Verfahren zur Abschätzung der Schädigung zumindest eines technischen Bauteiles einer Brennkraftmaschine
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Abschätzung der Schädigung zumindest eines technischen Bauteiles einer Brennkraftmaschine. Weiters betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.
Die DE 102 57 793 AI zeigt einen modellbasierten Lebensdauerbeobachter, wobei Systembelastungen aus der vorhandenen Fahrzeugsensorik ermittelt und gespeichert werden, lokale Bauteil-Beanspruchungen aus dem Systemmodell und den Belastungszeitverläufen ermittelt und die Restlebensdauer der im Systemmodell enthaltenen Bauteile aus den akkumulierten Bauteilschädigungen durch eine Betriebsfestigkeitsanalyse berechnet werden.
Aus der DE 101 61 998 AI ist ein Verfahren zur Betriebsüberwachung von sicherheitskritischen Modulen in Kraftfahrzeugen bekannt, wobei ein Alterungsfaktor durch Kumulation von Alterungsgraden einzelner Bauteile bestimmt wird . Die Alterungsgrade einzelner Bauteile werden durch Auswertung von für eine Alterung repräsentativen Parameterwerten ermittelt.
Ein Verfahren zur Verschleißdiagnose wird in der DE 10 2008 049 754 AI vorgeschlagen, wobei während des Fahrbetriebes auftretenden Fahrereignissen und Fahrbedingungen jeweils ein Verschleißindex zugeordnet wird. Die einzelnen Verschleißindexwerte werden zu einem Verschleißindexsummenwert aufaddiert, und mit einem Referenzverschleißindexsummenwert verglichen.
Die DE 10 2010 012 564 AI beschreibt ein Verfahren zur Ermittlung einer Materialantwort bei einem Bauteil, wobei eine mechanische Belastung des Bauteils durch eine Berechnungseinheit mittels sich wiederholender Belastungszyklen simuliert wird .
Aus der US 4,336,595 AI ist ein Strukturlebenszeitrechner bekannt, welcher auf Grund der durch einen Dehnmessstreifen ermittelten Signale die Ermüdung und Rissausbreitung ermittelt und die kumulierten Schäden abspeichert und anzeigt.
Die DE 10 2005 023 252 AI beschreibt ein Verfahren zur Bestimmung des Schädigungsgrades und der Restlebensdauer von sicherheitsrelevanten Anlagenteilen bei Großanlagen, wobei die mechanischen Spannungen von sicherheitsrelevanten Anlagenteilen nicht direkt gemessen, sondern über Messergebnisse geräteüblicher und standardmäßig vorhandener Sensoren abgeschätzt. Mittels mechanischer Statikberechnungsprogramme werden Spannungsstütztabellen erzeugt, die
die mechanischen Spannungen an kritischen Stellen der Anlagenteilen darstellen. Die tatsächlichen Spannungen werden auf Basis dieser Stütztabellen sowie der gemessenen Positionen, Gewichte und Lasten und unter Berücksichtigung von Beschleunigungen und Bremsungen einzelner Antriebe ermittelt. Die mechanischen Spannungen werden nach der "Rainflow-Methode" analysiert und führen zu einem verwertbaren Ergebnis in Form eines Schädigungsgrades und/oder einer ermittelten Restlebensdauer.
Bekannte Verfahren benötigen eine mehr oder weniger große Anzahl an Sensoren, um die Schädigung und Restlebensdauer von Bauteilen zu ermitteln.
Aufgabe der Erfindung ist es, den sensorischen Aufwand für die Schädigungsüberwachung und Restlebensdauervorhersage auf ein Mindestmaß zu verringern.
Erfindungsgemäß erfolgt dies dadurch , dass folgende Schritte durchgeführt werden : a) Bereitstellen zumindest eines virtuellen Temperatursensors für den Bauteil; b) Bereitstellen zumindest eines virtuellen Spannungssensors für den Bauteil; c) Ermitteln einer transienten Temperatur des Bauteiles der Brennkraftmaschine mittels des virtuellen Temperatursensors auf der Basis zumindest eines Motor- oder Betriebs- oder Streckenparameters aus der Gruppe Motordrehmoment, Motordrehzahl, Motorleistung, Kühlmittelmassestrom, Kühlmitteltemperatur, Umgebungstemperatur und Streckenprofil, wobei vorzugsweise zumindest ein Parameter in einer elektronischen Steuereinheit abgelegt ist; d) Ermitteln der Spannungen des Bauteils der Brennkraftmaschine mittels des virtuellen Spannungssensors auf der Basis des Gesamtdeh- nungstensors und der mittels des virtuellen Temperatursensors ermittelten Temperatur des Bauteils; e) Ermitteln der visko-plastischen Dehnungen des Bauteiles auf der Basis eines Werkstoffmodells; f) Aufsummieren der visko-plastischen Dehnungen des Bauteils; g) Ermitteln der Schädigung des Bauteils auf Grund der kumulierten plastischen Dehnungen.
