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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines mit einer metallischen Korrosionsschutzschicht beschichteten, kaltgewalzten Stahlflachprodukts mit reduzierter Neigung zur Wasserstoffaufnahme während der Herstellung und Weiterverarbeitung sowie ein kaltgewalztes, schlussgeglühtes und mit einer metallischen Korrosionsschutzschicht beschichtetes Stahlflachprodukt.
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Es ist bekannt, dass atomarer Wasserstoff während der Verarbeitung von Stahl relativ leicht in den Werkstoff eindringen kann und im Metallgitter des Werkstoffs in hohem Maße beweglich ist. Der diffusible Wasserstoff lagert sich an Fehlstellen oder Korngrenzen im Metallgitter an. Als Folge tritt eine Versprödung des Metalls auf, die auch als Wasserstoffversprödung bezeichnet wird.
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Die Wasserstoffversprödung ähnelt einer Materialermüdung, da die Schädigung Zeit benötigt. Es kann in der Folge zu einer wasserstoffinduzierten Rissbildung kommen und es besteht die Gefahr eines verzögerten Sprödbruchs.
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Weiterentwicklungen des Leichtbaus beispielsweise für Karosserieanwendungen sind eng an die Steigerung des Einsatzes von höchstfesten AHSS (Advanced High Strength Steel)-Güten gekoppelt. Stähle dieser hohen Güten werden vielfach aus Korrosionsschutzgründen in verzinktem Zustand eingesetzt. Ein breiter Einsatz im Bereich von sicherheitsrelevanten Strukturen, die aus kaltumformen Stählen mit höchsten Festigkeiten gefertigt sind, findet aufgrund der ungeklärten Problematik der Wasserstoffversprödung jedoch noch nicht statt.
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Aus
EP 3 020 842 A1 ist bereits ein Stahlflachprodukt mit einer internen oberflächenangrenzenden Si- oder Mn-Oxidschicht bekannt. Die Dicke der Si- oder Mn-Oxidschicht beträgt 4 µm oder mehr. Die Dicke der Oxidschicht wird durch die Haspeltemperatur nach dem Warmwalzen eingestellt. Die Oxidschicht erhöht die Wasserstoffversprödungsresistenz des Stahlproduktes.
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DE 10 2008 057 151 A1 beschreibt ein Verfahren zum Herstellen eines elektrolytisch verzinkten hochfesten Stahls. Bei dem Verfahren werden die für die elektrolytische Verzinkung notwendigen Reinigungsschritte, die unter Einfluss von Strom ausgeführt werden, mit Wechselstrom durchgeführt. Durch den schnellen Wechsel der Polarisation kann der atomare, diffusible Wasserstoff an der Oberfläche des zu beschichtenden Stahlflachprodukts oxidiert und somit unschädlich gemacht werden.
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EP 3 027 784 B1 beschreibt einen siliziumhaltigen, mikrolegierten hochfesten Mehrphasenstahl mit einem Si-Gehalt von maximal 0,8 Gew.-%. Die Herstellung des Stahls umfasst optional ein Glühen des Warmbandes und ein Glühen des Kaltbandes.
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JP 2013 032582 A beschreibt ein hochfestes, kalgewalztes Stahlblech, das nach dem Warmwalzen innerhalb von 0,4 Sekunden einer Schockkühlung auf eine Temperatur von gleich oder unter 780°C ausgesetzt wird.
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EP 3 146 083 A1 beschreibt ein Stahlblech mit hohen mechanischen Eigenschaften, das zur Vermeidung einer Verringerung des Bainit-Anteils einen maximalen Mn-Gehalt von 1,4% aufweist.
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EP 3 219 821 A1 beschreibt ein hochfestes, galvanisiertes Stahlblech, welches beim Warmbandglühen auf eine Minimaltemperatur von Ac
1 - 20°C erwärmt wird.
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Eine der Erfindung zugrunde liegende Aufgabenstellung kann darin gesehen werden, ein hochfestes, verzinktes Stahlflachprodukt mit hoher Resistenz gegenüber Wasserstoffversprödung herzustellen und damit ein Produkt zu schaffen, dass insbesondere auch für den Einsatz für sicherheitsrelevante Strukturen für Karosserieanwendungen geeignet ist. Ferner zielt die Erfindung darauf ab, ein Verfahren zur Herstellung eines zinkbeschichteten Stahlflachprodukts mit hoher Wasserstoffversprödungsresistenz anzugeben.
