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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren für ein (Ego-) Fahrzeug zur Bewegungsprädiktion von Verkehrsteilnehmern und/oder dem (Ego-) Fahrzeug, zur Verwendung in einem Assistenzsystem für ein (Ego-) Fahrzeug, ein entsprechendes Assistenzsystem, welches eine Bewegungsprädiktion von Verkehrsteilnehmern und/oder des (Ego-) Fahrzeugs insbesondere anhand eines erfindungsgemäßen Verfahrens durchführt und ein Fahrzeug, welches ein entsprechendes Assistenzsystem aufweist.
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Technologischer Hintergrund
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Gattungsgemäße Fortbewegungsmittel, wie z. B. Personenkraftfahrzeuge (PKW), Lastkraftwägen (LKW) oder Motorräder, werden zunehmend mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, welche mit Hilfe von Sensorsystemen die Umgebung erfassen, Verkehrssituationen erkennen und den Fahrer unterstützen können, z. B. durch einen Brems- oder Lenkeingriff oder durch die Ausgabe einer optischen, haptischen und/oder akustischen Warnung. Als Sensorsysteme zur Umgebungserfassung werden regelmäßig Radarsensoren, Lidarsensoren, Kamerasensoren oder dergleichen eingesetzt. Aus den durch die Sensoren ermittelten Sensordaten können anschließend Rückschlüsse auf die Umgebung gezogen werden, um darauf basierend Anweisungen zur Fahrerwarnung/-information oder zum geregelten Lenken, Bremsen und Beschleunigen des Ego-Fahrzeuges auszugeben. Durch die Sensor- und Umfelddaten verarbeitende Assistenzfunktionen können dann z. B. Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern vermieden oder komplizierte Fahrmanöver erleichtert werden, indem die Fahraufgabe bzw. die Fahrzeugführung unterstützt oder sogar komplett übernommen wird (teil- / vollautomatisieret).
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Beispielsweise kann das Fahrzeug z. B. durch einen Notbremsassistenten (EBA, Emergency Brake Assist) eine autonome Notbremsung (AEB, Automatic Emergency Brake), durch eine Geschwindigkeitsfolgeregelung (ACC, Adaptive Cruise Control bzw. ACC-System) eine Folgefahrt und Geschwindigkeitsregelung, durch einen Notlenkassistenten (ESA, Emergency Steer Assist) eine autonome Notlenkung oder durch einen aktiven Spurhalteassistenten mit Lenkunterstützung in der Spur gehalten werden (LKA, Lane Keeping Assist). Zudem können auch mehrere dieser Funktionen in einem System vereint werden.
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Für die einwandfreie Fahrzeugsteuerung ist die Bewegungsprädiktion des Ego-Fahrzeuges sowie weiterer Verkehrsteilnehmer von großer Bedeutung, um Rückschlüsse auf die zukünftige Verkehrssituation vornehmen zu können, welche dann zur Steuerung der Fahrfunktionen herangezogen werden können. Es können beispielsweise die kinematische Punktmasse oder Modelle zur Vorhersage einer konstanten Wendegeschwindigkeit genutzt werden oder es können zufällige Laufmodelle, möglicherweise in einem straßenorientierten Koordinatensystem, verwendet werden, um die zukünftige Bewegung/Position des Ego-Fahrzeuges zu bestimmen. Ferner kann die Vorhersage auch auf Basis fester Bewegungsmuster oder maschineller Lernalgorithmen, z. B. Neuronale Netzwerke, erfolgen. Hierbei kann es aber zu ungenauen Vorhersagen kommen, insbesondere da kinematische Modelle z. B. nicht die Umwelt berücksichtigen und nur kurzzeitig präzise sind, da Annahmen wie konstante Beschleunigung oder Geschwindigkeit i.d.R. nur über einen kurzen Zeithorizont gültig sind.
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Die Vorhersage entlang der Straßenkorridore macht es zudem schwierig, die aktuelle Kinematik einzubeziehen, da oft nur Längsbewegungen entlang der Straße modelliert werden, ohne kinematische Begrenzungen zu berücksichtigen und solche Vorhersagen gerade in kritischen Situationen, in welchen der Fahrer unaufmerksam ist, nicht passend sind. Ortsfeste Bewegungsmuster ignorieren in der Regel die spezifische Situation der aktuellen Kinematik.
