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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern einer elektrodynamischen Bremsvorrichtung eines Schienenfahrzeugs, ein Antriebssystem eines Schienenfahrzeugs mit einer solchen elektrodynamischen Bremsvorrichtung sowie ein Schienenfahrzeug.
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Elektrisch angetriebene Schienenfahrzeuge, insbesondere für den Nah-, Regional- und Fernverkehr, werden während eines Bremsvorgangs bevorzugt mittels elektrodynamischen Bremsvorrichtungen gebremst, da diese gegenüber Reibungsbremsen vorteilhaft nahezu verschleißfrei betrieben werden können sowie zudem die Möglichkeit besteht, während des Bremsvorgangs generierte elektrische Energie in das elektrische Versorgungsnetz, beispielsweise eine Oberleitung oder eine so genannte dritte Schiene, welches die für den Antrieb erforderliche elektrische Energie bereitstellt, zu speisen.
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Der Einsatz der elektrodynamischen Bremsvorrichtung ist jedoch weiterhin auf die so Betriebsbremsung beschränkt, während bei einer Schnellbremsung, auch als Notbremsung oder Gefahrenbremsung bezeichnet, für die Sicherheit von Fahrgästen in dem Schienenfahrzeug sowie Dritter außerhalb des Schienenfahrzeugs auf ergänzend vorhandene Reibungsbremsvorrichtungen zurückgegriffen wird, um einen Bremsvorgang mit maximalem Bremsmoment einzuleiten. Der Einsatz von Reibungsbremsvorrichtungen gegenüber den ansonsten eingesetzten elektrodynamischen Bremsvorrichtungen ist dabei in einer bislang höheren Ausfallsicherheit der Reibungsbremsvorrichtungen begründet. Nachteilig ist es dadurch jedoch erforderlich, Schienenfahrzeuge sowohl mit elektrodynamischen Bremsvorrichtungen als auch mit Reibungsbremsvorrichtungen auszustatten, die eine sichere Schnellbremsung aus der maximalen Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs ermöglichen, was insbesondere bei Hochgeschwindigkeitszügen zu einer hohen technischen Komplexität, zu zusätzlichem Gewicht sowie insbesondere zu hohen Kosten für die Herstellung und den Betrieb führt.
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Es wird daher seit geraumer Zeit angestrebt, die Ausfallsicherheit der elektrodynamischen Bremsvorrichtungen von Schienenfahrzeugen so weit zu erhöhen, dass diese aufgrund eines gegenüber Zulassungsbehörden bzw. - organisationen erbringbaren Nachweises einer hinreichend hohen Ausfallsicherheit von diesen auch für eine Schnellbremsung zugelassen werden. Eine solche Zulassung hätte vorteilhaft zur Folge, Reibungsbremsvorrichtungen aufgrund eines deutlich geringeren erforderlichen Bremsmoments mit einem geringeren technischen Aufwand und dadurch erzielbaren geringeren Gewicht verwirklichen zu können. Solche Reibungsbremsen könnten dabei insbesondere auf die Funktion von Anhaltebremsen, welche bei niedrigen Geschwindigkeiten sowie im Stillstand wirken, beschränkt sein.
