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Bei elektronischen Lenksystemen in der Fahrzeugtechnik wird ein Lenkbefehl von einem Sensor, beispielsweise einem Lenkrad oder Joystick rein elektrisch an einen elektromechanischen Aktor auf eine Fahrzeugachse und/oder direkt auf die Räder des Fahrzeugs übertragen. Es besteht keine mechanische Kopplung zwischen den Rädern des Fahrzeugs und dem Lenkrad mehr. Das von herkömmlichen Fahrzeugen mit einer Lenksäule und damit einer mechanischen Verbindung zwischen den Rädern und dem Lenkrad bekannte Lenkgefühl mit einer Rückkopplung der Fahrbahnbeschaffenheit auf das Lenkrad kann durch ein sogenanntes Force-Feedback nachgebildet werden. Dazu kann beispielsweise ein Elektromotor ein der Lenkradbewegung entgegengesetztes Drehmoment am Lenkrad erzeugen, wenn das Lenkrad im Stillstand oder bei sehr geringen Fahrzeuggeschwindigkeiten oder rauen Fahrbahnbeschaffenheiten, d. h. bei einer hohen Reibung zwischen Rädern und Fahrbahn, eingeschlagen wird. Auch Vibrationen oder Stöße von den Rädern lassen sich motorisch nachbilden und auf ein Lenkrad oder einen Joystick übertragen.
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Aus der
DE 42 15 306 A1 ist es bekannt, das Drehmoment einer Welle durch deren Verformung zu messen. Dazu ist ein Dehnungstransformator vorgesehen, der die drehmomentabhängige Verformung der Welle mittels eines Messfühlers erfasst und in ein das Drehmoment repräsentierendes Signal umwandelt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Möglichkeit zu schaffen, auch kleinste Torsionen und Drehmomente an Wellen zu erfassen, wie für Lenksysteme, um eine möglichst realitätsgetreue Rückkopplung von den Rädern des Fahrzeugs zum Menschen, der das Fahrzeug steuert, zu erlauben und Fertigungsprozesse, Produktionsabläufe, Werkzeuge aller Art, Bewegungsabläufe zu optimieren, zu kontrollieren und zu sichern.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch eine Torsionsmesseinrichtung für Wellen, insbesondere für Wellen von Lenksystemen für Fahrzeuge, mit einer Wheatstone-Brücke, deren vier Widerstände auf einer ringförmigen Platine angeordnet sind, welche die Welle berührungslos umschließt und zwischen zwei Befestigungselementen eingespannt ist, die jeweils einen mit der Welle drehfest verbundenen Ringkörper aufweisen, von dem Tragarme abstehen, wobei die freien Enden der Tragarme des ersten Befestigungselements mit einer der Platinenoberflächen verbunden sind und die freien Enden der Tragarme des zweiten Befestigungselements mit der gegenüberliegenden Platinenoberfläche verbunden sind und wobei die Befestigungsstellen der Tragarme der beiden Befestigungselemente an der Platine einen Winkelversatz zueinander aufweisen.
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Die erfindungsgemäße Torsionsmesseinrichtung kann an Wellen mit beliebigem Querschnitt angebracht werden.
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Wird kein Drehmoment auf die Welle ausgeübt, erfährt diese keine Torsion und die Wheatstone-Brücke ist abgeglichen, d.h. die Diagonalspannung ist null. Wird dagegen ein Drehmoment auf die Welle ausgeübt, so entsteht zumindest bei Einleitung des Drehmoments eine Torsion in der Welle, die sich mittels der Befestigungselemente auf die Platine überträgt. Diese erfährt dadurch eine geringe Deformation, wodurch zwei der Widerstände gestaucht werden und die beiden anderen Widerstände eine Dehnung erfahren. Diese Längenänderungen führen zu einer Änderung des Widerstandwerts aller vier Widerstände und damit zu einer positiven oder negativen Diagonalspannung der Wheatstone-Brücke, die annähernd proportional zur Torsion der Welle ist. Die gemessene Diagonalspannung kann anschließend gefiltert und durch einen rauscharmen Operationsverstärker verstärkt werden. Dadurch lassen sich selbst kleinste Widerstandsänderungen und damit Torsionskräfte in der Welle messen.