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Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabenstellung wird durch ein Verfahren zur Herstellung eines mit einer metallischen Korrosionsschutzschicht beschichteten, kaltgewalzten Stahlflachprodukts mit reduzierter Neigung zur Wasserstoffaufnahme während der Herstellung und Weiterverarbeitung gelöst. Das Verfahren umfasst folgende Arbeitsschritte: Erschmelzen einer Stahlschmelze, die (in Gew.-%) enthält: C: 0,01 - 0,35%, Mn: 2 - 4%, Si: 0,5 - 2,5%, Nb: bis zu 0,2%, Ti: bis zu 0,2%, P: bis zu 0, 1%, Al: bis zu 1,5%, S: bis zu 0,01%, N: bis zu 0, 1%, sowie optional eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe Seltenerdmetalle, Mo, Cr, Zr, V, W, Co, Ni, B, Cu, Ca, mit Seltenerdmetalle: bis zu 0,2%, Mo: bis zu 1%, Cr: bis zu 3%, Zr: bis zu 1%, V: bis zu 1%, W: bis zu 1%, Co: bis zu 1%, Ni: bis zu 2%, B: bis zu 0,1%, Cu: bis zu 3%, Ca: bis zu 0,015%, der Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen; Vergießen der Stahlschmelze zu einem Vorprodukt; Warmwalzen des Vorprodukts zu einem Warmband, wobei die Warmwalzendtemperatur 820 - 1000°C beträgt; Haspeln des Warmbands zu einem Coil, wobei die Haspeltemperatur im Bereich der Raumtemperatur bis 750°C liegt; Glühen des Warmbands bei einer mehr als 400°C und bis zu 630°C betragenden Glühtemperatur über eine Glühdauer von 22 - 50 Stunden; Kaltwalzen des geglühten Warmbands zu einem kaltgewalzten Stahlflachprodukt in ein oder mehr Stufen mit einem Gesamt-Kaltwalzgrad von mindestens 45%; Schlussglühen des kaltgewalzten Stahlflachprodukts bei einer 650 - 920°C betragenden Schlussglühtemperatur über eine Glühdauer von 30 - 1500 Sekunden; und Aufbringen einer metallischen Korrosionsschutzschicht auf der Basis von Zink mittels elektrolytischen Verzinkens oder Schmelztauchverzinkens des kaltgewalzten und schlussgeglühten Stahlflachproduktes.
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Erfindungsgemäß wurde erkannt, dass eine wirksame Si-Schicht gegenüber Wasserstoffeindiffusion in das Metallgitter durch eine Kombination von Maßnahmen hergestellt werden kann, die sich sowohl auf die verwendete Stahlzusammensetzung als auch auf die Prozessführung (sogenannte „Route“) für die Herstellung des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts beziehen.
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Einem Ausgangspunkt der erfindungsgemäßen Überlegungen lag die Erkenntnis zugrunde, dass ein Wasserstoffeintrag in das Metallgitter auch noch nach dem Aufbringen der Korrosionsschutzschicht (Verzinken) in beachtlichem Maße stattfinden kann, und zwar insbesondere bei den nachgelagerten Prozessschritten der Phosphatierung und der kathodischen Tauchlackierung (KTL) . Diese Prozessschritte werden in der Regel erst beim Kunden durchgeführt, erhöhen jedoch noch „nachträglich“ die Wasserstoffkonzentration in dem Metallgitter und damit die Gefahr eines verzögerten Sprödbruchs. Mit der Erfindung wurde gefunden, dass mit einem relativ hohen Si-Gehalt von 0,5 - 2,0%, bevorzugt 0,7 - 2,5% sowie einer gezielten Durchführung eines Zwischenglühschrittes (Glühen des Warmbands) sowie eines Schlussglühschrittes des kaltgewalzten Stahlflachprodukts eine dünne Si-Anreicherungsschicht zwischen einer Oberfläche und dem Basismaterial des kaltgewalzten und schlussgeglühten Stahlflachproduktes erzeugt werden kann, deren maximaler Si-Gehalt um einen Faktor zwischen drei und acht höher als der Si-Gehalt des Basismaterials ist und deren Tiefe zwischen 10 nm und 1 µm, gemessen von der Oberfläche des Stahlflachproduktes, betragen kann.