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Viele Assistenzfunktionen bzw. Assistenzsysteme benötigen jedoch eine genaue Vorhersage der Bewegung und Position des Ego-Fahrzeugs und anderer Verkehrsteilnehmer. Daher besteht ein besonderer Bedarf ein Fahrerassistenzsystem zur Verfügung zu stellen, bei dem eine verbesserte und zuverlässige Vorhersage zur Verfügung zu stellen, insbesondere auch in Fahrsituationen, in denen wesentliche seitliche Bewegung erfolgen, z. B. beim Fahren auf kurvigen Straßen.
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Druckschriftlicher Stand der Technik
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In aktuellen Fahrerassistenzsystemen wird die zukünftige Position von Objekten regelmäßig basierend auf der Annahme konstanter Beschleunigung oder konstanter Geschwindigkeit in kartesischen Koordinaten berechnet. Ebenso häufig wird die Annahme einer konstanten Gierrate getroffen in Kombination mit konstanter Geschwindigkeit oder Beschleunigung entlang des Pfades. Kinematische und dynamische Modelle finden ebenso Anwendung, jedoch weniger häufig und mit gleichen Annahmen von konstanter Geschwindigkeit oder Beschleunigung und konstantem Lenkwinkel („A survey on motion prediction and risk assessment for intelligent vehicles“; Stephanie Lefevre, Dizan Vasquez and Christian Laugier; 2014).
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Ein weiteres bekanntes Vorgehen ist die Prädiktion in Frenet Koordinaten entlang der aktuell genutzten Fahrspur des Ego-Fahrzeuges. Auch hierbei wird regelmäßig von konstanter Geschwindigkeit oder Beschleunigung entlang des Pfades und orthogonal dazu ausgegangen („Optimal trajectory generation for dynamic street scenarios in a Frenet Frame“; Moritz Werling, Julius Ziegler, Sören Kammel, Sebastian Thrun; 2010).
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Eine dritte bekannte Alternative ist mögliche Trajektorien (Bewegungsmuster) vorab zu definieren und diese abzuspeichern. Für die Prädiktion wird dann das Muster verwendet, welches am besten zur aktuellen Bewegung und/oder dem erwarteten Manöver des Fahrers passt.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung
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Ausgehend vom Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren sowie ein entsprechendes Assistenzsystem zur Verfügung zu stellen, mit dem die Sicherheit und die Zuverlässigkeit bei der Vorhersage bzw. Prädiktion einer Trajektorie oder einer zukünftigen Position des Ego-Fahrzeuges und/oder eines Verkehrsteilnehmers verbessert wird.
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Lösung der Aufgabe
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Die vorstehende Aufgabe wird durch die gesamte Lehre des Anspruchs 1 sowie des nebengeordneten Anspruchs gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen beansprucht.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Bewegungsprädiktion von Verkehrsteilnehmern für ein Ego-Fahrzeug wird anhand von Sensordaten mindestens einer Sensorvorrichtung zur Umgebungserfassung die Umgebung des Ego-Fahrzeuges erfasst und eine Bewegungsprädiktion des Ego-Fahrzeuges und/oder anderer Verkehrsteilnehmer innerhalb der Umgebung des Ego-Fahrzeuges durchgeführt. Ferner ist ein physikalisches Modell zur Generierung der Bewegungsprädiktion vorgesehen, das dazu dient, sicherzustellen, dass die prädizierte Bewegung in Hinblick auf kinematische und physische Grenzen der Bewegung des Ego-Fahrzeuges und/oder der anderen Verkehrsteilnehmer durchführbar ist, und es ist ein Verhaltens-basiertes Modell vorgesehen, wobei dem physikalischen Modell durch das Verhaltensmodell Eingangswerte zur Generierung der Bewegungsprädiktion zur Verfügung gestellt werden. Daraus resultieren die Vorteile, dass sowohl kurzfristig als auch langfristig eine präzise und realistische Fahrverhalten-/Objektprognose erzielt wird, wobei die Vorhersage immer eine physisch plausible Bewegung darstellt, einschließlich verschiedener Umfeldaussagen wie Straßeninfrastruktur, statische Hindernisse oder Verkehrsteilnehmer in der Vorhersage. Darüber hinaus weist das Verfahren eine große Robustheit gegen Umweltmessfehler auf, z. B. können auch plötzliche Sprünge in der gemessenen Fahrspur zu physisch plausiblen Vorhersagen führen, was zur Erkennung von Anomalien verwendet werden kann.
