Stabilisierungsvorrichtung, damit ausgestattetes Fahrrzeug und Stabilisierungsverfahren
Die Erfindung betrifft eine Stabilisierungsvorrichtung zur fahrdynamischen Stabilisierung eines Fahrzeugs, mit V'orgabe- mitteln zur Ermittlung eines Soll-Giergeschwindigkeitssignals und mit Begrenzungsmitteln zur Ermittlung eines eine maximale Giergeschwindigkeit des Fahrzeugs repräsentierenden Grenz- Giergeschwindigkeitssignals derart, dass das Fahrzeug unter Berücksichtigung der maximalen Giergeschwindigkeit fahrstabil bleibt, und zum Begrenzen des Soll-Giergeschwindigkei-tssig- nals auf das Grenz-Giergeschwindigkeitssignal, wenn der Wert des Soll-Giergeschwindigkeitssignals den Wert des Grenz-Gier- geschwindigkeitssignals überschreitet. Die Erfindung betrifft ferner ein einspuriges oder mehrspuriges Fahrzeug mit einer derartigen Stabilisierungsvorrichtung sowie ein Verfahren mit der Funktionsweise einer derartigen Stabilisierungsvorrichtung.
Eine derartige Stabilisierungsvorrichtung ist beispielsweise im Zusammenhang mit der Fahrdynamikregelung eines Fahrzeugs, beispielsweise eines Personenkraftwagens aus dem Artikel "FDR-Die Fahrdynamikregelung von Bosch", ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 96 (1994) 11, Seiten 674 bis 689, Verfasser Anton van Zanten, Rainer Erhardt und Georg Pfäff. Das Rege-
lungskonzept des bekannten Fahrdynamikreglers beruht auf dem sogenannten Einspurmodell, bei dem aus der Fahrzeuggeschwin¬ digkeit sowie aus einem Vorgabe-Lenkwinkel, den der Fahrer an einer Lenkhandhabe vorgibt, eine Soll-Giergeschwindigkeit berechnet. Wenn die Soll-Giergeschwindigkeit jedoch zu groß gewählt ist, das Fahrzeug beispielsweise aufgrund zu geringer Hafteigenschaften der Räder oder dergleichen die gewünschte Kurvenbahn nicht befahren könnte, wird die Soll- Giergeschwindigkeit durch den Fahrdynamikregler begrenzt. Die Eingriffe der Fahrdynamikregelung auf die Bremsen und/oder den Motor des Fahrzeugs erfolgen auf der Basis der begrenzten Soll-Giergeschwindigkeit. Zur Ermittlung der Soll- Giergeschwindigkeit werden die Vorgaben des Fahrers des Fahrzeugs bezüglich des Lenkwinkels und des Antriebs- und Bremsmoments, die geschätzte Fahrzeuggeschwindigkeit und der Haftreibwert der Räder ausgewertet.
Die bekannte Stabilisierungsvorrichtung soll in erster Line ein Schleudern des Fahrzeuges verhindern. Problematisch ist jedoch auch, dass das Fahrzeug umkippt, sich gegebenenfalls sogar überschlägt.
Es ist daher die Aufgabe der Erfindung eine Stabilisierungsvorrichtung bzw. ein Verfahren der eingangs genannten Art dahingehend zu verbessern, dass eine Kippgefahr des Fahrzeugs verringert wird.
Zur Lösung der Aufgabe ist bei der Stabilisierungsvorrichtung der eingangs genannten Art vorgesehen, dass sie Istwertmittel zur Bereitstellung eines den aktuellen Kippwinkel des Fahrzeugs repräsentierenden Kippwinkelsignals aufweist, dass die Begrenzungsmittel Kippwinkelmittel zur Ermittlung des Grenz- Giergeschwindigkeitssignals anhand des Kippwinkelsignals ent-
halten, und dass sie Generierungsmittel zum Generieren eines Lenkeingriffsignals und/oder mindestens eines Bremseingriffsignals anhand des begrenzten Soll-Giergeschwindigkeitssignals aufweist. In entsprechender Weise sind ein erfindungsgemäßes Fahrzeug sowie ein erfindungsgemäßes Verfahren gemäß der technischen Lehre eines weiteren unabhängigen Anspruches ausgestaltet.