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Diese Si-Anreicherungsschicht dient als wirksame Hemmschicht gegen das Eindiffundieren von atomarem Wasserstoff in das Metallgitter des Stahlflachproduktes. Die Schicht minimiert die Wasserstoffaufnahme bei allen Beladungsschritten nach ihrer Erzeugung, d.h. insbesondere beim Dekapieren, dem elektrolytischen Verzinken oder gegebenenfalls Schmelztauchverzinkens und bei den genannten nachfolgenden Verarbeitungsschritten (Phosphatierung, KTL), welche bisher hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Einlagerung von Wasserstoff in das Metallgitter nicht ausreichend beachtet wurden.
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Vorzugsweise wird das Glühen des Warmbands bei einer mehr als 430°C und bis zu 550°C, insbesondere mehr als 450°C und bis zu 520°C betragenden Glühtemperatur durchgeführt. Durch das Glühen des (ggf. gebeizten) Warmbands wird eine oberflächennahe initiale Si-Anreicherungsschicht erzeugt, deren Vorhandensein die spätere oberflächennahe Erhöhung des Si-Gehaltes (Si-Anreicherungsschicht), welche (erst) beim Schlussglühen des kaltgewalzten Stahlflachprodukts erzielt wird, begünstigt.
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Das Glühen des Warmbands wird vorzugsweise über eine Glühdauer von 24 - 40 Stunden durchgeführt. Es hat sich herausgestellt, dass insbesondere mit diesen Glühdauern eine geeignete initiale Si-Anreicherungsschicht bei Verwendung der oben genannten Si-Konzentrationen im Stahlflachprodukt erzielt werden kann.
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Längere Glühdauern gleich oder größer als 25 oder 27 oder 29 Stunden können vorteilhaft für die Ausbildung der initialen Si-Anreicherungsschicht sein.
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Der minimale Si-Gehalt der initialen Si-Anreicherungsschicht kann 20% oder mehr über dem Si-Gehalt des Basismaterials des Stahlflachprodukts liegen. Ferner kann die Tiefe der initialen Si-Anreicherungsschicht maximal 100 nm, insbesondere 80 nm, noch insbesondere 50 nm, 30 nm, 20 nm oder 10 nm, gemessen von der Oberfläche des Warmbands, betragen.
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Das Schlussglühen des kaltgewalzten Stahlflachprodukts kann über eine Glühdauer von 60 - 900 Sekunden durchgeführt werden. Bereits bei kurzen Glühdauer zwischen z. B. 60 und 180 Sekunden bildet sich im kaltgewalzten Stahlflachprodukt eine Si-Anreicherungsschicht zwischen einer Oberfläche und dem Basismaterial des kaltgewalzten und schlussgeglühten Stahlflachproduktes aus, die eine nachfolgende Wasserstoffeindiffusion wirksam hemmt.
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Der maximale Si-Gehalt der Si-Anreicherungsschicht kann um einen Faktor zwischen 3 und 8 höher als der Si-Gehalt des Basismaterials sein. Versuche haben gezeigt, dass vorzugsweise eine Erhöhung um einen Faktor zwischen 4 und 6 vorgesehen sein kann. Ferner kann die Tiefe der Si-Anreicherungsschicht maximal 1 µm, 500 nm, 300 nm, 100 nm, 80 nm, 50 nm, 30 nm oder 20 nm, gemessen von der Oberfläche des Stahlflachproduktes, betragen.
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Das elektrolytische Verzinken des kaltgewalzten und schlussgeglühten Stahlflachproduktes erfolgt mit Gleichstrom. Durch die Verwendung von Wechselstrom anstelle von Gleichstrom beim Dekapierschritt kann die Aufnahme von atomarem Wasserstoff in das Metallgitter des Stahlflachproduktes reduziert werden. Alternativ kann eine Schmelztauchverzinkung vorgenommen werden.
