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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zum ruckfreien Abbremsen eines
Fahrzeuges bis zum Stillstand.
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Beim
Abbremsen eines Fahrzeuges bis zu dessen Stillstand tritt häufig ein
Anhalteruck auf, der von den Passagieren deutlich wahrgenommen werden
kann und insbesondere bei Stop-and-Go-Verkehr mit häufigen Bremsvorgängen als
störend
empfunden wird.
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Die
DE 101 31 323 A1 beschreibt
ein Verfahren zur Verbesserung des Regelverhältnisses einer Bremsanlage
durch Kompensation oder Vermeidung des Anhalterucks, bei dem bei
Unterschreiten eines Grenzwertes der Fahrzeuggeschwindigkeit eine
Sonderregelung in Funktion gesetzt wird, die den Bremsdruckverlauf
derartig beeinflusst, dass die Längsbeschleunigung
bis zum Stillstand des Fahrzeuges konstant gehalten wird.
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Durch
ein derartiges Verfahren kann der Anhalteruck gegenüber einer
unkontrollierten Beendigung des Bremsvorganges zwar etwas verringert werden,
es bleibt jedoch ein von den Passagieren deutlich spürbarer Ruck.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
weist demgegenüber
einige Vorteile auf. Erfindungsgemäß wird bei Erkennen einer relevanten
Stopp-Bremsung die Längsbeschleunigung
stetig auf Null geführt. Dem
liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass bei herkömmlichen Bremsverfahren der
Anhalteruck insbesondere durch die schlagartige Änderung der Längsbeschleunigung
am Ende des Abbremsvorganges beim Stillstand entsteht. Die Passagiere
empfinden die während
des Bremsvorgangs auftretende – vom Vorzeichen
her negative – Längsbeschleunigung
als auf sie einwirkende Kraft, die am Ende des Bremsvorgangs plötzlich zunimmt,
da im Stillstand ein Reibwertsprung zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe auftritt.
Bei einer Konstantregelung der Längsbeschleunigung
bis zum Stillstand, wie sie indem eingangs genannten Verfahren verwendet
wird, tritt gerade bei diesem Übergang
zum Stillstand, von dem an keine Längsbeschleunigung mehr wirksam
ist, ein unstetiger Sprung in der Längsbeschleunigung auf. Beim
erfindungsgemäßen Verfahren
wird der Reibwertsprung umgangen, da zum Zeitpunkt des Stillstandes
bereits keine Längsbeschleunigung
und somit keine einwirkende Kraft mehr vorliegt. Lediglich bei Automatikgetrieben
kann im Zeitpunkt des Anhaltens noch ein zusätzliches Motormoment auftreten.
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Erfindungsgemäß wird zunächst ermittelt,
ob der Fahrer einen Stopp-Bremsvorgang,
d.h. eine Abbremsung bis zum Stillstand des Fahrzeuges, durchführen will.
Hierzu kann insbesondere überprüft werden,
ob die aktuelle Längsgeschwindigkeit
bzw. Fahrzeuggeschwindigkeit unterhalb eines ersten Grenzwertes
liegt und eine Extrapolation des Geschwindigkeitsverlaufs bis zum
Stillstand führt.
Weiterhin können
Notbremsvorgänge,
bei denen ein kürzerer
Bremsweg relevant ist, durch eine Überprüfung des vom Fahrer eingegebenen
Bremsdrucks bzw. dessen zeitlicher Ableitung ausgeschlossen werden.
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Erfindungsgemäß kann die
ruckfreie Stopp-Bremsung mit einer Regelung oder einer Steuerung
durchgeführt
werden; hierbei ist grundsätzlich eine
Regelung vorteilhaft, in die als Messgröße die ermittelten Raddrehzahlen
der betreffenden Räder und/oder
eine direkt gemessene Längsbeschleunigung
eingeht. Falls von dem betreffenden Steuergerät der Fahrdynamikregelung jedoch
erkannt wird, dass eine hinreichend genau einschätzbare Bremssituation vorliegt,
kann entsprechend auch eine hierzu passend ausgewählte oder
berechnete Steuerkurve herangezogen werden, entlang der der Abbremsvorgang
geführt
wird.
