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Die Erfindung betrifft ein Verfahren,
eine Vorrichtung und ein Computerprogrammprodukt zur Erzeugung eines
dreidimensionalen Modells für
ein real bestehendes Objekt, insbesondere zur Erzeugung eines Flächen- oder
Volumenkörpermodells
oder eines FE-Modells (FE: Finite Elemente) aus digitalisierten
Daten des Objekts.
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Auf vielen technischen Gebieten besteht
der dringende Bedarf, das Abbild eines real bestehenden Objekts
in ein möglichst
wirklichkeitsnahes Computermodell zu überführen. Während sich einfache Objekte
meist noch recht gut mit Hilfe von CAD-Programmen (CAD: computerunterstütztes Konstruieren),
FE-Programmen oder dergleichen nachkonstruieren lassen, wird dies
bei komplizierten Strukturen immer schwieriger.
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Besonders auffällig ist die Diskrepanz zwischen
Bedarf und tatsächlich
Machbarem in den Biowissenschaften, wenn beispielsweise die hochkomplizierte
Gestalt von anatomischen Strukturen modelliert werden soll. Die
geometrischen bzw. morphologischen Ungenauigkeiten des Modells kommen
im besonderen Maße dann
zum Tragen, wenn auf der Grundlage des Modells eine FE-Analyse durchgeführt werden
soll, um das physikalische Verhalten des Objekts zu berechnen.
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Bei der Erzeugung eines aus Knoten
und Elementen bestehenden FE-Modells kann prinzipiell zwischen zwei
Methoden unterschieden werden, und zwar zwischen der direkten und
der indirekten Erzeugung des FE-Modells. Bei der direkten Methode
werden die Knotenpunkte dem FE-Programm
fest vorgegeben, während
sich das FE-Programm bei der indirekten Methode die Knotenpunkte
aus vorge gebenen geometrischen Elementen (z. B.
aus Flächen-
oder Volumenkörpern,
Linien oder Punkten) selbst auswählt.
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Untersucht man die bislang in den
Biowissenschaften erstellten FE-Modelle, so fällt auf, dass die meisten der
vorgestellten Verfahren direkte Verfahren sind, bei denen dem FE-Programm
die Knotenpunkte fest vorgegeben werden.
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13 zeigt
ein Beispiel für
ein direkt durch Konstruktion erzeugtes FE-Modell der Gesichtsweichteile, wie
es M. Motoyoshi et al. in "Finite
element model of facial soft tissue. Effects of thickness and stiffness
on changes following Simulation of orthognatic surgery", J Nihon Univ Sch
Dent 35, Seiten 118–123
(1993) vorgestellt haben. Bei diesem Verfahren wird auf eine morphologisch
exakte Übertragung
der Objektstruktur in den virtuellen Raum verzichtet und es wird
versucht, die Komplexität
der Struktur so gut wie möglich
durch manuelle Nachkonstruktion nachzuahmen.
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FE-Modelle können auch direkt durch schichtweise
Vernetzung erzeugt werden. Dabei werden die geometrischen Daten
des Objekts durch ein schichtdiagnostisches Verfahren oder durch
Anfertigen histologischer Schnitte gewonnen.
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Bei der punktbasierten, schichtweisen
Vernetzung werden die gewonnen Schichtbilder digitalisiert und die
Grenzen der interessierenden Struktur identifiziert. Anschließend werden
in jeder Schicht auf den Grenzlinien Knotenpunkte definiert, die
zuerst zweidimensional in der jeweiligen Schichtlage und anschließend dreidimensional
zwischen den einzelnen Schichtlagen vernetzt werden. 14 zeigt ein solches durch
punktbasierte, schichtweise Vernetzung erzeugtes FE-Modell eines
Zahns, wie es C. Lin et al. in "Automatic
finite element mesh generation for maxillary second premolar", Comput Methods
Programs Biomed 59, Seiten 187–195 (1994)
beschrieben haben.
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Die schichtweise Vernetzung kann
auch voxelbasiert erfolgen. Dazu wird über jedes gewonnene Schichtbild
ein definiertes quadratisches Gitternetz gelegt und jedem Quadrat,
das in der Schicht einem Voxel entspricht, ein kubisches Element
zugeordnet. Jedes Element, das in der darunter liegenden Schicht
nicht zu einem gewissen Prozentsatz von der interessierenden Struktur
bedeckt ist, fällt
weg. Übrig
bleiben Schichten aus gleichförmigen
Elementen, die übereinander
gestapelt ein dreidimensionales FE-Modell aus kubischen Elementen
bilden. 15 zeigt ein
solches durch voxelbasierte, schichtweise Vernetzung entstandenes FE-Modell
des menschlichen Schädels,
wie es D. Camacho et al. in "An
improved method for finite element mesh generation of geometrically
complex structures with application to the skullbase", J Biomech 30, 1067–1070 (1997)
beschrieben haben.
