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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Temperieren eines Formwerkzeugs gemäß den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1, ein Computerprogrammprodukt zum Temperieren eines Formwerkzeugs gemäß den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 8 sowie ein System zum Temperieren eines Formwerkzeugs gemäß den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 10.
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Zum Temperieren von Formgebungswerkzeugen, wie beispielsweise Spritzgießwerkzeugen, wird Temperiermedium durch zumindest einen Temperierzweig des Formwerkzeugs gefördert. Es werden verschiedene gesteuerte und/oder geregelte Vorrichtungen verwendet, um die thermodynamischen und fließtechnischen Parameter des Temperiermediums so einzustellen, wie es für das jeweilige Formwerkzeug angebracht ist. Beispiele wären Pumpen, Drosseln und Einrichtungen zum Anpassen der Temperatur des Temperiermediums.
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Es existieren einige Veröffentlichungen der Anmelderin zum Optimieren dieses Systems, insbesondere hinsichtlich des Energieverbrauchs. Es sei auf die
EP 2762291 A1 , die
EP 3173208 A1 und die
EP 3309402 A1 verwiesen.
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Grundsätzlich wurde es auch in Betracht gezogen, im Formwerkzeug einen Temperatursensor zu verbauen. Allerdings sind Regelungen, die Messwerte eines Temperatursensors im Formwerkzeug als rückgeführte Größe verwenden, erfahrungsgemäß sehr sensitiv auf die Positionierung des Temperatursensors im Werkzeug und insbesondere dem Abstand des Temperatursensors zur Formkavität (Plastverarbeiter, „Temperaturführung Optimieren“, Januar 2009, Seite 50). Ist der Temperatursensor zu nahe an der Formkavität, unterliegen die Messwerte durch das zyklische Einspritzen der Formmasse großen Schwankungen, was zu einer instabilen Regelung führt. Ist der Abstand zu groß, geht durch Dissipation von Wärme Information verloren und die Regelung auf Basis der Messwerte des Temperatursensors kann Schwankungen der Temperatur in der Formkavität nicht erkennen (zu geringe Regeldynamik).
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Hochentwickelte steuerungstechnische Strategien zum Verwenden von Messwerten eines Temperatursensors im Formwerkzeug selbst fehlen daher im Stand der Technik soweit ersichtlich.
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Deshalb wird beim Regeln oder Steuern der Temperierung in der Praxis häufig auf einen Durchfluss (und/oder Durchflussrate und/oder Volumenstrom) oder eine Temperaturdifferenz zwischen der Temperatur des Temperiermediums fließtechnisch nach und vor dem Formwerkzeug zurückgegriffen. Letztere weist erstens hohe Aussagekraft für die Qualität des herzustellenden Formteils auf und Temperatursensoren im Formwerkzeug stellen einen erheblichen Aufwand dar, der vermieden werden kann, wenn man die Temperaturdifferenz oder nach einem Durchfluss regelt.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren, ein Computerprogrammprodukt und ein System zum Temperieren eines Formwerkzeugs bereitzustellen, wobei die Energieeffizienz verbessert ist. Bevorzugt soll dies unabhängig davon geschehen, ob ein Temperatursensor im Werkzeug verbaut ist oder nicht.
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Diese Aufgabe wird hinsichtlich des Verfahrens durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst, nämlich indem für die Temperierregelung
- - eine Soll-Werkzeugtemperatur vorgegeben wird,
- - eine beobachtete Werkzeugtemperatur des Formwerkzeugs als rückgeführte Größe für die Temperierregelung verwendet wird und
- - auf Basis einer Abweichung der beobachteten Werkzeugtemperatur von der Soll-Werkzeugtemperatur zumindest ein Ansteuersignal an die zumindest eine Vorrichtung ausgegeben und/oder zumindest ein Soll-Wert für die zumindest eine Vorrichtung vorgegeben wird.
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Die Aufgabe wird hinsichtlich des Computerprogrammprodukts mit den Merkmalen des Anspruchs 8 gelöst, nämlich indem Instruktionen einen das Computerprogrammprodukt ausführenden Computer dazu veranlassen, für die Temperierregelung und/oder die Temperiersteuerung
- - eine Soll-Werkzeugtemperatur vorzugeben oder entgegenzunehmen,
- - eine beobachtete Werkzeugtemperatur des Formwerkzeugs als rückgeführte Größe für die Temperierregelung und/oder als Vergleichsgröße für die Temperiersteuerung entgegenzunehmen oder zu berechnen und
- - auf Basis einer Abweichung der beobachteten Werkzeugtemperatur von der Soll-Werkzeugtemperatur zumindest ein Ansteuersignal an die zumindest eine Vorrichtung und/oder zumindest ein Soll-Wert für die zumindest eine Vorrichtung auszugeben.
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Schutz wird ebenfalls für einen computerlesbaren Speicher, vorzugsweise nicht-flüchtig, begehrt, auf dem ein erfindungsgemäßes Computerprogrammprodukt gespeichert ist.
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Hinsichtlich des Systems wird die Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 10 gelöst, nämlich indem die Steuer- und/oder Regeleinheit dazu ausgebildet ist
- - eine Soll-Werkzeugtemperatur vorzugeben oder entgegenzunehmen,
- - eine beobachtete Werkzeugtemperatur des Formwerkzeugs als rückgeführte Größe und/oder als Vergleichsgröße für die Temperiersteuerung zu verwenden und
- - auf Basis einer Abweichung der beobachteten Werkzeugtemperatur von der Soll-Werkzeugtemperatur zumindest ein Ansteuersignal an die zumindest eine Vorrichtung und/oder zumindest ein Soll-Wert für die zumindest eine Vorrichtung auszugeben.
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Schutz wird außerdem für eine Formgebungsanlage mit einem erfindungsgemäßen System und einer Formgebungsmaschine zum Betreiben des Formwerkzeugs begehrt.
