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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Rührreibschweißen von Werkstücken unter Zuführung eines Zusatzwerkstoffes nach dem Oberbegriff des ersten Patentanspruches.
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Die steigenden Anforderungen an die Fügetechnik hinsichtlich Bauteilkomplexität, Leichtbau und der Verwendung neuartiger Werkstoffe erfordert die Weiterentwicklung technologisch geeigneter Schweißverfahren. Eine aussichtsreiche Alternative zu konventionellen Schmelzschweißverfahren stellt das Verfahren des Rührreibschweißens dar. Das zentrale Element dieser Technologie ist ein aus Schulter und Schweißstift bestehendes Werkzeug, das durch Rotation und Druck einen reibungsinduzierten Wärmeeintrag generiert, wodurch ein Schweißen der Werkstoffe unterhalb deren Liquidustemperatur ermöglicht wird und resultierend eine stoffschlüssige Verbindung entsteht. Das Verfahren findet aufgrund der mechanischen Werkstoffeigenschaften im Bereich des Grundwerkstoffes im Automobilbau [1], in der Elektroindustrie [2], im Schiffsbau [3] sowie in der Luft- und Raumfahrtindustrie [4] Anwendung.
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Neben verfahrensspezifischen Vorteilen, wie dem Vermeiden von Poren und Heißrissen [5], muss jedoch der Einsatz von massiven Spann- und Stützstrukturen zur Sicherstellung des Nullspaltes als limitierender Faktor des Verfahrens genannt werden [6, 7]. Dabei können abweichende Bauteilgeometrien und der Kantenversatz zwischen den Fügepartnern [6] zu Einschränkungen in der Prozessstabilität sowie zu erhöhten Maschinenstillstandzeiten und Bauteilausschuss führen [8, 9].
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Gegenwärtig kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, um fehlende Volumina zwischen den Fügepartnern zu kompensieren. Für Rührreibpunktschweißverbindungen werden sogenannte Refilrührreibschweißverfahren unterschieden. Diese werden in einer Überlappverbindung der Fügepartner angewendet. Dabei wird das durch den Schweißstift plastifizierte Material in eine Kavität innerhalb des Werkzeuges verdrängt, nach erfolgter Durchschweißung wird dieses Material zum Füllen des prozessbedingten Endloches verwendet [18]. Vergleichbar kann dieses auch mit Zusatzmaterial erfolgen. Hierbei wird, ähnlich dem Nieten, Zusatzmaterial zuvor in das Schweißwerkzeug gegeben. Durch die Reibungswärme wird dieses plastifiziert und in das mittels Vorlochoperation zuvor eingebrachte Volumendefizit verdrängt [19].
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Literaturgemäß können für Nahtverbindungen Spaltbreiten von bis zu 36 % der Blechdicke durch die Wahl der prozessseitigen Einstellgrößen, wie Drehzahl, Schweißgeschwindigkeit, Anpresskräfte und Werkzeuggeometrie, ausgeglichen werden [7, 10, 11]. Daneben bieten neuartige Ansätze die Möglichkeit, das vorhandene Volumendefizit bei Spaltbreiten von 36 % bis 50 % der Blechdicke mit Hilfe eines Zusatzwerkstoffes auszugleichen.
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Bei der Einbringung des Zusatzwerkstoffes in Form von Massivdraht werden in der Literatur verschiedene Herangehensweisen unterschieden.
