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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung der Spurweite eines Kraftfahrzeugs mittels Raddrehzahlsensoren und Satellitennavigation.
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Für automatisierte Parksysteme ist die genaue Abschätzung der aktuellen Fahrzeugposition und Fahrzeugorientierung ein entscheidender Faktor. Die geschätzte Fahrzeugposition wird beispielsweise benötigt, um das Fahrzeug auf einer geplanten Trajektorie in Richtung der finalen Parkposition zu bewegen. Die Fahrzeugposition wird ermittelt mit Hilfe der Impulse der Raddrehzahlsensoren, welche mit dem ABS-Bremssystem verbunden sind. Diese geben eine Information über den aktuellen Radrotationswinkel an. Bei bekanntem Radumfang kann daraus die longitudinale Bewegung des Fahrzeugs bestimmt werden. Eine Methode zur Bestimmung der Gierrate ist ein Vergleich zwischen den Radgeschwindigkeiten einer linken Seite und einer rechten Seite.
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Durch eine Integration der Gierrate kann die Orientierung des Kraftfahrzeugs bestimmt werden. Der entscheidende Faktor in dieser Beziehung ist die Spurweite TW. Diese ist bisher ein Parameter, welcher für ein bestimmtes Fahrzeug einmal festgelegt wird.
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Wenn die in einem entsprechenden Steuergerät gespeicherte Spurweite von der tatsächlichen Spurweite abweicht, entstehen große Rechenfehler bei der Bestimmung der Fahrzeugposition. Dies wird besonders offensichtlich nach der Durchführung eines Wendemanövers (U-Turn). Solche Abweichungen bei der Fahrzeugorientierung haben einen starken Einfluss auf die Bestimmung der Fahrzeugposition im weiteren Fahrtverlauf.
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Durch die Montage von Radfelgen mit einem anderen Offset kann sich die Spurweite eines Fahrzeugs stark verändern. Auch die Nutzung von Reifen mit einem unterschiedlichen Querschnitt kombiniert mit nicht ganz aufrecht stehenden Rädern (Radsturz) führt zu solchen Änderungen in der Spurweite. Auch wenn es nicht zulässig ist, dass sich die Spurweite stark ändert, kann die Genauigkeit der Odometrie stark beeinträchtigt werden, da bereits kleine Abweichung von plus minus 1 cm problematisch sind.
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Aus der
DE 10 2017 010 763 A1 ist ein Verfahren zur Schätzung von Parameter der Fahrzeugdynamik bekannt. Dabei werden in mehreren Schritten Schätzfilter eingesetzt, welche als erweiterte Kalman Filter ausgebildet sein können. Eines der Systemmodelle umfasst dabei die Spurbreite.
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Die
DE 10 2018 222 152 A1 offenbart ein Verfahren zur Ermittlung des Reifenumfangs, mittels Gierrate, Raddrehzahl, Lenkwinkel und Spurbreite, welche einem Kalman Filter eingangsseitig zur Verfügung gestellt werden.
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Das Verfahren der
DE 10 2019 134 996 A1 lernt die Spurbreite auf Anweisung neu aus Raddrehzahlsignalen und der Gierrate. Dabei werden dem Fahrer Anweisungen gegeben, wie das Fahrzeug zu steuern ist.
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Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein Verfahren anzugeben, mit dem die Spurweite im Betrieb des Fahrzeugs dauernd aktualisiert werden kann.
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Die Aufgabe wird gelöst durch die Verwendung eines Kalmanfilters mit einem Zustandsvektor und einem Messvektor, wobei der Zustandsvektor zurückgelegte Strecken eines linken Fahrzeugrades und eines rechten Fahrzeugrades, die Reifenumfänge des linken Fahrzeugrades und des rechten Fahrzeugrades sowie die Spurweite umfasst, und der Messvektor Messwerte von Raddrehzahlsensoren an dem linken Fahrzeugrad und dem rechten Fahrzeugrad, der Satellitennavigation und der Gierwinkelveränderung umfasst, wobei der Kalmanfilter in einem Updateschritt den Zustandsvektor mittels des Messvektors aktualisiert. Durch Verwendung des vorstehenden Kalmanfilters werden insbesondere Messgenauigkeiten vorteilhaft bei der Bestimmung der Spurweite mit beachtet. Der Kalmanfilter verwendet insbesondere ein konstantes Prädiktionsmodell.