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Erfindungsgemäß ist die beobachtete Werkzeugtemperatur im regelungstechnischen Sinn zu verstehen. Das heißt, ausgehend von Messwerten, wie beispielsweise Temperaturen des Formwerkzeugs oder des Temperiermediums, wird durch eine Modellbildung auf die tatsächliche Temperatur - vorzugsweise an einer Kavitätenwand - rückgeschlossen. Die Modellbildung kann dabei beispielsweise darin bestehen, dass Schwankungen in der Temperatur auf Basis einer bekannten Zykluszeit oder Wärmeübertragung zwischen dem Temperiermedium und dem Formwerkzeug bei der Datenauswertung berücksichtigt werden. Gemäß der Erfindung kann es sich daher bei der beobachteten Werkzeugtemperatur um die Messwerte eines im Formwerkzeug verbauten Temperatursensors (oder mehrere derselben) handeln, wobei die Messwerte entweder gefiltert werden oder anderen signalverarbeitenden Schritten unterzogen werden. Es kann im Rahmen der Erfindung aber auch vorgesehen sein, dass kein Temperatursensor im Formwerkzeug vorhanden ist. Die beobachtete Werkzeugtemperatur kann sich dann aus anderen Messwerten, wie beispielsweise Temperaturen des Temperiermediums ergeben. Das Modell kann in diesem Fall beispielsweise durch die Berücksichtigung von unterschiedlichen Sensoren, wie beispielsweise ein Temperatursensor im Vorlauf und einer im Rücklauf des Mediums, eine beobachtete Werkzeug- und Temperiertemperatur berechnen. Auf diese Weise kann ein „virtueller“ Temperatursensor realisiert werden.
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Die beobachtete Werkzeugtemperatur soll im Sinne der Erfindung eine tatsächliche Temperatur des Formwerkzeugs, beispielsweise in der Nähe eines Formnests oder an einer Kavitätenwand abbilden.
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Das Verwenden einer absoluten Werkzeugtemperatur sowohl als Soll-Größe als auch als rückgeführte Größe oder Vergleichsgröße ist vorteilhaft, weil diese einerseits für die Qualität des hergestellten Formteils aussagekräftig ist und andererseits die Wärmebilanz im Formwerkzeug - und damit die für die Temperierung aufgewendeten Energien - widerspiegelt. Die Temperierregelung und/oder Temperiersteuerung nach der beobachteten Werkzeugtemperatur ist daher besonders effektiv hinsichtlich der Energieoptimierung und hinsichtlich der einzuhaltenden Formteilqualität.
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Je nach Realisierung der Erfindung kann es sich bei der beobachteten Werkzeugtemperatur um eine Temperatur handeln, die an einer inneren Oberfläche des Formwerkzeugs vorliegt, beispielsweise an einer Kavitäten- oder Formnestoberfläche bei einem Spritzgießwerkzeug.
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Die Temperierregelung wird als solche bezeichnet, weil die erfindungsgemäße beobachtete Werkzeugtemperatur als rückgeführte Größe für diese Regelung vorgesehen ist. Das heißt aber nicht, dass es nicht unterlagerte oder überlagerte Steuerungen oder Regelungen geben kann.
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Ein Beispiel für eine unterlagerte Steuerung oder Regelung wäre beispielsweise eine Steuerung oder Regelung eines Pumpenmotors, einer Öffnungsstellung eines Drosselventils oder einer Heiz- oder Kühlvorrichtung für das Temperiermedium. Eine überlagerte Steuerung oder Regelung könnte die Soll-Werkzeugtemperatur variieren (oder konstant halten).
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Bei den Vorrichtungen, welche einen thermodynamischen und/oder fließtechnischen Parameter des Temperiermediums beeinflussen kann es sich beispielsweise um eine Pumpe, Drosseln zum Einstellen eines Volumenstroms und/oder Heiz- und/oder Kühlelemente handeln, welche die Temperatur des Temperiermediums beeinflussen.
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Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Parameter wie Druck und Temperatur des Temperiermediums als thermodynamische Parameter aufgefasst werden und dass Parameter wie Volumenstrom oder Massenstrom als fließtechnische Parameter aufgefasst werden.
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Auf signalverarbeitende Schritte und Modelle, die im Zusammenhang mit der Erfindung - insbesondere für die beobachtete Werkzeugtemperatur - verwendet werden können, wird etwas weiter unten eingegangen.
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Wie erwähnt, können Ausführungsformen der Erfindung bevorzugt sein, wobei die Vorrichtungen, welche die thermodynamischen und/oder fließtechnischen Parameter des Temperiermediums beeinflussen, selbst unterlagert gesteuert und/oder geregelt werden. In diesen Ausführungsformen gibt die Temperierregelung und/oder die Temperiersteuerung auf Basis des Vergleichs zwischen der Soll-Werkzeugtemperatur und der beobachteten Werkzeugtemperatur Soll-Werte für die unterlagerten Regelungen und/oder Steuerungen der Vorrichtungen aus.
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Bei solchen Soll-Werten kann es sich um Soll-Pumpenparameter, wie beispielsweise einen Soll-Förderstrom, um eine Soll-Vorlauftemperatur des dem Formwerkzeug zugeführten Temperiermediums und/oder um eine Soll-Drosselstellung handeln.
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Im Rahmen der Erfindung wird die Temperierregelung als Regelung verstanden, wenn die beobachtete Werkzeugtemperatur während des Betriebs des Formwerkzeugs zumindest einmal pro Zyklus (oder zumindest einmal über eine relativ geringe Anzahl von Zyklen) bei in Zyklen betriebenen Formwerkzeugen, wie beispielweise Spritzgießwerkzeugen, und/oder mit vorherbestimmter Frequenz und/oder mit vorherbestimmter Intervalldauer während des Betriebs bei kontinuierlich betriebenen Formwerkzeugen bestimmt und rückgeführt wird.
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Ein weiterer Vorteil der Erfindung besteht darin, dass dafür nicht notwendigerweise ein physischer Temperatursensor im Formwerkzeug verbaut werden muss, trotzdem aber vorteilhafter Weise eingesetzt werden kann, wenn er vorhanden ist.