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Einen etwas anderen Ansatz haben
P. van Zyl et al. in "Three-Dimensional
finite element of a human mandible incorporating six osseointegrated
implants for Stress Analysis of mandibular cantilever prostheses", Int J Oral Maxillofac
Implants 10, Seiten 51–57
(1992) gewählt.
Das in 16 gezeigte FE-Modell
eines Unterkiefers wurde direkt durch dreidimensionale Vernetzung
einer aus Reflexmikroskopaufnahmen gewonnenen Punktwolke erzeugt.
Die Punktwolke wird direkt in das FE-Programm eingegeben, wobei
die Punkte der Punktwolke als Knotenpunkte für das FE-Modell herangezogen
werden. Allerdings ist die automatische Vernetzung der Knotenpunkte
nicht besonders zuverlässig.
Die gängigen
FE-Programme haben häufig Schwierigkeiten
mit der Vernetzung unterschiedlich dichter Punktwolken, sodass in
der Regel spezielle Programme zur dreidimensionalen Vernetzung der
Punktwolke verwendet werden müssen.
Da diese Programme nicht kompatibel zu den FE-Standardprogrammen
sind, entstehen auf der Softwareseite Insellösungen, die nur von einem Fachmann
bedient werden können.
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Indirekte Verfahren zur Erzeugung
eines FE-Modells haben sich in erster Linie in den Ingenieurwissenschaften
durchgesetzt. Bei den indirekten Verfahren werden dem FE-Programm beliebige
geometrische Elemente vorgegeben, aus denen sich das FE-Programm
selbsttätig
die Lage der Knotenpunkte errechnet, wobei die geometrischen Elemente
lediglich die Ränder
und Grenzflächen
des späteren
FE-Modells festlegen. Die
geometrischen Elemente können
entweder im FE-Programm selbst erstellt werden oder über eine
sogenannte CAD/FEM-Kopplung als Flächen- oder Volumenkörper aus
einem CAD-Programm importiert werden.
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Um die Koordinaten der Knotenpunkte
zu erstellen, gibt es bei der indirekten Erzeugung des FE-Modells
zwei Möglichkeiten:
Beim sogenannten "Mapped
Meshing" werden
die Knotenpunkte so festgelegt, dass viereckige oder hexaederförmige Elemente
gebildet werden. Im Gegensatz dazu werden beim "Free Meshing" dreieckige oder tetraederförmige Elemente
mit Zwischenknoten (sogenannte parabolische Elemente) gebildet, die
sich besonders gut an komplexe Geometrien anpassen.
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Der entscheidende Punkt beim indirekten
Verfahren ist, dass die dem FE-Programm vorgegeben geometrischen
Elemente in der Regel manuell im FE-Programm oder in einem CAD-Programm
konstruiert werden müssen.
In den Ingenieurwissenschaften stellt dies keinen Nachteil dar, da
die meisten Produkte sowieso mit Hilfe von CAD-Programmen entworfen werden. In den
Biowissenschaften allerdings hat sich das indirekte Verfahren bis
auf Ausnahmen, etwa bei der Beurteilung konstruierbarer Fremdkörper wie
Hüftprothesen
usw., nicht durchsetzen können.
Die Ungenauigkeiten, die entstehen, wenn ein reales Objekt durch
direkte Konstruktion nachgeahmt wird, sind einfach zu groß.
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Den bisher einzigen Lösungsweg,
das Abbild eines real bestehenden Objekts in ein der CAD/FEM-Kopplung
zugängliches
Format umzuwandeln, bietet das Reverse Engineering. Beim Reverse
Engineering wird das Objekt digitalisiert und werden mittels Flächenrekonstruktion
CAD-Flächen
erzeugt, die sich dem Grundsatz nach in ein FE-Programm importieren
lassen. Die CAD-Flächen
setzen sich zumeist aus frei formbaren Bézier- oder NURBS-Patches (NURBS: Nicht-uniforme
rationale B-Splines) zusammen, die über ein Netz aus Kontrollpunkten
stückweise
an die Oberflächenform
des Objekts angepasst werden. Bei den NURBS-Patches handelt es sich
in der Regel um mindestens bikubische parametrische Flächenelemente,
die die Objektfläche
jeweils durch zwei polynomiale Kurven dritten Grades approximieren.
Das Lösen
der linearen Gleichungssysteme wird mit zunehmendem Grad der Polynome
immer aufwendiger, erlaubt aber eine genauere Anpassung der Flächenelemente
an die Oberflächengestalt
des Objekts. Aufgrund der komplizierten Algorithmen, die bei der
Flächenrekonstruktion
zum Einsatz kommen, sind die zum Reverse Engineering verwendeten
Softwareprogramme bislang sehr teuer. Außerdem sind die Berechnungen
mit hohem Zeitaufwand verbunden.
