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1 Einleitung:
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Die Entwicklung von Reifen mit perfektioniertem
Eigenschaftsprofil stellt eine komplexe Optimierungsaufgabe dar,
bei der sich der Reifenhersteller im Spannungsfeld des magischen
Dreiecks aus Rollwiderstand, Abriebwiderstand und Nassrutschestigkeit
bewegt. Um das Nassrutschverhalten zu verbessern, ist es notwendig
Reifenkautschuke mit möglichst
hoher Glastemperatur herzustellen, wie es z. B. mit dem 3.4-Polyisoprenkautschuk
als Molekülbaustein
mit der höchsten
Glastemperatur aller durch anionische Polymerisation herstellbaren
Molekülsegmente
möglich
wird. Dies führt
damit bei den modernen Lösungs-SBR-Kautschuken zu
Reifenpolymeren mit möglichst
hohen 1.2-Vinyl und 3.4-Struktureinheiten.
Gleichzeitig geht der Trend bei anionisch hergestellten Butadien-Styrolkautschuken
hin zu höheren Styrolgehalten
von mehr als 25% bezogen auf das gesamte Polymere. Damit steigen
dann die Anforderungen an die Randomizerwirkung der eingesetzten Mikrostrukturregler
deutlich an.
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Sowohl zur Homo- als auch zur Copolymerisation
von Dienen und Vinylaromaten werden zur Einstellung dieser maßgeschneiderten
Mikrostrukturen bei den modernen Lösungspolymeren basische polare
Verbindungen, sogenannte Mikrostrukturegler eingesetzt.
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Die Mikrostrukturregler des Standes
der Technik haben den Nachteil, dass sie bei hohen Polymerisationstemperaturen
in ihrem Wirkungsgrad deutlich nachlassen. Weiterhin besitzen sie
in den meisten Fällen
nur einen schwachen Einfluß auf
den statistischen Einbau der vinylaromatischen Komponente, d. h.
es liegt eine schlechte Randomizerwirkung vor. Im Sinne der vorliegenden
Erfindung beinhaltet der Begriff Mikrostrukturregler eine mehrzähnige Lewisbase,
die neben der Mikrostruktur auch noch gleichzeitig den statistischen
Einbau von vinylaromatischen Verbindungen – in der Regel Styrol – gezielt steuert;
d.h. es wird auch gleich eine gute Randomizerwirkung erreicht.
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Die vorliegende Erfindung betrifft
ein Verfahren zur Herstellung von gegebenenfalls gekuppelten, blockfreien
Polymerisaten auf Basis von konjugierten Dienen und gegebenenfalls
monovinylaromatischen Verbindungen bei hoher Temperatur, die Verfahrensprodukte
sowie ihre Verwendung zur Herstellung von Reifen und von Dämpfungselementen.
Die Verfahrensprodukte zeichnen sich durch einen hohen Anteil an
1.2-Struktureinheiten des Butadiens und 1.2- und 3.4-Struktureinheiten
des Isoprens aus.
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Aus dem Stand der Technik sind zahlreiche Verbindungen
bekannt, die Einfluß auf
den Verlauf der Polymerisation im Hinblick auf eine bevorzugte Bildung
von 1.2- und 3.4-Struktureinheiten
haben (vgl. K. H. Nordsiek, K. M. Kiepert, Kautschuk und Gummi,
Kunststoffe 35, 371 (1982) sowie K. H. Nordsiek, Kautschuk und Gummi,
Kunststoffe 39 (1986), 599).
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So sind in der Vergangenheit zahlreiche Ether,
Amine, Phosphine usw. als Mikrostrukturregler vorgeschlagen worden
(
DE-PS 27 07 761 und
31 15 878). Da diese Substanzen jedoch allein noch keine befriedigende
Randomizerwirkung zeigen, müssen zusätzlich grenzflächenaktive
Mittel zum statistischen Einbau der Monomeren im Polymermolekül verwendet
werden.
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Die
EP
0 304 589 beschreibt bestimmte Ethylenglykoldialkylether
als geeignete Mikrostrukturregler. Allerdings zeigen diese Verbindungen
bei höheren
Polymerisationstemperaturen einen signifikanten Einbruch in der
Mikrostrukurregelwirkung und besitzen gleichzeitig keine optimale
Randomizerwirkung. Ein starker Nachteil der Mikrostrukturregler
des Standes der Technik ist die häufig nachlassende Regelwirkung
beim Ansteigen der Polymerisationstemperatur. So ist bekannt, dass
beim häufig
eingesetzten Mikrostrukturregler Tetramethylethylendiamin TMEDA
bei der Isoprenpolymerisation zwar bei einem Molverhältnis Mikrostrukturregler/Initiator
von etwa 5 hohe Gehalte an 3.4-Struktureinheiten
entstehen, aber gleichzeitig die Polymerisationsgeschwindigkeit
deutlich nachlässt
(vgl W.L. Hsu, A.F. Halasa und T.T. Wetli; Rubber Chemistry and
Technology 71 (1998) 62ff).
