Primer (RP) Endkonzentration 1 μM
- – 3,2 μl dNTP (Desoxyribonucleosid Triphosphat Mischung; Fermentas Life Science) Endkonzentration 0,4 mM each
- – 0,8 μl Pfu-DNA-Polymerase (2,5 U/μl; Fermentas Life Science) und 11,6 μl H2O (molecular biology grade).
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Bei Bedarf kann das H2O auch anteilig durch Zusätze wie DMSO, Glycerin u. a. (z. B. bei hohem GC-Gehalt) substituiert werden.
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Für mehrfache Anwendungen werden die Volumenangaben für den Mastermix mit der Anzahl der Anwendungen multipliziert. Der so vorbereitete Mastermix kann in einem gekühlten Vorratsgefäß (4°C) außerhalb des LOC's bereitgestellt werden. Gleiches gilt für die Templat-DNA's.
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Die Hydrogel-Pumpen 15b und 15c werden mit jeweils 10 μl eines Mastermixes beladen. In Hydrogel-Pumpe 15a befinden sich 10 μl Templat-DNA1 (Plasmid, ca. 100 ng in H2O – molecular biology grade) für die PCR-Kontrollreaktion. Hydrogel-Pumpe 15d enthält 10 μl Templat-DNA2 (Plasmid, ca. 100 ng in H2O – molecular biology grade) für die PCR-Reaktion.
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Durch gleichzeitiges Pumpen der Hydrogel-Pumpen 15a, 15b, 15c, 15d werden 10 μl Mastermix mit 10 μl Templat-DNA1 (Hydrogel-Pumpe 15a mit Hydrogel-Pumpe 15b) und 10 μl Mastermix mit 10 μl Templat-DNA2 (Hydrogel-Pumpe 15c mit Hydrogel-Pumpe 15d) durch die Mischmäander 18a und 18b gemischt und nach dem Öffnen der Hydrogel-Ventile 19a und 19b zu PCR-Kammern 20a bzw. 20b transportiert. In den Kammern 20a und 20b finden die Polymerasekettenreaktionen statt, wobei die Temperaturprogramme von einem externen Thermocycler realisiert werden können. Ein mögliches PCR-Temperaturprogramm kann wie folgt ablaufen:
- – 5 min bei 94°C (initiale Templat-Denaturierung)
- – 30 Zyklen mit jeweils 30 s bei 94°C (Templat-Denaturierung) und 30 s bei 55°C (Primer-Annealing)
- – 4 min bei 72°C (Primer-Elongation).
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Abschließend erfolgt eine Inkubation von 5 min bei 72°C zum vervollständigen der Primer-Elongation.
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Nach der PCR werden durch gleichzeitiges Pumpen der Hydrogel-Pumpen 15a–15d und Öffnen der Hydrogel-Ventile 19c und 19d die PCR-Produkte in Gel-Elektrophoresekammern 21a, 21b (meist Agarosegelelektrophorese) transportiert, wobei auf das Gel von der Gel-Elektrophoresekammer 21a die PCR-Produkte der Kontrollreaktion und auf das Gel von der Gel-Elektrophoresekammer 21b die PCR-Produkte der eigentlichen PCR aufgetragen werden.
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Wahlweise können die PCR-Produkte auch an dem Ausgang 10a bzw. Ausgang 10b zur externen Weiterverarbeitung entnommen werden.
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Durch Anlegen einer Spannung (Feldstärke 10 V/cm) werden die PCR-Produkte in den Gel-Elektrophoresekammer 21a bzw. 21b elektrophoretisch getrennt und können an dem Ausgang 10c bzw. Ausgang 10d z. B. für die externe Fluoreszenzanalyse bereitgestellt werden. 11 bezeichnen wiederum die Eingänge zu den Hydrogel-Pumpenkammern 15a–15d.