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Vorzugsweise ist als Sensorvorrichtung zur Umgebungserfassung eine Kamera und/oder ein Lidarsensor und/oder ein Radarsensor und/oder ein Ultraschallsensor vorgesehen.
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Zweckmäßigerweise kann als physikalisches Modell ein kinematisches oder dynamisches Fahrradmodell vorgesehen sein oder auch eine detailliertere Fahrzeugmodellierung. Zusätzlich kann das physikalische Modell zur Berechnung der unabhängigen Variablen einen Stanley-Controller, einen MPC (Model Predictive Controller), ein neuronales Netz, ein prädiktives Fahrzeugmodell, Motion Patterns und/oder weitere allgemeine Heuristiken wie beispielsweise angenommene Verzögerungen und/oder Lenkmaneuver umfassen.
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Vorzugsweise wird das dynamische Fahrzeugmodell in Form einer Differenzialgleichung (kontinuierliche Zeit) oder Differenzengleichung (diskrete Zeit) angegeben. Als dynamische Fahrzeugmodelle können bekannte Standardmodelle eingesetzt werden, wie beispielsweise in „Vehicle Dynamics Modeling and Simulation“ (Dieter Schramm, Manfred Hiller, Roberto Bardini; 2017) beschrieben.
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Ferner umfasst die vorliegende Erfindung ein Assistenzsystem für ein Ego-Fahrzeug, umfassend eine Steuereinrichtung und mindestens einen Umfeldsensor bzw. eine Sensorvorrichtung zur Umfelderfassung, wobei die Steuereinrichtung dazu hergerichtet ist, anhand von Sensordaten des mindestens einen Umgebungssensors die Umgebung des Ego-Fahrzeuges zu erfassen, und eine Bewegungsprädiktion des Ego-Fahrzeuges und/oder anderer Verkehrsteilnehmer innerhalb der Umgebung des Ego-Fahrzeuges durchzuführen, wobei die Bewegungsprädiktion anhand eines Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche erfolgt.
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Zudem wird ein Fahrzeug beansprucht, das ein erfindungsgemäßes Assistenzsystem aufweist.
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Beschreibung der Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von zweckmäßigen Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1: eine vereinfachte schematische Darstellung eines Ego-Fahrzeuges, welches ein erfindungsgemäßes Assistenzsystem aufweist;
- 2: eine vereinfachte Darstellung einer Verkehrssituation, bei der eine kinematische Vorhersage eine Kollision mit einem Zielfahrzeug impliziert, wobei keine Kollision vorhergesagt wird, sofern dies in Hinblick auf die Dynamik einer plausiblen Bewegung entspricht;
- 3: eine vereinfachte Darstellung einer weiteren Verkehrssituation, bei der eine kinematische Vorhersage eine Kollision mit einem Zielfahrzeug impliziert, wobei keine Spur erkannt wird, aber ein Freiraum und parkende Autos, und durch eine Ausweichtrajektorie eine plausible kollisionsfreien Prädiktion vorhergesagt wird;
- 4: eine vereinfachte Darstellung einer weiteren Verkehrssituation, bei der für das Ego-Fahrzeug ein Bewegungspfad prädiziert wird, auf dem es mit einem vorausfahrenden Fahrzeug kollidiert und diese Kollision nur durch eine Notmanöver vermieden werden kann;
- 5: eine vereinfachte Darstellung einer weiteren Verkehrssituation, bei der für das Ego-Fahrzeug ein Bewegungspfad prädiziert wird, wobei dieser physikalisch aufgrund der kinematischen Gegebenheiten nicht durchführbar ist und somit eine Kollision mit einem parkenden Fahrzeug bevorstünde, sowie
- 6: eine vereinfachte Darstellung einer weiteren Verkehrssituation, bei der für das Ego-Fahrzeug ein Bewegungspfad prädiziert wird, wobei dieser physikalisch aufgrund der kinematischen Gegebenheiten nicht durchführbar ist und daher ein alternativer Bewegungspfad prädiziert wird.