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Vorzugsweise kann die Torsionsmesseinrichtung symmetrisch ausgebildet sein, d. h. die Tragarme der Befestigungselemente sind jeweils in einem vorgegebenen Winkelabstand von zueinander an dem Ringkörper angeordnet und die freien Enden der Tragarme von weiteren Befestigungselementen sind ebenfalls in einem vorgegebenen Winkelabstand an der Platine befestigt. Wenn außerdem der Winkelversatz der Befestigungsstellen der Tragarme eines ersten Befestigungselements und der Befestigungsstellen der Tragarme eines zweiten Befestigungselements 90° beträgt, kann sichergestellt werden, dass die Diagonalspannung der Wheatstone-Brücke direkt proportional zur Torsion der Welle ist.
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Auch die Ringkörper der beiden Befestigungselemente können zweckmäßigerweise im gleichen axialen Abstand zur Platine auf der Welle befestigt sein. Auf diese Weise können beide Befestigungselemente identisch ausgestaltet werden. Sie werden lediglich derart zueinander ausgerichtet, dass ihre Tragarme um 90° versetzt an der Platine angreifen.
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Weitere Vorteile ergeben sich, wenn die vier Widerstände der Wheatstone-Brücke jeweils mittig zwischen den Befestigungsstellen der Tragarme der beiden Befestigungselemente auf der Platine angeordnet sind. Diese Anordnung ermöglicht die höchste Messgenauigkeit, da in diesem Fall die Verformung der Platine bei einer Torsion der Welle gleichmäßig auf alle Widerstände übertragen wird. Die vier Widerstände der Wheatstone-Brücke sind dabei vorzugsweise identisch und erfahren bei einer Längendehnung eine Widerstandserhöhung und bei einer Stauchung eine Widerstandreduktion. Das Vorzeichen der gemessenen Diagonalspannung der Wheatstone-Brücke gibt an, in welcher Richtung, d. h. im oder entgegen dem Uhrzeigersinn die Torsion an der Welle auftritt.
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Die Wheatstone-Brücke ist bevorzugt und in an sich bekannter Weise derart ausgestaltet, dass jeweils zwei auf der Platine benachbart zueinander angeordnete Widerstände einen Spannungsteiler bilden und die Spannungsdifferenz zwischen den Spannungsteilern als Diagonalspannung gemessen wird.
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Die erfindungsgemäße Torsionsmesseinrichtung kann an beliebigen Wellen angeordnet werden. Bei einer bevorzugten Anwendung ist sie jedoch an einem Lenksäulenstumpf eines elektronischen Lenksystems (Steer-bywire) angeordnet. Am oberen Ende des Lenksäulenstumpfs kann ein Lenkrad angeordnet sein. Am unteren Ende des Lenksäulenstumpfs kann dagegen ein Motor angreifen, mit dem ebenfalls ein Drehmoment auf den Stumpf ausgeübt werden kann. Mit der Messeinrichtung lassen sich vom Lenkrad auf den Lenksäulenstumpf ausgeübte Torsionskräfte messen. Wenn der Lenksäulenstumpf einen Motor aufweist, mit dem ein der Lenkbewegung entgegengesetztes Drehmoment an dem Lenksäulenstumpf erzeugbar ist, kann die aus dem Einschlagen des Lenkrads resultierende Torsion abzüglich des vom Motor ausgeübten und entgegengesetzten Drehmoments am Lenksäulenstumpf gemessen werden.
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Ein weiterer Einsatzort der Messeinrichtung bei elektronischen Lenksystemen ist die Erfassung von Torsionen einer Welle eines Zahnradgetriebes des Lenksystems. Damit können von den Rädern des Fahrzeugs herrührende Torsionskräfte auf die Welle gemessen und durch ein Force-Feedback elektronisch mit Hilfe eines oben beschriebenen Elektromotors an einem Lenksäulenstumpf an ein Lenkrad des Fahrzeugs weitergegeben werden. Dem Fahrer wird dadurch ein Fahrgefühl vermittelt, das er von Fahrzeugen mit einer mechanischen Kopplung zwischen dem Lenkrad und den Rädern gewohnt ist.
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Verschiedenste Verwendungen der erfindungsgemäßen Torsionsmesseinrichtung erlauben beispielsweise die exakte Bestimmung von Arbeitsbewegungen, die Roboterarme ausführen. Wird ein Werkstück oder ein Gegenstand nur berührt oder in einer vorgegebenen Art und Weise erfasst, so können Vorgaben oder Zustände auch komplexer Art exakt erfasst werden. Bewegungsabläufe innerhalb einer Maschine oder Bewegungsabläufe von Robotern oder deren Arme können erfasst und notfalls gestoppt werden, wenn ein erfasstes Drehmoment eingestellte Vorgaben überschreitet.