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Die
EP
507 222 ,
US 5 112 929 beansprucht zu
diesem Zweck cyclische 1.3 Dioxolanacetale wie z.B. 2-(2-Oxolanyl)-dioxolan
als Mikrostrukturregler für
die anionische Polymerisation von Dienen. Allerdings wird zu der
damit erreichten Polymerisationsgeschwindigkeit keine Aussage gemacht.
Halasa beschreibt in den Patentschriften
US 5 552 490 ,
US 5 231 153 ,
US 5 470 929 ,
US 5 488 003 und
US 5 359 016 im wesentlichen Alkyltetrahydrofurfurylether
als geeignete Modifier für
die anionische Polymerisation von Dienen. Mit diesen Reglern sollen
im Fall der Isoprenpolymerisation wesentlich höhere Polymerisationsgeschwindigkeiten
erreicht werden können
als im Fall von TMEDA. Allerdings sind diese Verbindungen noch immer
zu langsam und machen sich gleichzeitig im Kautschuk durch einen
unangenehmen Geruch bemerkbar.
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Zur weiteren Steigerung der Polymerisationsgeschwindigkeit
werden in vielen Fällen
zusätzlich
zum polaren Modifier noch Alkoholate zugegeben. So beschreiben beispielsweise
die US-Patente 5 906 956 und 5 667 402 ein komplexes anionisches Initiatorsystem
das gleichzeitig aus einem Lithiuminitiator, einem Natriumalkoholat
und einem polaren Modifier besteht. Ebenso beschreibt das US Patent 2002/0045720
ein komplexes Initiatorsystem aus einem Lithiuminitiator, einem
Calciumalkoholat und einem Lithiumalkoxid, wobei allerdings nur
Styrol-Butadiencopolymere mit niedrigem 1.2-Gehalten hergestellt
werden können.
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Es besteht also ein Bedarf an Mikrostrukturreglern/Randomizern,
die folgendem umfangreichem Anforderungprofil genügen:
- 1.
Die mit steigender Temperatur auftretende Reduzierung der Mikrostrukturregelwirkung
soll gering sein, um eine hohe Polymerisationstemperatur zu ermöglichen.
Grundsätzlich
ist die Wirkung eines Mikrostrukturreglers von dem Verhältnis der
Molmengen von Regler und Initiator abhängig. Das Molverhältnis Regler/Initiator
liegt im allgemeinen zwischen 1 : 1 bis 10 : 1. Die gemäß 1. zu
erzielende Wirkung sollte bereits mit einem Molverhältnis Regler/Initiator von
kleiner 5 : 1 erreichbar sein.
- 2. Sie sollen die Copolymerisationen beschleunigen, damit rentable
Produktionsleistungen erreicht werden können.
- 3. Sie sollen bei Copolymerisationen von Dienen mit Vinylaromaten
die Bildung von Blockpolyvinylaromat verhindern und damit eine gute
Randomizerwirkung besitzen.
- 4. Sie sollen zu hohen Monomerumsätzen von mindestens 95 % führen.
- 5. Sie sollen gegenüber
den bei der Polymerisation als Anion vorliegenden "lebenden Polymeren" weitgehend inert
sein. Dieser Forderung kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn
man die lebenden Polymere nach Abschluß der Polymerisation mit Kupplungsmitteln
zu sternförmigen
Kautschuken oder mit geeigneten elektrophilen Verbindungen umsetzt.
- 6. Sie sollen vom Polymerisationslösungsmittel vollständig abzutrennen
sein.
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Je nach den spezifischen Bedingungen
der jeweiligen Polymerisationsanlage können die Schwerpunkte in den
Anforderungen nach 1 – 6
unterschiedlich gewichtet sein.
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Aufgrund des aufgeführten Standes
der Technik gab es kein Verfahren zur Herstellung von Polymerisaten,
bei dem mindestens 2 Verbindungen aus der Gruppe Butadien, Isopren
und Styrol eingesetzt werden und bei dem die hier genannten Anforderungen
aus der Praxis an den Mikrostrukturregler in idealer Weise erfüllt werden.
