DE4432563C2 - Verwendung von amphiphilen Anionen zur Verminderung der Zytostatika-Resistenz durch Hemmung des durch das MRP-Protein vermittelten Membrantransports - Google Patents
Verwendung von amphiphilen Anionen zur Verminderung der Zytostatika-Resistenz durch Hemmung des durch das MRP-Protein vermittelten MembrantransportsInfo
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Description
In der Tumorforschung stand man bisher vor dem Problem, daß einige Tumorarten
nur sehr schlecht auf Zytostatika reagieren und man häufig von einer Zytostatika
resistenz ausgehen mußte.
Die Zytostatikaresistenz ist ein bekanntes Phänomen in der Krebstherapie. So ist
in der WO 94/06938 ein Verfahren beschrieben, die Mehrfachresistenz gegen
Zytostatika in Krebszellen herabzusetzen. Dies geschieht durch den Einsatz von
Protein-Kinase-Inhibitoren, um die Induktion des MDR1-Gens durch Chemothera
peutika zu verhindern und die Ausschüttung von P-Glykoprotein zu beeinflussen.
Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung bestand nun darin, Mittel zu finden, um
die Zytostatikaresistenz zu vermindern.
Es wurde von den Erfindern gefunden, daß ein Membranprotein, das den ATP-ab
hängigen Transport von bestimmten Konjugaten, wie z. B. Glutathion-S-Kon
jugaten, vermittelt, mit der Zytostatikaresistenz bestimmter Tumoren assoziiert ist.
Dieses Membranprotein wird "Multidrug resistance-associated protein" oder abge
kürzt "MRP" genannt. Die Überexpression dieses Proteins in Tumorzellen ist für die
Resistenz vieler Tumorzelltypen gegen Zytostatika verantwortlich. Die Funktion des
MRP-Proteins als Konjugat-Transporter wurde von den Erfindern entdeckt.
Die Resistenz der Tumorzelltypen gegen Zytostatika kommt dadurch zustande, daß
in der Tumorzelle die Zytostatika z. B. in Glutathion S-, Glucuronsäure- oder Sulfat-
Konjugate umgewandelt werden und dann durch das MRP-Protein erkannt werden
und wieder aus der Zelle, ohne ihre Wirkung entfaltet zu haben, heraustransportiert
werden.
Von den Erfindern wurde die Funktion von MRP aufgeklärt und es wurden Sub
strate für MRP identifiziert. Es stellte sich heraus, daß amphiphile Anionen, die
lipophile Verbindungen mit negativer Ladung sind und ein Molekulargewicht von
300-950 Dalton haben, Substrate für das MRP darstellen und dessen Fähigkeit,
Zytostatika wieder aus der Tumorzelle herauszutransportieren, hemmen. Insbeson
dere sind dies Verbindungen, die in der Regel Konjugate von lipophilen Verbindun
gen mit anionischen Gruppen, wie z. B. mit Cysteinyl-, Carboxyl-, Cysteinylglycin-,
Glutathion S-, Glururonsäure- oder Sulfatgruppen, sind. Als natürlich im Körper
vorkommende Substrate für das MRP-Protein wurden das Glutathion S-Konjugat
Leukotrien C₄ sowie die Leukotriene D₄ und E₄ identifiziert. Aus diesem Grund
stellen zu den Leukotrienen C₄, D₄ und E₄ (LTC₄, LTD₄, LTE₄) strukturverwandte
Stoffe wirksame Hemmstoffe für MRP dar. Als mit den Leukotrienen strukturver
wandte Stoffe kommen z. B. Cysteinyl-Leukotrien-Rezeptorantagonisten in Frage.
Unter diesen Rezeptorantagonisten, die mit C₄-, D₄- und E₄-Leukotrien-Rezeptoren
reagieren, sollen auch zu den Rezeptorantagonisten strukturell verwandte Ver
bindungen verstanden werden. Durch die Verwendung dieser Hemmstoffe kommt
es zu einer Hemmung von MRP und dadurch zu einer drastischen Herabsetzung der
Zytostatika-Resistenz in Tumoren, z. B. bei Bronchialkarzinomen und Leukämien.
Als Leukotrien-Rezeptorantagonisten kommen alle diejenigen in Frage, die bisher
mit der Bronchodilatation bei Asthma in Verbindung gebracht worden waren, z. B.