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Aus der deutschen Offenlegungsschrift
DE 10 2012 203 132 A1 ist beispielsweise bereits bekannt, zur Erhöhung der Ausfallsicherheit einer elektrodynamischen Bremsvorrichtung zwei Bremssteuereinheiten vorzusehen, wobei in einem ersten Bremsmodus eine erste Bremssteuereinheit eine Leistungsversorgungseinheit zur Bereitstellung einer Bremswirkung steuert und eine Bremswirkungsüberwachungseinheit abhängig von einer Bremswirkungskenngröße mittels einer Schalteinheit in einen zweiten Bremsmodus umschaltet, in welchem eine zweite Bremssteuereinheit die Leistungsversorgungseinheit zur Bereitstellung einer Bremswirkung steuert. Durch das Vorsehen von zwei Bremssteuereinheiten, zwischen denen umgeschaltet werden kann, wird eine die Ausfallsicherheit erhöhende Redundanz geschaffen, wobei die Bremssteuereinheiten sich insbesondere im Sinne einer diversitären Redundanz bezüglich ihrer konstruktiven und/oder algorithmischen Ausführung unterscheiden können. Nachteilig führt das Vorsehen einer zweiten Bremssteuereinheit sowie einer Schalteinheit nicht nur zu einer Erhöhung der Anzahl Einheiten, sondern ebenfalls zu einem zu erbringenden ergänzenden Nachweis einer hinreichend hohen Ausfallsicherheit dieser zusätzlichen Einheiten.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren sowie eine elektrodynamische Bremsvorrichtung anzugeben, welche eine hinreichend hohe Ausfallsicherheit der elektrodynamischen Bremsvorrichtung insbesondere bei einer Schnellbremsung gewährleisten. Diese Aufgabe wird durch die jeweiligen Merkmale der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Weiterbildungen sind in jeweiligen abhängigen Patentansprüchen angegeben.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern einer elektrodynamischen Bremsvorrichtung eines Schienenfahrzeugs, wobei die elektrodynamische Bremsvorrichtung des Schienenfahrzeugs zumindest einen elektrischen Antriebsmotor, einen mit diesem elektrisch verbundenen Stromrichter mit einer Mehrzahl Leistungshalbleiterschalter, sowie eine die Mehrzahl Leistungshalbleiterschalter ansteuernde Steuereinrichtung als Teile eines Antriebssystems des Schienenfahrzeugs umfasst. Das erfindungsgemäße Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Schnellbremsung zum Erzeugen eines Soll-Bremsmoments die Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters gemäß einem ersten Regelungsalgorithmus der Steuereinrichtung angesteuert werden, wobei der erste Regelungsalgorithmus Funktionen sowohl eines Antreibens als auch eines Bremsens des Antriebssystems umfasst, während des Bremsvorgangs ein von der elektrodynamischen Bremsvorrichtung erzeugtes Ist-Bremsmoment bestimmt und mit dem Soll-Bremsmoment verglichen wird, und abhängig von dem Vergleich die Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters mittels eines zweiten Regelungsalgorithmus der Steuereinrichtung angesteuert werden, wobei der zweite Regelungsalgorithmus ausschließlich Funktionen des Bremsens umfasst.
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Erfindungsgemäß wird die Ausfallsicherheit der elektrodynamischen Bremsvorrichtung eines Schienenfahrzeugs vorteilhaft dadurch erhöht, dass als eine Rückfallebene ein anderer, zweiter Regelungsalgorithmus für die Ansteuerung der Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters dient, welcher eine geringere Komplexität bzw. einen geringeren Funktionsumfang aufweist. Für einen derart reduzierten Regelungsalgorithmus kann in einfacherer Weise der Nachweis einer hinreichend hohen Ausfallsicherheit erbracht werden. Vorteilhaft gegenüber der einleitend beschriebenen Lösung gemäß der Offenlegungsschrift
DE 10 2012 203 132 A1 ist zudem keine redundante bzw. sogar diversitär-redundante Steuereinrichtung erforderlich, wodurch die Komplexität der Bremsvorrichtung sowie die Kosten gegenüber dieser bekannten Lösung vorteilhaft reduziert werden.
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Die geringere Komplexität bzw. der geringere Funktionsumfang des zweiten Regelungsalgorithmus wird erfindungsgemäß dadurch erzielt, dass dieser ausschließlich Funktionen, welche im Zusammenhang mit der Erzeugung eines Bremsmoments bzw. mit der Erzeugung eines maximalen Bremsmoments bei einer angeforderten Schnellbremsung stehen. So nutzt der zweite Regelungsalgorithmus beispielsweise keine aktiven Zeiger einer Pulsweitenmodulation, mittels welcher der als Drehstrommaschine ausgestaltete Antriebsmotor gesteuert wird. Dies führt dazu, dass beispielsweise ein Rückspeisen in das Versorgungsnetz, ein Erzeugen eines kleinen Bremsmoments, wie es insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten vorteilhaft ist, ein schnelles Variieren des Bremsmoments, wie es insbesondere für einen Gleitschutz vorteilhaft ist, sowie das Erzeugen eines Antriebsmoments nicht möglich ist.