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Bezugsziffer 1 in 1 beschreibt ein Ego-Fahrzeug, welches das erfindungsgemäße Assistenzsystem umfasst und hierzu eine Steuereinrichtung 2 aufweist, bei der es sich z. B. um eine zentrale Steuereinheit (ECU - Electronic Control Unit, ADCU Assisted & Automated Driving Control Unit) handeln kann, welche anhand von geeigneten Sensoren bzw. Sensorvorrichtungen zur Umfelderfassung die Umgebung sowie die darin befindlichen Objekte erkennen und klassifizieren kann. Das erfindungsgemäße Verfahren kann in praktischer Weise über die Steuereinrichtung 2 ausgeführt werden. Als Sensorvorrichtung zur Umfelderfassung besitzt das Ego-Fahrzeug 1 eine insbesondere hinter der Frontscheibe des Ego-Fahrzeuges 1 angeordnete Kamera 3 und einen Lidarsensor 4, sowie einen im Frontbereich des Ego-Fahrzeuges 1 angeordneten Radarsensor 5. Ferner kann auch mindestens eine Sensorvorrichtung zur Umgebungserfassung vorgesehen, welche rückwärtige Objekte erfassen kann: In der Ausgestaltung des Ego-Fahrzeuges 1 in 1 sind hierzu rückwärtige Radarsensoren 6a, 6b, eine rückwärtig gerichtete Kamera 7 sowie Surroundview-Kameras 8a, 8b vorgesehen. Ausdrücklich umfasst die Erfindung hierbei jegliche Art und Anordnung von bekannten Sensorvorrichtungen zur Umfelderfassung. Ferner ist eine Innenraumkamera vorgesehen, die den Fahrer überwacht und z. B. dessen Aufmerksamkeit, Blickrichtung oder Fahrereigenschaften erfasst. Darüber hinaus können noch weitere in den Fig. nicht dargestellte Sensoren zur Erfassung von Fahrereigenschaften vorgesehen sein (z. B. Gewichtssensoren in den Sitzen, Innenraumradar und dergleichen).
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Mittels der Sensoren zur Umfelderfassung kann die Steuereinrichtung 2 z. B. andere Verkehrsteilnehmer, die Straßenrandbebauungen, Leitplanken, Straßenmarkierungen, Straßenschilder und dergleichen erkennen und zur Ausübung/Berechnung von Fahrmanövern verwenden. Für die Ausübung der Fahrmanöver kann die Steuereinrichtung 2 auf Aktoren des Fahrzeuges (insbesondere Bremse 10, Motorsteuerung 11 und Lenkung 12) zugreifen. Darüber hinaus können dem Fahrer Warnungen oder Informationen über eine Anzeigevorrichtung (Display, Navigationssystem, Head-up-Display oder dergleichen) angezeigt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die Steuereinrichtung externe Daten und Informationen über eine Sende- und Empfangseinrichtung 13 beispielsweise über Funk erhalten kann (Car-to-X- oder Car-to-Car-Kommunikation).
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Das Assistenzsystem kombiniert dabei bekannte physikalisch-basierte Modelle (d. h. beispielsweise dynamische oder kinematische Modelle) mit einem Verhaltensmodell, d. h. für die Vorhersage wird ein kinematisches oder dynamisches Fahrzeugbewegungsmodell verwendet (z. B. ein kinematisches oder dynamisches Fahrradmodell, dynamische Fahrzeugmodelle, das in Form einer Differenzialgleichung (kontinuierliche Zeit) oder Differenzgleichung (diskrete Zeit) angegeben wird). Die dem Modell einzugebenden Variablen, z. B. Lenkradwinkel oder Beschleunigung, werden ähnlich einem Verfahren berechnet, das bei automatisierten Fahraufgaben angewendet wird. Dies kann beispielsweise durch eine klassische Steuerung erfolgen, z. B. dem Stanley-Controller, einem MPC (Model predictive controller), mittels neuronaler Netzwerke, Motion Patterns oder anderer Heuristik. Der Controller oder Regler bzw. die Steuereinrichtung 2 kann dabei Straßeninformationen, fahrbare Bereiche („Freespaces“), andere Fahrzeuge, Verkehrsteilnehmer usw. enthalten und muss entsprechend dem gewünschten Einsatzfall eingestellt werden. Um kritische Situationen z. B. für eine Notbremsassistenzfunktion zu erkennen, ist die Steuereinrichtung 2 derart konfiguriert, dass das „normale Fahrverhalten“ nachgeahmt wird, d. h. eine Notbremsung und Notlenkung dürfen nicht einbezogen werden, sodass kritische Situationen noch erkannt werden können. Der Regler kann dabei auf Informationen beschränkt werden, die in Sichtweite des Fahrers sind und/oder eine begrenzte Entfernung zur Nachahmung unaufmerksamer Fahrten haben. Bei der Vorhersage der Bewegung des Ego-Fahrzeugs 1 kann der Regler Informationen über den Fahrer mitberücksichtigen, z. B. die Aufmerksamkeit für den Verkehr, Blickrichtung und dergleichen. Die geschlossene Loop, bestehend aus Modell und Controller bzw. Regler, wird dann zur Vorhersage der zukünftigen Position des Ego Fahrzeugs oder anderer Verkehrsteilnehmer verwendet.