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Ziel der Erfindung war es, ein solches
Verfahren zu entwickeln. Ein weiteres Ziel der Erfindung bestand
darin, blockfreie Polymerisate herzustellen; d.h. bei der Diencopolymerisation
soll ein weitgehender statistischer Einbau der Styroleinheiten in
der Polymerkette erfolgen, damit die Copolymeren zur Herstellung
von Reifen und Dämpfungsmaterialien
verwendet werden können.
Schließlich
sollten die nach diesem Verfahren erhältlichen Kautschuke eine Glasübergangstemperatur
im Bereich von –70
bis + 10°C, insbesondere –30 bis
0°C aufweisen.
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2 Beschreibung der Erfindung
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Es wurde nun unerwartet gefunden,
dass sich die gute Mikrostrukturregelwirkung der polaren Etherverbindungen
und die Reaktionsbeschleunigung der einfachen Alkoholate durch die
erfindungsgemässen
Alkoholate in einem Molekül
vereinigen lassen. Dadurch wird die Durchführung der Polymerisationsreaktion
deutlich vereinfacht.
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Die erfindungsgemäßen Alkoholate besitzen dabei
folgende Struktur:
M1-O-R mit M1= Kalium oder Natrium oder
R-O-M2-O-R mit M2 = Ca
oder Magnesium
wobei R für
einen Alkyl-, Aryl-, Arylalkylrest oder ein Kohlenwasserstoffrest
mit Sauerstoff und/oder Stickstoff steht.
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Die erfindungsgemäßen Alkoholate werden in einem
unpolaren Kohlenwasserstoff durch Reaktion mit Natrium oder Kalium
und den entsprechenden Alkoholen hergestellt. Im Falle von Calcium
und Magnesium wird dabei von Ca(OH)2 oder
Mg(OH)2 ausgegangen.
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Als Reaktionsmedium wird ein inertes
organisches Lösemittel
verwendet. Geeignet sind insbesondere Kohlenwasserstoffe mit 5 bis
12 C-Atomen wie Pentan, Hexan, Heptan und Oktan sowie deren cyclische
Analogen. Geeignet sind auch aromatische Lösungsmittel wie z. B. Benzol,
Toluol u.a. Selbstverständlich
können
auch Gemische der vorstehend beschriebenen Verbindungen eingesetzt
werden.
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Als Katalysator werden Alkyllithiumverbindungen
eingesetzt, die durch Umsetzung von Lithium mit den entsprechenden
Alkylhalogeniden leicht zugänglich
sind. Die Alklyreste weisen 1 bis 10 C-Atome auf. Einzelne Wasserstoffatome
können
durch Phenylreste substituiert sein. Folgende Alkyllithiumverbindungen
sind besonders geeignet: Methyllithium, Ethyllithium, Pentyllithium
bevorzugt wird s- und n-Butylithium. Im Prinzip lassen sich auch
bifunktionelle organische Lithiumverbindungen einsetzen. Diese sind
jedoch weniger leicht zugänglich
und insbesondere dann weniger günstig
als ihre monofunktionellen Analogen, wenn man sternförmiges Lösungskautschuke
herstellen möchte.
Die Menge des eingesetzten Katalysators richtet sich nach dem Molekulargewicht,
das eingestellt werden soll. Dieses liegt üblicherweise im Bereich von
50 000 bis 1 500 000. Vorzugsweise wird der Mikrostrukturregler
zu Beginn der Reaktion zugesetzt. Er kann jedoch auch noch, wenn
dies aus irgendwelchen Gründen
zweckmäßig sein
sollte, während
der Polymerisation zugesetzt werden. Ebenso können die erfindungsgemäßen Mikrostrukturregler
einzeln oder in beliebigem Mengenverhältnis untereinander eingesetzt
werden.
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Bezogen auf ein Mol des Li-Alkylinitiators werden
bei der anionischen Polymerisation mit den erfindungsgemäßen Ethern
Mengen von 0,1 bis 5 mol, bei den Alkoholaten Mengen von 1 bis 10.
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Als konjugierte Diene kommen folgende
Verbindungen in Betracht: 1.3-Butadien, Isopren, 2.3-Dimethyl-1.3-butadien,
1.3-Pentadien (Piperylen), 2.3-Dimethyl-1.3-butadien und 1.3-Hexadien, besonders
bevorzugt sind 1.3-Butadien und Isopren.
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Für
die Copolymerisation mit den konjugierten Dienen kommen folgende
vinylaromatische Verbindungen in Betracht: 3-Methylstyrol, 4-Methylstyrol,
Styrol, 1-Vinylnaphthalin und 2- Vinylnaphthalin, wobei
Styrol besonders bevorzugt ist. Die vinylaromatischen Verbindungen
als auch die konjugierten Diene können einzeln oder im Gemisch
untereinander eingesetzt werden.