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Erfindungsgemäß ist der Kalman Filter derart ausgebildet, dass dieser einen Zustandsvektor umfasst, welcher die zurückgelegten Strecken links und rechts, die Radumfänge links und rechts und die Spurweite TW beinhaltet:
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden, um den Zustand der Spurweite TW zu lernen und anzupassen, Messungen der Winkelverschiebungen der linken Δθ
RL und rechten Räder Δθ
RR verwendet, die jeweils von einem Raddrehzahlsensor gemessen werden. Zusätzlich wird der gemessene Fahrzeugversatz durch den GPS-Sensor ΔS
Gps und die Veränderungen im Gierwinkel Δψ beziehungsweise der Ausrichtung verwendet. Somit ergibt sich der Messvektor:
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Die Winkelveränderung und die Anzahl der Umdrehungen der Räder wird durch die Raddrehzahlsensoren bestimmt, welche jeweils einen Tick ausgeben, sobald ein vorbestimmter Winkel überschritten wurde. Die tatsächliche zurückgelegte Distanz des Fahrzeugs wird durch ein Satellitennavigationssystem wie beispielsweise GPS, Galileo, GLONASS oder ähnliche bestimmt. Anstelle von GPS kann entsprechend nachfolgend auch jeweils eines der anderen Systeme genutzt werden.
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Die tatsächliche zurückgelegte Distanz ΔS zwischen zwei Empfangenen GPS-Daten wird durch Berechnung des Unterschieds zwischen zwei aufeinanderfolgenden GPS-Positionen bestimmt. Geteilt durch die tatsächliche Anzahl Ticks in diesem Zeitraum im Verhältnis zu den gesamten Ticks pro Umdrehung ergibt den effektiven Radumfang.
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Die Winkelverschiebung des Rades ergibt sich aus:
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Wodurch man erhält:
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Δψ
GPS ist die Veränderung der Ausrichtung des Kraftfahrzeugs zwischen zwei GPS-Updates. Diese wird in einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung aus einer Information des GPS Signals generiert, welche die Ausrichtung des Fahrzeugs angibt. Die Ausrichtungswinkelveränderung wird berechnet, indem der Unterschied der aktuellen Ausrichtung von dem letzten Wert der Ausrichtung berechnet wird.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung umfasst der Messwert der Satellitennavigation Positionsdaten und/oder Längeninformationen. Es werden daher gerade keine Geschwindigkeitsdaten verwendet. Dies verbessert die Genauigkeit der Abschätzung. Die Berechnung der zurückgelegten Strecke zwischen zwei GPS-Positionen lässt sich wie folgt durchführen:
- GPS-Messungen liefern im Wesentlichen eine geographische Breite und Länge in Kugelkoordinaten. Zur Berechnung der Entfernung wird als erstes der zentrale Winkel Δσ zwischen den beiden Positionen berechnet.
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Dabei ist λ und Φ die geographische Breite und Länge. Die Entfernung lässt sich damit einfach bestimmen zu
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Eine Annahme der Erde als Kugel würde dabei zu nicht akzeptablen Fehlern führen. Entsprechend wird ein Ellipsoidmodell für die Erde genutzt. Damit ergibt sich der Radius der Erde zu:
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Dabei sind a und b die äquatorialen und polaren Radii der Erde. Mit den Werten a= 6378137m und b= 6356752.314m. Die Verwendung der Satellitennavigationspositionen verbessert die Genauigkeit insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung umfasst der Kalmanfilter ein Messmodell, welches eine Umrechnung zwischen den Größen des Messvektors und des Zustandsvektors angibt. Damit können demnach die vorhergesagten Messungen für die vorhergesagten Zuständen berechnet werden.
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In einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung umfasst das Messmodell ein Differenzenmodell, welches die Gierwinkeländerung aus der Winkelverschiebung des linken und rechten Rades berechnet.
Damit ergeben sich im Messmodell insbesondere die folgenden Umrechnungsvorschriften:
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Somit ergibt sich das Messmodell h(*):
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Bevorzugt wird dem Kalmanfilter eine Messrauschenkovarianzmatrix zugeführt, welche Standardabweichungen für die Messwerte des Messvektors umfasst. Diese kann wie nachfolgend ausgebildet sein:
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Bevorzugt wird die Standardabweichung für die Satellitennavigation auf einen Wert zwischen 0,3 m und 30 m, insbesondere 1m festgesetzt, die Standardabweichung für die Gierrate auf 0,005 bis 0,02, insbesondere 0,01 ° festgesetzt, und die Standardabweichung für die Raddrehzahlsensoren wird basierend auf der Winkelgeschwindigkeit des jeweiligen Rades und eines Skalierungsfaktors bestimmt. Die Messrauschenkovarianzmatrix wird dann zu:
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Bevorzugt umfasst der Skalierungsfaktor eine Abweichung in der Latenzzeit der Satellitennavigation und eine Updatezeit der Raddrehzahlsensoren. Damit ergibt sich der Skalierungsfaktor α insbesondere zu
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Bei einer Updatezeit der Raddrehzahlsensorsignale von 20 ms kann β beispielsweise bei 0,02 gewählt werden und als eine typische Updatezeit des GPS-Signals kann 1,0 Sekunde angenommen werden.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden die Messwerte der Raddrehzahlsensoren und der Gierrate einem Ringspeicher zugeführt, wobei die Messdaten um die Latenzzeit der Satellitennavigation versetzt dem Kalmanfilter zugeführt werden. Aufgrund der langsamen Updatezeit des GPS-Signals und insbesondere dessen Latenz, wird durch den Ringspeicher eine vorteilhafte Synchronisation zwischen den verschiedenen Messdaten vorgenommen.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist der Kalmanfilter ein unscented Kalmanfilter (UKF). Dieser umfasst insbesondere die folgenden Rechenvorschriften:
- UKF Initialisierung: für k ∈ {1, ..., ∞}
- Berechnung von Sigmapunkten:
- Prädiktion:
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Als nächstes werden die Sigmapunkte auf die jeweiligen Beschränkungen projiziert.