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Anhand der Verkehrssituationen in den 2-6 wird das erfindungsgemäße Verfahren dargelegt. Zweckmäßigerweise wird zunächst ein Umfeldmodell auf der Grundlage von Kartendaten und/oder -messungen erstellt. Das Modell umfasst dabei zum einen die Kinematik (d. h. beispielsweise die Geschwindigkeit und Beschleunigung des Fahrzeuges 1) und gegebenenfalls weitere Parameter, die für das Bewegungsmodell des Fahrzeugs, für das die Vorhersage erfolgen soll, benötigt werden, wie z. B. Radstand, Trägheit, Lateralbeschleunigung oder (geschätzte) Reibungskoeffizienten und zum anderen die für das Fahren relevanten Umgebungsbedingungen, wie z. B. Straßen- und Fahrbahnbegrenzungen, Spurenverbände, ortsfeste Hindernisse/fahrbare Freiräume, parkende Fahrzeuge, andere Verkehrsteilnehmer, Spuren von Verkehrsteilnehmern und/oder dergleichen.
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Zweckmäßigerweise kann ein prädiktives Fahrzeugmodell in Form einer Differenzialgleichung erstellt werden. Bei einem Auto kann es sich beispielsweise um ein dynamisches oder kinematisches Fahrradmodell handeln. Dabei wird ein Regler erzeugt, der das Fahrverhalten nachahmt und anhand der wahrgenommenen Umgebung den Eingang zum Modell (Beschleunigung, Lenkwinkel) bestimmt. Ferner kann ein Spurfolgemodell („follow lane model“) aus einem Funktionsblock bzw. Orakel bestehen, das z. B. eine Referenzposition auf der Fahrspur einem Regler wie Beispielsweise dem Stanley-Controller zur Verfügung stellt.
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Durch das Ersetzen oder Erweitern des Orakels können weitere Hinweise aus der Umgebung berücksichtigt werden, z. B. Freiraum-Informationen, wenn keine Straße verfügbar ist. Alternativ oder zusätzlich können auch andere Regelalgorithmen verwendet werden, die die vom Umfeldmodell bereitgestellten Informationen direkt berücksichtigen, z. B. ein Modell-prädiktiver Steuerungs (model predictive control)-Algorithmus, der verschiedene Ziele zur Ermittlung der Steuereingabe direkt gewichtet. Ferner wird ein sogenanntes closed-loop-Modell („geschlossener Regelkreis“ umfassend ein Modell und Regler) für die jeweilige relevante Zeitspanne simuliert, d. h. die Differenzialgleichung wird numerisch gelöst oder die Differenzgleichung wird verwendet, um die zukünftige Position, Geschwindigkeit oder Beschleunigung zu bestimmen. Die vorausgesagte zukünftige Position kann dann z. B. zur Bestimmung eines geeigneten Eingabeaufsatzes für Fahrfunktionen oder zur Bewertung der kritischen Situation verwendet werden.
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Beispielsweise ist in 2 eine Verkehrssituation dargestellt, in der das Ego-Fahrzeug 1 sich auf einer Straße bewegt, die in eine Kurve übergeht, an der ein anderes Fahrzeug 14 geparkt ist. Bei einer reinen kinematischen Vorhersage wird eine Kollision mit dem geparkten Fahrzeug 14 impliziert (dargestellt anhand der Fahrzeuges 15, welches die Endposition des Fahrzeuges 1 gemäß einer rein kinematischen Prädiktion). Durch die Verwendung einer geschlossenen Regelkreis-Prädiktion („closed loop“) eines Fahrzeugmodels für das Fahrzeug 1, das auf der Fahrspur fährt, und der beschriebenen Berechnung der unabhängigen Variablen wird keine Kollision vorhergesagt (darstellt anhand der Fahrzeuges 16, welches eine Position des Fahrzeuges 1 gemäß geschlossener Regelkreis-Prädiktion). Hierbei wird beispielsweise ein Regler verwendet, der auf die Ego-Spur einregelt in Abhängigkeit eines Fahrzeugs, das auf der Fahrspur fährt, so dass keine Kollision vorhergesagt wird, sofern dies in Hinblick auf die Dynamik einer plausiblen Bewegung entspricht.