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Daneben hat sich herausgestellt,
dass beim Reverse Engineering die Anpassung der Bézier-
oder NURBS-Patches an die Oberflächenform
einer geometrisch komplexen Struktur oft sehr ungenau ist und dass dabei
häufig
irreguläre
CAD-Flächen
erzeugt werden, die sich weder mit CAD-Programmen noch mit FE-Programmen
weiterverarbeiten lassen.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde,
ein Verfahren, eine Vorrichtung und ein Softwareprogrammprodukt
zur Verfügung
zu stellen, mit denen sich mit relativ geringem Rechenaufwand ein
genaues dreidimensionales Modell eines real bestehenden Objekts
erzeugen lässt.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren
gemäß Anspruch
1, eine Vorrichtung gemäß Anspruch
6 und ein Computerprogrammprodukt gemäß Anspruch 9 gelöst.
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Die Erfindung zeichnet sich dadurch
aus, dass das interessierende Objekt zunächst digitalisiert wird, um
ein Netzmodell des Objekts zu erzeugen, das Netzmodell anschließend in
bilineare Flächenelemente
zerlegt wird und die bilinearen Flächenelemente schließlich zu
einem Flächen-
oder Volumenkörpermodell
vereinigt werden.
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Unter dem angesprochenen Netzmodell
sind Vielflächen-,
Oberflächen-
oder Polygonnetze zu verstehen, die typischerweise aus einer Menge
endlich vieler Polygone bestehen, bei denen jeweils zwei Eck- oder Knotenpunkte
eine Kante definieren und mehrere solcher Kanten einen geometrischen
Körper
beschreiben. Die geometrische Beschreibung des Körpers erfolgt in dem Netzmodell
rein numerisch, d. h. im Gegensatz
zu einem analytischen Ansatz wird die geometrische Form nicht durch
mathematische Gleichungen definiert, sondern allein durch die Lage
und Dichte der Eck- bzw. Knotenpunkte.
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Da solche Netze rein numerisch beschrieben
werden, lassen sie sich durch Digitalisieren des Objekts erzeugen.
Das Digitalisieren kann dabei auf unterschiedliche Weise erfolgen.
So kann das Objekt beispielsweise optisch oder berührend abgetastet
werden, so dass sich eine die Objektoberfläche beschreibende Punktwolke
ergibt. Aus dieser Punktwolke werden dann die Knotenpunkte für die Netzdarstellung
gewonnen. Von dem zu digitalisierenden Objekt können aber auch Oberflächen- oder
Schnittaufnahmen angefertigt werden. Mit Hilfe dieser Aufnahmen
werden dann die Grenzen (Boundaries) des Objekts identifiziert und
werden einzelne Punkte dieser Grenzen wiederum als Knotenpunkte
für die
Netzdarstellung verwendet.
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Bislang ging man davon aus, dass
die numerischen Daten eines solchen Netzmodells nicht ohne Weiteres
dazu herangezogen werden können,
einen Flächen-
oder Volumenkörper
zu erzeugen, der durch analytische Funktionen beschrieben wird.
So wird in der Literatur zum Beispiel davor gewarnt, dass in CAD-Programmen
zwar Volumenkörper
in Oberflächennetze
konvertiert werden können,
diese aber umgekehrt nicht in Volumenkörper konvertiert werden können (vgl.
Benutzerhandbuch AutoCAD 2000TM, S. 719).
Um numerische Daten in analytische Daten umzuwandeln, musste bislang
der aufwendige und insbesondere bei komplexen Geometrien nicht immer
erfolgreiche Weg des Reverse Engineering eingeschlagen werden.
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Die Erfindung schlägt eine
Brücke
zwischen numerischer und analytischer Beschreibung der Objektdaten,
indem sie die numerischen Daten des Netzmodells in die analytischen
Daten bilinearer Flächenelemente
zerlegt.
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Unter bilinearen Flächenelementen
sind Flächenstücke zu verstehen,
die jeweils durch zwei polynomiale Kurven ersten Grades bzw. durch
zwei Strecken definiert sind. Die Endpunkte der Strecken ergeben
sich dabei aus den Knotenpunkten des Netzes. Die beiden Strecken
jedes Flächenelements
bilden zwei Kanten eines Polygonzuges, dessen übrige Kanten sich durch Verbinden
der Streckenendpunkte ergeben. Jedes Flächenelement hat seine eigenen
Kanten, die es nicht mit den angrenzenden Flächenelementen teilt.