Der Kippwinkel, manchmal auch als Wankwinkel bezeichnet, beschreibt die Drehauslenkung des Fahrzeugs um seine Längsachse. Durch die Berücksichtigung des Kippwinkels bei der Ermittlung des Soll-Giergeschwindigkeitssignals, das maximal zulässig ist, wird ein Kippen oder gar Überschlagen des Fahrzeuges verhindert. Bei den Generierungsmitteln handelt es sich beispielsweise um eine Gierratenregelung. Das Lenkein- griffssignal steuert beispielsweise einen Lenk-Aktuator zum Lenken der Räder einer Achse an. Mit Hilfe des Bremsseingriffssignals oder mehrerer BremseingriffSignale werden Bremsaktoren angesteuert. Vorzugsweise ist die Stabilisierungsvorrichtung eine sogenannte Steer-by-Wire-Regelung. Die Stabilisierungsvorrichtung kann jedoch auch ein Bestandteil eines Fahrdynamikreglers des Fahrzeugs bilden.
Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen sowie aus der Beschreibung.
Zweckmäßigerweise berücksichtigt die Stabilisierungsvorrichtung zusätzlich den aktuellen Schwimmwinkel des Fahrzeugs. Bei dem Schwimmwinkel handelt es sich um den Winkel zwischen der Fahrzeuglängsachse und dem Vektor der Fahrzeuggeschwindigkeit. Das Schwimmwinkelsignal, das den Schwimmwinkel des Fahrzeugs repräsentiert, wird von den entsprechend ausgestalteten Istwertmitteln bereitgestellt. Die Begrenzungsmittel
enthalten zweckmäßigerweise Schwimmwinkelmittel zur Ermitt¬ lung eines zweiten, schwimmwinkelabhängigen Grenz-Gierge- schwindigkeitssignals . Die Begrenzungsmittel begrenzen den Wert der Soll-Giergeschwindigkeit auf den Wert der kippwin- kelabhängigen Giergeschwindigkeit oder der schwimmwinkel¬ abhängigen Giergeschwindigkeit, je nach dem, welche der beiden Giergeschwindigkeiten kleiner ist.
Das Kippwinkelsignal kann den aktuellen Kippwinkel des Fahrzeugs enthalten. Möglich ist aber auch, dass das Kippwinkelsignal Werte enthält, aus denen der Kippwinkel ermittelbar ist. Prinzipiell dasselbe gilt auch für das Schwim winkelsig - nal, das konkret den aktuellen Schwimmwinkel des Fahrzeugs enthalten kann. Es ist aber auch möglich, dass es Werte enthält, aus denen der Fahrzeugschwimmwinkel ermittelbar ist, beispielsweise unter anderem die Fahrzeugquergeschwindigkeit und Fahrzeuglängsgeschwindigkeit .
Bei den Begrenzungsmitteln hat sich ein Auswahlverfahren als vorteilhaft erwiesen: die Begrenzungsmittel wählen als Eingangssignal für die Generierungsmittel das Soll-Giergeschwin— digkeitssignal aus, wenn dessen Wert den Wert des (ersten), kippwinkelabhängigen Grenz-Giergeschwindigkeitssignals nicht überschreitet und ansonsten das Grenz-Giergeschwindigkeits- signal, also den Maximalwert der Giergeschwindigkeit, der fü_r die Fahrstabilität des Fahrzeugs notwendig ist. Wenn den Begrenzungsmitteln zusätzlich auch das zweite, vom Schwimmwinkel des Fahrzeugs abhängige Grenz-Giergeschwindigkeitssignal zur Verfügung steht, wählen die Begrenzungsmittel z.B. das betragsmäßig kleinste Giergeschwindigkeitssignal als Ein- gangs-Giergeschwindigkeitssignal für die Generierungsmittel, beispielsweise die Gierratenregelung, aus.
An dieser Stelle sei auf Folgendes hingewiesen: Der vorstehend verwendete Begriff Giergeschwindigkeitssignal wird im Zusammenhang mit dem Soll-Giergeschwindigkeitssignal und dem Grenz-Giergeschwindigkeitssignal verwendet. D.h. bei dem Giergeschwindigkeitssignal handelt es sich um ein Sig"nal, welches einen Vorgabewert repräsentiert und welches j e nachdem, was die Auswahl ergeben hat, entweder dem Soll-Giergeschwindigkeitssignal oder dem Grenz-Giergeschwindigke itssig- nal entspricht. Wird von Giergeschwindigkeitssignalen gesprochen, so handelt es sich um Soll-Giergeschwindigkeits Signale oder um Grenz-Giergeschwindigkeitssignale . Die hier dargelegte Bedeutung der beiden Begriffe Giergeschwindigkeits signal bzw. Giergeschwindigkeitssignale soll auch für deren nachfolgende Nennung gelten.