MK571 (erhältlich von der Firma Merck Sharp Dohme).
Die Applikation der Hemmstoffe kann durch alle denkbaren Applikationsmethoden
erfolgen, bevorzugt ist jedoch die orale Verabreichung oder ganz bevorzugt die in
travenöse Infusion.
Wieviel Hemmstoff zur Hemmung des MRP-Proteins notwendig ist, ist je nach
verwendetem Hemmstoff unterschiedlich. Allgemein sollte die Konzentration am
Wirkort 0,1-10 mikromolar sein bzw. es sollten 0,5-50 mg Hemmstoff/kg Körper
gewicht des Patienten verabreicht werden. Bevorzugt ist eine Wirkort-Konzen
tration von 0,5-7 mikromolar, ganz bevorzugt zwischen 1 und 5 mikromolar bzw.
es sollten bevorzugt 1-20 mg Hemmstoff/kg Körpergewicht, ganz bevorzugt 5-15 mg
Hemmstoff/kg Körpergewicht verabreicht werden.
Durch die Anwendung der Hemmstoffe ist es weiterhin möglich, das MRP-Protein,
das als Transporter wirkt, an Zellen und Membranen direkt zu messen und Aus
sagen darüber zu treffen, wie es zur Zytostatika-Resistenz kommt bzw. wie einer
solchen entgegengewirkt werden kann. Durch diese Messungen lassen sich auch
andere Hemmstoffe identifizieren. Dies geschieht bevorzugt mit einem Testsystem,
das Membranvesikel und als Substrate für das MRP-Protein ATP und radio
aktiv markiertes Leukotrien C₄, D₄ und/oder E₄ enthält. Die radioaktive Markierung
der Leukotriene erfolgt bevorzugt über Markierung mit ³H. Wird zu diesem Testsy
stem ein Hemmstoff-Kandidat hinzugegeben, kommt es in den meisten Fällen zu
einer Kompetitions-Reaktion zwischen dem markierten Leukotrien und dem Hemm
stoff-Kandidaten. Durch Auswertung des Ausmaßes der Kompetition kann eine Aus
sage über die Stärke des Hemmstoffs bzw. überhaupt über dessen Eignung als
Hemmstoff getroffen werden. Die Durchführung des Tests erfolgt analog zu
Beispiel 2 in Verbindung mit den Fig. 1 und 4.
Die Erfindung wird anhand der anhängenden Figuren näher beschrieben, wobei
Fig. 1 den ATP-abhängigen Transport von [³H]LTC₄ (links) und S-(2,4-Dini
trophenyl)-[³H]glutathion (rechts) durch Membranvesikeln von MRP-über
exprimierenden HL60/ADR-Zellen und Kontroll-Zellen (Zytostati
ka-sensitive parentale Zellen sowie Revertanten) zeigt;
Fig. 2 [³H]LTC₄-bindende Proteine und immunoreaktives MRP in Membranen
von HL60/ADR-Zellen (A), revertanten HL60-Zellen (B) und parenta
len, Cytostatika-sensitiven HL60-Zellen (C) zeigt. Ganz oben ist der
Nachweis von MRP durch Immunoblot gezeigt, darunter die Moleku
largewichte von Standardproteinen nach elektrophoretischer Tren
nung und unten der Einbau von [³H]LTC₄ nach Photoaffinitätsmarkie
rung und Trennung durch SDS-Polyacrylamid-Elektrophorese. Die
Unterdrückung der [³H]LTC₄-Markierung von HL60/ADR-Membranen
durch den Transporthemmstoff MK571 ist in der linken Abbildung (A)
gezeigt;
Fig. 3 8-Azido[α-³²P]ATP-bindende Proteine in Membranen von HL60/ADR-
Zellen und revertanten, Zytostatika-sensitiven Zellen zeigt;
Fig. 4 Hemmung des ATP-abhängigen Transports von LTC₄ durch den
Leukotrien-Rezeptorantagonisten MK571 zeigt. Die Hemmung wird in
doppelt-reziproker Darstellung (nach Lineweaver und Burk) gezeigt.
Membranvesikel von MRP-überexprimierenden Zellen wurden hierbei
in Gegenwart von ATP und LTC₄ über 2 Minuten bei 37°C inkubiert.
