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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur kontinuierlichen Untersuchung chemischer Reaktionsvorgänge in der flüssigen Phase mittels Infrarot-Absorption gemäß dem Oberbegriff des Hauptanspruches.
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In der chemischen Produktion werden die flüssigen Reaktionsprodukte häufig mit Hilfe der IR-Spektroskopie analysiert. Zu diesem Zweck werden in der Regel diskontinuierlich Proben gezogen und mit Hilfe eines Spektralphotometers untersucht. Diese diskontinuierlichen Verfahren sind sehr personal- und kostenintensiv und lassen in der Regel keine Aussagen hinsichtlich der Reaktionskinetik des chemischen Prozesses zu. Da die bei der Analyse erfaßten Probenmengen im Vergleich zur Gesamtmenge relativ klein sind, ist die Übertragung dieser Ergebnisse auf Produktionsmaßstäbe in vielen Fällen kritisch. Außerdem tritt durch die diskontinuierliche Meßwerterfassung ein Zeitverzug zwischen Probenentnahme und Bereitstellung des Analysenergebnisses auf, so daß der Meßwert nicht mehr für den jeweiligen Betriebszustand repräsentativ ist.
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Versuche, mit Hilfe von Durchlicht-Durchflußküvetten direkt am Prozeßstrom zu messen (On-Line-Betrieb) waren nur in wenigen Ausnahmefällen erfolgreich. Ein universeller Einsatz von Durchlicht-Durchflußküvetten in der chemischen Produktion verbietet sich aus den folgenden Gründen:
- 1. Bei stark absorbierenden Flüssigkeiten tritt im Durchlichtverfahren ein hoher Intensitätsverlust auf. Um einen hinreichend großen Meßwert zu erzielen, muß die Küvette so ausgelegt werden, daß nur eine relativ kleine Schichtdicke durchstrahlt wird. Dies bedeutet aber, daß bei Untersuchungen im On-Line-Betrieb die überprüfbare Menge gemessen an der gesamten Menge relativ gering ist. Bei derart geringen Probenströmen besteht aber die Gefahr, daß der Meßwert nicht für den Zustand im Reaktionsbehälter repräsentativ ist.
- 2. Aufgrund der geringen Schichtdicke der Durchlicht- Küvette ist eine Verschmutzung der Küvettenfenster leicht möglich. Dadurch treten unkontrollierbare Änderungen der Grundabsorption auf, die zu Fehlmessungen führen. Außerdem kann die Küvette durch Ablagerungen relativ leicht ganz blockiert werden, was praktisch einen Ausfall der Meßvorrichtung bedeutet.
- 3. Enthält das zu überprüfende Produkt optisch absorbierende oder streuende Füllmaterialien, z. B. Ruß, so kann die substanzspezifische IR-Bande und damit der gesuchte Meßwert völlig überdeckt werden.
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Die Messung der optischen Absorption mit Hilfe einer Multireflexionszelle ist grundsätzlich bekannt und in zahlreichen Publikationen beschrieben. Insbesondere wird auf das Buch von N.J. Harrick, Internal Reflection Spectroscopy, Interscience Publishers John Wiley & Sons, New York, London, Sydney, 1967 verwiesen. Der wesentliche Unterschied zur IR-Spektroskopie mit Hilfe einer konventionellen Durchlicht-Durchflußmeßzelle besteht darin, daß die Meßzelle eine aus einem Kristall geschnittene Platte enthält, die von dem Meßlicht unter Vielfachreflexion (Multiple Internal-Reflexion) durchlaufen wird. Das Meßlicht tritt dabei an den abgeschrägten Stirnflächen der Kristallplatte ein bzw. aus und pflanzt sich im Inneren der Platte durch Totalreflexion an den Plattenoberflächen fort. Die Intensität des austretenden Lichtes wird durch die physikalischen Bedingungen an der optischen Phasengrenze der Kristallplattenoberfläche bestimmt. Auf diese Weise können die optischen Eigenschaften (Absorption und Brechungsindex) einer auf die Kristallplattenoberfläche aufgebrachten Substanz untersucht werden. In der Grenzschicht zwischen Kristall und Substanz tritt im Falle der Totalreflexion bekanntlich eine inhomogene optische Welle in das angrenzende optisch dünnere Medium ein, deren Amplitude exponentiell abklingt. Die Eindringtiefe liegt im Bereich der Wellenlänge des für die Messung verwendeten Lichtes. Der Meßeffekt ist also auf die Wechselwirkung der exponentiell abklingenden Lichtwellen mit der zu untersuchenden Flüssigkeit zurückzuführen. Die Multireflexionszelle (im folgenden auch kurz als MIR-Zelle bezeichnet) kann in ein handelsübliches Spektrofotometer eingesetzt werden, das in bekannter Weise eine Vergleichsmessung von einfallender und austretender Lichtintensität durchführt.