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Unter Formwerkzeugen können im Rahmen der Erfindung Spritzgießwerkzeuge, Spritzpresswerkzeuge, Presswerkzeuge und dergleichen verstanden werden. Dementsprechend kann es sich bei Formgebungsmaschinen zum Betreiben dieser Formwerkzeuge um Spritzgießmaschinen, Spritzpressen, Pressen und dergleichen handeln.
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Die Regeleinrichtung zum Durchführen der Temperierregelung kann durch eine zentrale Maschinen- oder Anlagensteuerung der Formgebungsmaschine oder Formgebungsanlage und/oder eine dezentrale Regeleinrichtung, beispielsweise an einem Temperiermedienverteiler und/oder einem Temperiergerät, gegeben sein. In alternativen Ausführungsformen kann die Regeleinrichtung durch einen fern von der Formgebungsmaschine oder Formgebungsanlage angeordneten Computerserver realisiert sein, wobei die Architektur des Computerservers durch die Erfindung an sich nicht eingeschränkt ist. Das heißt der Computerserver kann durch in einem Rechenzentrum zentral angeordnete Hardware oder durch verteiltes Rechnen realisiert werden.
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Diese Regeleinrichtung kann jener Computer sein, der das erfindungsgemäße Computerprogrammprodukt ausführt.
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Es können im Rahmen der Erfindung bevorzugt mehr als ein Temperierzweig im Formwerkzeug mit Temperiermedium beschickt werden, wobei die Temperierzweige parallel und/oder seriell geschaltet sein können. Im Rahmen der Erfindung kann es vorgesehen sein, dass ein Temperierzweig oder mehrere Temperierzweige ausgewählt werden und dann nur jene Vorrichtungen gemäß der Erfindung geregelt werden, welche die thermodynamischen und/oder fließtechnischen Parameter des Temperiermediums im ausgewählten Temperierzweig oder den ausgewählten Temperierzweig beeinflussen. Natürlich können dafür bevorzugt „kritische“ Temperierzweige ausgewählt werden, die auf den Wärmehaushalt des Formwerkzeugs einen besonders großen Einfluss haben. Ein Verfahren zum derartigen Auswählen von Temperierzweigen ist in der unveröffentlichten österreichischen Patentanmeldung A 50799/2021 offenbart.
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Unter Temperieren kann Kühlen oder Heizen verstanden werden. Erwähnenswert ist, dass in gewissen Ausführungsformen sowohl Heizen als auch Kühlen in einem Formgebungszyklus vorgesehen sein kann.
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Als Temperiermedium kann beispielsweise Wasser oder Öl zum Einsatz kommen, wobei optional auch Zusätze vorhanden sein können.
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Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen definiert.
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Es kann vorgesehen sein, dass eine in einem Material des Formwerkzeugs gemessene Werkzeugmaterialtemperatur für die beobachtete Werkzeugtemperatur herangezogen wird, wobei vorzugsweise
- - die Werkzeugmaterialtemperatur so gefiltert wird, dass durch einen Betrieb des Formwerkzeugs verursachte Schwankungen der Werkzeugmaterialtemperatur in einer gefilterten Werkzeugmaterialtemperatur ausgeglichen bzw. reduziert werden, und/oder
- - eine Übertragungsfunktion bereitgestellt wird, welche die Übertragung der Wärme von einer Formgebungskavität des Formwerkzeugs auf einen die Werkzeugmaterialtemperatur erfassenden Temperatursensor beschreibt, die Übertragungsfunktion invertiert und in invertierter Form auf die Werkzeugmaterialtemperatur angewendet wird und/oder
- - die Übertragungsfunktion in invertierter Form bereitgestellt und auf die Werkzeugmaterialtemperatur angewendet wird, und die gefilterte Werkzeugmaterialtemperatur und/oder die durch die invertierte Übertragungsfunktion veränderte Werkzeugmaterialtemperatur als beobachtete Werkzeugtemperatur verwendet wird.
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Ein Beispiel für eine Übertragungsfunktion, die hierfür verwendet werden kann, wäre:
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Dabei bezeichnet G(s) die Übertragungsfunktion, dargestellt im Frequenzbereich, mit dem Laplace Operator s, wobei ω0 die Eigenkreisfrequenz ist, D der Dämpfungsfaktor und K der Verstärkungsfaktor (in diesem Fall in einer kontinuierlichen Darstellung). Die Bestimmung der Werte K, D und ω0 können derart gewählt werden, sodass aus den Messwerten des Temperatursensors eine möglichst passende beobachtete Werkzeugtemperatur ermittelt wird (siehe unterhalb). In dem Beispiel oberhalb besitzen die Parameter folgende Bedeutung:
- • K ... steht für den stationären Verstärkungsfaktor
- • D ... steht für die Stärke der Dämpfung, größer Null
- • ω0 ... steht für die Grenzfrequenz, ab deren Wert die Dämpfung deutlich stärker wird
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Wenn also ein Temperatursensor im Formwerkzeug, d.h. im Material des Formwerkzeugs vorhanden ist, kann auf diese Art und Weise einfach eine beobachtete Werkzeugtemperatur bestimmt werden, welche für die erfindungsgemäße Temperierregelung und/oder Temperiersteuerung herangezogen werden kann.
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Es ist dabei zu erwähnen, dass die Messwerte eines solchen Temperatursensors als zeitliche Abfolge von Messwerten über einen Zyklus hinweg (oder kontinuierlich) vorliegen (bestimmt durch die Abtastrate des Temperatursensors). Durch das Herausfiltern der Schwingungen kann sich aber ein einzelner oder ein nur gering schwankender Wert für die „mittlere Werkzeugtemperatur“ ergeben. Dies ist ermöglicht eine stabilere und genauere Regelung.
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Die Kenntnis der Zykluszeit und/oder des Einspritzzeitpunkts sowie anderer Prozesskennwerte (Messdaten, Totzeiten, Verzögerungszeiten, usw.) (auf Maschinensteuerung vorhanden) können zum Filtern herangezogen werden.