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Die bilinearen Flächenelemente sind vorzugsweise
dreieckig, da sich Dreiecksflächen
besonders gut an komplexe Geometrien anpassen lassen. Bei einer
solchen Dreiecksfläche
fällt daher
jeweils ein Endpunkt der beiden Strecken des Flächenelements in einem Punkt
zusammen und wird die dritte Kante des Dreiecks durch die verbleibenden
Endpunkte der Strecken gebildet. Das bilineare Flächenelement
kann jedoch prinzipiell auch eine Form mit vier Kanten (z. B.
ein Quadrat) einnehmen, bei der die Endpunkte der Strecken nicht in
einem Punkt zusammenfallen.
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Sofern die bilinearen Flächenelemente
durch ein CAD-Programm
bearbeitet werden, sollten sie vorzugsweise in Form von NURBS-Patches
vorliegen, da NURBS-Patches gegenüber Rotations-, Skalierungs-, Translations-
und Projektionsoperationen invariant sind. Dabei ist zu beachten,
dass die Möglichkeit, NURBS-Patches
höheren
Grades frei formen zu können,
nicht genutzt wird, da die verwendeten Flächenelemente nur bilinear sind.
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Um das Netzmodell in bilineare NURBS-Patches
umzuwandeln, wird das Netz vorzugsweise in das IGES-Format (IGES:
Initial Graphics Exchange Specification) konvertiert. Das IGES-Format
ist ein ANSI-Standard, der ein neutrales Format für den Datenaustausch
zwischen unterschiedlichen CAD-, CAM- (CAM: rechnergestützte Fertigung)
und Computervisualisierungssystemen definiert. Die bilinearen Flächenelemente
entsprechen dabei IGES-Elementen der Nummer 128, die für rationale
B-Spline-Flächen
vorgesehen sind.
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Die einzelnen bilinearen Flächenelemente,
in die das Netz zerlegt wurde, werden wieder vereinigt, um einen
geschlossenen Flächenverbund
oder einen geschlossen Volumenkörper
zu erzeugen. Dies geschieht dadurch, dass die gegenüberliegenden
Kanten von zwei benachbarten Flächenelementen
zusammengeheftet werden. Es werden also die zuvor getrennten Kanten
der Flächenelemente
zu einer gemeinsamen Kante zusammengefasst, sodass das eine Flächenelement
unmittelbar in das andere Flächenelement übergeht.
Da sämtliche
Flächenelemente
eben sind, gehen sie nicht stetig ineinander über und es entsteht ein facettierter Flächenverbund.
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Dieser facettierte Flächenverbund
stellt ein Flächenmodell
des digitalisierten Objekts dar. Wenn der Flächenverbund der Oberfläche ein
endliches Volumen quasi wasserdicht umschließt, so entsteht ein Volumenkörpermodell
des digitalisierten Körpers.
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Das Flächen- oder Volumenkörpermodell
lässt sich
problemlos durch CAD/FEM-Kopplung in ein FE-Programm importieren
und zu einem FE-Modell vernetzen, mit dessen Hilfe physikalische
Berechnungen durchgeführt
werden können.
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Die Erfindung hat den Vorteil, dass
sie für
den Übergang
zwischen der numerischen und analytischen Beschreibung der Objektdaten
Kurvengleichungen ersten Grades heranzieht. Im Vergleich zum Reverse
Engineering, bei dem Kurvengleichungen dritten oder höheren Grades
verwendet werden, reduziert sich dadurch die Komplexität des zu
lösenden
Gleichungssystems erheblich. Auch dann, wenn von einem sehr feinen
Netz ausgegangen wird, um ein besonders genaues dreidimensionales
Modell des interessierenden Objekts zu erzeugen, ist die durch das
weniger komplexe Gleichungssystem erzielte Zeitersparnis so groß, dass
sich der Rechenaufwand trotz der hohen Genauigkeit des Modells insgesamt
verringert. Mit Hilfe der Erfindung lässt sich also mit relativ geringem
Rechenaufwand ein genaues dreidimensionales Flächen-, Volumenkörper- oder FE-Modell
eines real bestehenden Objekts erzeugen.
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Die Erfindung kann sowohl in Form
eines Verfahrens als auch in Form einer Vorrichtung oder eines Softwareprogrammprodukts
umgesetzt werden.
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Bei der Vorrichtung ist zu beachten,
dass neben einer Datenverarbeitungseinrichtung, die die Datenverarbeitungsschritte
Einlesen des Netzmodells, Zerlegen des Netzmodells in bilineare
Flächenelemente,
Vereinigen der bilinearen Flächenelemente
zu einem Flächen-
oder Volumenkörpermodell
und gegebenenfalls Erstellen eines FE-Modells aus dem Flächen- oder
Volumenkörpermodell
ausführt,
auch eine Digitalisierungseinrichtung vorgesehen ist, mit der sich
das Netzmodell des Objekts erzeugen lässt. Unter eine solche Digitalisierungseinrichtung
fallen sämtliche
bildgebenden Geräte
wie Fotoapparate und Röntgengeräte, die
zweidimensionale analoge oder digitale Bilder erzeugen, aus denen
in Kombination mit einer Bildverarbeitung ein dreidimensionales
Netz gewonnen werden kann. Unter eine solche Digitalisierungseinrichtung
fallen aber auch optische und berührende Abtastgeräte, die
die Oberfläche
des Objekts abtasten, um eine dreidimensionale Punktwolke zu erzeugen,
aus der dann in Kombination mit einer Bildverarbeitung ein Netz
gewonnen wird. In diesem Zusammenhang ist es ohne Belang, ob die
Digitalisierungseinrichtung und die Datenverarbeitungseinrichtung
räumlich
getrennt sind oder ob die Digitalisierungseinrichtung die Datenverarbeitungseinrichtung
zur Ausführung
der Bildverarbeitungsschritte nutzt.
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Es liegt auf der Hand, dass die Erfindung
anstatt durch die Vorrichtung auch durch ein Computerprogrammprodukt
realisiert werden kann, das die angesprochenen Datenverarbeitungsschritte
anhand von Softwareroutinen abarbeitet, wenn es auf einem Computer
läuft.
Das Computerprogrammprodukt kann auf einem Datenträger gespeichert
sein oder direkt in den Arbeitsspeicher des Computers geladen werden.
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Weitere Aufgaben, Vorteile und Merkmale
der Erfindung ergeben sich aus der folgenden ausführlichen Beschreibung
von Ausführungs-
und Vergleichsbeispielen. Dabei wird auf die beigefügten Zeichnungen
Bezug genommen, die Folgendes zeigen:
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1 ein
durch optische Abtastung digitalisiertes Abbild eines Probandengesichts
in Form einer Punktwolke;
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2 die
Punktwolke von 1, nachdem
sie ausgedünnt
wurde;
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3 ein
aus der Punktwolke von 2 erzeugtes
Netz;
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4 ein
Ausschnitt aus dem in 3 gezeigten
Netz;
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5a bis 5d eine erläuternde
Darstellung, wie aus drei Polygonen des in 4 gezeigten Ausschnitts drei bilineare
Flächenelemente
gebildet und wieder vereinigt werden;
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6 ein
aus dem in 3 gezeigten
Netz erzeugtes Flächenmodell;
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7 ein
aus dem in 6 gezeigten
Flächenmodell
erzeugtes FE-Modell der Gesichtsweichteile;
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8 eine
digitalisierte Röntgenschichtaufnahme
eines menschlichen Schädels
in Höhe
des Unterkiefers, in denen die Schädelgrenzen markiert und mit
Punkten versehen sind;
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9 ein
aus mehreren Schichtaufnahmen erzeugtes digitales Abbild eines Schädels in
Form einer Punktwolke, nachdem sie homogenisiert wurde;
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10 ein
aus der Punktwolke von 9 erzeugtes
Netz;
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11 ein
aus dem in 10 gezeigten
Netz erzeugtes Volumenkörpermodell
des Schädels;
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12a ein
Netzmodell des menschlichen Ohres und 12b ein
aus diesem Netzmodell durch Reverse Engineering erzeugtes Modell
aus NURBS-Flächen;
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13 ein
durch Nachkonstruktion erzeugtes FE-Modell von Gesichtsweichteilen
gemäß Stand
der Technik;
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14 ein
durch punktbasierte, schichtweise Vernetzung erzeugtes FE-Modell
eines Zahns gemäß Stand
der Technik;
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15 ein
durch voxelbasierte, schichtweise Vernetzung erzeugtes FE-Modell
eines menschlichen Schädels
gemäß Stand
der Technik; und
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16 ein
durch Vernetzung einer Punktwolke erzeugtes FE-Modell eines Unterkiefers
gemäß Stand der
Technik.
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Anhand der 1–7 wird nun ein erstes Ausführungsbeispiel
beschrieben, wie sich aus einem digitalisierten Abbild eines Probandengesichts
ein dreidimensionales Flächenmodell
und ein FE-Modell der menschlichen Gesichtsweichteile erzeugen lassen.
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Das Gesicht eines Probanden wurde
mit Hilfe eines lichtcodierten Triangulationsverfahrens (TRICOLITETM der Firma Steinbichler) digitalisiert.
Dabei wurde durch einen LCD-Projektor
eine Serie von Streifenmustern auf das Gesicht geworfen, die durch
zwei CCD-Kameras aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfasst wurde.