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In der Zeitschrift "Analytical Chemistry", 52 (1980) No. 12, S. 1331A-1344A, wird ein Prozeßanalysegerät auf der Basis einer Multireflexions-Durchflußküvette beschrieben (s. insbesondere S. 1338A bis 1343A). Bei der hier verwendeten Durchflußküvette wird die in die Küvette eingebaute Kristallplatte senkrecht zu den Kristalloberflächen angeströmt. Dies hat zur Folge, daß die Kristallplatte insbesondere bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten einer hohen Druckbelastung ausgesetzt wird. Höhere Strömungsgeschwindigkeiten werden aber in der Regel angestrebt, um Ablagerungen auf den Kristalloberflächen zu vermeiden und um eine schnelle Ansprechzeit zu erreichen. Probleme und Schwierigkeiten würden sich bei dieser Anordnung auch ergeben, wenn bei unterschiedlichen Temperaturen gearbeitet werden soll, z. B. wenn die Meßzelle beheizt wird. Es hat sich gezeigt, daß insbesondere Vorkehrungen bei der Halterung der Kristallplatte in der Küvette getroffen werden müssen.
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Hier setzt die Erfindung an. Ausgehend von der allgemeinen Zielsetzung, die Einsatzmöglichkeiten für die IR-Spektroskopie zur Untersuchung laufender chemischer Reaktionen zu erweitern, lag als Aufgabe zugrunde, die Multireflexionsdurchflußküvette für exakte Messungen im On-Line-Betrieb bei hohen Drücken, hohen Strömungsgeschwindigkeiten und wechselnden Temperaturen zu adaptieren. Hiermit werden erst die Voraussetzungen geschaffen, die IR-Spektroskopie im On-Line-Betrieb unter variablen Prozeßbedingungen (Druck, Temperatur) zur Analyse von stark absorbierenden Reaktionsprodukten oder Produkten mit absorbierenden oder streuenden Zusätzen auszunutzen.
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Diese Aufgabe wird ausgehend von einer Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Hauptanspruches erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß die Achsen des Zuleitungs- und des Ableitungsrohres beim Eintritt in die Multireflexionszelle parallel zu den freien Kristallplattenflächen und senkrecht zu der Durchstrahlungsrichtung der Kristallplatte orientiert sind und daß die Kristallplatte mittels eines elastisch dichtenden Materials spannungsfrei gehaltert ist.
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Vorzugsweise sind die Multireflexionszelle und das Zu- und Ableitungsrohr so dimensioniert, daß im Betrieb an den Kristallplattenflächen die Strömungsgeschwindigkeit mindestens 1 m/min, vorzugsweise mehr als 2 m/min, beträgt.
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Eine spannungsfreie Halterung der Kristallplatte erreicht man vorteilhaft dadurch, daß der Kristall an seinen beiden Enden über den gesamten Umfang mit einem elastisch dichtenden Material an den äußeren Flächen der Durchflußküvette gehaltert ist. Bei der Wahl des dichtenden Materials sind solche Materialien vorzuziehen, deren Infrarotabsorption der Meßwellenlänge nicht überlagert ist.