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Die
Regelung oder Steuerung erfolgt vorteilhafterweise durch eine entsprechende
Ansteuerung der Einlassventile und Auslassventile des Hydrauliksystems
der betreffenden Fahrzeugbremsen. Somit können das Steuergerät und die
Hydraulikventile bereits vorhandener Antiblockiersysteme, Antriebsschlupfregelsysteme
und/oder Fahrdynamikregelungen bzw. Stabilitätsregelungen verwendet werden, so
dass kein apparativer Mehraufwand erforderlich ist. Gemäß einer
bevorzugten Ausführungsform
wird die Stopp-Bremsung
vorgenommen, indem zunächst die
Einlassventile geschlossen werden und nachfolgend die Auslassventile
geregelt oder gesteuert geöffnet
werden, so dass die ruckfreie Stopp-Bremsung als Regelung oder Steuerung
der Auslassventile mit dem in den Rad-Bremszylindern gespeicherten
Hydraulikdruck durchgeführt
werden kann. Durch den Abbau kann der Druckverlauf simuliert werden,
den ein „perfekter" Fahrer mit seinem
Fuß beschreiben würde, um
das Auto komfortabel, d.h. sehr weich und ohne Ruck oder Nachschaukeln
zum Stehen bringen würde.
Das erfindungsgemäße Verfahren
kann sowohl auf ebener Fahrbahn als auch in Steigungen und Gefällen durchgeführt werden.
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Nach
Erreichen des Stillstandes werden die Auslassventile wieder geschlossen
und die Einlassventile geöffnet,
um den vom Fahrer eingegebenen Bremsdruck an die Bremszylinder weiter
zu geben, damit der Fahrer nachfolgend wiederum durch Loslassen
der Bremse und ggf. Betätigung
des Gaspedals einen Anfahrvorgang starten kann. Das Öffnen der
Einlassventile kann wiederum geregelt oder gesteuert erfolgen.
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Gemäß einer
besonders bevorzugten Ausführungsform
wird die Längsbeschleunigung
nicht aus dem zeitlichen Verlauf der ermittelten Raddrehzahlen,
sondern direkt durch einen an der Fahrzeugkarosserie vorgesehenen
Längsbeschleunigungssensor
ermittelt. Dem liegt die erfindungsgemäße Erkenntnis zu Grunde, dass
bisher benutzte Soft-Stopp-Verfahren nicht die Unterschiede im Beschleunigungs-
bzw. Abbremsverhalten zwischen den Rädern und der gegenüber den
Rädern
gefederten und gedämpften
Fahrzeug karosserie (bzw. Fahrzeugaufbau) berücksichtigen. Insbesondere bei
komfortablen Fahrzeugen ergeben sich zwischen den direkt an den
Rädern
vorgesehenen Raddrehzahlsensoren und der Karosserie deutliche Unterschiede
im Schwingungs- und Beschleunigungsverhalten, insbesondere bei Kurzzeitig
auftretende Beschleunigungsänderungen.
Hierbei kann durch die Federung der Fahrzeugkarosserie gegenüber dem
Fahrwerk z. B. während
eines Bremsvorganges ein Überschwingen
auftreten, was den Eindruck eines Anhalteruckes verstärkt. Indem
die Längsbeschleunigung
erfindungsgemäß direkt
an der Fahrzeugkarosserie gemessen wird und nicht durch zeitliche
Ableitung aus den Raddrehzahlen gebildet wird, kann direkt die von den
Passagieren wahrgenommene Längsbeschleunigung
für die
Regelung bzw. Steuerung herangezogen werden. Die direkte Messung
der Längsbeschleunigung
an der Karosserie ermöglicht
hierbei besonders vorteilhaft die erfindungsgemäße stetige Führung der
Längsbeschleunigung
auf Null.
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Die
Erfindung umfasst weiterhin eine Vorrichtung zum ruckfreien Abbremsen
eines Fahrzeugs, enthaltend Mittel zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens.
Die vorteilhaften Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens äußern sich
auch als vorteilhafte Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Vorrichtung.
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Die
Erfindung wird im Folgenden anhand der beiliegenden Zeichnungen
an einigen Ausführungsformen
näher erläutert. Es
zeigen:
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1 ein
Fahrzeug während
des Abbremsvorganges;
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2 ein
Flussdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens zur Abbremsung
des Fahrzeuges;
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3 ein
Zeitdiagramm der Signalverläufe sowie
der Fahrgeschwindigkeit und des Bremsdruckes während eines Abbremsvorganges.