Die Vorgabemittel basieren zweckmäßigerweise auf mindestens einem Referenzmodell des Fahrzeugs. Dabei kann es sich beispielsweise um ein im wesentlichen reales Abbild des Fahrzeugs handeln. Es ist aber auch möglich, dass ein Wurischver- halten des Fahrzeugs, beispielsweise ein sportliches oder komfortables Wunschverhalten als Referenzmodell gewah.lt wird. Bei einer zweckmäßigen Ausgestaltung der Erfindung sind derartige Wunschmodelle durch einen Fahrer des Fahrzeugs auswählbar. Ein Referenzmodell besteht z.B. aus einer oder mehreren Differenzialgleichungen, die das Verhalten des Fahrzeugs beschreiben.
Die Istwertmittel enthalten zweckmäßigerweise Messmittel und/oder Schätzmittel . Bei den Messmitteln handelt es sich beispielsweise um die Fahrzeugsensorik, z.B. Drehzahl Sensoren, einen Gierratensensor, Querbeschleunigungssensor-en oder dergleichen. Die Schätzmittel enthalten vorzugsweise einen Beobachter. Der Beobachter ist zweckmäßigerweise nicht line-
ar. Beispielsweise handelt es sich bei dem Beobachter um ei¬ nen sogenannten Kaiman-Filter.
Die Istwertmittel stellen dementsprechend reale und/oder ge¬ schätzte Istwerte bereit. Diese Istwerte bilden zweckmäßigerweise Eingangswerte für die Begrenzungsmittel und enthalten beispielsweise das Kippwinkelsignal und/oder das Schwimmwinkelsignal. Es versteht sich, dass ein derartiger Beobachter auch einen Bestandteil der Begrenzungsmittel bilden kann.
Zweckmäßigerweise sind die Istwertmittel unmittelbar mit den Generierungsmitteln verbunden. Vorteilhafterweise stellen die Istwertmittel Eingangswerte für die Generierungsmittel be¬ reit. Es ist auch zweckmäßig, dass die Generierungsmittel Eingangswezrrte für die Istwertmittel bereitstellen.
Vorteilhafterweise sind die Giergeschwindigkeitssignale dreh- richtungsalohängig. Beispielsweise steht ein negativer Wert eines Giergeschwindigkeitssignals für eine Linksdrehung und ein positiver Wert für eine Rechtsdrehung des Fahrzeugs um seine Fahrzeughochachse. In entsprechender Weise sind die Begrenzungsmittel zur betragsmäßigen Begrenzung des Soll-Giergeschwindigkeitssignals ausgestaltet. Beispielsweise stellen die Kippwinkelmittel und die Schwimmwinkelmittel bei einer derartigen Konstellation jeweils einen positiven und einen negativen maximalen Grenz-Giergeschwindigkeitswert bereit. Der untere und der obere Grenzwert können in dem ersten, kippwinkelabhängigen bzw. dem zweiten, schwimrnwinkelabhängi- gen Grenz-Giergeschwindigkeitssignal enthalten sein. Dasselbe gilt sinngemäß für das von den Vorgabemitteln erzeugte Soll- Giergeschwindigkeitssignal .
Die erfindungsgemäße Stabilisierungsvorrichtung ist zweckmä¬ ßigerweise so ausgestaltet, dass sich das Fahrzeug unter Berücksichtigung der maximalen Giergeschwindigkeit nicht überschlägt. Dementsprechend sind die Begrenzungsmittel zur Ermittlung der: zur Vermeidung eines Fahrzeug—Überschlags erforderlichen Grrenz-Giergeschwindigkeitssignale ausgestaltet.