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Der zweite Regelungsalgorithmus dient lediglich als eine Rückfallebene für die elektrodynamische Bremsvorrichtung in dem selten auftretenden Fehlerfall, dass bei einer Schnellbremsung das erforderliche Ist-Bremsmoment nicht mittels des ersten Regelungsalgorithmus erzeugt werden kann. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass im Regelfall der vollständige Funktionsumfang des ersten Regelungsalgorithmus vorteilhaft auch bei einer angeforderten Schnellbremsung eingesetzt werden kann. Dabei ermöglichen diese Funktionen beispielsweise eine hohe Dynamik des erzeugten Bremsmoments, wodurch insbesondere ein Gleitschutz sowie ein Bremsen bis zu einer niedrigen Geschwindigkeit verwirklicht werden können, und eine Rückspeisung in das Versorgungsnetz, sofern das Antriebssystem mit diesem verbunden ist und dieses die generierte elektrische Energie aufnehmen kann.
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Das während eines Bremsvorgangs von der elektrodynamischen Bremsvorrichtung erzeugte Ist-Bremsmoment entspricht der von dem Antriebsmotor auf einen mit diesem mechanisch, üblicherweise über ein ein- oder mehrstufiges Getriebe sowie eine Kupplung, verbundenen Radsatz übertragbare Bremskraft, wobei ein Radsatz eine Radsatzwelle sowie zwei mit dieser starr verbundene Räder, welche sich auf Schienen abstützen. Das Ist-Bremsmoment wird beispielsweise von der übergeordneten Steuereinrichtung, welche auch den Vergleich des bestimmten Ist-Bremsmoments mit dem Soll-Bremsmoment durchführt, bestimmt. Die Bestimmung des tatsächlich erzeugten oder des erzeugbaren Ist-Bremsmoments erfolgt beispielsweise anhand der Leistung an den Anschlussklemmen des Antriebsmotors. Alternativ oder ergänzend ist das Ist-Bremsmoment beispielsweise auch anhand einer negativen Beschleunigung bestimmbar, welche aus der Beobachtung einer Änderung der Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs, welche beispielsweise mittels eines oder mehrerer Drehzahlsensoren an Motor und/oder Radsatzwellen erfasst wird, oder aus Signalen eines oder mehrerer Beschleunigungssensoren abgeleitet werden kann. Ferner kann das Ist-Bremsmoment auch anhand eines an einer Drehmomentstütze des Antriebsmotors wirkenden Moments bestimmt werden. Vorzugsweise werden für die Bestimmung des Ist-Bremsmoments redundante oder diversitär-redundante Informationen berücksichtigt, um auch diesbezüglich eine hinreichend hohe Ausfallsicherheit zu gewährleisten.
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Das Soll-Bremsmoment, abhängig von dessen Wert die Steuereinrichtung mittels des ersten Regelungsalgorithmus die Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters ansteuert, wird der Steuereinrichtung beispielsweise von einer mit dieser signaltechnisch verbundenen übergeordneten Steuereinrichtung vorgegeben. Bei Anforderung einer Schnellbremsung entspricht dieses Soll-Bremsmoment beispielsweise zunächst einem von der elektrodynamischen Bremsvorrichtung bereitstellbaren maximalen Bremsmoment. Die Anforderung einer Schnellbremsung kann dabei beispielsweise von der fahrzeugführenden Person durch manuelles Auslösen oder automatisiert erfolgen.
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Nach einer ersten Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahren weist der zweite Regelungsalgorithmus bezüglich der Funktion des Bremsens einen gegenüber dem ersten Regelungsalgorithmus geringeren Funktionsumfang auf.
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Nach einer weiteren Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird in dem Schritt des Vergleichens das bestimmte Ist-Bremsmoment mit einem von dem Soll-Bremsmoment abhängigen Schwellenwert verglichen und, wenn das Ist-Bremsmoment den Schwellenwert unterschreitet, werden die Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters mittel des zweiten Regelungsalgorithmus angesteuert.