Die Erfindung erlaubt damit die Ermittlung von Temperatur, Spannungen und resultierenden Schädigungen ohne Vorsehen zusätzlicher realer Sensoren alleine aus während des Betriebs vorhandenen Parametern. Vorzugsweise wird der virtuelle Temperatursensor für den Bauteil auf der Basis eines ersten mathematischen Modells gebildet und eine Kalibrierung für den stationären Fall unter Einbeziehung zumindest eines Bauteilparameters aus der Gruppe Geometrie, Wärmeübergangsbedingungen und Modell-Referenztemperatur für den Bauteil, durchgeführt. Weiters wird eine Kalibrierung des virtuellen Temperatursensors für den transienten Fall, vorzugsweise unter Einbeziehung zumindest eines Motor- oder Betriebsparameters aus der Gruppe Drehmoment, Motordrehzahl, Kühlmitteltemperatur, Kühlmitteldurchfluss, Kühlmitteldruck, durchgeführt.
Der virtuelle Spannungssensor für den Bauteil kann unter Bildung zumindest eines nichtlinearen Spannungstensors des Bauteils auf der Basis eines zweiten mathematischen Modells oder von FE-Methoden (FE-Finite Elemente) bekannter Art, zum Beispiel unter Einbeziehung zumindest eines Betriebsparameters, insbesondere einer Referenztemperatur des Bauteils aus einer Thermoschockanalyse und eines Werkstoffmodells des Bauteils, dargestellt werden. Danach wird für den stationären und den transienten Fall eine Kalibrierung des virtuellen Spannungssensors durchgeführt.
Zumindest einem der Schritte al), a2), bl) oder b2) kann eine Thermo-Schock- Analyse zu Grunde gelegt werden.
Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht beispielsweise eine Analyse von kritischen Zylinderkopftemperaturen unter Feld-Betriebsbedingungen; eine Analyse von Spannungs-/Dehnungswechseln und eine Lebensdauerabschätzungen für den Zylinderkopf unter Feld-Betriebsbedingungen; einen Vergleich des Einflusses von unterschiedlichen Fahrzeuganwendungen auf die Zylinderkopf-Lebenszeit;
Die Erfindung wird im Folgenden anhand der Fig. näher erläutert. Es zeigen schematisch :
Fig. 1 den Ablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens; die Bildung und Kalibrierung des virtuellen Temperatursensors;
Fig. 3 die Bildung und Kalibrierung des virtuellen Spannungssensors;
Fig. 4 die praktische Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens an Hand des zeitlichen Verlaufes der Bauteiltemperatur TCH und der kumulierten visko-plastischen Dehnung £vcum;
Fig. 5 und Fig . 6 Details der Verläufe aus Fig. 4.
Um mit minimalen sensorischen Aufwand das Schadenpotential einer bestimmten Teststrecke abschätzen und Risse vorhersagen zu können, die im Feldbetrieb entstehen, werden beim erfindungsgemäßen Verfahren "virtuelle" Temperatursensoren 1 und virtuelle Spannungssensoren 2, eingesetzt. Virtuelle Temperatur- und Spannungssensoren 1, 2 beruhen auf mathematischen Simulationsmodellen, welche Temperaturen und Spannungen der in Betracht gezogenen Bauteile in Abhängigkeit von anderen Betriebsparametern und Eingabegrößen wie Motordrehmoment M, Motordrehzahl n, Kühlmittelmassestrom mc, Kühlmitteltemperatur Tc, etc. vorhersagen können.
Der virtuelle Temperatursensor 1 ermöglicht die Vorhersage der Temperatur TCH des Bauteils - beispielsweise eines Zylinderkopfes einer Brennkraftmaschine - an spezifischen Punkten der Flammfront unter Feld-Betriebsbedingungen, in Abhängigkeit beispielsweise des Motordrehmomentes M, der Motordrehzahl n, des Kühlmittelmassestroms mc, der Motorleistung P, der Umgebungstemperatur Tu und der Kühlmitteltemperatur Tc. Weiters kann eventuell auch das Höhenprofil H der Teststrecke als Eingangsgröße in den virtuellen Sensor 1 einfließen. Mit KT1, KT2 sind Kalibrierungsparameter für den virtuellen Temperatursensor für die stationäre und die transiente Kalibrierung bezeichnet.