Eine Möglichkeit dafür ist die möglichst passende Wahl der Filterkoeffizienten K, D und ω0. Eine Möglichkeit für die Wahl wäre:
- • Verstärkungsfaktor K = 1
- • Dämpfungsfaktor D = 1
- • Die Grenzfrequenz wobei T für die Zykluszeit steht.
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Weitere Ausführungsbeispiele für Filter, welche in Verbindung mit der Erfindung eingesetzt werden können, sind unten in Verbindung mit 4 bis 6 beschrieben.
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Erfindungsgemäß wird eine erste Temperiermedientemperatur des Temperiermediums kann stromaufwärts des Formwerkzeugs und/oder eine zweite Temperiermedientemperatur des Temperiermediums stromabwärts des Formwerkzeugs gemessen, und die beobachtete Werkzeugtemperatur (im Bereich des Temperierzweiges relevant) auf Basis der ersten Temperiermedientemperatur und/oder der zweiten Temperiermedientemperatur - bevorzugt in Form eines Mittelwerts - näherungsweise berechnet.
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Liegt kein Temperatursensor im Formwerkzeug vor, kann auf diese Art und Weise eine genäherte beobachtete Werkzeugtemperatur bestimmt werden. Nach Untersuchungen der Erfinder hat bereits eine auf derart einfache Weise genäherte Werkzeugtemperatur einen positiven Effekt auf die Temperierregelung und/oder Temperiersteuerung, z.B. gegenüber einer einfachen Regelung auf die Vorlauftemperatur oder der Regelung einer Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf.
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Ein Temperiermedienverteiler kann zum Aufteilen des Temperiermediums in die parallel und/oder seriell geschalteten Temperierzweige und/oder zum Sammeln des Temperiermediums aus den parallel und/oder seriell geschalteten Temperierzweigen verwendet werden.
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Bei Ausführungsformen, wobei Temperiermedienverteiler zum Verteilen des Temperiermediums in verschiedene Temperierzweige des Formwerkzeugs sowie optional ein Temperiergerät zum Einstellen einer Temperatur des Temperiermediums und eine Pumpe zum Einsatz kommen, kann die erste Temperiermedientemperatur am Temperiermedienverteiler (im Zulauf) und die zweite Temperiermedientemperatur ebenfalls am Temperiermedienverteiler (im Rücklauf) gemessen werden. Alternativ könnten die erste Temperiermedientemperatur und/oder die zweite Temperiermedientemperatur beispielsweise am Temperiergerät gemessen werden.
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Es ist auch hier zu erwähnen, dass die erste Temperiermedientemperatur und/oder die zweite Temperiermedientemperatur als zeitliche Abfolgen von Temperaturmesswerten vorliegen können, die gemittelt werden können. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise um das arithmetische Mittel handeln. Auch andere statistische Größen (Median usw.), die für die Gesamtheit der Messwerte charakteristisch sind, können natürlich verwendet werden.
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Als Teil der Temperierregelung der zumindest einen Vorrichtung kann zumindest eines der folgenden geregelt und/oder gesteuert werden:
- - zumindest eine Pumpe zum Fördern des Temperiermediums durch den zumindest einen Temperierzweig,
- - zumindest eine Kühlvorrichtung zum Kühlen des Temperiermediums,
- - zumindest eine Heizvorrichtung zum Heizen des Temperiermediums,
- - zumindest eine ansteuerbare Drossel zum Beeinflussen eines Volumenstroms des Temperiermediums.
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Bevorzugt können zumindest ein thermodynamischer Parameter (bspw. Temperatur) und ein fließtechnischer Parameter (bspw. Volumenstrom oder Pumpendrehzahl) geregelt oder gesteuert werden.
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Die Kühlvorrichtung und/oder die Heizvorrichtung können Teil eines Temperiergeräts sein, das separat von einer Formgebungsmaschine Teil einer erfindungsgemäßen Formgebungsanlage ist. Auch die zumindest eine Pumpe kann im Temperiergerät integriert sein.
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Das Temperiergerät kann auch Teil der Formgebungsmaschine sein.
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Die Temperaturregelung kann von einer Steuerung oder Regelung der Pumpe getrennt sein.
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Wie bereits erwähnt, können durch die Temperierregelung für diese Vorrichtungen direkt Ansteuersignale ausgegeben werden oder es können für eine unterlagerte Steuerung oder Regelung Soll-Werte vorgegeben werden, zum Beispiel zumindest ein Soll-Pumpenparameter und/oder zumindest eine Soll-Vorlauftemperatur und/oder zumindest eine Soll-Drosselstellung.
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In besonders bevorzugten Ausführungsformen der Erfindung können sämtliche ansteuerbaren Vorrichtungen, die an einer Formgebungsanlage zum Betreiben des Formwerkzeugs vorhanden sind und die zum Beeinflussen der thermodynamischen und/oder fließtechnischen Parameters des Temperiermediums eingerichtet sind, als Teil der Temperierregelung geregelt und/oder gesteuert werden.
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Weitere Vorteile der Erfindung und Einzelheiten von Ausführungsbeispielen ergeben sich aus den Figuren sowie der dazu gehörigen Figurenbeschreibung. Dabei zeigen:
- 1 ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Systems,
- 2 ein schematisches Diagramm zu Messwerten eines Temperatursensors in einem Formwerkzeug (Bildquelle: Covestro),
- 3 ein Schaubild zur Datenauswertung von Messwerten des Temperatursensors,
- 4 bis 6 Grafen zur Veranschaulichung von Ausführungsbeispielen von Filtern sowie
- 7 ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Formgebungsanlage.
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1 zeigt schematisch ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Systems zum Temperieren eines Formwerkzeugs 1.
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Durch das Formwerkzeug 1 führen mehrere Temperierzweige 2 (in diesem Fall rein als Beispiel vier Temperierzweige 2). Durch eine Pumpe 5 wird Temperiermedium, in diesem Ausführungsbeispiel Wasser, durch die Temperierzweige 2 gefördert.