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Ein von der übergeordneten Steuereinrichtung für den Vergleich geeigneter Schwellenwert entspricht beispielsweise dem Soll-Bremsmoment, kann alternativ jedoch auch unterhalb des Soll-Bremswerts liegen und einen vorgegebenen relativen, insbesondere prozentualen, oder vorgegebenen absoluten Abstand zu diesem haben. Mittels eines niedriger als der Soll-Bremsmoment definierten Schwellenwerts kann vorteilhaft sichergestellt werden, dass nicht bereits bei geringen Abweichungen des bestimmten Ist-Bremsmoments von dem Soll-Bremsmoment eine Aktivierung des zweiten Regelungsalgorithmus mit reduziertem Funktionsumfang erfolgt.
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Nach einer weiteren Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters mittels des zweiten Regelungsalgorithmus der Steuereinrichtung bis zu einem Abschluss der Schnellbremsung angesteuert.
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Ein zweiter Aspekt der Erfindung betrifft ein elektrisches Antriebssystem eines Schienenfahrzeugs, wobei das Antriebssystem zumindest eine elektrodynamische Bremsvorrichtung aufweist, welche zumindest einen elektrischen Antriebsmotor, einen mit diesem elektrisch verbundenen Stromrichter mit einer Mehrzahl Leistungshalbleiterschalter, sowie eine die Mehrzahl Leistungshalbleiterschalter ansteuernde Steuereinrichtung umfasst. Das elektrische Antriebssystem ist dadurch gekennzeichnet, dass die elektrodynamische Bremsvorrichtung ausgestaltet ist, das Verfahren gemäß dem ersten Aspekt der Erfindung durchzuführen.
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Nach einer ersten Weiterbildung des erfindungsgemäßen Antriebssystems ist der zumindest eine Antriebsmotor als ein permanenterregter Drehstrom-Synchronmotor ausgestaltet.
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Nach einer weiteren Weiterbildung des erfindungsgemäßen Antriebssystems ist der zumindest eine Stromrichter als ein Pulswechselrichter ausgestaltet.
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Nach einer weiteren Weiterbildung des erfindungsgemäßen Antriebssystems weist die elektrodynamische Bremsvorrichtung ferner eine der Steuereinrichtung übergeordnete weitere Steuereinrichtung auf, wobei die weitere Steuereinrichtung insbesondere ausgestaltet ist, der Steuereinrichtung das Soll-Bremsmoment vorzugeben und/oder den Vergleich des bestimmten Ist-Bremsmoments mit dem Soll-Bremsmoment durchzuführen.
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Ein dritter Aspekt der Erfindung betrifft schließlich ein Schienenfahrzeug, wobei das Schienenfahrzeug dadurch gekennzeichnet ist, dass es zumindest eine für die Durchführung des Verfahrens gemäß dem ersten Aspekt der Erfindung ausgestaltete elektrodynamische Bremsvorrichtung oder zumindest ein Antriebssystem gemäß dem zweiten Aspekt der Erfindung aufweist.
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Nach einer Weiterbildung des erfindungsgemäßen Schienenfahrzeugs ist dieses als ein Hochgeschwindigkeits-Triebzug ausgestaltet.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen erläutert. Dabei zeigen:
- 1 ein Schienenfahrzeug mit einem elektrischen Antriebssystem für einen Betrieb an einem Wechselstrom-Versorgungsnetz,
- 2 ein Schienenfahrzeug mit einem elektrischen Antriebssystem für einen Betrieb an einem Gleichstrom-Versorgungsnetz,
- 3 das Antriebssystem des Schienenfahrzeugs der 1 mit Einrichtungen der erfindungsgemäßen elektrodynamischen Bremsvorrichtung, und
- 4 ein Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden in den Figuren für gleiche bzw. gleich oder nahezu gleich wirkende Komponenten dieselben Bezugszeichen verwendet.