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Zum einen erfolgt die Zuführung des Zusatzwerkstoffes über eine von der Drehbewegung des Schweißstifts entkoppelte, stationäre Schulter. Der gegen die Schweißrichtung eingebrachte Massivdraht wird dabei direkt und unmittelbar vom rotierenden Schweißstift erfasst und abwärtsgerichtet in den Spalt der Schweißverbindung extrudiert [12, 13]. Zum anderen existieren Ansätze, bei denen der Massivdraht bereits vor der Einbringung in den Spalt extrudiert und entsprechend vorplastifiziert wird (
WO2003/043775A1 ,
WO2013/095160A1 ,
WO2016/062648A1 ; [14, 16, 17]). Dabei wird der tangential zugeführte Massivdraht umlaufend von einem Extruder erfasst und durch Reibung mit der stationären Schulter extrudiert. Hierzu kommen neben Schneckenextrudern (
WO2013/095160A1 ,
WO2016/062648A1 , [14]) ebenfalls Systeme zur Anwendung, bei denen der Schweißstift selbst als Extruder fungiert [16, 17]. Der Schweißstift bildet zusammen mit der stationären Schulter die Extrusionskammer. An deren Ende befindet sich ein Widerlager, auf das der plastifizierte Werkstoff auftrifft und anschließend durch Nuten im Schweißstift in den Spalt der Schweißverbindung extrudiert wird. Die Einbringung des Zusatzwerkstoffes erfolgt bei diesen Systemen koaxial zum Schweißstift, sodass keine räumliche Ausrichtung der Drahtzuführeinheit, relativ zur Schweißnahtrichtung, gewährleistet sein muss. Allerdings ergeben sich hierbei Herausforderungen hinsichtlich der erzielbaren Schweißnahtqualität. Durch die gekoppelte Drehbewegung von Schweißstift und Extruder bedingt eine Variation der Extrusionsgeschwindigkeit gleichermaßen eine Variation der prozessseitigen Einstellgrößen und damit eine Beeinflussung des eigentlichen Schweißprozesses. Es ist somit nicht möglich, sowohl günstige prozessseitige Einstellgrößen für die Plastifizierung des Zusatzwerkstoffes als auch für die Plastifizierung des Werkstückes zu gewährleisten, wodurch ein Kompromiss beider Einflussgrößen gefunden werden muss.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es aus den dargestellten Gründen, die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile zu kompensieren und eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Rührreibschweißen bereitzustellen, bei denen die Drehbewegung des Schweißstiftes unabhängig von der Drehbewegung des Extruders gesteuert wird.
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Erfindungsgemäß gelingt die Lösung dieser Aufgabe mit den Merkmalen des ersten und fünften Patentanspruches. Vorteilhafte Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Lösung sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Einzelheiten und Vorteile der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert. Es zeigt:
- 1 - den funktionalen Aufbau der erfindungsgemäßen Vorrichtung
- 2 - eine Prinzipdarstellung der erfindungsgemäßen Vorrichtung
- 3 - eine Detailansicht eines vorteilhaften Ausführungsbeispiels der Extrusionskammer
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Erfindungsgemäß wird im Gegensatz zu bekannten Lösungen drahtförmiger Zusatzwerkstoff mittelbar, also nicht direkt in den Fügespalt über ein mehrteiliges Werkzeug zugeführt. Damit ist die Zuführrichtung des Zusatzwerkstoffes von der Schweißrichtung unabhängig und die Drahtzuführeinheit muss nicht dynamisch, in Abhängigkeit der Schweißrichtung ausgerichtet werden. Darüber hinaus erfolgt die Plastifizierung des Zusatzwerkstoffes mittels einer ringförmigen Extrusionskammer, deren Rotation von der Rotation des Schweißstiftes entkoppelt ist. Sie rotiert um den Schweißstift herum, sodass der zugeführte Massivdraht durch Reibung mit der Extrusionskammerwand plastifiziert wird. Aufgrund der damit induzierten entkoppelten Drehbewegung von Extruder und Schweißstift kann eine zum eigentlichen Schweißprozess unabhängige Extrusion des Zusatzwerkstoffes realisiert werden. Der Schweißstift besitzt einen Absatz mit Schrägnuten zum axialdirekten Abtransport des plastifizierten Zusatzwerkstoffes in die Rührreibschweißzone hinein.
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Die Drehbewegung des Schweißstiftes wird dabei durch die maschineneigene Einrichtung für den Werkzeugantrieb umgesetzt und bedingt die Plastifizierung des Werkstückes und die Durchmischung des Substratwerkstoffes mit dem Zusatzwerkstoff.
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Zur Realisierung der Drehbewegung des Extruders kommt eine zusätzliche Antriebseinheit zum Einsatz. Beide Antriebe befinden sich in einem koaxialen Aufbau und werden von einem stationären Element umgeben, welches die stationäre Schulter beherbergt. Mit der ringförmig ausgebildeten stationären Schulter wird der Schweißprozess unterstützt, sodass die entstehende Schweißnahtoberfläche hinsichtlich ihrer Oberflächenqualität geglättet wird.
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Im Vergleich mit den bisher bekannten Lösungen wird der Rührreibschweißprozess von einem Schweißstift umgesetzt, der sich bezüglich seiner Geometrie und Funktion von konventionellen Rührreibschweißstiften wenig unterscheidet. Somit bietet er Spielraum für eine schweißprozessoptimierte Gestaltung und Variation.
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Im Unterschied zum Stand der Technik wird die Plastifizierung des Zusatzwerkstoffes jedoch nicht vom Schweißstift realisiert, sondern von einem ihn umgebenden, rotierenden Extrusionsring. Daher dient seine Gestaltung und Dimensionierung nur der Schweißnahtqualität selbst. Prozessseitige Einstellgrößen zur Plastifizierung des Zusatzwerkstoffes müssen nicht berücksichtigt werden.
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Folglich ist es durch die mechanische Entkoppelung des Schweißstiftes und des extrudierenden Teils des Werkzeugs möglich, die prozessseitigen Einstellgrößen für Werkstück und Zusatzwerkstoff unabhängig voneinander anzupassen.
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Wie in 1 dargestellt, erfolgt die Plastifizierung des Zusatzwerkstoffes (4) durch eine entkoppelte Drehbewegung von Extruder (2) und Schweißstift (1).
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2 zeigt das Prinzip der erfindungsgemäßen Vorrichtung mit seinen funktionsrelevanten Elementen. Der Massivdraht (Zusatzwerkstoff) (4) wird durch die stationäre Schulter (5) in die kreisringförmige Extrusionskammer (3) gefördert und tangential am Umfang des Schweißstiftes (1) erfasst. Dabei rotiert die vom Schweißstift (1) mechanisch entkoppelte Extrusionskammer (3) unabhängig von der Rotation des Schweißstiftes (1) um diesen herum. Die Parameter der beiden jeweils direktangetriebenen Rotationen für Schweißstift (1) und Extrusionskammer (3) können durch ihren koaxialen Aufbau unabhängig voneinander eingestellt werden. Die zwischen Schweißstift (1) und Extruder (2) entstehende Reibung ermöglicht eine in der horizontalen Ebene ringförmige Plastifizierung des Massivdrahtes (4) um den Schweißstift (1) herum, wobei Schweißstift (1) und Extrusionskammer (3) auch zueinander entgegengesetzt gerichtet rotieren können. Durch ein Widerlager (6), erfolgt in Kombination mit der Geometrie des Schweißstiftes (1) eine gerichtete Extrusion des Zusatzwerkstoffes (4) in die Schweißnaht.
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Die Vorrichtung umfasst eine Extrusionskammer (3) mit einem optionalen Widerlager (6), das in einer vorteilhaften Ausgestaltung flexibel platziert werden kann (siehe 3). Dazu sind am inneren Umfang der kreisringförmigen Extrusionskammer (3) mehrere, verteilt angeordnete Steckplätze zur Aufnahme des Widerlagers (6) vorgesehen. Durch das Platzieren des optionalen Widerlagers (6) entlang einem dieser Steckplätze kann der Extrusionsweg vergrößert oder verkleinert werden, wodurch der Energieeintrag über die prozessseitigen Einstellgrößen hinaus zusätzlich verändert werden kann. Dies ist für die Verwendung von Zusatzwerkstoffen (4) mit anderen Eigenschaften (Werkstoff, Drahtdurchmesser, Plastifizerungstemperatur, etc.) sinnvoll.
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Im Vergleich zu bekannten Vorrichtungen zum Rührreibschweißen unter Zuführung von Zusatzwerkstoff weist die erfindungsgemäße Lösung eine Reihe von Vorteilen auf. Aufgrund der Entkopplung der Drehbewegungen des Extruders und des Schweißstiftes kann eine prozessunabhängige Extrusion des Zusatzwerkstoffes und damit eine Variation der Extrusionsgeschwindigkeit unabhängig vom Schweißprozess realisiert werden. Zudem kann der geförderte Zusatzwerkstoff unabhängig vom Schweißprozess eingestellt und die Förderleistung bei gleichbleibenden Schweißnahtqualitäten erhöht werden. Bei besonders weichen Zusatzwerkstoffen oder Zusatzwerkstoffen mit einer im Vergleich zum Substrat niedrigen Solidustemperatur kann die auf den Massivdraht einwirkende Energie anhand der optionalen Widerlager zusätzlich gedrosselt werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Schweißstift
- 2
- Extruder
- 3
- Extrusionskammer
- 4
- Zusatzwerkstoff (Massivdraht)
- 5
- stationäre Schuler
- 6
- Widerlager
- 7
- Setzsteine
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Literaturliste
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