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Die Temperatursteuerung des LOC muss nicht zwangsläufig mit einer integrierten elektrisch-resistiven oder lichtbasierten Ansteuerung erfolgen. Es ist ebenso möglich, die LOC durch externe Geräte, in die sie ganz oder teilweise eingebracht werden, in ihrem Prozessablauf zu steuern. Solche Geräte können beispielsweise entsprechend modifizierte PCR-Thermogeräte, Thermostaten, Thermocycler, Wärmeschränke oder Wärmebäder sein, die zum Realisieren vorgegebener Temperaturprogramme befähigt sind. Der Mikrofluidik-Prozessor kann ganzheitlich dem Temperaturprogramm unterworfen werden. Die Erwärmung kann aber auch lokal an bestimmten Abschnitten des LOC und in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge erfolgen. Die lokalen Abschnitte umfassen zweckmäßig Elemente, die gleichzeitig betätigt werden sollen. Für das Layout nach 5 empfehlen sich z. B. drei unterschiedliche steuerbare lokale Abschnitte. Der erste Bereich umfasst die Hydrogel-Pumpen 15a, 15b, 15c, 15d sowie die Hydrogel-Ventile 19a, 19b, der zweite Bereich die PCR-Kammern 20a, 20b, der dritte Bereich die Hydrogel-Ventile 19c, 19d. Das zeitliche Verhalten der hydrogelbasierten Einzelelemente lässt sich auch durch entsprechende Festlegung von deren Aktivierungstemperaturen bestimmen. Bei steigender Temperatur werden zunächst die Elemente mit den niedrigsten Aktivierungstemperaturen aktiviert, zum Schluss jene Elemente mit den höchsten Aktivierungstemperaturen. Zum Verbessern der Wärmeübertragung können die zu erwärmenden Bereiche so gestaltet sein, dass sie über eine verbesserte Wärmeleitfähigkeit verfügen. Dies ist z. B. durch Verringerung der Materialstärken, aber auch durch Einsatz von Materialien mit entsprechenden Wärmeleiteigenschaften zu erreichen.
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Durch die Anpassung der Mastermixzusammensetzung (mehrere Primer) und der Templat-DNA (Proben-DNA) lässt sich dieser prinzipielle Aufbau auf vielfältige DNA-Analysemethoden übertragen. Es sind alle Anwendungen, z. B. DNA-Fingerprint (Vaterschaftstest), Virenanalyse u. a, die auf dem Prinzip der PCR-DNA-Analyse basieren, auf einem LOC realisierbar.
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Durch die Anpassung der Architektur (z. B. zusätzliche Pumpen, Mischkammern, Reaktionskammern usw.) können auch komplexere Abläufe, wie sie zum Beispiel für die Reverse Transkriptase-PCR (RT-PCR) benötigt werden, auf einem LOC realisiert werden. Dazu ist lediglich ein RT-Mastermix zusammenstellen und ein weiteres Temperaturprogramm vor der PCR zu integrieren (two-step RT-PCR-Methode). Alternativ kann selbstverständlich auch der in 5 beschriebene Aufbau mit einer one-step RT-PCR-Methode Verwendung finden.
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Die prinzipielle Zusammensetzung eines RT-Mastermix für eine two-step RT-PCR-Methode zeigt folgendes Beispiel:
- – Total RNA oder mRNA (prokaryontisch oder eukaryontisch) mit der Targetsequenz
- – Reverse Transkriptase(n)
- – dNTPs (vgl. PCR)
- – oligo(dT)-Primer (alternativ: sequenzspezifische- oder random-hexamer Primer) und
- – RNase-Inhibitor in dem zugehörigen Trans kriptasepuffer.
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Die cDNA-Synthese findet bei 37°C bis 50°C statt.
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Weitere Anwendungsgebiete der Erfindung
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Die geschilderten Beispiele repräsentieren eine Vielzahl möglicher weiterer Anwendungen der erfindungsgemäßen Mikrofluidik-Prozessoren auf Hydrogelbasis. Durch die Anpassung der Prozessor-Architektur (z. B. zusätzliche Pumpen, Mischkammern, Reaktionskammern usw.) können auch komplexere Abläufe auf einem LOC realisiert werden. Es lassen sich vielfältige Pipettier- und Analyseaufgaben miniaturisieren und automatisieren, was nicht nur eine deutliche Kosten- und Zeitreduktion bewirkt, sondern auch die Prozessqualität z. B. durch Vermindern des Pipettierfehlers deutlich verbessert. Die LOC können für einmalige (Wegwerfartikel), kontinuierliche oder online-Aufgaben verwendet werden. Durch die Miniaturisierung und Automatisierung ist ein mobiler, ortsunabhängiger Einsatz der LOCs möglich.