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1 zeigt schematisch ein Schienenfahrzeug TZ in einer Seitenansicht. Das Schienenfahrzeug TZ ist beispielhaftes als ein Triebzug für den Personentransport mit einer Mehrzahl Wagen ausgestaltet, wobei lediglich ein Endwagen EW sowie ein mit diesem gekoppelter Mittelwagen MW dargestellt sind. Beide Wagen verfügen über einen jeweiligen Wagenkasten WK, welcher sich über Drehgestelle in Form eines Triebdrehgestells TDG mit darin angeordneten Antriebsmotoren AM bzw. Laufdrehgestellen LDG ohne Traktionsmotoren auf nicht dargestellten Schienen eines Gleises abstützt. Das Schienenfahrzeug TZ bewegt sich auf den Schienen in den durch diese vorgegebenen Fahrtrichtungen FR.
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In dem Endwagen EW sind schematisch Komponenten eines elektrischen Antriebssystems AS eines an einem Wechselstrom-Versorgungsnetz betriebenen Schienenfahrzeugs TZ angegeben. Diese Komponenten sind üblicherweise in speziellen Bereichen innerhalb des Wagenkastens WK, im Unterflurbereich, im Dachbereich oder auch verteilt über mehrere Wagen des Schienenfahrzeugs TZ angeordnet. Weitere Komponenten des Antriebssystems AS, insbesondere für den Betrieb der Komponenten erforderliche Hilfsbetriebe, sind ebenfalls vorgesehen, in der 1 jedoch nicht speziell dargestellt.
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Über einen beispielhaft im Dachbereich des Endwagens EW angeordneten Stromabnehmer PAN ist der Antriebsstrang AS mit einer nicht dargestellten Oberleitung des Wechselstrom-Versorgungsnetzes elektrisch verbindbar, wobei die Oberleitung beispielsweise einen Einphasenwechselstrom führt. Der Wechselstrom wird einer netzseitigen Primärwicklung eines Antriebstransformators ATR zugeführt, in welchem das netzseitige Spannungsniveau von beispielsweise 15kV, 16,7Hz oder 25kV, 50Hz auf ein niedrigeres Spannungsniveau transformiert wird. Eine Sekundärwicklung des Antriebstransformators ATR ist mit einem netzseitigen Stromrichter 4QS, beispielsweise einem Vierquadrantensteller, verbunden, welcher den Wechselstrom gleichrichtet.
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Der netzseitige Stromrichter 4QS speist einen Gleichspannungszwischenkreis ZK, welcher wiederum einen lastseitigen Stromrichter PWR, beispielsweise einen Pulswechselrichter, speist. In dem Gleichspannungszwischenkreis ZK sind ein oder mehrere Zwischenkreiskondensatoren angeordnet, welche als elektrische Energiespeicher insbesondere einer Glättung der Gleichspannung dienen. Der lastseitige Stromrichter PWR generiert aus der Gleichspannung des Gleichspannungszwischenkreises ZK eine Dreiphasenwechselspannung variabler Frequenz und Amplitude, mit welcher die Statorwicklungen von beispielhaft zwei in dem Triebdrehgestell TDG des Endwagens EW angeordneten Antriebsmotoren TM gespeist werden. Gesteuert wird die Funktion insbesondere des netzseitigen 4QS und des lastseitigen Stromrichters PWR von einer Steuereinrichtung ICU, wobei alternativ individuelle Steuereinrichtungen für die Stromrichter vorgesehen sein können.
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2 zeigt schematisch ein dem Schienenfahrzeug TZ der 1 entsprechendes Schienenfahrzeug TZ mit einem alternativen Antriebssystem AS. In diesem Beispiel ist der Stromabnehmer PAN mit einer wiederum nicht dargestellten Oberleitung eines Gleichstrom-Versorgungsnetzes verbindbar. Insbesondere im Nahverkehrsbereich wird häufig anstelle einer Oberleitung eine Stromschiene parallel zu dem Gleis geführt, mit welcher der Antriebsstrang AS über einen oder mehrere Seitenstromabnehmer, die beispielsweise im Bereich der Wagenkastenenden oder der Drehgestelle angeordnet sind, verbindbar ist. Der Gleichstrom des Versorgungsnetzes wird über ein Eingangsfilter bzw. Netzfilter NF dem Gleichspannungszwischenkreis ZK des Antriebssystems AS zugeführt. Das Netzfilter NF umfasst beispielsweise eine Filterinduktivität in Form einer Drossel sowie und einen Kondensator, wobei der Kondensator ebenso ergänzend die Funktion eines Zwischenkreiskondensators ZK des Antriebsstrangs AS erfüllen kann.