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Zum Fördern des Temperiermediums ist eine Pumpe 5 vorgesehen. Diese fördert das Temperiermedium durch ein Temperiergerät 11. Das Temperiergerät 11 verfügt über eine Kühlvorrichtung 6 und eine Heizvorrichtung 7, sodass die Temperatur des Temperiermediums wie gewünscht eingestellt werden kann, insbesondere auf gesteuerte oder geregelte Art.
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Alternativ kann die Pumpe 5 in das Temperiergerät 11 integriert sein.
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Vom Temperiergerät 11 wird das Temperiermedium weiter zu einem Temperiermedienverteiler 12 geführt, welcher das Temperiermedium in die vier erwähnten Temperierzweige in Form einer Parallelschaltung aufteilt. Die Flussrichtung des Temperiermediums ist durch die Pfeile angegeben.
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Der Temperiermedienverteiler 12 beinhaltet Messgeräte 9, die jeweils individuell für jeden Temperierzweig 2 zulaufseitig und ablaufseitig vorhanden sind. In diesem Fall handelt es sich um Temperatur-Messgeräte 9. Alternativ oder zusätzlich können beispielsweise auch Druck- oder Volumenstrom-Messgeräte 9 vorhanden sein. Der Übersichtlichkeit halber wurde jeweils nur ein zulaufseitiges und ein ablaufseitiges Messgerät 9 im Temperiermedienverteiler 12 mit einem Bezugszeichen versehen. Der Druck (vorlaufseitig und/oder rücklaufseitig) und die Temperatur (vorlaufseitig) des Temperiermediums können alternativ auch zentral am Temperiermedienverteiler 12 erfasst werden.
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Der Temperiermedienverteiler 12 beinhaltet zusätzlich Drosseln 8, mit denen der Volumenstrom individuell in den Temperierzweigen 2 beeinflusst werden kann.
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Die Pumpe 5, die Kühlvorrichtung 6, die Heizvorrichtung 7, die Drosseln 8 sowie die Messgeräte 9 sind jeweils signaltechnisch mit der Regeleinrichtung 13 verbunden, die eine erfindungsgemäße Temperierregelung und/oder Temperiersteuerung implementiert. Ausführungsbeispiele der erfindungsgemäßen Temperierregelung oder Temperiersteuerung werden in der Folge beschrieben.
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Wie erwähnt, kann die Regeleinrichtung 13 beispielsweise durch die zentrale Maschinensteuerung der Formgebungsmaschine 10 realisiert sein. Alternativ kann die Regeleinrichtung 13 Teil des Temperiermedienverteilers 12 oder des Temperiergeräts 11 sein. Ebenso sind Mischformen denkbar, wobei ein Teil der Funktionen der Regeleinrichtung 13 von verschiedenen der genannten Alternativen oder überhaupt ausgelagerten Computersystemen übernommen werden.
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Es ist zu bemerken, dass Messgeräte 9, wie beispielsweise Temperatur-Messgeräte 9 und/oder Druckmessgeräte, alternativ oder zusätzlich auch im Temperiergerät 11 vorgesehen sein können.
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Optional kann im Formwerkzeug 1 ein Temperatursensor 4 vorgesehen sein, der - falls vorhanden - ebenfalls mit der Steuer- und/oder Regeleinrichtung 13 signaltechnisch verbunden ist.
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Der Temperatursensor 4 kann bevorzugt in gewisser Nähe zu einer Formgebungskavität 3 des Formwerkzeugs 1 im Material (d.h. in direktem Kontakt zum Material) desselben angeordnet sein. Die Messwerte des Temperatursensors 4 sind dann als Werkzeugmaterialtemperaturen aufzufassen, die als Basis für eine Bestimmung der beobachteten Werkzeugtemperatur dienen können. Für Details zum Bestimmen der beobachteten Werkzeugtemperatur auf Basis der Werkzeugmaterialtemperatur wird auf die Ausführungsbeispiele unten verwiesen.
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Es ist noch zu erwähnen, dass Leitungen 14 zum Einsatz kommen, um das Temperiermedium von der Pumpe 5 zum Temperiergerät 11, weiter zum Temperiermedienverteiler 12, weiter zum Formwerkzeug 1 und wieder zurück zu befördern. Diese Leitungen 14 können beispielsweise in Form von Schläuchen realisiert sein.
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Es folgen mehrere Ausführungsbeispiel für die Berechnung und Verwendung der beobachteten Werkzeugtemperatur.
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Die beobachtete Werkzeugtemperatur im Sinne der Erfindung kann beispielsweise unter Verwendung der Messwerte eines Temperatursensors 4 im Formwerkzeug 1 bestimmt werden. In anderen Ausführungsformen kann die beobachtete Werkzeugtemperatur ohne die Messwerte eines Temperatursensors 4 im Formwerkzeug 1 bestimmt werden.
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Zunächst wird ein relativ einfaches Ausführungsbeispiel beschrieben, wobei nicht auf Messwerte eines Temperatursensors 4 im Formwerkzeug 1 zurückgegriffen wird. Folgende Gleichung (1) drückt den Sachverhalt aus, dass sich eine gemessen Temperaturdifferenz zwischen dem Temperiermedium am Temperiergerät 11 zwischen Vorlauf und Rücklauf (ΔT
TG) aus der Temperaturdifferenz im Schlauch des Vorlaufs (ΔT
schlauch_TG_VL) zum Temperiermedienverteiler 12, der Temperaturdifferenz im Temperiermedienverteiler 12 (ΔT
verteiler) und der Temperaturdifferenz im Schlauch des Rücklaufs (ΔT
schlauch_TG_RL ) vom Temperiermedienverteiler 12 zusammensetzt.
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Folgende Gleichung (2) drückt den Sachverhalt aus, dass sich die gemessene Temperaturdifferenz am Temperiermedienverteiler 12 (ΔT
Verteiler) aus der Temperaturdifferenz im Schlauch des Vorlaufs (ΔT
schlauch-WZ-VL) zum Formwerkzeug 1, der Temperaturdifferenz im Temperierzweig des Formwerkzeug 1 (ΔT
WZ) und der Temperaturdifferenz im Schlauch des Rücklaufs (ΔT
schlauch_WZ_RL) vom Formwerkzeug 1 zusammensetzt.