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Ein
Fahrzeug 1 fährt
mit einer Fahrzeuggeschwindigkeit bzw. Längsge schwindigkeit vx und einer
Längsbeschleunigung
ax. In 1 ist hierbei der Anschaulichkeit halber die physikalische
Richtung der Bremswirkung, d.h. nach hinten gerichtet, eingezeichnet;
bei der mathematischen Umsetzung ist entsprechend ein negativer
Wert für
die Abbremsung des Fahrzeuges 1 anzusetzen. Während seines
Abbremsvorganges werden die Raddrehzahlen n seiner Räder 2 von
Raddrehzahlsensoren 2.1 in Abhängigkeit der Zeit t, d. h.
als n(t) gemessen. Aus den Raddrehzahlen n(t) kann in an sich bekannter
Weise die zeitliche Ableitung dn(t)/dt gebildet werden, aus der – ggf. unter
Berücksichtigung
des ermittelten Schlupfes – die
Längsgeschwindigkeit
vx(t) berechnet werden kann.
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Weiterhin
ist in bzw. an der Karosserie 3 des Fahrzeuges 1 ein
Längsbeschleunigungssensor 4 vorgesehen,
der die Längsbeschleunigung
ax direkt misst. Der Längsbeschleunigungssensor 4 ist
vom Aufbau her als solches bekannt und weist im Allgemeinen eine
träge Masse,
eine Feder und eine Dehnungsmesseinrichtung oder Einrichtung zur
Messung einer Auslenkung auf; er kann insbesondere mikromechanisch
bzw. als Chip mit mikromechanisch strukturiertem Messbereich ausgebildet
und mit weiteren Beschleunigungssensoren, z. B. einem Querbeschleunigungssensor
und/oder einem Gierratensensor, kombiniert sein. Die Raddrehzahlsensoren 2.1,
der Längsbeschleunigungssensor 4 und
ggf. weitere Beschleunigungssensoren werden hierbei von einem Steuergerät 5 einer
Fahrdynamikregelung, z. B. eines elektronischen Stabilitätsprogramms oder
eines Antiblockiersystems ausgelesen.
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Nachfolgend
wird mit Bezug zu 2 ein Abbremsvorgang des Fahrzeuges 1 beschrieben.
In Schritt S1 wird das erfindungsgemäße Verfahren gestartet; dies
kann direkt beim Anlassen des Motors oder ggf. auch durch eine Aktivierung
des Fahrers über
einen Schalter oder eine Menüführung erfolgen. In
Schritt S2 werden fortlaufend von dem Steuergerät 5 Messsignale aufgenommen,
nämlich – unter
anderem – die
Raddrehzahlen n(t) der vier Raddrehsensoren 2.1 der Räder 2 und
das Längsbeschleunigungssignal ax(t)
des Längsbeschleunigungssensors 4. Weiterhin
kann ggf. ein Längsgeschwindigkeitssignal vx(t)
der Abtriebswelle eingelesen werden. Falls kein Längsbeschleunigungssensor 4 vorgesehen
ist oder dessen Messsignale nicht für das erfindungsgemäße Verfahren
herangezogen werden, kann die Längsbeschleunigung
ax(t) auch in dem Steuergerät
durch eine zeitliche Ableitung der aus den Raddrehzahlsignalen n
ermittelten Längsgeschwindigkeit
ermittelt werden.
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Gemäß dem Entscheidungsschritt
S3 wird anhand von z. B. vier Kriterien k1, k2, k3, k4 bewertet,
ob eine relevante Stopp-Bremsung vorliegt, bei der der Fahrer das
Fahrzeug 1 bis zum Stillstand abbremsen will, ohne dass
eine Notbremsung vorliegt.
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Hierzu
wird gemäß k1 zunächst aus
dem bisherigen Kurvenverlauf vx(t) extrapoliert, ob die Geschwindigkeit
gegen Null geht. Weiterhin wird gemäß Kriterium k2 ermittelt, ob
die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit vx unterhalb eines ersten Grenzwertes g1
liegt, der z. B. zwischen 3 km/h und 7 km/h, z. B. bei etwa g1 =
5 km/h liegt. Um eine Notbremsung auszuschließen, wird vorteilhafterweise
ergänzend gemäß Kriterium
k3 überprüft, ob der
von einem Bremsdruckssensor 7 des Brems-Hydrauliksystems an
das Steuergerät 5 übermittelte
Fahrerbremsdruck p unterhalb eines weiteren Grenzwertes g2 und/oder ob
gemäß Kriterium
k4 der Betrag dessen zeitlicher Ableitung dp/dt (bzw. zeitlichen
Gradienten) unterhalb eines weiteren Grenzwertes g3 liegt. Hierbei wird
angenommen, dass der Fahrer bei einer Notbremsung vor einem Hindernis
das Bremspedal stark oder zeitlich sehr schnell betätigen wird.