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Im Bereich Biotechnologie sind sie beispielsweise für die Enzymreaktor- bzw. Bioreaktorüberwachung u. a. für Prokaryonten, Eukaryonten, Hefen und Pilze geeignet. Als online-, kontinuierliche oder Einmal-Messung (auch für die Einmalverwendung) ist ein Rapid-Screening der Aktivität von Enzymen unterschiedlicher Enzymklassen realisierbar. Durch Kombination mehrerer LOCs kann ein Multi Rapid Screening ermöglicht werden. Auch die Online-Expressionslevelkontrolle sowie die Online-Verfolgung von Wachstumskurven und Wachstumsfaktoren, auch in Ergänzung bzw. Kombination zur Flowzytometrie kann mit den erfindungsgemäßen LOC durchgeführt werden.
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In der Umwelt- bzw. Wasseranalytik lassen sich z. B. Mikroorganismenanalysen durch die Ermittlung und Zuordnung eines Aktivitätsprofils, aber auch Schnelltests zum Ermitteln der Wasserqualität [CSB (chemischer Sauerstoffbedarf), BSB (biologischer Sauerstoffbedarf), Schwermetalle, Nitrat, Nitrit usw.] realisieren.
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Im medizintechnischen Bereich lässt sich die erfindungsgemäße LOC-Technologie beispielsweise zur Online-Zellkulturüberwachung (Eukaryonten, humane Zelllinien u. a.) durch Viabilitätstests [z. B. WST-1- und MTT-Test (Umwandlung eines Tetrazoliumsalzes in Formazan, z. B. 4-[3-(4-Jodphenyl)-2-(4-Nitrophenyl)-2H-5-Tetrazolium]-1,3-Benzendisulfonat) oder LDH-Test (Laktatdehydrogenase-Test)] usw. einsetzen.
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Damit ist eine Zellgüte-, Chargen- und Passagenkontrolle für humane Zelllinien u. a. möglich.
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Auch Auf-Chip-Bluttests zum Ermitteln eines Teils der wichtigsten Blutbildparameter, z. B. Blutzucker, pH-Wert, Laktat, Mineralien, Creatin, Hormone, Enzyme, Leukocyten, Erythrozyten u. a., Krankheitsmarker, der Nachweis von Reaktiv-Oxigen-Toxischen-Substanzen (ROTS-oxidativer Stress) u. s. w. sind realisierbar.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kanalstrukturträger
- 1a
- Kanal im Kanalstrukturträger
- 2
- Aktorstrukturträger
- 3
- flexible Membran
- 4a
- Hydrogelelement a für eine Hydrogel-Pumpe
- 4b
- Hydrogelelement b für ein Hydrogel-Ventil
- 4c
- gequollenes Hydrogelelement
- 4d
- entquollenes Hydrogelelement
- 4e
- vernetzbare Polymerlösung
- 4f
- geliertes Hydrogelelement
- 4g
- aufgelöstes Hydrogelelement (Polymerlösung)
- 5
- Strukturträger der elektrischen Ansteuerung (Leiterplatte)
- 6
- Resistives Heizelement; Peltierelement
- 6a
- Heizstruktur
- 6b
- Heizstruktur
- 7
- Pumpenkammer
- 8
- Durchbruch
- 9
- Abdeckung
- 9a
- elastischer Abdeckungsbereich der Abdeckung
- 10, 10a–10d
- Ausgang/Auslass
- 11
- Eingang/Einlass
- 12
- freigesetzter Wirkstoff im Prozessmedium
- 13
- Kanalstruktur
- 14
- Partikel
- 15a–15d
- Hydrogel-Pumpen zur Flüssigkeitsaufnahme
- 16a–16f
- Hydrogel-Pumpen zur Variation von Mischverhältnissen
- 172–17c
- Reaktions- bzw. Analyseeinheiten
- 18a–18e
- Mischmäander
- 19a–19d
- Hydrogel-Ventile
- 20a, 20b
- PCR-Kammer
- 21a, 21b
- Gel-Elektrophoresekammer