Der virtuelle Spannungssensor 2 erlaubt die Vorhersage des visko-plastischen Spannungs-/Dehnungsverhaltens auf der Basis des Temperaturergebnisses TCH des virtuellen Temperatursensors 1, als Vorarbeit für eine Schadensvorhersage 3, zum Beispiel bei einem Zylinderkopf, durch Vergleich mit Heiß- und Kaltversuchen (Thermo-Schock-Analyse). Neben der Temperatur TCH des betrachteten Bauteils werden eine Referenztemperatur Tref(t) und ein Gesamtdehnungstensor 101(τΓεί) aus einer TMA-Analyse (TMF=Thermo-Mechanical-Fatigue, TMA=thermo- mechanische Analyse) als Eingangsgrößen für den virtuellen Spannungssensor 2 verwendet. Weiters berücksichtigt der Verformungssensor Materialparameter wie die zeit- und temperaturabhängige Spannungs-Dehnungscharakteristik σε(ι, T), den Elastizitätsmodul E(T), und die thermische Expansion a(T). Mittels des virtuellen Sensors 2 kann eine Spannungs-Dehnungsanalyse des Bauteils durchgeführt werden. Das Ergebnis der Spannungs-Dehnungsanalyse liefert für den Bauteil einen visko-plastischen Dehnungstensor εν'((), einen gesamten Dehnungstensor £tot (t), die kumulierte visko-plastische Dehnung £vcum (t) und den Spannungstensor °"(t) -
Fig. 2 zeigt schematisch die Bildung und Kalibrierung des virtuellen Temperatursensor 1. Mit Bezugszeichen la ist die Kreierung und Kalibrierung für den stationären Fall angedeutet, welche auf der Basis der Geometrie G des Bauteils, der Wärmeübergangsbedingungen HTC und einer Referenztemperatur Tref(t) aus einem 3D-Simulationsmodell erfolgt. Dabei werden erste Kalibrierungsparameter KT1 festgelegt, welche die Beziehung zwischen der Flammfronttemperatur und der Kühlmitteltemperatur und der metallischen Kühlmittelwand definieren. Unter Verwendung der ersten Kalibrierungsparameter KT1 wird auf Grund des Motordrehmomentes M, der Motordrehzahl n, des Kühlmittelmassestroms mc, der Kühlmitteltemperatur Tc und des Kühlmittedruckes pc in Schritt lb eine Kalibrierung des virtuellen Temperatursensors 1 für den transienten (instationären) Fall durchgeführt und dabei die zweiten Kalibrierparameter KT2 erzeugt.
In Fig. 3 ist die Bildung und Kalibrierung 2a des virtuellen Spannungssensors 2 schematisch dargestellt. Als Eingangsgrößen für die Erstellung und Kalibrierung dienen dabei zumindest eine charakteristische Temperatur JJS des Bauteils aus einer Thermo-Schock-Analyse am Motorprüf stand (beispielsweise der Ventilbrückentemperatur zwischen Auslassventilen beim Zylinderkopf), Beschränkungen CONTS aus der Thermo-Schock-Analyse (eventuell mittels SD-Simulationsmodell), sowie ein Werkstoffmodell MM (beispielsweise für GJV=Gusseisen mit Vermikulargraphit). Die Kalibrierung dient unter Anderem zur Stabilisierung des virtuellen Spannungssensors 2, um eine Berechnung der Dehnungszunahme zu ermöglichen.
Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren können anhand von Motorparametern bzw. Messdaten, die der elektronischen Steuereinheit ECU vorliegen, Schädigungen motorrelevanter Teile wie Zylinderkopf, Abgaskrümmer etc., ermittelt werden.
Das Verfahren weist im Wesentlichen folgende Schritte auf:
• Ermittlung der transienten Temperaturen TCH eines Bauteils der Brennkraftmaschine auf Basis von gemessenen Eingabegrößen aus dem Motorbetrieb - entweder in Echtzeit oder aus der elektronischen Steuereinheit ECU oder aus Tabellen denen zumindest ein vorangegangener Prüflauf der Brennkraftmaschine zu Grunde liegt;
• Ermittlung von temperaturabhängigen mechanischen Randbedingungen CONTS aus einer Tabelle, die wie folgt generiert wird : TMF-Berechnung (Thermo-Mechanical-Fatigue - thermo-mechanische Bauteilermüdung) liefert temperaturabhängig die Einspannungssituation/das Einspan- nungsverhältnis für jede Position des betrachteten Bauteils, insbeson-
dere hinsichtlich einer Referenztemperatur Tref(t). Zusätzlich werden Materialparameter des Bauteils unter Verwendung eines Werkstoffmodells MM für den Bauteil berücksichtigt (das Werkstoffmodell MM kann beispielsweise auf der Spannungs-Dehnungskurve bzw. der Span- nungs-Dehnungscharakteristik σε(ι, -η und dem E-Modul E(T) für den Bauteil basieren).