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Messupdate:
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird der Kalmanfilter zwischen einem Modus umgeschaltet, in dem die Reifenumfänge gelernt werden und einem Modus in dem die Spurweite gelernt wird. So kann der Kalmanfilter durch Anpassung an die jeweilige Situation besonders genaue Werte liefern.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird der Modus zum Lernen der Spurweite aktiviert, wenn eine Kurvenfahrt vorliegt und der Modus zum Lernen der Reifenumfänge aktiviert, wenn eine Geradeausfahrt vorliegt. Die Kurvenfahrt kann beispielsweise erkannt werden, wenn die Gierwinkelveränderung basierend auf dem Satellitensignal und/oder aus dem Differenzenmodell einen entsprechenden Grenzwert überschreitet.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird zum Umschalten des Modus zum Lernen der Spurweite und/oder der Reifenumfänge die Beschränkungen für die Sigmapunkte des Unscented Kalmanfilter angepasst. Soll der Reifenumfang gelernt werden, so werden die Beschränkungen für die Reifenumfangswerte der Sigmapunkte derart gewählt, dass diese alle sinnvoll möglichen Werte für die Reifenumfänge erlauben. Die Beschränkungen für die Spurweitewerte der Sigmapunkte werden hingegen so gewählt, dass diese im Wesentlichen auf den letzten Zustandswert fixiert sind. Dazu kann eine obere Schranke und eine untere Schranke für diesen Wert vorgesehen sein. Diese können identisch auf den letzten Zustandswert gesetzt werden, um keinerlei Änderung des Werts zu erlauben. Es kann auch weiterhin eine geringfügige Änderung um den letzten Zustandswert erlaubt werden, indem beispielsweise obere und untere Schranke um einen Wert kleiner als 2%, bevorzugt kleiner 1% auseinander liegen.
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Soll hingegen die Spurweite gelernt werden, so werden entsprechend die Sigmapunkte in den Radumfangswerten fixiert und die Spurweite kann innerhalb eines technischen sinnvollen Bereichs variieren. Auch hier kann anstelle einer vollständigen Fixierung wieder eine Schwankung kleiner 2%, bevorzugt kleiner 1% erlaubt werden.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird der Zustandsvektor zu Beginn mit Standardwerten für das Kraftfahrzeug initialisiert.
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Die Aufgabe wird außerdem gelöst durch ein Steuergerät für ein Kraftfahrzeug, welches dazu eingerichtet ist, eines der vorstehend beschriebenen Verfahren durchzuführen.
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Weitere Merkmale, Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten der Erfindung ergeben sich auch durch die nachfolgende Beschreibung von Ausführungsbeispielen und der Zeichnungen. Dabei gehören alle beschriebenen und/oder bildlich dargestellten Merkmale sowohl einzeln als auch in beliebiger Kombination zum Gegenstand der Erfindung, auch unabhängig von ihrer Zusammenfassung in den Ansprüchen oder deren Rückbezügen.
- 1 zeigt schematisch das erfindungsgemäße Verfahren,
- 2 zeigt ein Fahrzeug mit Positionsbestimmung,
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1 zeigt den erfindungsgemäß verwendeten Kalmanfilter 1, welcher den Zustandsvektor
umfasst. Dem Kalmanfilter wird der Messvektor
zugeführt, welcher die Messdaten eines Radrehzahlsensors 4 eines linken Rades, eines Radrehzahlsensors 5 eines rechten Rades, die Strecke 7 und die Ausrichtungsänderung 6 eines GPS-Sensors umfasst.
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2 zeigt, dass bereits bei geringfügigen Fehlern in der Spurweite eine Positionsbestimmung 10 eines Fahrzeugs 8 von der realen Position 11 abweicht. Durch das erfindungsgemäße Verfahren, mit dem auch die Spurweite des Fahrzeugs genau gelernt werden kann, können derartige Positionsfehler vermieden werden.
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Ein Algorithmus für das erfindungsgemäße Verfahren kann insbesondere folgendermaßen ausgeführt sein: