-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Anpassen eines Bremsverhaltens einer Bremse an eine Verkehrssituation und ein Computerprogrammprodukt mit Programmcode zum Durchführen des Verfahrens.
-
Bei herkömmlichen elektrohydraulischen Bremsanlagen für Kraftfahrzeuge ist bekannt, ein Lüftspiel zwischen Bremsbelag und Bremstrommel oder Bremsscheibe einzuhalten. Dabei sollte das Lüftspiel ausreichend hoch ausfallen, um unerwünschte Restschleifmomente an den Bremsflächen und daraus resultierenden Fahrtverlust zu vermindern oder gar zu vermeiden. Andererseits sollte das Lüftspiel möglichst gering ausfallen, um im Bedarfsfall ein schnelles Abbremsen des Kraftfahrzeugs zu ermöglichen.
-
Die gattungsgemäße
EP 1 763 464 B1 betrifft ein Verfahren zur elektronischen Bremsregelung. Ein Bremssystem weist dabei eine Bremspedal-/Verstärkereinheit, eine Hydraulikeinheit mit integriertem elektronischem Regler (EBS) und eine einem Rad zugeordnete hydraulisch betätigte Bremse auf. Ein Bremszylinder der Bremse wird entsprechend eines auswählbaren Betriebsmodus, ggf. auch automatisch, befüllt, um das Lüftspiel zumindest teilweise zu reduzieren.
-
Von Nachteil ist hierbei jedoch, dass sich das Lüftspiel aufgrund der Abnutzung des Bremsbelags und der Bremstrommel oder -scheibe im Lauf der Zeit verändert. Weiterhin ist das Lüftspiel auch im laufenden Betrieb des Kraftfahrzeugs stetigen Änderungen, beispielsweise aufgrund der sich ändernden Temperatur der Bremsen, unterworfen. Die einzelnen Bremsen eines Kraftfahrzeugs können ferner deutlich unterschiedliche Lüftspiele aufweisen. In Folge können sich bei den einzelnen Bremsen unterschiedliche Ansprechzeiten und ggf. auch Bremskräfte ergeben, wodurch das Schwerkraftzentrum des Kraftfahrzeugs bei einer Bremsung, insbesondere einer Notbremsung, verschoben, das Kraftfahrzeug destabilisiert wird und ggf. außer Kontrolle gerät.
-
Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein alternatives Verfahren bereitzustellen, welches dem sich ändernden Lüftspiel Rechnung trägt, sodass während des gesamten Betriebs des Kraftfahrzeugs einerseits ein schnelles Abbremsen des Kraftfahrzeugs ermöglicht und andererseits ein unnötiges Schleifen der Bremsflächen vermieden wird. Eine weitere Aufgabe besteht darin, auch bei unterschiedlich abgenutzten Bremsbelägen ein gleichmäßiges Abbremsen eines Kraftfahrzeugs zu ermöglichen, ohne dass dabei das Kraftfahrzeug beispielsweise seitlich ausbricht. Des Weiteren besteht eine Aufgabe darin, dass bei einem Bremsvorgang, insbesondere einer Notbremsung, das Kraftfahrzeug nicht destabilisiert wird.
-
Diese Aufgaben werden erfindungsgemäß durch das Verfahren zum Anpassen eines Lüftspiels einer Bremse eines Kraftfahrzeugs an eine Verkehrssituation und ein Computerprogrammprodukt mit Programmcode zum Durchführen des Verfahrens gemäß den unabhängigen Patentansprüchen gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung gehen aus den abhängigen Patentansprüchen hervor.
-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Anpassen eines Bremsverhaltens einer Bremse an eine Verkehrssituation, umfassend: (i) Einstellen eines Lüftspiels der Bremse auf einen Wert LK; (ii) Ermitteln der Verkehrssituation; und (iii) Anpassen des Lüftspiels auf einen Wert LA aufgrund der ermittelten Verkehrssituation, wobei 0 < LA < LK erfüllt ist.
-
Hierbei wird in einem ersten Schritt (i) das Lüftspiel auf einen bestimmten Wert LK eingestellt, insbesondere kalibriert. Unter „Lüftspiel“ wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung der gemittelte Abstand zwischen den Bremsbelägen, insbesondere deren Kontaktfläche, der Bremssättel beziehungsweise -backen und den Reibflächen der Bremsscheibe beziehungsweise -trommel verstanden. Der Wert LK kann frei gewählt werden, ist jedoch im Regelfall ausreichend hoch, um unerwünschte Restschleifmomente an den Bremsflächen zu vermeiden, und gleichzeitig ausreichend gering, um eine akzeptable Bremswirkung zu erzielen. Beispielhafte Werte für LK umfassen 0,15 bis 0,45 mm, wie 0,2 bis 0,4 mm, oder 0,3 mm.
-
In einem weiteren Schritt (ii) wird die Verkehrssituation ermittelt. Unter „Verkehrssituation“ wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung eine räumliche und/oder zeitliche Konstellation verkehrsbezogener Einflussgrößen (beziehungsweise Einflussfaktoren) einer Arbeitsumgebung von Verkehrsteilnehmern verstanden. Grundsätzlich sind verschiedene Arten von Verkehrssituationen (beziehungsweise Verkehrereignissen) möglich. Beispielsweise zählen dazu Umweltsituationen (beziehungsweise Umweltereignisse), die für den Fahrer zu einem gegebenen Zeitpunkt noch nicht wahrnehmbar sind, dennoch auf sein zukünftiges Fahrverhalten Einfluss nehmen, beispielsweise ein Stau nach der nächsten Kurve. Mit Hilfe technischer Systeme (z.B. Navigationssysteme) kann eine solche Umweltsituation im Voraus erkannt und das entsprechende Wissen dem Fahrer bereitgestellt werden. Eine weitere Teilmenge der Verkehrssituationen bilden Fahrsituationen (beziehungsweise Fahrereignisse), die aus Fahrersicht prinzipiell wahrnehmbar sind, beispielsweise das Überqueren der Zebrastreifen durch einen Füßgänger. Bei der Umweltsituation und der Fahrsituation handelt es sich um eine verkehrstechnische Klassifikation, bei der der Fahrer selbst nicht berücksichtigt ist. Zusätzlich beziehen sich Fahrersituationen (beziehungsweise Fahrerereignisse) auf die den Fahrer eines Kraftfahrzeugs selbst betreffende Teilmenge der Verkehrsituationen, die daher von physischen und psychischen Eigenschaften beziehungsweise Zuständen des Fahrers beeinflusst werden. Eine Überschneidung zwischen Fahrsituationen und Fahrersituationen ist im Rahmen der vorliegenden Erfindung möglich.
-
Eine Verkehrssituation kann unmittelbar von einem oder mehreren Sensoren erfasst werden. Diese Sensoren können außerhalb oder innerhalb des Fahrzeugs angeordnet sein und entsprechende Sensordaten an ein Steuergerät des Kraftfahrzeugs bereitstellen. Alternativ kann die Verkehrssituation aus den Sensordaten ermittelt werden. Beispielhaft und bevorzugt erfasste Verkehrssituationen beinhalten eine erhöhte Aufmerksamkeit des Fahrers des Kraftfahrzeugs, welche beispielsweise über eine im Innenraum des Kraftfahrzeugs angeordnete Kamera erfasst werden kann. Eine erhöhte Aufmerksamkeit kann beispielsweise daraus geschlossen werden, dass der Fahrer zuerst den Fuß vom Gaspedal nimmt, mit diesem Fuß das Bremspedal im Anschluss lediglich berührt und sich mithin auf eine mögliche Bremsung vorbereitet. Weiterhin kann aus einem sensierten Betätigen des Warnblinkers auf einen demnächst erfolgenden Bremsvorgang geschlossen werden.
-
In Reaktion auf die im Schritt (ii) ermittelte Verkehrssituation wird in einem dritten Schritt (iii) das Lüftspiel auf einen Wert LA verringert. Dieser ist größer als 0 und schließt mithin eine Bremsung aus. Gleichzeitig ist der Wert LA kleiner als der vorab eingestellte, insbesondere kalibrierte, Wert LK, sodass der Verkehrssituation, die möglicherweise eine Einleitung eines Bremsvorgangs erfordert, Rechnung getragen wird. Damit wird eine kürzere Ansprechzeit der Bremse erhalten und insgesamt ein kürzerer Bremsweg ermöglicht, ohne dass die Bremse unnötig einem Verschleiß unterzogen und Energie verschwendet beziehungsweise Kohlenstoffdioxid emittiert wird. Ein weiterer Vorteil, insbesondere bei einer paarweisen (achsenweisen) oder vorzugsweise einzelnen Ansteuerung der Bremsen eines Kraftfahrzeugs, besteht darin, dass die einzelnen Bremsen gleichzeitig und mit gleicher Kraftausübung ansprechen. Ein Bremsvorgang, insbesondere eine Notbremsung, kann dadurch derart gleichmäßig erfolgen, dass keine Destabilisierung des Fahrzeugs erfolgt und das Fahrzeug unter der Kontrolle des Fahrers verbleibt.
-
Vorzugsweise ist der Wert LA dabei derart ausbalanciert, dass ein zu großer Spalt zwischen Bremsbelag und Reibefläche, bei welchem ein Ansprechen der Bremse aufgrund eines großen Lüftspiels ggf. zu lange dauern würde, und ein zu geringer Spalt zwischen Bremsbelag und Reibefläche vermieden werden. Bei einem zu geringen Spalt zwischen Bremsbelag und Reibefläche kann es, beispielsweise aufgrund von Vibrationen im Kraftfahrzeug, die beispielsweise durch den Motor und/oder einen unregelmäßigen Straßenbelag auf das Chassis des Kraftfahrzeugs und damit ggf. auch auf die Bremse übermittelt werden, zu unerwünschten kurzeitigen Kontaktierungen zwischen Bremsbelag und Reibefläche kommen, welche zu einem unnötigen Verschleiß führen. In Abhängigkeit von der ermittelten Verkehrssituation, insbesondere im Falle einer zu erwartenden Notbremsung, kann das Lüftspiel trotzdem derart verringert werden, dass kurzfristige Kontakte zwischen den Reibepartnern, beispielsweise aufgrund von Vibrationen im Kraftfahrzeug, in Kauf genommen werden.
-
Vorzugsweise wird die ermittelte Verkehrssituation aufgrund einer Notwendigkeit für das Einleiten eines Bremsvorgangs gewichtet. Mehr bevorzugt wird die ermittelte Verkehrssituation bestimmten Alarmstufen, beispielsweise von eins bis fünf zugeordnet. Steht beispielsweise zu erwarten, dass ein geringfügiges Lenkmanöver ein geringfügiges Abbremsen oder kein Abbremsen des Fahrzeugs erfordert, kann das Lüftspiel lediglich geringfügig, beispielsweise entsprechend einem Wert nach Alarmstufe eins, verringert werden. Hingegen kann aus dem Betätigen des Warnblinkers auf die Notwendigkeit eines baldigen Bremsvorgangs geschlossen werden, sodass in diesem Fall das Lüftspiel beträchtlich, beispielsweise entsprechend einem Wert nach Alarmstufe fünf, verringert wird. Ermittelte Verkehrssituationen, welche aufgrund einer Notwendigkeit für das Einleiten eines Bremsvorgangs gewichtet werden und vorzugsweise mittels einer Alarmstufe gekennzeichnet beziehungsweise gewichtet sind, können kombiniert, beispielsweise addiert, werden, um eine bessere Anpassung des Lüftspiels an die ermittelte Verkehrssituation zu erhalten, beispielsweise kann das aufeinanderfolgende Ermitteln zweier Verkehrssituationen, die jeweils mit der gleichen Alarmstufe gekennzeichnet beziehungsweise gewichtet sind, zu einer Änderung der Alarmstufe in die nächste Alarmstufe unter Anpassung, insbesondere einer Verringerung, des Lüftspiels erfolgen. Das Ermitteln aufeinanderfolgender Verkehrssituationen, die mit einer unterschiedlichen Alarmstufe gekennzeichnet beziehungsweise gewichtet sind, kann eine Anpassung der Alarmstufe in die nächste, höhere Alarmstufe beinhalten. So können beispielsweise zwei aufeinanderfolgende Verkehrssituationen, die jeweils mit der Alarmstufe drei gekennzeichnet sind, zu einer Änderung zur Alarmstufe vier unter gleichzeitiger Verringerung des Lüftspiels führen. Zwei aufeinanderfolgende Verkehrssituationen, von denen die erste mit Alarmstufe drei und die zweite mit Alarmstufe zwei gekennzeichnet sind, können zu einer Änderung zur Alarmstufe zwei unter gleichzeitiger Erhöhung des Lüftspiels führen. Zwei aufeinanderfolgende Verkehrssituationen, von denen die erste mit Alarmstufe zwei und die zweite mit Alarmstufe drei gekennzeichnet sind, können zu einer Änderung zur Alarmstufe drei unter gleichzeitiger Verringerung des Lüftspiels führen.
-
Die Bremse ist vorzugsweise als Scheibenbremse, beispielsweise als Schwimmsattelbremse oder als Festsattelbremse, oder als Trommelbremse ausgebildet. Mehr bevorzugt ist die Bremse als Schwimmsattelbremse ausgebildet.
-
Die Schwimmsattelbremse weist dabei hierbei ein Gehäuse mit einem Bremszylinder auf, in dem ein Bremskolben über eine Spindel mit einer einen Motor und ein Getriebe umfassenden Antriebseinheit, vorzugsweise koaxial, verbunden ist. Der Bremskolben kann gegenüber dem Bremszylinder über einen, beispielsweise aus einem elastischen Polymer gebildeten, Faltenbalg abgedichtet sein, der einen Schutz gegenüber Verunreinigungen, beispielsweise Staub, bereitstellt und, beispielsweise nach einer Betätigung der Bremse, eine rückstellende Kraft ausübt. Der Bremskolben kann von einem Fahrer des Fahrzeugs mittels eines Bremspedals über die Antriebseinheit und Spindel betätigt werden.
-
Weiterhin betrifft die Erfindung ein Computerprogrammprodukt mit Programmcode zum Durchführen des erfindungsgemäßen Verfahrens und ein Steuergerät zum Anpassen eines Bremsverhaltens einer Bremse eines Kraftfahrzeugs an eine Verkehrssituation.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform erfolgt das Einstellen des Lüftspiels auf einen Wert LK bei einem Stillstehen des Kraftfahrzeugs. Vorzugsweise umfasst die Bremse dabei einen Bremsbelag mit einer Kontaktfläche und eine Reibefläche, wobei das Einstellen des Lüftspiels auf einen Wert LK ein Kontaktieren (beziehungsweise In-Kontakt-Kommen) der Kontaktfläche mit der Reibefläche und ein Einstellen des Lüftspiels auf den Wert LK zwischen der Kontaktfläche und der Reibefläche umfasst. Das Einstellen kann durch Sensoren erfolgen. beispielsweise kann die Kontaktherstellung zwischen der Kontaktfläche und der Reibefläche, mithin ein auf ein Wert LK = 0 eingestelltes Lüftspiel, über den Grad einer Betätigung des Bremspedals ermittelt werden. Zum Detektieren der Kontaktherstellung beziehungsweise des Kontaktierens der Kontaktfläche mit der Reibefläche können Kraft- und/oder Drehmoment-Sensoren eingesetzt werden.
-
Das Einstellen des gewünschten Abstands zwischen der Kontaktfläche und der Reibefläche auf den Wert LK kann beispielsweise über das Zurückziehen des Bremskolbens ermittelt werden. Auch dies kann mittels Kraft- und/oder Drehmoment-Sensoren erfolgen. Alternative Sensoren, die zum Einsatz gelangen können, umfassen Motorpositionssensoren und Sensoren zur Ermittlung der Schließkraft zwischen der Kontaktfläche und der Reibefläche. Die Einstellung des Luftspiels bei Stillstand des Kraftfahrzeugs ermöglicht eine genaue Einstellung des Werts LK, beispielsweise bei einer täglichen Erstbenutzung des Kraftfahrzeugs oder bei jedem Stillstehen beziehungsweise Anhalten. Dadurch kann das Lüftspiel der einzelnen Bremsen eines Kraftfahrzeugs genauer ermittelt und eine gleichmäßigere Abbremsung des gesamten Kraftfahrzeugs erreicht werden.
-
Vorzugsweise können aktuell ermittelte Werte LK mit Werten für LK für bereits vergangene Zeiträume, beispielsweise dem vorangegangenen Tag, Woche, oder Monat, verglichen werden und ggf. anhand dieser Werte für LK für bereits vergangene Zeiträume korrigiert werden. Dadurch kann das Lüftspiel der einzelnen Bremsen eines Kraftfahrzeugs genauer ermittelt und eine gleichmäßigere Abbremsung eines Kraftfahrzeugs erreicht werden.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform erfolgt ein erneutes Einstellen des Lüftspiels bei jedem Stillstand des Kraftfahrzeugs. Dadurch kann das Lüftspiel der einzelnen Bremsen eines Kraftfahrzeugs genauer ermittelt und eine gleichmäßigere Abbremsung eines Kraftfahrzeugs erreicht werden. Dies ist insbesondere bei einem hinreichend hohen, insbesondere altersbedingten, Abnutzungsgrad der Bremsen eines Kraftfahrzeugs von Interesse, oder wenn die Bremsen eines Kraftfahrzeugs stark unterschiedliche Abnutzungsgrade aufweisen, beispielsweise bei der Erneuerung einer einzelnen Bremse.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Verfahren (iv) Ermitteln einer geänderten Verkehrssituation; und (v) Anpassen des Lüftspiels auf einen Wert LB, wobei 0 < LB ≤ LK mit LB ≠ LA erfüllt ist. Das Ermitteln einer geänderten Verkehrssituation, gefolgt von einer neuen Anpassung des Lüftspiels ermöglicht die situationsabhängige Bereitstellung einer ausreichenden Bremsleistung.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Verkehrssituation eine Fahrsituation und/oder eine Fahrersituation ist. Die Fahrersituation ist bevorzugt, da in diesem Fall die Anpassung des Lüftspiels in Einklang mit der Erwartungshaltung des Fahrers erfolgt.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Verfahren (iv) Ermitteln einer geänderten Verkehrssituation; und (v) Anpassen des Lüftspiels auf einen Wert LB, wobei 0 < LB < LA erfüllt ist, vorzugsweise wobei die Verkehrssituation ein Detektieren einer Verringerung eines auf ein Gaspedal des Kraftfahrzeugs ausgeübten Drucks aufweist, und die geänderte Verkehrssituation ein Detektieren einer Berührung oder ein Betätigen eines Bremspedals des Kraftfahrzeugs ausgeübten Drucks aufweist. Dadurch können geänderte Verkehrssituationen berücksichtigt werden, die jeweils eine erhöhte Bremsbereitschaft erfordern.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Bremse eine elektromechanische Bremse. Vorzugsweise weist das Kraftfahrzeug mehrere Bremsen auf, wobei das Lüftspiel jeder der mehreren Bremsen einzeln oder achsenweise angepasst wird. Bei einer elektromechanischen Bremse kann das Lüftspiel aufgrund der elektrischen Ansteuerung genau ermittelt und eingestellt werden. Die einzelne oder achsenweise, Anpassung des Lüftspiels ermöglicht eine gleichmäßigere Abbremsung, insbesondere Notbremsung, eines Kraftfahrzeugs, ggf. ohne jeglichen, oder mit lediglich einem geringfügigen, Kontrollverlust durch den Fahrer. Mehr bevorzugt erfolgt die Anpassung des Lüftspiels aller im Kraftfahrzeug vorhandenen Radbremsen zu einem gleichen Zeitpunkt auf einen gleichen Wert.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Verfahren ein Verwenden eines Steuergerätes, vorzugsweise eines Fahrerassistenzsystems, um ein erstes Steuersignal für das Einstellen des Lüftspiels und ein zweites Steuersignal für das Anpassen des Lüftspiels an die Bremse bereitzustellen. Das Steuergerät stellt dabei in Verbindung mit einer Antriebseinheit, die vorzugsweise einen Motor und ggf. ein Getriebe umfasst, der Bremse bereit. Damit können das Lüftspiel aller Bremsen eines Kraftfahrzeugs an gleiche Werte erfolgen, wodurch eine einheitliche Wirkung, insbesondere Ansprechzeit, aller Bremsen und damit ein sicherer Betrieb des Kraftfahrzeugs bereitgestellt werden kann.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Verfahren das Verwenden eines Sensors, welcher dazu angepasst ist die Verkehrssituation zu ermitteln und an das Fahrerassistenzsystem bereitzustellen. Vorzugsweise ist der Sensor dazu angepasst, einen oder mehrere Betriebszustände einer Bremse, einen oder mehrere Betriebszustände eines mit der Bremse bereitgestellten Rads, einen oder mehrere Betriebszustände eines Motors, und eine Aktion eines Fahrers des Kraftfahrzeugs, insbesondere einen oder mehrere Betriebszustände eines Bremspedals und/oder Gaspedals des Kraftfahrzeugs, zu erfassen. Diese Sensoren können bereits im Kraftfahrzeug vorhandene Sensoren, beispielsweise Radarsensoren, aber auch nachträglich angebrachte Sensoren, beispielsweise eine Kamera zur Erfassung des Fahrers, umfassen. Alternativ oder zusätzlich können außerhalb des Fahrzeugs befindliche Sensoren, etwa die eines zentralen Verkehrsüberwachungssystems, verwendet werden. Aus den erhaltenen Sensordaten kann eine oder mehrere Verkehrssituationen ermittelt werden. Das Ermitteln der Verkehrssituationen kann mit Hilfe einer Auswerteeinheit, insbesondere unter Einbeziehung einer künstlichen Intelligenz, erfolgen. Die Auswerteeinheit ist beispielsweise in einem Bordcomputer (vorzugsweise einem Fahrerassistenzsystem) des Fahrzeugs integriert. Alternativ oder zusätzlich kann die Auswertung der Sensordaten durch den Sensor selbst vorgenommen werden. Durch die Verwendung einer Vielzahl von Sensoren kann eine genaue Abstimmung des Lüftspiels an die ermittelte Verkehrssituation erreicht werden.
-
Die Bremse beziehungsweise Radbremse, deren Bremsverhalten durch Anpassen des Lüftspiels im Rahmen des erfindungsgemäßen Verfahrens angepasst wird, ist ein Bestandteil eines Bremssystems eines Kraftfahrzeugs. Bei dem Bremssystem handelt es sich bevorzugt um ein dem Fachmann geläufiges integriertes Bremssystem, welches eine Baueinheit darstellt, bei der eine Vielzahl von Funktionen in einem kompakten Aufbau kombiniert sind. Das Bremssystem umfasst dabei vorzugsweise lediglich ein Steuergerät zum Ansteuern der im Kraftfahrzeug vorliegenden Bremsen und elektrische Verbindungsleitung zu dem Steuergerät und einer Energiequelle, beispielsweise einem Motor oder einer Batterie des Kraftfahrzeugs.
-
Das Verfahren wird im Weiteren beispielhaft und ausführlich anhand von mehreren Figuren erläutert. Es zeigen:
- 1 ein schematisches Blockschaltdiagramm eines Verfahrens zum Anpassen eines Bremsverhaltens einer Bremse an eine Verkehrssituation;
- 2a eine schematische Ansicht einer Bremse, deren Lüftspiel auf einen Wert LK eingestellt ist und 2b eine Ausschnittsvergrößerung der schematischen Ansicht einer Bremse aus 2a;
- 3 eine schematische Ansicht einer Bremse, deren Lüftspiel im Rahmen der Einstellung auf null reduziert ist;
- 4 eine schematische Ansicht einer Bremse mit einem angepassten Lüftspiel auf einen Wert LA.
-
Die 1 zeigt eine schematische Ansicht eines Verfahrens 10 zum Anpassen eines Bremsverhaltens einer als elektromechanische Bremse ausgebildeten Bremse 40 an eine Verkehrssituation. Die Bremse 40, die beispielsweise als Radbremse ausgeführt ist und deren Lüftspiel 30 im Rahmen des erfindungsgemäßen Verfahrens 10 angepasst wird, ist ein Bestandteil eines nicht gezeigten Bremssystems eines Kraftfahrzeugs. Bei dem Bremssystem handelt es sich bevorzugt um ein integriertes Bremssystem, welches eine Baueinheit darstellt, bei der eine Vielzahl von Funktionen in einem kompakten Aufbau kombiniert sind.
-
In dem in 1 schematisch dargestellten Verfahren 10 wird ein Lüftspiel 30 der Bremse 40 in einem ersten Schritt 12 auf einen Wert LK eingestellt. Die Einstellung des Lüftspiels 30 auf den Wert LK kann hierbei bei jedem Stillstehen 20 beziehungsweise Anhalten des Kraftfahrzeugs erfolgen, beispielsweise bei Halt des Kraftfahrzeugs an einer Verkehrsampel, an einem Fußgängerüberweg, beim Abstellen beziehungsweise Parken des Kraftfahrzeugs.
-
Wie aus 2a, 2b und 3 zu entnehmen ist, ist die Bremse 40 hier beispielhaft als Schwimmsattelbremse ausgebildet. Die Bremse 40 weist hierbei ein Gehäuse 42 mit einem Bremszylinder 48 auf, in dem ein Bremskolben 54 über eine Spindel 52 mit einer einen Motor und ein Getriebe umfassenden Antriebseinheit 50 koaxial verbunden ist.
-
Der Bremskolben 54 ist gegenüber dem Bremszylinder 48 über einen Faltenbalg 58 abgedichtet und kann von einem Fahrer mittels eines Bremspedals über die Antriebseinheit 50 und Spindel 52 betätigt werden.
-
Bei einer Betätigung der Bremse 40 wird der Bremskolben 54 mit einem darauf angeordneten ersten Bremsbelag 60a entlang eines ersten Verfahrwegs 56 über die Spindel 52 und durch die Antriebseinheit 50 in Richtung einer Bremsscheibe 70 solange verschoben, bis eine Kontaktfläche 62 des ersten Bremsbelags 60a die Reibefläche 72 der Bremsscheibe 70 kontaktiert.
-
Der Bremskolben 54 stützt sich dabei an einem an einer Befestigungseinrichtung 44 schwimmend gelagerten und entlang eines ersten Verfahrenswegs 46 beweglichen Gehäuse 42 ab. Das Gehäuse 42 umgreift die Bremsscheibe 70 seitlich und ermöglicht, dass eine Kontaktfläche 62 eines zweiten Bremsbelags 60b von der anderen Seite gegen die Reibefläche 72 der Bremsscheibe 70 drückt.
-
Ein im vorliegenden Fall beispielhaft als Fahrerassistenzsystem ausgebildetes Steuergerät (nicht gezeigt) stellt in Verbindung mit der Antriebseinheit 50 eine Ansteuerung der Bremsen 40 u.a. auf Grundlage von Signalen, die von nicht gezeigten Sensoren bereitgestellt werden, sowie vorzugsweise entsprechende Fahr- und Bremsassistenzfunktionen bereit. Diese Fahr- und Bremsassistenzfunktionen kommen zwecks autonomen oder teilautonomen Fahrens und Bremsens mit erhöhter Sicherheit und Zuverlässigkeit zum Einsatz.
-
Beim Schritt 12 zum Einstellen des Lüftspiels 30 werden zuerst die Kontaktflächen 62 der Bremsscheibe 70 und mit den Reibeflächen 72 der Bremsbeläge 60a, 60b in Kontakt gebracht. Der Kontakt der Kontaktflächen 62 mit den Reibeflächen 72 kann beispielsweise durch einen Abstandssensor (nicht gezeigt), der einen Abstand 74 zwischen dem Bremskolben 54 und der Antriebseinheit 50 bestimmt, erfasst und ein entsprechendes Detektionssignal an die Steuergerät übertragen werden. Das Lüftspiel 30 nimmt dabei, wie in 3 gezeigt, den Wert Null an.
-
Ebenfalls im Schritt 12 wird, wie aus 2a und 2b entnommen werden kann, der Wert LK zwischen der Kontaktfläche 62 und der Reibefläche 72 über Zurückziehen des Bremskolbens 54 eingestellt. Dies kann ebenfalls durch den nicht gezeigten Abstandssensor erfolgen. Durch den Abstandssensor erzeugte Signale werden an das Steuergerät übermittelt. Nach Anfahren des Fahrzeugs wird das Gehäuse 42 entlang eines zweiten Verfahrwegs 46 derart bewegt, das der vorbestimme Wert LK, im vorliegenden Fall beispielhaft auf 0,3 mm, jeweils zwischen dem ersten Bremsbelag 60a und der Reibefläche 72 und zwischen dem zweiten Bremsbelag 60a und der Reibefläche 72 im Mittel erhalten wird. Die Bremse 40 kann ebenso als Festsattelbremse oder als Trommelbremse ausgebildet sein.
-
In einem zweiten Schritt 14 wird eine Fahrersituation als beispielhafte Verkehrssituation ermittelt. Das Ermitteln der Fahrersituation erfolgt im vorliegenden beispielhaften Fall durch an dem Bremspedal und dem Gaspedal angebrachte Sensoren (nicht gezeigt). Ein am Bremspedal angebrachter Sensor kann dazu angepasst sein, zu ermitteln, ob der Fuß des Fahrers die Bremse 40 berührt, ohne diese zu betätigen. Weiterhin kann der am Gaspedal angebrachte Sensor dazu angepasst sein, zu ermitteln, ob und in welchem Umfang das Gaspedal betätigt wird. Durch die Sensoren erzeugte Signale werden an das Steuergerät übermittelt. Anstelle der Fahrersituation kann auch eine oder mehrerer weitere Verkehrssituationen, beispielsweise eine Fahrsituation, ermittelt werden.