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Bereits aus solchen einfachen Überlegungen ergibt sich eine erste Schätzung der Werkzeugtemperatur, die als beobachtete Werkzeugtemperatur im Sinne der Erfindung herangezogen werden kann. Die Temperatur des Formwerkzeugs 1 kann nämlich ganz einfach als Mittelwert der am Temperiermedienverteiler 12 gemessenen Temperaturen des Temperiermediums im Vorlauf (T
WZ-VL) und im Rücklauf abgeschätzt werden (Gleichung (3)). Unter Verwendung der Temperaturdifferenz (ΔT
Verteiler = T
WZ_RL - T
WZ_VL) am Temperiermedienverteiler 12 lautet diese Beziehung:
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Der Faktor 1/2 ergibt sich aus der Mittelung über den Temperierzweig 2.
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Dies ist zwar eine gewisse Näherung, weil die Annahme dahintersteht, dass die Temperaturdifferenz keine Auswirkung auf die thermische Abstrahlung hat. In Versuchen hat sich die Näherung aber als recht genau erwiesen.
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Es ist zu bemerken, dass die Gleichungen (1) bis (3) jeweils für einen einzelnen Temperierzweig 2 oder über die Temperierzweige gemittelt notiert werden können.
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Untersuchungen der Anmelderin haben ergeben, dass eine Temperierregelung mit dem in Gleichung (3) bestimmten Wert als rückgeführte Größe bereits eine signifikante Verbesserung im Vergleich zu einer bekannten Regelung nach der Temperaturdifferenz ergibt. Dies dürfte darauf beruhen, dass es sich beim mittels Gleichung (3) bestimmten Wert um einen absoluten Temperaturwert handelt.
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Nachfolgend werden weitere Ausführungsbeispiele beschrieben, welche eine weitere Verbesserung durch verbesserte Modellbildung erlauben.
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Als nächstes sei ein Ausführungsbeispiel beschrieben, wobei für die beobachtete Werkzeugtemperatur Messwerte eines Temperatursensors 4 im Formwerkzeug 1 verwendet werden. Hierzu sei zunächst auf die 2 und 3 verwiesen.
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2 zeigt ein schematisches Schaubild, wobei die Positionierung eines Temperatursensors 4 in einem gewissen Abstand von einer Formgebungskavität 3 des Formwerkzeugs 1 erkennbar ist. Durch die Fertigung in Zyklen, wie dies beispielsweise bei einem Spritzgießzyklus der Fall ist, ergibt sich ein zyklenweise schwankendes Messsignal am Temperatursensor 4 aufgrund der in die Formgebungskavität 3 eingespritzten heißen Formmasse (beispielsweise ein plastifizierter Kunststoff) und des anschließenden Abkühlens derselben.
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Es ist deshalb klar, dass die Positionierung des Temperatursensors 4 in Relation zu einer Oberfläche der Formgebungskavität 3 wesentlichen Einfluss auf das Signal des Temperatursensors 4 hat, weil die Amplitude der Zyklusschwankung von dieser Positionierung abhängt. Kurzum: Je geringer der Abstand 15 des Temperatursensors 4 von der Oberfläche der Formgebungskavität 3 ist, desto größere Schwankungsamplituden ergeben sich.
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Die Signale des Temperatursensors 4 können daher für eine adäquate Temperierregelung oder Temperiersteuerung nicht direkt oder nur mit einer sehr geringen Regeldynamik verwendet werden. Es kann zu Problemen mit einer zu häufigen Taktung der Heizung bzw. Kühlung kommen.
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Natürlich kann ein weiter entfernter Temperatursensor 4 dieses Problem auch nicht lösen, weil die zyklusweisen Schwankungen erstens auch bei größeren Abständen nicht ganz abklingen und die Signale des Temperatursensors 4 an Aussagekraft verlieren, wenn die Abstände zur Formgebungskavität 3 zu groß werden.
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Im Rahmen der Erfindung ist es deshalb eine Möglichkeit die beobachtete Werkzeugtemperatur beispielsweise durch geschicktes Filtern der Signale des Temperatursensors 4 zu bestimmen. Dieses Grundkonzept ist in 3 bildlich dargestellt.
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Durch die Verwendung von Maschinensignalen (Wissen der Zykluszeit/Zyklusfrequenz und/oder der Einspritzzeit) kann ein passender Filter (z.B. Notch / Tiefpass / Periodische Schwingungskompensation / non-linear Filterung) designt werden, sodass die Temperaturschwankungen durch das System ausgeglichen werden können. Das Erstellen entsprechender Filter an sich ist prinzipiell Stand der Technik.
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Für grundsätzliche Informationen zu Filtern sei auf die folgende Literatur verwiesen:
- • Ulrich Tietze, Christoph Schenk: Halbleiter-Schaltungstechnik. 12. Auflage. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-42849-6. (Standard - Werk für die Filtersysteme)
- • Ulrich Tietze, Christoph Schenk: Halbleiter-Schaltungstechnik. 12. Auflage. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-42849-6.
- • Oppenheim, A.V. and Buck, J.R. and Schafer, R.W: Zeitdiskrete Signalverarbeitung, Pearson Studium, 2004
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Zusätzlich kann durch dieses Wissen und der Messignale des Temperatursensors 4 mit den Temperaturschwankungen eine „Übertragungsfunktion“ zwischen Schmelze/Bauteil und Sensor erstellt werden
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Als Eingangsgrößen können für die Übertragungsfunktion beispielsweise das Material der Formmasse inklusive dessen physikalischer Kennwerte (Dichte, Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität, ...), die Temperatur der Formmasse, der zeitliche Verlauf des Einspritzvorgangs, z.B. der Schneckenbewegung, der Einspritzdruck, die Einspritzgeschwindigkeit, die Nachdruckhöhe, eine Zykluszeit und/oder die Nachdruckzeit herangezogen werden.
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Außerdem können zusätzlich zu den Messignalen der Maschine auch Werkzeugdaten in die Berechnung der Übertragungsfunktion einfließen. Beispiele wären das Material des Werkzeugs mit dessen Kennwerten, der Abstand der Temperierzweige zur Kavität/zum Sensor/untereinander, die Querschnitte und Längen der Temperierzweige, Wärmeübergangskoeffizienten, etc.
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Des Weiteren können auch Daten für das Temperiermedium (Dichte, Viskosität, ...) und der Umgebung (Umgebungstemperatur, ...) in die Übertragungsfunktion mit einfließen.
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Eine Alternative in der Wahl des Filters oder der Übertragungsfunktion ist ein Notch Filter. 4 zeigt das tatsächliche Signal der Temperatur des Temperatursensors 4, d.h. die Werkzeugmaterialtemperatur. Auf Grund der zyklischen Einbringung der Formmasse steigt die Temperatur I ein Mal pro Zyklus fast schlagartig an und fällt danach linear oder quadratisch ab.
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Für die Regelung der Temperatur des Werkzeugs ist jedoch die zyklische Schwankung der Temperatur nicht relevant, sondern vielmehr der Mittelwert. Die Frequenz f_c dieser zyklischen Schwankung ist jedoch Prozessabhängig, da die Frequenz zumeist indirekt proportional der Zykluszeit T_c ist. Zudem hängt die Höhe der Schwankung / der Oszillation der Temperatur von der Nähe des Sensors von der tatsächlichen Kunststoffschmelze ab.
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Es gilt nun die Herausforderung aus der gemessenen Temperatur mit Hilfe eines Filters / Übertragungsfunktion / Beobachters in eine passendere beobachtete Frequenz zu transformieren.
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Die vereinfachte Übertragungsfunktion eines Notchfilters wie folgt definiert, wobei s wiederum der Laplace Operator ist
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Die restlichen Variablen sind:
- • ωn = 2 πfn Kreisfrequenz des Notchfilters
- • σ = Bandbreite des Notchfilters
- • K = Verstärkungsfaktor des Notchfilters
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Eine mögliche Parametrierung für diesen konkreten Anwendungsfall wäre ωn = 2 n/Tc, σ = 3 und K = 1. Somit würde die beobachtete Temperatur II in 5 deutlich geglättet werden. Wesentlich kann dabei sein, dass die Filterfrequenzen auf die Zykluszeit angepasst werden, da ansonsten durch eine starke Tiefpassfilterung zu viel Information verloren gehen würde.
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Mit den Verzögerungszeiten des Temperaturanstiegs am Temperatursensor 4 oder im Temperiermedium kann ein Modell der Wärmeübertragung (Übertragungsfunktion) vom Bauteil/Schmelze auf Sensor bzw. Bauteil/Schmelze auf Medium berechnet werden. Mit diesem Modell kann der Regler optimiert werden und entsprechend genauer, schneller oder robuster ausgelegt werden.
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Durch den Abstand zwischen dem Temperatursensor 4 und der Schmelze stimmt die gemessene Temperatur (Werkzeugmaterialtemperatur) mit der eventuell gewünschten beobachteten Werkzeugtemperatur, möglicherweise der Formnesttemperatur, nicht vollständig überein, da durch die Wärmeleitung des Formwerkzeugs 1 Wärme zwischen Sensor und Schmelze „verloren geht“. Eine weitere Optimierungsmöglichkeit des Beobachters kann neben der Frequenz (siehe Ausführungsbeispiel des Notchfilters und PT2 Gliedes, d.h. die Formel für G(s) auf Seite 8) beispielsweise auch die Anpassung des Verstärkungsfaktors K sein. Der Verstärkungsfaktor K kann als invertiertes Modell für den Wärmefluss zwischen Formnest und Sensor verwendet werden.
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In der beispielsweisen Annahme eines linearen abfallenden Temperaturprofils zwischen Formnest und Sensor kann der Verstärkungsfaktor mit K = 1.2 (siehe unten) gewählt werden, um die Wärmeverluste zwischen Sensor und Schmelze zur berücksichtigen, siehe die Kurve III in 6, die ebenfalls ein Beispiel für die beobachtete Werkzeugtemperatur ist. Damit wird das Temperaturverhalten zwischen Formest und Sensor invertiert.
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Das Modell und die Bestimmung der Werte K, ω und σ kann natürlich deutlich komplexer mit weiteren Modellen von Werkzeug- oder Sensor- Informationen erfolgen. Zudem sind die dargestellten Übertragungsfunktion als Beispiele zu verstehen da es beinahe unendlich viele Möglichkeiten gibt, diese Problemstellung zu lösen.
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Die vorbeschriebenen Beispiele für die Ermittlung der beobachteten Werkzeugtemperatur können auf verschiedene Arten und Weisen für die Regelung der Temperierung des Formwerkzeugs 1 verwendet werden, wofür im Folgenden ein Beispiel angegeben wird.
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Zunächst ist dazu zu erwähnen, dass die Filterung oder die Invertierung der Messstrecke sinnvollerweise jeweils von dem konkreten regelungstechnischen Ziel abhängig zu machen ist. Einerseits kann die Formnesttemperatur (welche nicht gemessen werden kann) geregelt werden, in einem anderen beispielhaften Fall sollte die durchschnittliche Temperiermedientemperatur geregelt werden.
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In diesem konkreten Ausführungsbeispiel ist das Ziel die Formnesttemperatur zu regeln, obwohl die konkrete Messung dafür nicht vorhanden ist. Somit ist eine Übertragungsfunktion mit folgenden Eigenschaften notwendig:
- • Reduktion der zyklusbasierten Schwankungen, um die Regelung auf einen stationären Wert durchführen zu können
- • Berücksichtigung der Temperaturdifferenz zwischen dem Formnest und des Sensors.
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Mit der Annahme einer linearen Temperaturabnahme zwischen dem Formnest (Formgebungskavität 3) bei und der Oberfläche des Kühlkanals 2 ergibt sich eine geschätzte Temperatur des Formnests von
- Wobei
- • dsensor der Abstand 15 ist
- • dwasser der Abstand 16 ist
- • Twasser die Oberflächentemperatur des Kühlkanals 2 ist.