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Mit der Erfindung werden folgende Vorteile erzielt:
- 1. Aufgrund der spannungsfreien Halterung und der parallelen Anströmung der Kristallplatte in der Küvette werden mechanische Spannungen vermieden, die sonst aufgrund des Flüssigkeitsdruckes entstehen. Mechanische Spannungen würden die Messung verfälschen. In ungünstigen Fällen, d. h. bei hohen Flüssigkeitsdrücken, könnten auch so große Spannungen entstehen, daß die Kristallplatte zerbricht. Diese Gefahr wird durch die erfindungsgemäße Anordnung beseitigt. Es wurde gefunden, daß das Meßsignal bis zu einem Druck von 180 bar druckunabhängig bleibt. Die neue Multireflexionsmeßzelle kann also auch bei hohem Überdruck eingesetzt werden.
- 2. Die spannungsfreie Halterung vermindert, daß temperaturbedingte mechanische Spannungen der Kristallplatte auftreten. Dadurch wird erst die Voraussetzung geschaffen, daß die Multireflexionszelle beheizt werden kann. Bei der Beheizung von Multireflexionszellen mußte bisher immer mit Temperaturfehlern des Meßwertes gerechnet werden.
- 3. Die konstruktionsbedingte, relativ hohe Strömungsgeschwindigkeit in der Zelle sorgt für einen guten Spüleffekt an den Kristallplattenoberflächen, so daß Produktablagerungen an der kritischen Kristalloberfläche vermieden werden. Außerdem ermöglicht die Konstruktion der Multireflexionszelle einen ausreichend großen Probenstrom, so daß die Messung am Probenstrom auch wirklich den Zustand des zu analysierenden Produktes im Reaktionsbehälter charakterisiert.
- 4. Die neue Multireflexionszelle kann für Reinigungszwecke problemlos zerlegt und wieder zusammen gebaut werden.
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Aufgrund der neuen Meßtechnik lassen sich wichtige neue Anwendungen für die On-Line-IR-Spektroskopie erschließen. Die Erfindung erlaubt erstmalig die kontinuierliche und quantitative IR-Analyse von Reaktionsprodukten mit hoher optischer Absorption sowie von solchen Produkten, denen absorbierende oder stark streuende Füllmaterialien zugesetzt sind.
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Im folgenden wird ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand von Zeichnungen näher erläutert. Es zeigt
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Fig. 1 ein Prinzipschaltbild (verfahrenstechnisch) für die Probennahme und die Messung,
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Fig. 2 eine Seitenansicht der Multireflexionszelle und
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Fig. 3 eine Draufsicht der Multireflexionszelle.
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Wie in Fig. 1 gezeigt, findet die zu untersuchende chemische Reaktion in einem Reaktionsbehälter 1 statt. Das Reaktionsprodukt wird in einer an den Behälter 1 angeschlossenen Bypassleitung 2 mittels einer Ringpumpe 3 umgepumpt.
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Auf diese Weise treten keine Produktverluste auf. Der Probenstrom in der Bypassleitung 2 wird mit einem Durchflußmesser 4 gemessen und gegebenenfalls auf einen konstanten Wert geregelt. Zur Grobeinstellung des Probenstromes dient ein Drosselventil 5. Durch die Ventilkombination 6, 7, 8 wird der Probenstrom durch die MIR-Zelle 9 geleitet, die in das IR-Spektrophotometer 10 eingebaut ist. In der MIR-Zelle ist die Kristallplatte 11 mit dem eintretenden und dem austretenden Lichtstrahl angedeutet. Die Messung erfolgt entweder in der Weise, daß ein komplettes Spektrum durchfahren wird (12), oder die Absorption bei fester Wellenlänge als Funktion der Zeit (13) registriert wird.