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3 zeigt schematisch das beispielhafte Antriebssystem AS des Schienenfahrzeugs TZ der 1, wobei nicht alle vorstehend beschriebenen Komponenten des Systems nochmals dargestellt sind. So ist beispielsweise nur eine Sekundärwicklung des von einem Wechselstrom-Versorgungsnetz gespeisten Antriebstransformators ATR sowie nur ein Antriebsmotor AM angegeben.
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In dem Antriebssystem AS ist die Sekundärwicklung des Antriebstransformators ATR mit dem netzseitigen Stromrichter 4QS verbunden. Der netzseitige Stromrichter 4QS ist als ein Vierquadrantensteller ausgestaltet, welcher die eingangsseitig von dem Antriebstransformator ATR bereitgestellte Wechselspannung in eine Gleichspannung wandelt und ausgangsseitig bereitstellt. Die Wandlung erfolgt dabei durch Ansteuerung von Leistungshalbleiterschaltern bzw. Leistungstransistoren, wobei die Leistungshalbleiterschalter beispielsweise auf Basis von Silizium oder eines Halbleiters mit einem größeren Bandabstand als Silizium, insbesondere Siliziumcarbid (SiC), Galliumnitrid (GaN) oder Diamant, verwirklicht sind. Jeweils zwei Leistungstransistoren sind in einem Schaltzweig elektrisch in Reihe geschaltet, dessen mittlerer Anschlusspunkt mit einem jeweiligen Eingang des netzseitigen Stromrichters 4QS verbunden ist. Die äußeren Anschlusspunkte der Schaltzweige sind hingegen mit einem jeweiligen Ausgang des netzseitigen Stromrichters 4QS verbunden.
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Über die Ausgänge speist der netzseitige Stromrichter 4QS einen Gleichspannungszwischenkreis ZK, welcher wiederum mit Eingängen des lastseitigen Stromrichters PWR verbunden ist. In dem Gleichspannungszwischenkreis ZK ist beispielhaft ein Zwischenkreiskondensator CZK angeordnet, an welchem eine Zwischenkreisspannung UZK anliegt. Alternativ zu dem einen dargestellten Zwischenkreiskondensator CZK können auch mehrere Zwischenkreiskondensatoren CZK elektrisch parallel geschaltet werden, um eine gewünschte Kapazität bereitzustellen. In dem Gleichspannungszwischenkreis ZK ist ferner parallel zu dem Zwischenkreiskondensator CZK ein Bremssteller BST angeordnet, welcher beispielhaft eine Reihenschaltung aus einem steuerbaren Schalter und einem Widerstand R umfasst.
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Der lastseitige Stromrichter PWR ist beispielhaft als ein Pulswechselrichter ausgestaltet, welcher die eingangsseitig anliegende Gleichspannung in eine Wechselspannung variabler Spannungshöhe und Frequenz wandelt und an Ausgängen bereitstellt. Die Wandlung erfolgt mittels einer Ansteuerung der Leistungshalbleiterschalter bzw. Leistungstransistoren durch eine Steuereinrichtung ICU, wobei die Leistungshalbleiterschalter wiederum beispielsweise auf Basis von Silizium oder eines Halbleiters mit einem größeren Bandabstand als Silizium, insbesondere Siliziumcarbid (SiC), Galliumnitrid (GaN) oder Diamant, verwirklicht sind. Im Unterschied zum netzseitigen Stromrichter 4QS weist der lastseitige Stromrichter PWR für die beispielhaft drei Phasen der Statorwicklung SW des Antriebsmotors AM drei bzw. ein ganzzahliges Vielfaches von drei parallelen Schaltzweigen mit jeweils zwei in Reihe geschalteten Leistungshalbleiterschaltern auf, zu denen jeweils antiparallel eine so genannte Freilaufdiode geschaltet ist.