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Falls
die Kriterien 1. bis 4. in Schritt S3 nicht erfüllt sind, wird gemäß der Verzweigung
n das Verfahren vor den Schritt S2 zurückgesetzt, d.h. unmittelbar
nach dem Start S1. Falls in Schritt S3 die Kriterien erfüllt sind,
wird gemäß Verzweigung
y die Soft-Bremsung bzw. der ruckfreie Abbremsvorgang als Sonder-Regelung
oder Sonder-Steuerung eingeleitet. Hierzu wer den in Schritt S4 von
dem Steuergerät 5 in
dem Hydrauliksystem Einlassventile 10 zu den Bremsen 9 der
Räder 2 über Steuersignale
EV geschlossen, indem die Steuersignale gemäß 3 auf 1
gesetzt werden, und in einem nachfolgenden Schritt S5 werden Auslassventile 11 zu
diesen Rädern 2 über Steuersignale
AV geregelt oder gesteuert derartig geöffnet und geschlossen, dass
die – fortlaufend
gemessene oder ermittelte – Längsbeschleunigung
ax(t) stetig gegen Null geht, bis die Längsgeschwindigkeit vx den Wert
Null angenommen hat, d.h., bis das Fahrzeug 1 stillsteht.
Nachfolgend werden in Schritt S6 die Auslassventile 11 geschlossen und
die Einlassventile 10 wieder geöffnet, d.h. EV auf 0 gesetzt,
so dass der Fahrer das Fahrzeug 1 nachfolgend wieder durch
die Bremsbetätigung
in gebremstem Zustand hält
bzw. durch Loslassen der Bremse wieder freigeben kann. In Schritt
S7 ist entsprechend das Verfahren beendet; gegebenenfalls kann es
auch selbsttätig
wieder gestartet, d.h. auf Schritt S1 zurückgesetzt werden.
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In
Schritt S5 wird vorteilhafterweise eine Sonder-Regelung durchgeführt, bei
der die Auslassventile 11 in Abhängigkeit der gemessenen Längsbeschleunigung
ax derartig geöffnet
und geschlossen werden, dass ax stetig gegen Null geht. Hierbei
kann z. B. ein gradliniger Verlauf von ax gegen 0, d.h. dax/dt =
konstant gewählt
werden; entsprechend sind auch andere stetige Verläufe von
ax gegen 0 möglich.
Alternativ hierzu ist jedoch auch eine Steuerung möglich, bei
der aus dem bekannten ax(t) und vx(t) eine vorprogrammierte Steuerkurve
(bzw. Soll-Kurve) nachgefahren wird, bis das Fahrzeug steht.
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Vorteilhafterweise
wird die Sonder-Regelung nur an den hinteren Fahrzeugrädern 2 durchgeführt. Der
Bremsdruck p kann erfindungsgemäß durch
die Regelung oder Steuerung auf einen definierten unteren Wert reduziert
werden. Der durch die Steuerung oder Regelung vorgenommene Druckabbau
des Bremsdruckes simuliert den Druckverlauf, den ein geübter (oder
perfekter) Fahrer mit seinem Fuß beschreiben
würde,
um ein ruckfreies Anhalten durchzuführen.
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3 zeigt
den Signalverlauf bei dem Abbremsvorgang, mit den Steuersignalen
AV und EV von dem Steuergerät 5 zu
den relevanten Einlassventilen 10 und Auslassventilen 11,
der Längsgeschwindigkeit
vx und den Bremsdruck p sowie ein ermitteltes Signal SST, das während des
ruckfreien Bremsvorgangs, d.h. in den Schritten S4 und S5, in dem
Steuergerät 5 gesetzt
ist. Nach Schritt S3 wird in der Verzweigung y somit das Signal
SST auf 1 gesetzt, in Schritt S4 die Einlassventile 10 über das Steuersignal
EV geschlossen, und in Schritt S5 die erfindungsgemäße Regelung
(oder auch Steuerung) über
das Signal AV durchgeführt,
bis das Fahrzeug steht und vx = 0 ist. Die Auslassventile 11 werden über das
Steuersignal AV hierbei geschlossen. Nachfolgend werden in Schritt
S6 die Einlassventile 10 über das Steuersignal EV wieder
geöffnet.
Der Bremsdruck p wird zwischen einem unteren Wert %p und dem vom
Fahrer eingegebenen oberen Wert po (Fahrerbremsdruck) geregelt oder
gesteuert.