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Dies folgt aus der linearen, eindimensionalen Wärmeleitgleichung
Wobei d für den Abstand, A für die Fläche und A für die Wärmeleitfähigkeit steht.
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Mit der oben genannten vereinfachten Gleichung kann mit den Werkzeugdaten die abgeschätzte Formtemperatur ermittelt werden (Übertragungsfunktion).
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Die Daten für die Übertragungsfunktion können auch aus Simulation des Spritzgießprozesses oder CAD Modell des Werkzeugs kommen!
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Das Modell der Wärmeübertragung kann natürlich - bei nicht ausreichender Qualität - beliebig durch ein mehrdimensionales oder physikalisch erweitertes Modell erweitert werden. Dafür dient gegebenenfalls die Kenntnis der Geometrie des Formwerkzeugs 1. Zusätzlich kann eine dynamische Wärmeübertragungsfunktion zwischen Medium und Werkzeugoberfläche berechnet werden. Dazu ist hauptsächlich die Kenntnis des geometrischen Abstands und der Wärmeeigenschaften des Materials notwendig.
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Die mittels der Übertragungsfunktion zu modellierende Messgröße ist selbstverständlich die vom Temperatursensor gemessene Temperatur.
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Die entweder mit oder ohne Verwendung von Signalen eines Temperatursensors 4 bestimmte beobachtete Werkzeugtemperatur kann gemäß der Erfindung also dazu verwendet werden, geschickt die absolute Werkzeugtemperatur zu bestimmen. Sie könnte also auch als „intelligente Werkzeugtemperatur“ bezeichnet werden.
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Sobald die beobachtete Werkzeugtemperatur und damit die rückgeführte Größe für den Temperaturregelkreis vorliegt, beispielsweise bestimmt nach einem der obigen Ausführungsbeispiele, können die Pumpe 5, die Heizvorrichtung 6, die Kühlvorrichtung 7 und/oder die Drosseln 8 unterlagert geregelt werden.
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Neben dem Sollwert einer „intelligenten Temperatur“ kann der Bediener der Spritzgießmaschine auch weitere Nebenbedingungen definieren:
- • Gewünschter Durchfluss (und/oder Volumenstrom) eines Temperierzweigs 2
- • Minimaler Durchfluss (und/oder Volumenstrom) eines Temperierzweigs 2
- • Gewünschte Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf am Temperiermedienverteiler 12
- • Maximale Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf am Temperiermedienverteiler 12
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Für ein weiteres Ausführungsbeispiel wird folgendes Szenario gewählt:
- • Gewünschte Temperaturdifferenz ΔTsoll für jeden einzelnen Temperierzweig 2 zwischen Vor- und Rücklauf am Temperiermedienverteiler 12
- • Eine gewünschte Solltemperatur der beobachteten Werkzeugtemperatur Tintel,soll gemessen an einem Temperierzweig 2
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Hierfür können zwei Regelungen verwendet werden, die sich zwar gegenseitig beeinflussen, jedoch physikalisch entkoppelt sind:
- • Eine Delta - T Regelung (also auf eine gewünschte Soll-Temperaturdifferenz zwischen Rück- und Zulauf) erfolgt wie im Stand der Technik. Beispielsweise mit Hilfe von Servoventilen an jedem einzelnen Temperierzweig 2 des Temperiermedienverteilers 12 wird der Durchfluss an jeden einzelnen Temperierzweig 12 in solch einer Art und Weise beeinfluss, dass sich das gewünschte DeltaT für jeden entsprechenden Temperierzweig 2 einstellt.
- • Die Regelung der absoluten Temperatur erfolgt mit Hilfe des Temperiergeräts 11. Dafür kann beispielsweise durch das Temperiergerät 11 eine Temperiermedientemperatur des Temperiermediums in solch einer Art und Weise gewählt oder eingestellt werden, dass die gewünschte Solltemperatur der beobachteten Werkzeugtemperatur entspricht.
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Die Regelung der beobachteten Werkzeugtemperatur kann mit den in der Literatur und in dem Stand der Technik bekannten Regelungsverfahren, wie etwa einem PID Regler gemäß Gleichung (4), dargestellt im Laplace - Bereich durchgeführt werden.
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Natürlich können dafür auch komplexere (modellbasierte, stochastische, iterative, nicht-lineare, ...) Regelungsverfahren angewendet werden.
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7 zeigt ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Formgebungsanlage. In diesem Ausführungsbeispiel wird das Formwerkzeug 1 mittels einer Formgebungsmaschine 10 betrieben, wobei es sich um ein Spritzgießwerkzeug beziehungsweise eine Spritzgießmaschine handelt.
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Schematisch ist eingezeichnet, wie ein Temperiergerät 11 und ein Temperiermedienverteiler 12 zur Beschickung des Formwerkzeugs 1 mit Temperiermedium vorgesehen sind, wie dies beispielsweise wie in Verbindung mit den 1 bis 6 beschrieben wurde.
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Bezugszeichenliste:
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- 1
- Formwerkzeug
- 2
- Temperierzweige
- 3
- Formgebungskavität
- 4
- Temperatursensor
- 5
- Pumpe
- 6
- Kühlvorrichtung
- 7
- Heizvorrichtung
- 8
- Drosseln
- 9
- Messgeräte
- 10
- Formgebungsmaschine
- 11
- Temperiergerät
- 12
- Temperiermedienverteiler
- 13
- Regeleinrichtung
- 14
- Leitungen
- 15
- Abstand zwischen Formnest & Temperatursensor
- 16
- Abstand zwischen Formnest & Kühlkanal
- I
- Werkzeugmaterialtemperatur
- II
- beobachtete Werkzeugtemperatur
- III
- beobachtete Werkzeugtemperatur
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 2762291 A1 [0003]
- EP 3173208 A1 [0003]
- EP 3309402 A1 [0003]
- US 5411686 A [0005]
- DE 102005019890 B3 [0005]