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Ab-und Aufwicklungsvorgänge von Folienbahnen oder von beliebigem Bahnenmaterial können optimiert und das Produkt selbst von einer Überbeanspruchung geschützt werden, in dem man Kraftabläufe bei der Fertigung und der Lagerbereitstellung über auftretende Drehmomente und Torsionsspannungen erfasst.
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Produktionsabläufe, wie beispielsweise das Verschließen von Flaschen mit Drehverschlusskappen, können optimiert und die Qualitätssicherung erhöht werden.
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Bei minimalinvasiven Eingriffen in der Medizin lassen sich die dabei eingesetzten Instrumente gesicherter bewegen und die Operationssicherheit kann erhöht werden, wenn man die mechanische Belastung eines für die Operation ausgewählten Instrumentes erfassen kann.
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Leistungsmessungen an Fitnessgeräten und Fahrrädern werden ermöglicht und die Steuerung von elektrischen Antrieben bei Fahrrädern kann zur verbesserten Haltbarkeit und Reichweitenverlängerung genutzt werden. Eine Verwendung der erfindungsgemäßen Torsionsmesseinrichtung für Windkraftanlagen bietet sich an, um deren Auslastung und Belastung zu bestimmen. Weiterhin können Prüfstände und Maschinen aller Art überwacht und in optimalen Betriebszuständen gehalten werden, wenn man zulässige Torsionsbelastungen oder Drehmomente vorgibt und sie erfasst und auswertet.
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Im Folgenden wird ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Torsionsmesseinrichtung und ihr Einsatz an einem Fahrzeuglenksystem mit Bezug auf die Zeichnung näher beschrieben.
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Im Einzelnen zeigen:
- 1 eine perspektivische Ansicht einer Welle mit einer Torsionsmesseinrichtung;
- 2 eine Detailansicht der Torsionsmesseinrichtung aus 1;
- 3 eine Seitenansicht eines Lenksäulenstumpfs mit einer Torsionsmesseinrichtung nach 1;
- 4 eine perspektivische Ansicht eines Lenkgetriebes mit einer Torsionsmesseinrichtung nach 1.
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Die in 1 gezeigte Torsionsmesseinrichtung 10 für eine Welle 11 weist eine ringförmige gedruckte Leiterplatine 12 mit vier Widerständen R1, R2, R3 und R4 (2) auf, die in hier nicht gezeigter Weise durch gedruckte Leiterbahnen auf der Platine 12 zu einer Wheatstone-Brücke verschaltet sind. Die Platine 12 umgibt die Welle 11 ringförmig berührungslos und wird zwischen zwei Befestigungselementen 13, 14 gehalten. Die Befestigungselemente 13, 14 sind identisch ausgebildet und weisen jeweils einen Ringkörper 15, 16 auf, der drehfest mit der Welle 11 verbunden ist. Von den Ringkörpern 15, 16 stehen jeweils um 180° versetzt zueinander zwei Tragarme 17, 18 bzw. 19, 20 ab, deren freie Enden an Befestigungsstellen 21, 22, 23, 24 mit der Platine 12 verbunden sind, wie deutlicher aus 2 zu erkennen ist, in der das Befestigungselement 13 aus Übersichtlichkeitsgründen weggelassen wurde. Die zweite Befestigungsstelle 24 für die Tragarme 17, 18 des ersten Befestigungselements 13 ist in 2 durch die Welle 11 verdeckt. Sie liegt um 180° versetzt zur Befestigungsstelle 22. Die Befestigungsstelle 24 ist in der 2 über einen Pfeil angedeutet. Die Befestigungsstelle 24 liegt hinter der Welle 11.
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Der Winkelabstand zwischen den Befestigungsstellen 21 bis 24 beträgt jeweils 90°. Die vier identisch ausgebildeten und dehnungsempfindlichen Widerstände R1, R2, R3 und R4 sind jeweils in der Mitte zwischen zwei Befestigungsstellen 21, 22, 23, 24 angeordnet.
