Vorrichtung und Verfahren zur berührungslosen Bestimmung der Blickrichtung
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur berührungslosen Bestimmung der aktuellen Blickrichtung des menschlichen Auges. Sie finden Anwendung bei Untersuchungen von Augenbewegungen wie auch bei psychophysiologischen Untersuchungen der Aufmerksamkeit zur Umweltgestaltung (z.B. Cockpitdesign) als auch im Design- und Marketingbereich wie z.B. Werbung, Ermittlung von ROIs (Regions of Interest) in 2D- und 3D-Räumen.
Im Stand der Technik sind verschiedene Vorrichtungen und Verfahren bekannt, mit denen die Blickrichtung und der Blickpunkt berührungslos bestimmt werden können.
- Kornealreflexmethode:
Bei dieser Methode wird das Auge mit einer oder mehreren Infrarotlichtquellen beleuchtet, um das Sehen nicht zu beeinträchtigen. Die Lichtquellen erzeugen dabei einen Reflex auf der Kornea, der mit einer Kamera erfasst und ausgewertet wird. Die
Lage der Reflexionspunkte zu anatomischen und mit der Kamera erfassbaren Merkmalen des Auges ist charakteristisch für die Blickrichtung. Die Streuung der Parameter des menschlichen Auges erfordert jedoch für jeden zu Untersuchenden eine individuelle Kalibration. - Purkinje-Eyetracker (Eyetracker=Blickrichtungsverfolger):
Diese Eyetracker nutzen die kamera gestützte Auswertung der an Grenzflächen des Auges entstehenden Rückreflexionen einer Beleuchtungseinrichtung, deren Licht ins Auge fällt. Diese sogenannten Purkinje-Bildchen entstehen als Kornealreflex auf der Korneavorderseite (1. Purkinjebild), an der Kornearückseite (2. Purkinjebild), an dέr Linsenvorderseite (3. Purkinjebild) sowie -rückseite (4. Purkinjebild). Die Helligkeit der
Reflexe nimmt in der Reihenfolge stark ab. Etablierte Geräte nach diesem Prinzip benötigen eine extrem aufwendige Bildverarbeitung und sind sehr teuer.
- Search-Coil-Methode:
Auf das Auge wird eine Kontaktlinse aufgesetzt, die dünne Drahtschleifen enthält, deren Kontaktierung nach außen geführt ist. Der Kopf des zu Untersuchendenten befindet sich in orthogonalen und zueinander im Zeitmultiplex getakteten Magnetfeldern. Entsprechend dem Induktionsgesetz lässt sich für jede räumliche Lage der Kontaktlinse synchron zur Magnetfeldtaktung eine Induktionsspannung erfassen.
Nachteilig bei dieser Methode sind der hohe messtechnische Aufwand und die Kosten der nur etwa 3 bis 5 Messungen haltenden Kontaktlinse. Zudem handelt es sich um ein Kontakt-Verfahren. Die Kontaktierung der Linse wird von Untersuchten subjektiv als störend empfunden. - Limbus-Tracking:
Bei diesem Verfahren werden nahe am Auge Reflexlichtschrankenanordnungen platziert, die auf den Limbus (Korneoskleralübergang) des Auges ausgerichtet werden. Die optischen Sensoren erfassen dabei die Intensität des reflektierten Lichtes. Aus den Intensitätsdifferenzen lässt sich auf eine Verschiebung der Komeoskleralübergänge in ihrer Lage zu den Sensoren und damit auf die Blickrichtung schließen. Nachteilig ist das schwache Signal der Messanordnung, die zudem das Gesichtsfeld stark einschränkt, was bei ophthalmologischen Untersuchungen nicht akzeptiert werden kann. - EOG-Ableitung: Das Auge bildet aus der Sicht der Feldtheorie einen elektrischen Dipol zwischen der
Kornea und dem Augenhintergrund. Augennah aufgeklebte Elektroden erfassen die Projektion einer mit der Augenbewegung verbundenen Auslenkung dieses Dipols. Die typischen Potentialverläufe sind dabei annähernd linear proportional zur Amplitude der Augenbewegung. Nachteilig ist die starke, immer vorhandene Drift der Elektrodenspannung, die die Erfassung vor allem statischer oder sich nur langsam verändernder Blickrichtungen verhindert. Zudem erfordert die interindividuelle Variabilität der Amplitudenabhängigkeit von der Blickrichtung eine patientenspezifische Kalibration. Erschwerend kommt hinzu, dass dem erfassten Signal relativ starke Potentiale der umliegenden Muskulatur als Störungen überlagert sind.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung und ein Verfahren anzugeben, die ohne Kalibrierung für jeden Probanden eine berührungslose Bestimmung des Blickvektors des menschlichen Auges ermöglichen.
Erfindungsgemäß wird die Aufgabe mit einer Vorrichtung zur berührungslosen Bestimmung der Blickrichtung dadurch gelöst, dass zwei Kameras vorhanden sind, die jeweils zeitgleich Abbildungen aus unterschiedlichen Richtungen vom menschlichen
Auge erzeugen, dass die beiden Kameras mit einem Bildverarbeitungssystem verbunden sind und dass mindestens die Raumkoordinaten der Kameras und deren Abstand zum Auge im Bildverarbeitungssystem abgespeichert sind. Ferner wird die Aufgabe durch ein Verfahren zur berührungslosen Bestimmung der Blickrichtung, dadurch gelöst, dass das Auge eines Probanden über mindestens zwei Kameras aus mindestens zwei unterschiedlichen Raumrichtungen abgebildet wird, dass mittels der morphologischen Merkmale eines Auges, die im Abbild auswertbar sind und den im Bildverarbeitungssystem abgespeicherten Raumkoordinaten der Kameras und mindestens deren Abstand zum Auge die Blickrichtung bestimmt wird. Bei bekannter Geometrie der Messanordnung kann aus dem Ausgangspunkt am Auge und dem ermittelten Blickvektor der Blickpunkt bestimmt werden. Weder muss der Kopf fixiert, noch muss das System, wie bei herkömmlichen Blickfolgen, durch Zuordnung von mehreren Blickpunkten und Augenstellungen kalibriert werden. Der Aufbau ist nicht unmittelbar vor dem Auge positioniert, sondern kann sich in einem hinreichenden Abstand zum Auge befinden, damit das erforderliche Gesichtsfeld (der sichtbare Raum in mindestens 30 cm Abstand) nicht gestört wird. Das Gesichtsfeld kann durch Anordnung von optischen Mitteln, wie Spiegel, weiter vergrößert werden, da die Aufnahmesysteme nunmehr außerhalb des Blickfeldes angeordnet werden können. Das Prinzip kann überall dort eingesetzt werden, wo eine schnelle Bestimmung der aktuellen Blickrichtung ohne Beeinträchtigung des Gesichtsfeldes und des Befindens des Untersuchten notwendig ist.
Die Erfindung soll nachfolgend an Hand von Ausführungsbeispielen und Zeichnungen näher erläutert werden. In den Zeichnungen zeigen:
Fig.1 einen prinzipiellen Messaufbau der Vorrichtung Fig.2 eine schematische Darstellung zum Messprinzip Fig.3 eine weitere Darstellung zum Messprinzip.
Entsprechend Fig. 1 besteht die Vorrichtung aus zwei Kameras, jeweils bestehend aus ihren wesentlichen Teilen, den Empfängerflächen 1 a und 2b mit ihren vorgelagerten Abbildungsoptiken 2a und 2b. Die Kameras befinden sich dabei in einem räumlichen Bezugssystem (Koordinatensystem). Die Aufnahme des Auges 3 erfolgt aus mindestens zwei Raumrichtungen mit simultaner Bildaufnahme. Aus den Bildern werden die Form
der Pupille 4 und die Lage auf den Empfängerflächen 1 a und 1 b ermittelt und mathematisch beschrieben. Wie weiterhin aus Fig. 1 ersichtlich, sind die Kameras mit einem Bildverarbeitungssystem 5 verbunden. Die Flächennormale 6 der jeweiligen Empfängerfläche 1 a oder 1 b und der Blickrichtungsvektor 7, der definiert ist als der Vektor der Tangentialfläche der Pupille 4, schließen einen Winkel α ein (Fig.2). Durch diesen Winkel α wird die an sich kreisrunde Pupille 4 als Ellipse 8 abgebildet Die Ellipse 8 ist dabei durch ihre große Halbachse a und ihre kleine Halbachse b gekennzeichnet. Dabei entspricht die große Halbachse a genau dem Radius R der Pupille 4. Des Weiteren ist der Abstand D (Schnittpunkt der Achsen der Ellipse zum zentralen Auftreffpunkt der Pupille 4) bekannt und im Bildverarbeitungssystem 5 abgespeichert. Ziel ist es nun, aus den vorab bekannten Größen und den gemessenen Größen den virtuellen Punkt 9 zu bestimmen. Der virtuelle