Der komplette Messvorgang dauerte etwa zwei Sekunden. Durch geometrische
Auswertung (Triangulationsprinzip) wurde daraus ein dreidimensionales
Abbild der Gesichtsoberfläche
in Form einer Punktwolke erzielt. Nähere Einzelheiten zu diesem
lichtcodierten Triangulationsverfahren werden der Dissertation (citation in
progress) von C. Holberg "Erfassung
von Gesichtsoberflächen
durch ein lichtcodiertes Triangulationsverfahren", Ludwig-Maximilians-Universität München (2002)
zu entnehmen sein.
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Die erhaltene Punktwolke wurde anschließend gefiltert,
um eine bestimmte Auflösung
zu erzielen und redundante Daten einzusparen. Und zwar wurden die
Bildpunkte, deren Lage gegenüber
den benachbarten Bildpunkten nur wenig abwich, gelöscht, während die
Bildpunkte, deren Lage gegenüber
den benachbarten Bildpunkten stärker
abwich, beibehalten wurden. Dadurch ergab sich die in 2 gezeigte ausgedünnte Punktwolke,
in der die Bildpunkte umso dichter liegen, je stärker sich die Topologie der
Gesichtsoberfläche ändert.
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Die ausgedünnte Punktwolke wurde anschließend in
das Bildbearbeitungsprogramm Rapid FormTM (INUS
Technology, Inc.) importiert und zu einem Polygonnetz aus dreieckigen
Polygonen vernetzt. Um ein durchgehendes, sauberes Polygonnetz zu
erhalten, wurde das Polygonnetz von Löchern und von kreuzenden, redundanten
und nichtmannigfaltigen Flächen
befreit. Im vorliegenden Fall wurde die Möglichkeit, das Polygonnetz
zu homogenisieren oder die Anzahl der Polygonflächen zu erhöhen oder zu reduzieren, nicht
genutzt. Es entstand das in 3 gezeigte
lochfreie und gereinigte Polygonnetz, das im DXF-Format zwischengespeichert
wurde.
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Das im DXF-Format abgespeicherte
Polygonnetz wurde anschließend
in das Programm PolyTransTM (Okino Computer
Graphics) importiert, um das Polygonnetz, ohne weiter verändert zu
werden, im neutralen IGES-Format abzuspeichern, das den Datenaustausch
zwischen unterschiedlichen CAD-, CAM- und Computervisualisierungssystemen
erlaubt. Durch den Export als IGES-Datei wurde das Polygonnetz in
bilineare NURBS-Patches mit der Elementnummer 128 zerlegt. Die entstandene
IGES-Datei wurde anschließend
in das CAD-Programm Mechanical DesktopTM (Autodesk
Inc.) eingelesen, wobei das Abbild des Probandengesichts nunmehr
in Form von einzelnen Flächenelementen
(bilinearen NURBS-Patches) vorlag, die jeweils einem Polygon des
ursprünglichen
Polygonnetzes entsprachen. Mit der Funktion "Flächen
zusammenheften" (in
anderen Programmen auch als "Zusammenfügen" oder "Stitchen" bezeichnet) wurden
die einzelnen Flächenelemente
dann wieder zu einem Flächenverbund
vereinigt, sodass das in 6 gezeigte
Flächenmodell
des Probandengesichts entstand. Dieses Flächenmodell wurde dann über die
CAD/FEM-Schnittstelle AMACISOUT des Programms im SAT-Format exportiert,
um die Geometrie des Flächenmodells
der CAD/FEM-Kopplung zugänglich
zu machen.
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Die einzelnen Verarbeitungsschritte,
denen die Bilddaten beim Zerlegen des Polygonnetzes in die einzelnen
Flächenelemente
und beim Vereinigen der Flächenelemente
unterlagen, werden nun ausführlicher
anhand von 4 und den 5a bis 5d erläutert.
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4 zeigt
einen Ausschnitt des in 3 gezeigten
Polygonnetzes, der dem rechten Wangenbereich des Patienten entnommen
wurde. In diesem Bereich werden nur die drei fett markierten Polygone
betrachtet, deren Eckbzw. Knotenpunkte hervorgehoben sind. Diese
drei Polygone sind in 5a ohne
ihre Umgebung dargestellt.