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Die Widerstände R4 und R1 sowie die Widerstände R2 und R3 bilden jeweils einen Spannungsteiler. Die Spannung zwischen diesen Spannungsteilern wird als Diagonal- oder Brückenspannung gemessen. Wird keine Torsionskraft auf die Welle 11 ausgeübt, ist die Brückenspannung null. Wird dagegen ein Drehmoment auf die Welle 11 eingeleitet, kommt es zu einem kleinen Winkelversatz zwischen den Ringkörpern 15, 16 der beiden Befestigungselemente 13, 14, der sich über die Tragarme 17 bis 20 auf die Platine 12 überträgt und zu einer Verformung der dünnen Platine 12 führt. Dadurch werden zwei gegenüberliegende Widerstände, beispielsweise die Widerstände R1 und R3 gedehnt und die Widerstände R2 und R4 gestaucht. Dies führt zu einer Widerstandsänderung in allen vier Widerständen R1 bis R4 und damit zu einer Spannungsdifferenz zwischen den Spannungsteilern und somit je nach Richtung des ausgeübten Drehmoments zu einer positiven oder negativen Diagonalspannung. Diese Spannung ist zumindest für kleine Torsionskräfte direkt proportional zu den Torsionskräften. Damit stellt die Torsionsmesseinrichtung eine sehr genaue Messmethode zur Erfassung kleiner Torsionskräfte in Wellen zur Verfügung.
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Die 3 und 4 zeigen bevorzugte Anwendungsfälle für die Torsionsmesseinrichtung 10 in einem elektronischen Lenksystem.
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In 3 ist die Torsionsmesseinrichtung 10 an einem Lenksäulenstumpf 30 eines elektronischen Lenksystems mit einer Kraftrückkopplung angeordnet. Am oberen Ende des Lenksäulenstumpfes ist ein Lenkrad 31 angeordnet, während das untere Ende des Lenksäulenstumpfes 30 von einem Kraftrückkopplungsmotor 32 mit einem integrierten Winkelsensor beaufschlagt ist. Dieser Motor 32 hat die Aufgabe, äußere, von der Fahrbahn herrührende Krafteinflüsse auf die Räder des Fahrzeugs über das Lenkrad 31 an den Fahrer weiterzugeben, um diesem ein möglichst realitätsgetreues Fahrgefühl zu vermitteln.
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4 zeigt einen Lenkmotor 40, der über eine Lenkwelle 41 und ein Zahnradgetriebe 42 die Lenkung der hier nicht gezeigten Räder eines Fahrzeugs veranlasst. Auch auf der Lenkwelle 41 ist eine Torsionsmesseinrichtung 10 vorgesehen.
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Wenn der Fahrer das Lenkrad 31, wie in 3 dargestellt, einschlägt, wird der Einschlagswinkel vom im Motor 32 integrierten Winkelsensor gemessen und der in 4 gezeigte Lenkmotor 40 entsprechend aktiviert, um die gewünschte Lenkung der Räder des Fahrzeugs vorzunehmen. Die Torsionsmesseinrichtung 10 auf der Lenkwelle 41 misst dabei die Torsion, die zwischen dem Lenkmotor 40 und dem Zahnradgetriebe 42 auftritt. Diese Torsion ist von der Fahrbahnbeschaffenheit und von der Fahrzeuggeschwindigkeit abhängig. Anschließend wird der Kraftrückkopplungsmotor 32 derart aktiviert, dass am Lenksäulenstumpf 31 zwischen dem Motor 32 und dem Lenkrad 31 ebenfalls eine Torsion entsteht, die einem Bruchteil der an der Lenkwelle 41 gemessenen Torsion entspricht. Die am Lenksäulenstumpf 31 auftretende Torsion wird dabei von der auf ihm angeordneten Torsionsmesseinrichtung 10 erfasst und an den Rückkopplungsmotor 32 für einen Soll-Ist-Abgleich weitergeleitet. Diese künstlich erzeugte Torsion im Lenksäulenstumpf 30 ermöglicht die Generierung eines realitätsgetreuen Fahrgefühls im Lenkrad 31.
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Eine Torsionsmesseinrichtung für Wellen, insbesondere für Wellen 11 von Lenksystemen für Fahrzeuge, mit einer Wheatstone-Brücke, deren vier Widerstände R1, R2, R3, R4 auf einer ringförmigen Platine 12 angeordnet sind, welche die Welle 11 berührungslos umschließt und zwischen zwei Befestigungselementen 13, 14 eingespannt ist, die jeweils einen mit der Welle 11 drehfest verbundenen Ringkörper 15, 16 aufweisen, von dem zwei Tragarme 17, 18; 19, 20 abstehen, wobei die freien Enden der Tragarme 17, 18 des ersten Befestigungselements 13 mit einer der Platinenoberflächen verbunden sind und die freien Enden der Tragarme 19, 20 des zweiten Befestigungselements 14 mit der gegenüberliegenden Platinenoberfläche verbunden sind und wobei die Befestigungsstellen der Tragarme 17, 18; 19, 20 der beiden Befestigungselemente 13, 14 an der Platine 12 jeweils einen Winkelversatz zueinander aufweisen.