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Der von dem lastseitigen Stromrichter PWR gespeiste Antriebsmotor AM ist als eine fremderregte Drehstrom-Asynchronmaschine oder vorzugsweise als eine permanentmagneterregte Drehstrom-Synchronmaschine ausgestaltet.
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Die Steuereinrichtung ICU steuert die beispielhaft angegebenen sechs Leistungshalbleiterschalter des lastseitigen Stromrichters PWR gemäß einen Regelungsalgorithmus ra1, wobei Signale dieser Ansteuerung durch sechs senkrechte gestrichelte Pfeile ausgehend von der Steuereinrichtung ICU dargestellt ist. Der Steuereinrichtung ICU werden von einer übergeordneten Steuereinrichtung MCU, welche beispielsweise mehrere oder alle Steuereinrichtungen ICU des Antriebssystems AS des Schienenfahrzeugs TZ steuert, insbesondere Vorgaben bezüglich eines Antriebsmoments oder Bremsmoments signalisiert, welche diese gegebenenfalls unter Berücksichtigung weiterer Informationen mittels eines Regelungsalgorithmus umsetzt.
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Die 3 betrachtet speziell den Fall einer Einleitung einer Schnellbremsung des Schienenfahrzeugs TZ. Dabei empfängt die übergeordnete Steuereinrichtung MCU eine Schnellbremsanforderung sba, deren Signalisierung beispielsweise von der das Schienenfahrzeug TZ führenden Person oder auch automatisch von einem Sicherheitssystem des Schienenfahrzeugs TZ ausgelöst wurde. In Reaktion auf den Empfang der Schnellbremsanforderung sba sowie abhängig von weiteren Informationen, insbesondere einer aktuellen Geschwindigkeit und eines aktuellen Gewichts des Schienenfahrzeugs TZ, definiert die übergeordnete Steuereinrichtung MCU ein Soll-Bremsmoment sbm, mit welchem eine maximale Bremswirkung durch die elektrodynamische Bremsvorrichtung EBV erzielt werden soll. Dieses Soll-Bremsmoment sbm signalisiert die übergeordnete Steuereinrichtung MCU der Steuereinrichtung ICU, welche mittels eines ersten Regelalgorithmus ra1 Steuerbefehle für die Ansteuerung der Leistungshalbleiterschalter des lastseitigen Stromrichters PWR generiert.
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Ein von der elektrodynamischen Bremsvorrichtung EBV in Folge dieser Ansteuerung erzieltes Ist-Bremsmoment ibm wird von der übergeordneten Steuereinrichtung MCU anhand verschiedener dieser zugeführter Signale bzw. Informationen bestimmt. Solche Signale oder Informationen umfassen bzw. repräsentieren beispielsweise Ströme in den Phasen der Statorwicklung SW des Antriebsmotors AM, welche beispielsweise mittels in oder an Motorkabeln angeordneter Strommesser A bestimmt werden. Alternativ oder ergänzend können von der übergeordneten Steuereinrichtung MCU berücksichtigte Signale oder Informationen eine Zwischenkreisspannung UZK, welche beispielsweise mittels eines in dem Gleichspannungszwischenkreis ZK parallel zu dem Zwischenkreiskondensator ZK angeordneten Spannungsmessers V bestimmt wird, eine Drehzahl D des Antriebsmotors AM, welche beispielsweise mittels eines Drehzahlgebers an der Motorwelle des Antriebsmotors AM bestimmt wird, eine von einer zentralen Einheit des Schienenfahrzeugs TZ bestimmte Geschwindigkeit bzw. ein Geschwindigkeitsverlauf, oder eine mittels eines oder mehrerer Beschleunigungssensoren gemessene Beschleunigung des Schienenfahrzeugs TZ umfassen oder repräsentieren.