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Die in 5a dargestellten
Polygone wurden durch die Konvertierung ins IGES-Format in die drei
in 5b gezeigten bilinearen NURBS-Patches
umgewandelt. Unter NURBS-Patches sind wie gesagt Flächenelemente
zu verstehen, die jeweils durch zwei nicht-uniforme rationale B-Splines
definiert sind, d. h. durch zwei frei
formbare polynomiale Kurven. Da die Polygone, von denen ausgegangen
wurde, eben waren, sind die beiden B-Splines, die jedes Flächenelement
definieren, ebenfalls nicht gekrümmt
und entsprechen somit Kurven erstes Grades. Bei der Erfindung wird
also jedes NURBS-Patch nicht mehr numerisch durch die Eckpunkte des
jeweiligen Flächen elements,
sondern analytisch durch zwei Kurven ersten Grades bzw. durch zwei
Strecken beschrieben. Da die ursprünglichen Polygone dreieckig
waren, sind auch die entstandenen NURBS-Flächen dreieckig. Das bedeutet,
dass jeweils ein Endpunkt der beiden Strecken des NURBS-Patches in einem Punkt
zusammenfällt
und die beiden Strecken zwei Kanten des dreieckigen NURBS-Patches
bilden, während sich
die dritte Kante durch Verbinden der beiden verbliebenen Streckenendpunkte
ergibt. Da jeder NURBS-Patch durch ein eignes Paar linearer B-Splines
definiert ist, hat jedes NURBS-Patch seine eigenen Kanten, die es
nicht mit den angrenzenden Flächenelementen
teilt.
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Die einzelnen NURBS-Patches wurden
dann durch die Zusammenheftfunktion wie in 5c und 5d gezeigt
jeweils mit den benachbarten NURBS-Patches vereinigt. Das Zusammenheften
erfüllt
dabei zwei Aufgaben: Zum einen werden mit dieser Funktion zwei oder
mehr zusammenhängende
Flächen
zusammengeheftet, um einen Flächenverbund
zu erstellen, und zum anderen werden Fehler in der Geometrie oder Topologie,
die während
der Konvertierung aufgrund von unterschiedlichen internen Toleranzen
und Berechnungsfehlern auftreten können, korrigiert. Durch das
Zusammenheften entsteht also ein durchgängiger Flächenverbund, der als Flächenmodell
herangezogen werden kann.
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Das in 6 gezeigte, über die
CAD/FEM-Schnittstelle exportierte Flächenmodell des Probandengesichts
wurde in das FE-Programm Design SpaceTM von
Ansys, Inc. importiert. Das Flächenmodell
wurde dabei wie ein gekrümmtes
Flächentragwerk
behandelt, das sich nach der Schalentheorie verhält. Nach Zuweisung einer einheitlichen
Dicke wurde das Konstrukt zu dem in 7 gezeigten
dreidimensiona len FE-Modell der Gesichtsweichteile vernetzt. Die
Vernetzung erfolgte ohne Schwierigkeiten, da fehlerhafte Flächen bereits während der
Reinigung des Polygonnetzes beseitigt wurden, sodass es zu keinen Überschneidungen
kam. Das FE-Modell wies im Großen
und Ganzen die gleiche hohe Auflösung
wie das Polygonnetz und das im CAD-Programm erstellte Flächenmodell
auf. Durch Festlegung entsprechender Lagerungen und Lasten ließen sich
mit diesem FE-Modell hochauflösend
Verformungen, Spannungen und Dehnungen in den Gesichtsweichteilen
berechnen. Diese Berechnungen können
zum Beispiel für
die Planung kosmetischer Operationen genutzt werden.
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Anhand der 8-11 wird
nun ein zweites Ausführungsbeispiel
beschrieben, wie sich aus digitalisierten Schichtbildern eines menschlichen
Schädels
ein dreidimensionales Volumenkörpermodell
erzeugen lässt.
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Von dem Schädel eines Probanden wurde mit
Hilfe eines Computertomografieverfahrens ein Satz von zweiundvierzig
digitalen Röntgenschichtbildern
gewonnen. Mit Hilfe des Bildbearbeitungsprogramms 3D-DoctorTM (Able Software) wurden in den Schichtaufnahmen
die Grenzen des Schädelknochens
identifiziert und die markierten Grenzlinien mit mehreren Punkten
versehen. 8 zeigt ein
Beispiel eines solchen mit Grenzlinien und Punkten versehenen Schichtbilds
im Bereich des Unterkieferknochens.
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Die in den einzelnen Schichtbildern
markierten Punkte wurden dann zu einer dreidimensionalen Punktwolke
zusammengefasst, die redundanten Daten durch Filtern mit einer bestimmten
Auflösung
entfernt und die verbleibende Punktwolke homogenisiert. Daraus ergab
sich die in 9 gezeigte
ausgedünnte
Punktwolke, in der die Bildpunkte umso dichter liegen, je stärker sich
die Topologie der Schädeloberfläche ändert.
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Die ausgedünnte Punktwolke wurde anschließend zu
einem Polygonnetz aus dreieckigen Polygonen vernetzt und das Polygonnetz
von kreuzenden, redundanten und nichtmannigfaltigen Flächen gereinigt.
Eventuell entstandene Löcher
wurden wieder geschlossen. Das sich ergebende Polygonnetz ist in 10 gezeigt.