Ohne den Hemmstoff (O) findet sich eine hohe Transportaktivität,
wie auch in Abb. 1 (links) gezeigt. In Gegenwart des Hemmstoffs
MK571 (5 mikromolar) ist der Transport weitgehend gehemmt. Der
Hemmtyp ist kompetitiv. Die Hemmkonstante (Ki) beträgt 0,6 mikro
molar.
Die Erfindung wird nun anhand der Beispiele weiter erläutert.
HL60/ADR-Zellen (in Adriamycin gewachsene menschl. Leukämiezellen, die MRP
überexprimieren) bzw. revertante HL60-Zellen bzw. parentale HL60-Zellen wurden
nach Kultivierung in Zellkultur durch Zentrifugation geerntet und Plasmamem
branvesikel wurden gemäß Standardmethoden präpariert. In Kürze beschrieben,
heißt dies, daß die Zellen durch Inkubation in hypotonischem Puffer (0,5 mM
Natriumphosphat (pH 7,0), 0,1 mM EDTA ergänzt mit Protease-Inhibitoren) für 1,5
Std. lysiert wurden, gefolgt von einer Homogenisation in einem Homogenisator.
Nach Zentrifugation des Homogenats bei 12.000 × g (10 Min., 4°C) wurde der
Überstand davon bei 100,000 × g für 45 Min. bei 4°C zentrifugiert. Das sich
ergebende Pellet wurde in Inkubationspuffer (250 mM Sucrose-10 mM Tris-HCl,
pH 7,4) homogenisiert und über 38% Sucrose in 5 mM 4(2-hydroxyethyl)-1-pi
perazinethansulfonsäure/KOH, pH 7,4 geschichtet. Nach Zentrifugation bei
280,000 × g für 2 Stunden bei 4°C wurde die Interphase gesammelt, durch
Zentrifugation in Inkubationspuffer (100,000 × g) gewaschen und 20 mal durch
eine 27-gauge Nadel gedrückt. Die sich ergebenden Membranvesikel hatten eine
angereicherte Plasmamembran mit mäßiger Kontamination durch endoplasmati
sches Retikulum und Golgi-Apparat.
Der AtP-abhängige Transport von [³H]LTC₄ und S-(2,4-dinitrophenyl)[³H]glutathion
in Membranvesikel wurde durch schnelle Filtration gemessen. Membranvesikel (50 µg Protein)
wurden in der Anwesenheit von 4 mM ATP, 10 mM MgCl₂, 10 mM
Kreatininphosphat und das markierte Substrat in einem Inkubationspuffer enthal
tend 250 mM Sucrose und 10 mM Tris-HCl, pH 7,4 inkubiert. Das Endvolumen
war 110 µl. Aliquots von 20 µl wurden zu vorgebenen Zeiten abgenommen und in
1 ml eiskaltem Inkubationspuffer verdünnt. Die verdünnten Proben wurden sofort
durch eine Nitrocellulosemembran (0,2 µm Porengröße) filtriert, in Inkubations
puffer unter Verwendung einer Schnellfiltrationseinrichtung voreingeweicht und
zweimal mit 5 ml Inkubationspuffer gespült. Die Filter wurden in Flüssigkeit gelegt
und in einem Flüssig-Szintillationszähler vermessen. In einem Kontrollexperiment
wurde ATP durch eine gleiche Konzentration 5′-AMP ersetzt. Alle Werte des ATP-ab
hängigen Transports wurden durch Subtraktion der Werte, die mit 5′-AMP
erhalten worden waren, von denen, die mit ATP gemessen worden waren, erhal
ten.
Der aktive ATP-abhängige Transport von [³H]LTC₄, welcher in die Fraktion der
"Inside-out"-orientierten Partikel stattfand, wurde während eines Zeitraums von 3
Minuten untersucht (Fig. 1). Mit Vesikeln aus den parentalen sowie den revertanten
Zellen, welche beide eine geringe MRP-Expression zeigten, war die Rate des ATP-ab
hängigen Transports von [³H]LTC₄ bei der Standardkonzentration von 50 nM
unterhalb von 1 pmol × mg Protein-1 × min-1. Die HL60/ADR-Zellen, welche MRP
überexprimierten, zeigten einen schnellen ATP-abhängigen Transport von LTC₄
(50 nM) bei einer anfänglichen Transportrate von 25 ± 2 pmol × mg Protein--1 ×
min-1 (Fig. 1). Die Menge des durch die Vesikel aufgenommenen [3H]LTC₄ wurde
durch das Anwachsen der Osmolarität des extravesikulären Mediums deutlich
verringert. Dies bedeutet, daß [³H]LTC₄ in den intravesikulären Raum transportiert
wurde.