Die Mittel der erfindungsgemäßen Stabilisierungsvorrichtung können in Hardware und/oder Software ausgeführt sein. Zweckmäßigerweise enthält die Stabilisierungsvorrrichtung Programmcode, der durch ein Steuermittel, insbesondere einen Prozessor, einer Ffahrstabilitätssteuerung und/oder einer Lenkungssteuerung des Fahrzeugs ausführbar ist. Bei der Lenkungssteuerung handelt es sich beispielsweise um die Steuerung eines Steer-by-wir:e-Systems .
Vorzugsweise wird die erfindungsgemäße Stabilisierungsvorrichtung bei mehrspurigen Fahrzeugen angewendet, beispielsweise Personenkraftwagen oder Nutzfahrzeugen. Die Stabilisierungsvorrichtung kann auch bei einspurigen Fahrzeugen, beispielsweise Motorrädern, eingesetzt werden.
Vorteilhafterweise wird das Soll-Giergeschwindigkeitssignal in Abhängigkeit eines Vorgabe-Lenkwinkelsigrnals und einer die Fahrzeuggeschwindigkeit repräsentierenden Größe ermittelt. Die Ermittlung kann mit Hilfe eines mathematischen Modells, dem beispielsweise die Ackermann-Beziehung zugrunde liegt, erfolgen.
Nachfolgend wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels unter: Bezugnahme auf die Zeichnung näher erläutert.
Die Figur zeigt ein erfindungsgemäßes Fahrzeug mit einer erfindungsgemäßen Stabilisierungsvorrichtung .
Ein Fahrzeug 10, beispielsweise ein Personenkraftwagen mit einem nicht dargestellten Verbrennungsmotor, weist eine Vorderachse 11 mit lenkbaren Rädern 12, 13 sowie eine Hinterachse 14 mit nicht lenkbaren Rädern 15, 16 auf. An den Rädern 12, 13, 15, 16 sind Bremsen 17, 18, 19, 20 zum Abbremsen des jeweiligen Rades 11, 12, 15, 16 sowie Drehzahlsensoren 21 bis 24 zum Erfassen der jeweiligen Raddrehzahl des Rades 11, 12, 15, 16 angeordnet. Die Bremsen 17 bis 20 sind, schematisch dargestellt durch Pfeile, durch eine Stabilisierungsvorrichtung 25 mittels Bremseingriffssignalen 26 bis 29 steuerbar. Die Drehzahlsensoren 21 bis 24 senden de_r Stabilisierungsvorrichtung 25 Drehzahlsignale 30 bis 33, die die jeweilige Drehzahl des Rades 12, 13, 15, 16 repräsentieren.
An einem Lenkrad 35 oder einer sonstigen Lenkhandhabe kann ein Fahrer 36 einen Richtungswunsch δH, den ein Lenkwinkelsensor 37 erfasst, vorgeben. Der Lenkwinkelsensor 37 generiert ein Vorgabelenkwinkelsignal 38 und übermittelt dieses der Stabilisierungsvorrichtung 25. Die Stabilisierungsvorrichtung 25 generiert unter anderem unte-tr Berücksichtigung des Vorgabelenkwinkelsignals 38 ein Lenkeingriffssignal 39 und übermittelt das Lenkeingriffssignal 39 an eine Lenkaktoranordnung 40, die beispielsweise einen Stellmotor oder dergleichen enthält. Die Lenkaktoranordnung 40 lenkt die Räder 12, 13 der Vorderachse 11. Prinzipiell könnte die Stabilisierungsvorrichtung 25 auch ein (in der Figur nicht dargestelltes) Lenkeingriffssignal an einen der Hinterachse 14 zugeordneten (nicht dargestellten) Lenkaktor senden, z.B. wenn das Fahrzeug 10 eine Hinterachslenkung und/oder eine kombinierte Vorderachs- oder Hinterachslenkung aufweisen würde.
Die Stabilisierungsvorrichtung 25 enthält vorliegend einen sogenannten Steer-by-wire-Regelkreis mit Vorgabemitteln 41, einer Gierratenregelung 42, die erfindungsgemäße Generierungsmittel bildet, Erfassungs- und Ausgabemitteln 43 sowie einem Beobachter 44. Ferner sind insgesamt mit der Bezugsziffer 45 bezeichnete Begrenzungsmittel vorhanden, die Kippwinkelmittel 46, Schwimmwinkelmittel 47 sowie Auswahlmittel 48 enthalten.