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Der konstruktive Aufbau der MIR-Zelle 9 ist aus den Fig. 2 und 3 ersichtlich. Sie besteht im wesentlichen aus dem Küvettenkörper 14, den Küvettendeckeln 15 und 16 mit den Zu- und Ableitungsrohren 17 und 18 und einem Halter 19, der dem die MIR-Zelle im IR-Spektrophotometer befestigt und positioniert werden kann. Der eigentliche Küvettenraum besteht aus einer durchgehenden Bohrung 20, die mit teilweise durchgehenden rechteckigen Ausfräsungen 21 versehen ist. Sie dienen zur Aufnahme der Kristallplatte 11 und der dazugehörigen Dichtungshalter. Wie aus Fig. 2 und 3 ersichtlich, münden die Zu- und Ableitungsrohre 17 und 18 so in die den Küvettenraum bildende Bohrung 20 ein, daß die Achsen der Rohre am Eintritt parallel zu den für den Meßvorgang kritischen Kristallplattenflächen 11 a und 11 b liegen. Das Meßlicht tritt dann unter einem bestimmten Winkel in den Kristall ein bzw. aus. Durch diese Anordnung der Kristallplatte 11 und der Leitungen 17 und 18 wird erreicht, daß der Probenstrom die Kristallplattenflächen 11 a und 11 b praktisch druckfrei umströmt; d. h. es wird vermieden, daß eine zu den Kristallplattenflächen 11 a und 11 b senkrechte Strömungskomponente auftritt.
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Eine weitere wichtige Anforderung besteht darin, daß die Kristallplatte in der MIR-Zelle elastisch und trotzdem druckfest gelagert ist. Wie aus Fig. 3 ersichtlich, muß die Halterung so erfolgen, daß die Ein- und Austrittsflächen 23 und 24 für das Meßlicht außerhalb des Küvettenkörpers 14 liegen, während die für den Meßvorgang kritischen Kristallplattenflächen 11 a und 11 bvom Probenstrom umspült werden. Die elastische Befestigung der Kristallplatte ist notwendig, da der Wärmeausdehnungskoeffizient der Platte in der Regel nicht mit dem des Küvettenkörpers 14 identisch ist. Eine starre Kristallbefestigung würde dann bei Temperaturänderungen sehr schnell zum Bruch der Kristallplatte 11 führen. Die druckfeste Befestigung der Kristallplatte 11, z. B. einer Halbleiterkristallplatte ist notwendig, weil die Küvette zu 100% gefüllt und zur selbständigen Kristallreinigung eine ausreichend starke Strömung im Küvettenraum vorhanden sein muß. Zu diesem Zweck wird die MIR-Zelle so dimensioniert, daß im Betrieb an den Kristallplattenflächen 11 a und 11 b eine Strömungsgeschwindigkeit von mindestens 1 m/min, vorzugsweise von mehr als 2 m/min, herrscht. Die elastische und druckfeste Halterung der Kristallplatte 11 wird dadurch ermöglicht, daß die Kristallplatte an ihren beiden Enden über den gesamten Umfang mit einem elastisch dichtenden Material 25 an den äußeren Flächen der Durchflußküvette gehaltert ist. Zur Aufnahme der Dichtung ist der Küvettenkörper 14 an den Seitenflächen keilförmig ausgefräst und mit Abschlußplatten 26 versehen, die mit dem Küvettenkörper 14 verschraubt werden können (Schrauben 27 in Fig. 2 angedeutet). Die Abschlußplatten 26 erzeugen einen gleichmäßigen Flächendruck des elastisch dichtenden Materials 25 auf die Kristallplatte 11. Als Material für die Dichtung hat sich Silopren-Kautschuk bewährt. In optischer Hinsicht hat dieses Material auch den Vorzug, daß seine IR-Absorption in der Regel außerhalb der verwendeten Meßwellenlängen liegt.
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Die MIR-Zelle kann mittels einer eingebauten Plattenheizung 29 oder durch direkt in den Küvettenkörper 14 eingebaute Heizstäbe temperiert werden. Temperaturänderungen von Raumtemperatur bis zu 100°C führten aufgrund der speziellen Halterung der Kristallplatte 11 weder zum Bruch des Kristalls noch zum Verlust der Dichtigkeit. Die Kristallplatte besteht aus Germanium, Silicium, Zinkselenit u. a. Die Kristallplattenflächen 11 a, 11 b und die Austrittsflächen 23, 24 sind mit hoher Präzision plangeschliffen und poliert.
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Mit der beschriebenen Multireflexionszelle steht eine neue Meßtechnik zur Verfügung, mit der im Produktionsbetrieb während des Reaktionsablaufs On-Line-Infrarotspektroskopische Daten gemessen werden können, die direkt zur Steuerung weiterer Reaktionsprozesse bzw. zur Optimierung des Reaktionsverlaufes benutzt werden können.