Punkt 9 ist der Schnittpunkt, gebildet durch die Blickrichtungsgerade und der Projektionsebene 10, die durch die Empfängerfläche 1 a vorgegeben ist (Fig. 2). Es gibt selbstverständlich einen zweiten virtuellen Punkt, der der Schnittpunkt durch dieselbe Blickrichtungsgerade mit der Projektionseben, die durch die Empfängerfläche 1 b gebildet wird, ist. Die beiden virtuellen Punkte müssen dabei nicht notwendigerweise zusammenfallen. Wie aus Fig. 3 ersichtlich, kann die Ermittlung der beiden virtuellen Punkte ergeben, dass sie nicht auf einer Geraden liegen, dann wird die Blickrichtung durch die sogenannte Mittelgerade definiert. Durch die einfachen mathematischen Beziehungen
(1 ) R = tan α * D und
(2) tan α =
ergibt sich
Da im Bildverarbeitungssystem 5 die Raumkoordinaten der Empfängerfläche 1 a gespeichert sind, lassen sich somit die Raumkoordinaten des virtuellen Punktes 9 ermitteln, der die gewünschte Blickrichtung charakterisiert.
Nachfolgend wird eine Ausführungsform des Verfahrens näher beschrieben. Im ersten Schritt wird dabei das Auge 3 teilweise oder vollständig über die vorgelagerte Abbildungsoptik 2a und 2b auf die Bildempfänger 1 a und 1 b abgebildet Die Bilder werden zunächst binär gewandelt, wobei die Binarisierungsschwelle der Grauwertverteilung dynamisch angepasst wird. Aus den Binärbildern wird die Pupille 4 klassifiziert und mathematisch angenähert als Ellipse beschrieben. Nach einem bekannten Algorithmus werden die beiden Halbachsen a und b, der Mittelpunkt sowie der Winkel α berechnet. Diese Parameter hängen ab vom horizontalen und vertikalen Blickwinkel θ und φ des Auges sowie den Abmaßen der Pupille und ihrer Position im Raum. Die größere Halbachse a stellt dabei zugleich den Durchmesser der Pupille 4 dar. Eine weitere Ausführungsmöglichkeit des Verfahrens besteht darin, dass die Bestimmung des virtuellen Punktes durch Rückprojektion charakteristischer Punkte der Pupillenumhüllenden bzw. von Punkten bekannter Lage auf der Pupille vom Bild in den Ursprungsort ähnlich der Trigonometrie geschlossen wird. Ebenfalls ist es möglich, durch Erstellung von Kennfeldern aus charakteristischen Kurven von b/a-θ-φ und α-θ-φ und Ermittlung des Schnittpunktes von Kurven ermittelter Parameter auf die Blickrichtung zu schließen.
Statt der direkten Ausrichtung der Kameras auf das Auge kann die Abbildung auch indirekt über optische Mittel, die das Gesichtsfeld weit weniger beeinträchtigen, erfolgen.
Untersuchungen am menschlichen Auge haben ergeben, dass der geometrische Blickrichtungsvektor nicht immer mit der realen Blickrichtung übereinstimmt, so dass ein systematischer Fehler entstehen kann. Allerdings ist die Winkelabweichung für jeden Probanden immer konstant, so dass dieser Abweichungswinkel mit als Korrekturwinkel nach der Ermittlung des geometrischen Blickrichtungsvektors hinzugezogen werden kann. Abschließend sei noch erwähnt, dass in gewissen Grenzen eine Kopfbewegung unschädlich ist, wenn abgesichert ist, dass die Pupille zu 60% noch auf den Empfängerflächen abgebildet wird.
Aufstellung der verwendeten Bezugszeichen
1a Empfängerfläche
1 b Empfängerfläche
2a Abbildungsoptik
2b Abbildungsoptik
3 Auge
4 Pupille
5 Bildverarbeitungssystem
6 Flächennormale
7 Blickrichtungsvektor
8 Ellipse
9 virtueller Punkt
10 Projektionsebene a große Halbachse b kleine Halbachse
R Radius der Pupille r Abstand zwischen Mittelpunkt der Ellipse und virtuellem Punkt
D Abstand α Winkel zwischen 6 und 7
Φ vertikaler Blickwinkel θ horizontaler Blickwinkel