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In 3 ist eine Verkehrssituation gezeigt, bei der das Ego-Fahrzeug 1 einem Straßenverlauf folgt, wobei der Straßenverlauf nicht erkannt wird, aber geparkte Fahrzeuge 14 und ein Freiraum erkannt werden. Eine reine kinematische Vorhersage würde dabei eine Kollision mit einem der geparkten Fahrzeuge 14 implizieren (dargestellt anhand des Fahrzeuges 15, welches die Endposition des Fahrzeuges 1 gemäß einer rein kinematischen Prädiktion). Durch die Verwendung einer geschlossenen Regelkreis-Abhängigkeit des Fahrzeugs 1, das auch in einen Freiraum einfahren kann, d. h. eine Ausweichtrajektorie geplant wird, wird keine Kollision vorhergesagt, da das Fahrzeug 1 z. B. leichte Ausweichmanöver im Freiraum durchführen wird (dargestellt anhand der Fahrzeuges 16, welches eine Position des Fahrzeuges 1 bei Durchfahren der Kurve zeigt).
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In 4 ist eine Verkehrssituation gezeigt, bei der das Ego-Fahrzeug 1 einem Straßenverlauf folgt, der von einem Zielfahrzeug 17 blockiert wird und an einer vorausliegenden Kurve Fahrzeuge 14 geparkt sind. Eine Prädiktion entlang der Straße würde hierbei eine Kollision mit dem Zielfahrzeug 17 implizieren (darstellt anhand des Fahrzeuges 16, welches die Position des Fahrzeuges 1 gemäß einer Prädiktion entlang der Fahrspur kurz vor der Kollision mit Zielfahrzeug 17 zeigt). Durch die Verwendung von Freiräumen („Freespace“) könnten hier Ausweichtrajektorien ermittelt werden, z. B. eine Trajektorie mit der das Ego-Fahrzeug 1 dem Zielfahrzeug 17 über ein Lenkmanöver auf die linke Spur ausweicht, wodurch eine Kollision verhindert wird. Bei der Verkehrssituation nach 4 kommt es jedoch im Vergleich zur Verkehrssituation in 3 zu einer Auslösung auf das korrekte Zielfahrzeug 17, da eine Ausweichtrajektorie einem starken Lenkmanöver (Notausweichen) und nicht einer natürlichen Fahrweise entspräche.
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Die Prädiktion bzw. die Vorhersagen entsprechen dabei realistischen Fahrten bzw. Trajektorien und werden durch Einschränkungen begrenzt, die die Physik durch das Modell auferlegt, z. B. Begrenzungen der Krümmung für eine bestimmte Geschwindigkeit oder Verlassen der Fahrspur aufgrund der aktuellen Kinematik. Beispielsweise ist in 5 eine Verkehrssituation gezeigt, bei der das Fahrzeug 1 aufgrund kinematischer Gegebenheiten mit dem geparkten Fahrzeug 14 kollidieren wird (darstellt anhand des Fahrzeuges 18, welches die Position des Fahrzeuges 1 gemäß einer rein kinematischen Prädiktion kurz vor der Kollision mit Fahrzeug 14 zeigt), da es physikalisch unmöglich ist, die vergleichsweise enge Kurve bei gegebener Geschwindigkeit erfolgreich zu durchfahren. In gleicher Weise beschreibt 6 eine Verkehrssituation, bei der das Ego Fahrzeug 1 die prädizierte Trajektorie entlang der Straße physikalisch nicht verfolgen kann (dargestellt anhand des Fahrzeuges 19, welches eine zukünftige Position des Fahrzeuges 1 zeigt), z. B. da die Geschwindigkeit zu hoch oder die Kurvenkrümmung zu groß ist. Die empfohlene Prädiktion (bzw. die rein kinematische Prädiktion) umfasst dabei zum einen die aktuellen kinematischen sowie physikalischen Limitationen, so dass das Fahrzeug 1 dann die Spur verlassen wird, sobald es dieser Prädiktion folgt (dargestellt anhand des Fahrzeuges 20, welches eine zukünftige Position des Fahrzeuges 1 zeigt). Dies ist insbesondere bei Falschmessungen von Spurmarkierungen und Uneindeutigkeiten von Vorteil.