Der Stabilisierungsvorrichtung 25 liegt beispielsweise ein Fahrzeugmodell mit drei mechanischen Freiheitsgraden zu Grunde. Neben dem Schwimmwinkel ß und dem Gierwinkel ψ beschreibt der Wankwinkel φ die aktuelle Lage des Fahrzeugs 10. Aus dem Impulssatz in Querrichtung und- dem Drallsatz um die Hochachse und die Längsachse des Fahrzeugs 10 können die folgenden Bewegungsgleichungen (1) - (3) des Fahrzeugs 10 hergeleitet werden. Dabei werden zur Beschreibung des Fahrzustands Größen verwendet, die auf ein horizontales Koordinatensystem transformiert sind.
ß = -ψ + —{F + F } (1) mvx
ψ = A(ψ, φ, φ) + B{φ%Fs v - lHFSJI -Mψß \ ( 2 )
φ = C(ψ, φ, φ) + D(φ){Fsy + FS } ( 3 )
Bei den Gleichungen (1) bis (3) sind Fs,v + FS,H die Seitenkräfte an der Vorder- und der Hinterachse sowie lv und 1H die Schwerpunktabstände zur Vorder- bzw. Hinterachse. Die Funktionen A und C beschreiben nichtlineare,- regelungstechnisch zu kompensierende Elemente. Die Funktion B entspricht etwa dem
kippwinkelabhängigen Kehrwert des Gier-Trägheitsmomentes. Die Funktion D entspricht in etwa dem kippwinkelabhängigen Quotienten aus Schwerpunkthöhe und Wankträgheitsmoment.
Bei an der Vorderachse lenkbaren Fahrzeugen kann die Seiten — kraft vorne direkt verändert werden. Auf die Seitenkraft de x Hinterachse kann mittels eines Bremsseingriffs und/oder einer Hinterachslenkung Einfluss genommen werden. Ansonsten stellt sich die Seitenkraft hinten aufgrund von Fahrzeug-, Reifen- und Umgebungsparametern ein. Der beispielhaft gewählte Rege — lungsansatz bezieht sich auf eine Vorderachslenkung mit einem optionalen Einzelrad-Bremseingriff, beispielsweise mittels der Bremseingriffssignale 26 bis 29. Der vorliegende Entwurf der Gierratenregelung 42 bzw. der Kippwinkelmittel 46 erfolgt zweckmäßigerweise mit Methoden der nichtlinearen Regelungstechnik, beispielsweise mit einer Ljapunov-Funktion.
Bei der Stabilisierungsvorrichtung 25 lautet die Ljapunov- Funktion V z.B. folgendermaßen:
V = -(ψ - ψSoll)2 + -kl(φ -φSM f +-k2(φ - φSoll)2, kλ,k2 > 0 (4 )
Für die Stabilität des Gesamtsystems wird gefordert, dass die Funktion V positiv se idefinit und ihre zeitliche Ableitung negativ definit ist. Es ergibt sich also:
V ≥ 0, V < 0 ( 5 )
Werden die Bewegungsgleichungen (1) bis (3) in die Ljapunov- Funktion (4) eingesetzt,- kann für die Gierratenregelung 42 ein Rückführungsgesetz aufgestellt werden, welches die nicht
linearen Anteile kompensiert und durch lineare Anteile stabi¬ lisiert. Somit ergibt sich die folgende Formel:
F = {- Aixμ, φ, φ)+ B{φ)lHmay + ψ Soll - (ψ - ψSoll )} (6! sv D{φ){lv +lH )
Aus der Seitenkraft an der Vorderachse FSv kann die Gieirra- tenregelung 42 das Lenkeingriffssignal 39, das einen Rad- Lenkwinkel enthäl r generieren.
Analog zur Seitenkiraft an der Vorderachse Fsv kann aus der Ljapunov-Funktion (4) auch eine Soll-Giergeschwindigkeit ψSoll ermittelt werden, hei der das Gesamtsystem um einen Kippwinkel φ stabil einschwingt. Die folgende Formel (7) bildet die Grundlage für die Kippwinkelmittel 45, die man auch als Kipp- winkelbegrenzungsreglung bezeichnen kann.