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Von der übergeordneten Steuereinrichtung MCU wird das bestimmte Ist-Bremsmoment ibm mit dem definierten Soll-Bremsmoment sbm verglichen. Sollte dieser Vergleich ergeben, dass das Ist-Bremsmoment ibm geringer als das Soll-Bremsmoment sbm ist, wobei für den Vergleich beispielsweise ein von dem Soll-Bremsmoment sbm abhängiger Schwellenwert verwendet wird, signalisiert ara die übergeordnete Steuereinrichtung MCU der Steuereinrichtung ICU die Auswahl eines zweiten Regelungsalgorithmus ra2, mittels welchem nachfolgend Steuerbefehle für die Ansteuerung der Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters PWR zu generieren sind. Dieser zweite Regelungsalgorithmus ra2, welcher wie der erste Regelungsalgorithmus ra1 in der Steuereinrichtung ICU gespeichert ist, weist dabei einen geringeren Funktionsumfang gegenüber dem ersten Regelungsalgorithmus ra1 auf.
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Die vorstehend beschriebenen Komponenten, Einrichtungen und Verfahrensschritte können in gleicher Weise in einem Antriebssystem AS entsprechend dem des Schienenfahrzeugs TZ der 2 verwirklicht sein, wobei dieses Antriebssystem AS nach vorstehender Beschreibung keinen netzseitigen Stromrichter und Transformator aufweist, sondern über ein Netzfilter NF mit einem Gleichstrom-Versorgungsnetz elektrisch verbunden ist.
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4 zeigt schematisch ein Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens auf Basis der elektrodynamischen Bremsvorrichtung EBV der 3, wobei lediglich Schritte bei Anforderung einer Schnellbremsung betrachtet werden. Ferner verwendet die Steuereinrichtung ICU in der Ausgangssituation des Ablaufdiagramms den ersten Regelungsalgorithmus ra1, welcher Funktionen sowohl für das Antreiben als auch das elektrodynamische Bremsen des Antriebssystems AS umfasst.
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In einem ersten Schritt S1 empfängt die übergeordnete Steuereinrichtung MCU eine Schnellbremsanforderung sba. Aufgrund dieser empfangenen Anforderung sba definiert die übergeordnete Steuereinrichtung MCU in einem nachfolgenden zweiten Schritt S2 ein Soll-Bremsmoment sbm und signalisiert dieses zu der Steuereinrichtung ICU.
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Nachfolgend bestimmt die übergeordnete Steuereinrichtung MCU in einem dritten Schritt S3 ein von der elektrodynamischen Bremsvorrichtung EBV erzieltes Ist-Bremsmoment ibm, wobei sie hierfür signalisierte bzw. zugeführte Informationen berücksichtigt. In einem anschließenden vierten Schritt S4 vergleicht die übergeordnete Steuereinrichtung MCU das bestimmte Ist-Bremsmoment ibm mit dem definierten Soll-Bremsmoment sbm bzw. mit einem aus diesem abgeleiteten Schwellenwert. Sofern dieser Vergleich ergibt, dass das Ist-Bremsmoment ibm kleiner als das Soll-Bremsmoment ist bzw. das Soll-Bremsmoment sbm um einen bestimmten relativen oder absoluten Betrag unterschreitet, Zweig „ja“, signalisiert ara die übergeordnete Steuereinrichtung MCU der Steuereinrichtung ICU in einem fünften Schritt S5 die Auswahl des zweiten Regelungsalgorithmus ra2, welcher gegenüber dem zunächst verwendeten ersten Regelungsalgorithmus ra1 einen reduzierten Funktionsumfang aufweist. Sofern das bestimmte Ist-Bremsmoment ibm hingegen dem Soll-Bremsmoment entspricht bzw. nicht unterhalb eines Schwellenwerts liegt, Zweig „nein“, setzt die übergeordnete Steuereinrichtung MCU eine Überwachung bzw. die Bestimmung des aktuellen Ist-Bremsmoments ibm fort.
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Aufgrund der von der übergeordneten Steuereinrichtung MCU empfangenen Signalisierung der Auswahl ara verwendet die Steuereinrichtung ICU in einem nachfolgenden sechsten Schritt S6 den zweiten Regelungsalgorithmus ra2 für die Ansteuerung der Leistungshalbleiterschalter des Stromrichters PWR.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102012203132 A1 [0005, 0008]