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Eine Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens
besteht darin, die nach weitgehend vollständiger Umsetzung der Monomeren
erhaltenen Polymerisationseinheiten mit einem Kupplungsmittel zu sternförmigen Polymeren
zu kuppeln. Zu diesem Zweck geeigente Kupplungsmittel sind insbesondere Tetrahalogenide
der Elemente Silicium, Germanium, Zinn und Blei sowie Aromaten,
die mindestens 2 Vinylgruppen tragen, wie z. B. 1,3,5-Trivinylbenzol und 1,3-
und 1,4-Divinylbenzol.
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Die Polymerisation wird im Temperaturbereich
von 50 bis 90 °C
durchgeführt.
Bevorzugt wird die Polymerisation bei Temperaturen von 80 bis 150 °C durchgeführt. Gekuppelt
wird bei 0 bis 150 °C,
vorzugsweise bei 40 bis 100 °C.
Das Verfahren kann sowohl diskontinuierlich als auch kontinuierlich
betrieben werden.
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Die erhaltenen amorphen Polymerisate
werden, wenn sie zu Vulkanisaten verarbeitet werden sollen, mit
aktiven, verstärkenden
Füllstoffen,
einem Vulkanisationsmittel und üblichen
Zusatzstoffen gemischt. Als Füllstoffe
kommen die in der Kautschukindustrie verwendeten aktiven und inaktiven
Füllstoffe
zum Einsatz. In erster Linie sind das hochdisperse, mit Silanhaftvermittlern
behandelte Kieselsäuren
mit spezifischen Oberflächen
von 5-1000, vorzugsweise 20-400 m2/g und
mit Primärteilchengrößen von 10-400
nm und Ruße
mit BET-Oberflächen
von 20-200 m2/g in Frage. Die Füllstoffe
können
alleine oder im Gemisch eingesetzt werden.
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Massen, welche zur Herstellung von
Reifenlaufflächen
bestimmt sind, werden im allgemeinen zu Rohlaufstreifen geformt.
Bei der Homogenisierung und Formgebung, die beispielsweise in einem
Extruder erfolgen kann, werden die Bedingungen von Temperatur und
Zeit so gewählt,
daß keine
Vulkanisation eintritt.
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Die Kautschukkomponente besteht in
diesem Falle beispielsweise zu 10 bis 70 Massen-% aus einem erfindungsgemäßen Reaktionsprodukt
und zu 90 bis 30 Massen-% aus einem bekannten, amorphen, hochungesättigten
Allzweckkautschuk, wie z. B. Styrol-Butadien-Kautschuk, 1,4-cis-Polybutadien, 1,4-cis-Polyisopren,
und Naturkautschuk.
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Übliche
Vulkanisationsmittel enthalten z. B. Schwefel in Kombination mit
Beschleunigern. Die Menge des Vulkanisationsmittels richtet sich
nach den übrigen
Komponenten in der vulkanisierbaren Masse und kann durch einfache,
orientierende Versuche ermittelt werden.
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Als Zusatzstoff können die in der Kautschuktechnik üblichen
Weichmacheröle,
bevorzugt aromatische, aliphatische und naphthenische und paraffinische
Kohlenwasserstoffe sowie übliche
Hilfsmittel, wie beispielsweise Zinkoxid, Stearinsäure, Harzsäuren, Alterungsschutzmittel
und Ozonschutzwachse, in üblichen
Mengen zugesetzt werden. Besonders bevorzugt sind die neuen, kennzeichnungsfreien naphthenischen
Prozeßöle vom Typ
TDAE (Treated Distillate Aromatic Extracts) wie z.B. BP Vivatec
500 oder vom Typ MES (Mildly Refined Solvates) wie z.B. BP Vivatec
200.
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Die erfindungsgemäßen Polymerisate eignen sich
insbesondere zur Herstellung von Laufflächen von Pkw- und Lkw-Reifen,
und zwar sowohl zur Herstellung von Neureifen als auch zur Runderneuerung
von Altreifen. Die erhaltenen Reifenlaufflächen zeichnen sich durch eine
ausgezeichnete Bremswirkung sowohl beim ABS-Bremsen als auch beim
Blockierbremsen auf nasser Fahrbahn aus. Hervorzuheben ist auch
die außergewöhnlich hohe
Reversionsstabilität
beim Vulkanisationsprozeß und
die außergewöhnlich hohe
Netzwerkstabilität
der Reifenlaufflächen
bei dynamischer Beanspruchung.