Ψsoii = mB< \ {- C(ψ,φ, )- mD{φ)(ay - ψvx )+ φSoll - λ2 (φ - φSoll )- λ3 {φ - φSol/ )} ( 7 ;
Dabei werden die Koeffizienten λi, λ2, λ3, die die Regeluings- dynamik bestimmen, zur Stabilität des Systems zweckmäßigerweise positiv definit gewählt.
Die Stabilisierungsvorrichtung 25 ist im vorliegenden Fall so ausgestaltet, dass sie die Wank-/Kippbewegung des Fahrzeugs 10 erst bei einer auftretenden Gefahr eines Kippens oder Ü- berschlagen des Fahrzeugs 10 begrenzt. Die Funktion der: Schwimmwinkelmittel 47, die man im vorliegenden Fall auch als Schwim winkelbegrenzungsregelung bezeichnen kann, bleibt durch den Einsatz der Kippwinkelmittel 46 und der Auswahlmit¬ tel 48 unbeeinflusst . Stark vereinfacht kann man sagen dass die Schwimmwinkelmittel 47 ein Schleudern, die Kippwinkelmit-
tel 46 ein Kippen des Fahrzeugs 10 im Zusammenwir en mit den Auswahlmitteln 48 verhindern. Den Auswahlmitteln 48 kommt dabei eine Begrertzungsfunktion zu, die nachfolgend näher erläutert wird.
Die Vorgabemittel 41 bilden anhand des Vorgabe-Lenkwinkelsignals 38 und einer die Fahrzeuggeschwindigkeit repräsentierenden Größe ein Soll-Giergeschwindigkeitssignal 49. Die die Fahrzeuggeschwindigkeit repräsentierende Größe ist beispielsweise in einem noch zu beschreibenden Fahrzustandssignal 56 enthalten. Im Regelfall bildet dieses Soll-Giergeschwindigkeitssignal 49 die Eingangsgröße für die Gierratenregelung 42. Allerdings kann nicht in jeder Fahrsituation des Fahrzeugs 10 der Lenkwunsch des Fahrers 36 in der gewünschten Weise umgesetzt werden. Das Soll-Giergeschwindigkeitssignal 49 wird von den Begrenzungsmitteln 45 überwacht und nötigenfalls auf ein Grenz-Giergeschwindigkeitssignal begrenzt. Im vorliegenden Fall stellen die Kippwinkelmittel 46 ein erstes Grenz-Giergeschwindigkeitssignal 50 und die Schwirnmwinkelmit- tel 47 ein zweites Grenz-Giergeschwindigkeitssignal 51, das von der aktuellen Schwimmwinkelgeschwindigkeit des Fahrzeugs 10 abhängt, den Auswahlmitteln 48 bereit. Die Auswahlmittel 48 wählen das Soll-Giergeschwindigkeitssignal 49 aus, wenn es betragsmäßig kleiner ist als die Grenz-Giergeschwindigkeits- signale 50, 51. Ansonsten wählen die Auswahlmittel 48 das betragsmäßig kleinere Grenz-Giergeschwindigkeitssignal 50 oder 51 aus.
Die Giergeschwindigkeitssignale 49 bis 51 sind vorliegend drehrichtungsabhängig, das heißt sie sind beispielsweise mit einem Vorzeichen versehen. Dies gilt sowohl für das Soll- Giergeschwindigkeitssignal 49 als auch für die Grenz-Gierge- schwindigkeits signale 50 und 51. Dementsprechend enthalten
die Grenz-Giergeschwindigkeitssignale 50, 51 jeweils einen o- beren und einen unteren Grenzwert. Man könnte auch von einer Grenz-Giergeschwindigkeit bei einer Rechtskurve oder einer Grenz-Giergeschwindigkeit bei einer Linkskurve sprechen, die von den Kippwinkelmitteln bzw. den Schwimmwinkelmitteln 46, 47 jeweils definiert werden. Die Gierratenregelung 42 generiert Ausgabesignale 52, die beispielsweise das Lenkeingriffssignal 39 enthalten können. Die Ausgabesignale 52 werden von den Erfassungs- und Ausgabemitteln 43 erfasst und an die Aktuatorik des Fahrzeugs 10, beispielsweise die Bremsen 17 bis 20 übermittelt. Die Erfassungs-Ausgabemittel 43 geben beispielsweise die Bremseingriffssignale 26 bis 29 aus und erfassen die Drehzahlsignale 30 bis 33.