Berechnung der plastischen Dehnungen auf Basis der thermischen und mechanischen Randbedingungen;
Aufsummieren der plastischen Dehnungen zur Bewertung der Schädigungssituation bei realen Testfahrten.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann in der elektronischen Steuereinheit ECU der Brennkraftmaschine implementiert werden, sodass anhand dort vorhandener Motormesswerte mittels des virtuellen Temperatur- und Spannungssensors eine Schädigung von Motorbauteilen berechnet werden kann und entsprechend derartige Teile rechtzeitig ausgetauscht bzw. gewartet werden können. In einer Variante der Erfindung kann auch vorgesehen sein, dass die elektronische Steuereinheit ECU bei Auftreten einer gewissen, vordefinierbaren Schädigung das Drehmoment und/oder die Kraftstoffzuführung und/oder die Leistung reduziert. So kann eine gravierendere Schädigung verhindert oder zumindest hinausgezögert werden.
Unter der Vorraussetzung, dass eine TMF-Rechnung bereits vorhanden ist, sind folgende Input Daten für den virtuellen Temperatursensor 1 erforderlich : Motor Moment M, Motor Drehzahl n, Kühlwasser Temperatur Einlass Tc, Kühlwasser Massenstrom mc, Kühlwasser Druck (kann eventuell abgeschätzt werden) pc, Bauteiltemperatur (z. B. Auslassbrücke) TTS, Höhenprofil der Strecke (optional) H, Motorbremse Charakteristik.
Der virtuelle Temperatursensor 1 beruht beispielsweise auf der bekannten Wärmeleitungsgleichung unter Berücksichtigung thermischer Randbedingungen, die entsprechend strömungsmechanischen Ähnlichkeitsgesetzen berechnet bzw. skaliert werden.
Der virtuelle Spannungssensor 2 basiert auf einem elasto-viscoplastischen Cha- boche Modell oder einem adaptierten elasto-viscoplastischen Chaboche Modell (Chaboche Modelle sind zum Beispiel in "Mechanics of Solid Materials", Jean Le- maitre, Jean-Louis Chaboche, Cambridge University Press, 1990, beschrieben).
Als mechanische Randbedingungen werden temperaturabhängige Einspannungs- bedingungen im Modell angewandt, die Temperatur wird vom virtuellen Temperatursensor 1 berechnet. Auch die Temperaturrandbedingungen werden vom virtuellen Temperatursensor 1 berechnet.
Mechanische Randbedingungen des Gesamtdehnungstensors:
Die Einspannungsbedingungen des Sensorbereichs werden aus vorangegangen Thermoshock - FE-Simulationen entnommen und als temperaturabhängiges Kennfeld oder als eine darauf basierende Ersatzfunktion hinterlegt. Hierfür wird die totale Dehnung Etot als mechanische Randbedingung verwendet.
£tot = £el + £pl + £vi + £th mit
- Eei ... elastische Dehnung
- Epi ... plastische Dehnung
- Evi ... visco plastische Dehnung
- Eth ... thermische Dehnung
Die mit dem virtuellen Temperatursensor 1 errechneten Temperaturen werden als Eingangsgröße für das Kennfeld/die Ersatzfunktion verwendet, um die Randbedingungen entsprechend der Temperaturentwicklung vorzugeben.
Die Fig. 4 zeigt eine praktische Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens in einem Feldversuch während einer Testfahrt auf einer Teststrecke, welche ein definiertes Höhenprofil H aufweisen kann. Die gesamte kumulierte visco-plasti- sche Dehnung Δενευπη betrug beispielsweise 0,033% Die Testfahrt wurde durch einzelne Pausen R unterbrochen, in denen eine Abkühlung des betrachteten Bauteiles (Zylinderkopf) eintrat. Fig . 5 und Fig. 6 stellen Ausschnitte aus Fig . 4 dar.
Wie aus Fig . 5 erkennbar ist, kommt es auch nach Abkühlung des Bauteils während einer Belastungspause zu einem Fortschreiten der kumulierten visco-plasti- schen Dehnung Evcum . Fig. 6 zeigt, dass auch Kriecheffekte CE im visko-plasti- schen Verhalten während Heißphasen HP wiedergegeben werden.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann besonders vorteilhaft beispielsweise bei Zylinderköpfen, Kolben und Auslasssammler angewendet werden. Daneben sind aber auch andere Einsatzmöglichkeiten denkbar.