Aus dem rechten Teil von Fig. 1 sieht man, daß der ATP-abhängige Transport von
S-(2,4-Dinitrophenyl)-[³H]glutathion bei einer Konzentration von 5 µM im Falle von HL60/
ADR-Membranen 50 ± 4 pmol × mg Protein-1 × min-1 war. Die Transportrate der
revertanten und parentalen HL60-Zellen war zehnfach niedriger.
Aus Fig. 4 sieht man weiter, daß der Rezeptorantagonist MK571 ein potenter
Inhibitor des ATP-abhängigen LTC₄-Transports ist.
Vesikelsuspensionen (200 µg Protein) wurden mit 74 kBq [³H]LTC₄ (150 nM) bei
37°C für 10 Minuten inkubiert, in flüssigem Stickstoff schockgefroren und bei 300 nm
für 5 Minuten bestrahlt. Für Kompetitionsstudien wurden die Vesikelpräparatio
nen mit 50 µM MK571 für 30 Minuten bei 4°C vorinkubiert. Die Photoaffinitäts
markierung mit 370 kBq 8-Azido-[α-³²P]ATP (10 µM) wurde auf ähnliche Weise wie
oben ausgeführt, und zwar durch Inkubation für 2 Minuten bei 4°C und Bestrah
lung bei 350 nm für 10 Minuten.
LTC₄-bindende Membranproteine wurden durch direkte Photoaffinitätsmarkierung
unter Verwendung von [³H]LTC₄ als photolabilen Ligand nachgewiesen. Ein merk
licher Unterschied im [³H]LTC₄-Markierungsmuster der Membranen der verschiede
nen Zellinien wurde bei einem Molekulargewicht von 190 kDa (Fig. 2) beobachtet.
Bei den HL60/ADR-Membranen wurde ein überwiegendes 190 kDa-Protein mar
kiert (Fig. 2A), während bei den Membranen der revertanten und parentalen Zellen
nur eine schwache Markierung in diesem Bereich gefunden wurde (Fig. 2B, 2C).
Die [³H]LTC₄-Markierung des 190 kDa-Proteins wurde durch den Transport-Inhibi
tor MK571 kompetitiv unterdrückt (Fig. 2A). Ein anderes signifikant markiertes
Protein von 110 kDa wurde in den Membranen aller drei Zellinien beobachtet.
Auch die Photoaffinitätsmarkierung mit 8-Azido-[α-³²P]ATP zeigte eine stark
markierte Bande eines 190 kDa-Proteins bei den Membranen aus HL60/ADR-
Zellen, aber nicht bei den revertanten oder den parentalen Zellmembranen (Fig. 3).
Insgesamt konnte der Beweis erbracht werden, daß MRP das [³H]LTC₄-bindende
Protein ist und durch Rezeptorantagonisten, wie z. B. MK571, gehemmt werden
kann.
Claims (6)
1. Verwendung von amphiphilen Anionen mit einem Molekulargewicht von
300-950 Dalton zur Verminderung der Zytostatika-Resistenz, wobei der durch
das MRP-Protein vermittelte Membrantransport gehemmt wird.
2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die amphiphi
len Anionen Konjugate lipophiler Verbindungen mit anionischen Gruppen
ausgewählt aus Carboxyl-, Glucuronsäure-, Glutathion S-, Sulfat- und
Cysteinylglycingruppen sind.
3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß zu den
Leukotrienen C₄, D₄ bzw. E₄ strukturverwandte Stoffe als Hemmstoffe des
MRP-Proteins eingesetzt werden.
4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1-3, dadurch gekennzeichnet, daß
Cysteinyl-Leukotrien-Rezeptorantagonisten und dazu strukturell verwandte
Verbindungen als Hemmstoffe des MRP-Proteins eingesetzt werden.
5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1-4, dadurch gekennzeichnet, daß
der Hemmstoff in einer Konzentration von 0,5-50 mg/kg Körpergewicht des
Patienten eingesetzt wird.
6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 dadurch gekennzeichnet, daß
die Konzentration des Hemmstoffs am Wirkort 0,1-10 mikromolar ist.
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