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Das Polygonnetz wurde dann ähnlich wie
im ersten Ausführungsbeispiel
in das Programm PolyTransTM (Okino Computer
Graphics) importiert und in bilineare NURBS-Patches mit der Elementnummer 128 zerlegt,
die anschließend
wieder unter Korrektur der aufgetretenen Geometrie- oder Topologiefehler
zu einem Flächenverbund
zusammengeheftet wurden. Da bereits das Polygonnetz frei von Löchern war
und der Flächenverbund
daher der durchgehenden Oberfläche
eines in sich geschlossenen festen Körpers (Solid) entsprach, wurde
beim Zusammenheften automatisch ein Volumenkörpermodell erzeugt. Das fertige
Volumenkörpermodell
ist in 11 gezeigt und
hat im Großen
und Ganzen die gleiche hohe Auflösung
wie das ursprüngliche
Polygonnetz, sodass es für
ein hochauflösendes
FE-Modell geeignet ist. Das entstandene FE-Modell konnte zur Simulation der Auswirkungen
von Gewalteinwirkungen auf den Schädel herangezogen werden.
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Die obigen Ausführungsbeispiele zeigen, dass
sich mit der Erfindung hochgenaue dreidimensionale Modelle real
bestehender Objekte erzeugen lassen.
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Ein Vergleich der Erfindung mit dem
herkömmlichen
Verfahren des Reverse Engineering soll außerdem den Nachweis bringen,
dass sich mit der Erfindung auch der Rechenaufwand senken lässt.
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Hierzu wurde von einem aus 3386 dreieckigen
Polygonen bestehenden Netzmodell des menschlichen Ohres ausgegangen.
Das in
12a gezeigte
Netz wurde zum einen nach den Maßgaben der Erfindung und zum
anderen mit Hilfe der Reverse-Engineering-Funktion des Programms
Rapid Form
TM (INUS Technology, Inc.) in
NURBS-Patches der IGES-Elementenummer
128 umgewandelt. In beiden Fällen
wurden die 3386 Polygone in ebenso viele NURBS-Patches umgewandelt.
Im Fall des Reverse Engineering wurde außerdem ein Modell mit einer
geringeren Auflösung
von 232 NURBS-Patches angefertigt, das in
12b gezeigt ist. Die Berechnungszeit
und der Speicherbedarf für
die einzelnen Modelle lassen sich Tabelle 1 entnehmen. Tabelle
1
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Tabelle 1 ist zu entnehmen, dass
das erfindungsgemäße Verfahren
verglichen mit dem Reverse Engineering bei gleicher Auflösung (d. h.
bei gleicher Anzahl an NURBS-Patches)
deutlich weniger Rechenzeit und Speicherbedarf erfordert. Wenn beim
Reverse Engineering die Anzahl an NURBS-Patches gesenkt wird, lassen
sich zwar die Rechenzeit und der Speicherbedarf reduzieren, doch
werden dadurch geometrische Ungenauigkeiten in Kauf genommen.
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Wie der Vergleich der 12a und 12b ergibt, erzeugt das Reverse Engineering
zwar sehr glatte Oberflächenübergänge, doch
kann es insbesondere im Randbereich des Modells zu fehlerhaften
Darstellungen kommen (siehe Pfeil in 12b).
Die Ungenauigkeiten im Randbereich sind umso auffälliger,
je komplexer die nachzubildende Struktur ist und je geringer beim
Reverse Engineering die Auflösung
(Anzahl der erzeugten NURBS-Patches) ist. Vergleichbare Darstellungsfehler
treten bei der Erfindung nicht auf.
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Darüber hinaus stellte sich heraus,
dass die durch das Reverse Engineering erzeugten NURBS-Patches insbesondere
dann, wenn das Patch-Layout automatisch erstellt wurde, zu irregulären, fehlerhaften
und vertwisteten CAD-Flächen
führten,
die nicht (z. B. über CAD/FEM-Kopplung) weiterverarbeitet
werden konnten. Da die manuelle Erstellung des Patch-Layouts zeitaufwendig,
fehlerträchtig
und in der Regel nur vom Fachmann zu bewerkstelligen ist, bietet
das Reverse Engineering keine praxisgerechte Alternative, um aus
digitalisierten anatomischen Strukturen wie dem in 12a gezeigten Ohr FE-Modelle zu erzeugen.
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Wie sich aus der obigen Beschreibung
ergibt, eignet sich die Erfindung nicht nur als hochgenaues, Zeit und
Speicherplatz einsparendes Alternativverfahren für das Reverse Engineering,
sondern erschließt
die Erfindung auch neue Anwendungsbereiche bei der Modellierung
hochkomplexer Objekte, etwa in den Biowissenschaften, die dem Reverse
Engineering und anderen herkömmlichen
Verfahren bislang nicht zugänglich waren.