Die Erfassungsmittel 43 sowie der Beobachter 44 bilden Bestandteile von Istwertmitteln 53. Die Istwertmittel 53 messen und schätzen Systemzustände des Fahrzeugs 10, wobei sie beispielsweise die Drehzahlsignale 30 bis 33 zur Ermittlung der Quer- und Längsgeschwindigkeit des Fahrzeugs 10 auswerten. Nicht messbare Systemwerte, die jedoch beispielsweise von den Kippwinkelmitteln 46 benötigt werden, werden durch den Beobachter 44 ermittelt, sozusagen geschätzt, den man dementsprechend auch als ein Schätzmittel bezeichnen kann.
Der Beobachter 44 enthält beispielsweise einen Kaiman-Filter und schätzt z.B. anhand des Lenkwinkels r der Fahrzeuglängsgeschwindigkeit, der Querbeschleunigung und einer Giergeschwindigkeit, die die Erfassungsmittel 43 im Rahmen eines Signals 57 an den Beobachter übermitteln, z.B. einen Schwimmwinkel, einen Kippwinkel, eine Kippwinkelgeschwindigkeit oder dergleichen des Fahrzeugs 10. Prinzipiell ließen sich jedoch auch die Federwege an den Rädern 12, 13,- 15, 16 bis zum Abhe-
ben eines der Räder ermitteln, so dass Kippwinkel und Kippwinkelgeschwindigkeit als Messgrößen ermittelbar wären.
Die aktuelle Giergeschwindigkeit des Fahrzeugs 10 ermittelt ein Gierratensensor 55 und übermittelt diese im Rahmen eines Ist-Giergeschwindigkeitssignals 54 an die Stabilisierungsvorrichtung 25.
Der Beobachter 44 sendet ein Fahrzustandssignal 56 an die Vorgabemittel 41 sowie die Schwimmwinkelmittel 47 und die Kippwinkelmittel 46. Das Fahrzustandssignal 56 enthält beispielsweise für die Kippwinkelmittel 46 den aktuellen Kippwinkel und/oder die aktuelle Kippwinkelgeschwindigkeit des Fahrzeugs 10. Für die Schwimmwinkelmittel 47 sind in dem Fahrzustandssignal 56 beispielsweise der Schwimmwinkel- und/oder die Schwimmwinkelgeschwindigkeit und/oder die Fahrzeuglängsgeschwindigkeit und die Fahrzeugquergeschwindigkeit des Fahrzeugs 10 enthalten. Das Fahrzustandssignal 56 enthält z.B. ein Kippwinkelsignal und ein Schwimmwinkelsignal. Die in dem Fahrzustandssignal 56 enthaltene Fahrzeuglängsgeschwindigkeit, die eine die Fahrzeuggeschwindigkeit repräsentierende Größe darstellt, wird den Vorgabemitteln 41 zur Ermittlung des Soll-Giergeschwindigkeitssignals 49 zugeführt.
Die Gierratenregelung 42 sowie der Beobachter 44 stehen zudem zweckmäßigerweise unmittelbar miteinander in Verbindung. Diese optionale Ausgestaltung der Stabilisierungsvorrichtung 25 ist daher in gestrichelten Linien gezeichnet. Der Beobachter 44 übermittelt das Fahrzustandssignal 56 der Gierratenregelung 42. In umgekehrter Richtung übermittelt die Gierraten- reglung 42 ihre Ausgabesignale 52 also die Vorgabegrößen für die Fahrzeugaktuatorik, dem Beobachter 44.
Es versteht sich, dass in dem Fahrzustandssignal 56, dessen Inhalte die Istwertmittel 53 ermitteln und/oder schätzen, auch weitere Signale enthalten sein können, beispielsweise die Längsneigung und/oder die Querneigung der Fahrbahn, auf der sich das Fahrzeug 10 bewegt. Beim Fahrzeug 10 kann beispielsweise auch ein sogenannter Correvit-Sensor vorgesehen sein, der die Fahrzeugquergeschwindigkeit und Fahrzeuglängsgeschwindigkeit oder alternativ den Schwimmwinkel des Fahrzeugs 10 ermitteln kann.
Die in der vorliegenden Beschreibung verwendeten Begriffe Giergeschwindigkeit und Gierirate sind gleichbedeutend.