-
In einem in 4 gezeigten dritten Schritt erfolgt ein Anpassen des Lüftspiels 16 auf einen Wert LA aufgrund der ermittelten Verkehrssituation, beispielsweise einem Entfernen des Fußes eines Fahrers vom Gaspedal, wobei die Bedingung 0 < LA < LK erfüllt ist. Der Wert LA stellt damit ein auf die jeweilige Verkehrssituation angepasstes beziehungsweise optimiertes Lüftspiel bereit. Dadurch wird sichergestellt, dass das Lüftspiel bestmöglich an die aktuelle Verkehrssituation angepasst werden kann. Darüberhinaus wird einerseits ein zu großes Lüftspiel, welches einen ggf. lange beziehungsweise zu lange dauernden Bremsvorgang beinhaltet, und andererseits ein zu geringes Lüftspiel vermieden, welches einen unnötigen Verschleiß der Reibepartner beinhaltet.
-
Nach der erfolgten Anpassung des Lüftspiels 30 auf einen Wert LA wird sensorbasierend ermittelt, ob ein Stillstehen 20 des Kraftfahrzeugs vorliegt. Bei positivem Ergebnis erfolgt, unter erneutem Durchführen des Schritts 12, ein erneutes Einstellen des Lüftspiels 30. Dadurch kann sichergestellt werden, dass alle Radbremsen des Kraftfahrzeugs ein gleiches Lüftspiel 30 aufweisen. Hierdurch kann ein zu einem späteren Zeitpunkt ggf. erforderliches Abbremsen des Kraftfahrzeugs gleichmäßig und ohne ein Ausbrechen des Kraftfahrzeugs erfolgen.
-
Ein erneutes Anpassen des Lüftspiels 30 in Schritt 18 auf einen Wert LB kann beispielsweise erfolgen, sobald der Fuß des Fahrers die Bremse 40 berührt, ohne diese zu betätigen. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass der Fahrer in der Tat beabsichtigt die Bremse 40 zu betätigen, so dass das Lüftspiel 30 auf einen Wert LK weiter verringert wird, wobei 0 < LB < LA gilt. Hierdurch kann das Lüftspiel, und damit das Abbremsverhalten, des Kraftfahrzeugs an die jeweilig aktuelle Verkehrssituation angepasst beziehungsweise optimiert werden.
-
Das oben erläuterte und in Schritt 18 erfolgte erneute Anpassen kann beispielsweise alternativ in Reaktion darauf erfolgen, dass der Fahrer das Gaspedal erneut betätigt. In diesem Fall wird bevorzugt davon ausgegangen, dass der Fahrer beabsichtigt, die Bremse 40 nicht zu betätigen, so dass das Lüftspiel 30 auf einen Wert LB erhöht wird, wobei LA < LB ≤ LK erfüllt ist. Nach der Anpassung des Lüftspiels 30 auf den Wert LB wird ermittelt, ob ein Stillstehen 20 des Kraftfahrzeugs vorliegt. Bei positiven Ergebnis erfolgt das Einstellen des Lüftspiels 30 gemäß Schritt 12 erneut.
-
Bezugszeichen
-
- 10
- Verfahren
- 12
- Einstellen des Lüftspiels
- 14
- Ermitteln der Verkehrssituation
- 16
- Anpassen des Lüftspiels
- 18
- erneutes Anpassen des Lüftspiels
- 20
- Stillstehen
- 30
- Lüftspiel
- 40
- Bremse
- 42
- Gehäuse
- 44
- Befestigungseinrichtung
- 46
- zweiter Verfahrweg
- 48
- Bremszylinder
- 50
- Antriebseinheit
- 52
- Spindel
- 54
- Bremskolben
- 56
- erster Verfahrweg
- 58
- Faltenbalg
- 60a
- erster Bremsbelag
- 60b
- zweiter Bremsbelag
- 62
- Kontaktfläche
- 70
- Bremsscheibe
- 72
- Reibefläche
- 74
- Abstand
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-