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Ein kaltgewalztes, schlussgeglühtes und beschichtetes Stahlflachprodukt weist die vorstehend in Bezug auf das erfindungsgemäße Verfahren angegebene Zusammensetzung an Elementen auf. Prozentangaben bezogen auf Materialzusammensetzungen sind in dieser Schrift stets Angaben in Gew.-%.
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Da der Si-Gehalt des Basismaterials des Stahlflachproduktes für die Ausbildung der Si-Anreicherungsschicht benötigt wird, beträgt der Si-Gehalt vorzugsweise zwischen 0,7% und 2,5%, bevorzugt 0,8% und 2,0%, insbesondere zwischen 1,2% und 2,0%. Je höher der Si-Gehalt des Basismaterials desto größer ist die maximale Konzentration von Si in der Si-Anreicherungsschicht (bei ansonsten gleichen Herstellungsparametern). Neben der erfindungsgemäßen Schichterzeugungsfunktion bewirkt Silizium auch eine Bindung von Sauerstoff beim Vergießen des Stahls.
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Vorzugsweise beträgt der C-Gehalt des Stahlflachproduktes zwischen 0,15% und 0,25%. Insbesondere kann der Kohlenstoffanteil unter dem für Dualphasenstähle vorgesehenen maximalen Grenzwert von 0, 23% liegen. Kohlenstoff (C) steigert in gelöster Form die Härtbarkeit des Stahls erheblich und ist damit unerlässlich für die Bildung einer ausreichenden Menge an Martensit, Bainit oder Karbiden. Zu hohe Kohlenstoffgehalte erhöhen jedoch den Härteunterschied zwischen Ferrit und Martensit und reduzieren die Schweißbarkeit.
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Vorzugsweise beträgt der Mn-Gehalt 2,25 - 3%. Mangan (Mn) erhöht durch Mischkristallverfestigung die Festigkeit des Stahlprodukts. Bei dem erfindungsgemäßen Stahl können relativ hohe Mn-Gehalte eingesetzt werden, ohne die Bildung der erfindungsgemäßen Si-Anreicherungsschicht an der Oberfläche des Stahlflachproduktes negativ zu beeinflussen.
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Aluminium (Al) bindet den im Eisen gelösten Sauerstoff und Stickstoff. Ferner verschiebt Al wie Si die Ferritbildung zu kürzeren Zeiten und ermöglicht so die Bildung von ausreichend Ferrit im Dualphasenstahl. Konventionell wird Al deshalb auch verwendet, um einen Teil des Si zu substituieren, da es als weniger kritisch für die Verzinkungsreaktion als Silizium beschrieben wird. Da jedoch erfindungsgemäß vergleichsweise hohe Si-Gehalte vorgesehen sind, kann Al vorzugsweise nur in geringen Konzentrationen unter 1,0%, 0,5%, insbesondere unter 0,1% eingesetzt werden.
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Vorteilhafte Zusammensetzungen betreffen ferner relativ geringe Konzentrationen der Metalle Niob (Nb), Titan (Ti), Chrom (Cr), Kobalt (Co), Nickel (Ni) und/oder Kupfer (Cu). Die folgenden Gehalte können beispielsweise vorgesehen sein: Nb: bis 0,1%, insbesondere bis 0,05%, Ti: 0,005 bis 0,1%, insbesondere 0,03 - 0,08%, Cr: bis zu 1% oder 0,5%, Co: bis zu 0, 1%, Ni: bis zu 0,1% und/oder Cu: bis zu 0,3% oder 0,2%.
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Insbesondere bei höheren Si-Gehalten (z.B. bei Si ≥ 0,8%) kann eine gezielte Zulegierung von Cu vorteilhaft sein, da dies zu weniger Fayalit-Zunder führt. Beispielsweise kann der Gehalt an Cu gleich oder größer als 0,05% oder 0,08% oder 0,1% oder 0,15% sein, wobei mit steigendem Cu-Gehalt das Entstehen von fayalitischem Zunder zunehmend unterbunden wird.
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Bei einem maximalen N-Gehalt von 0,1% tritt bereits ein unerwünschtes Aufsticken (Nitrieren) des Stahls ein. Der N-Gehalt kann vorteilhafter Weise gleich oder kleiner als 0,01% sein. Noch geringere Gehalte an N sind möglich, beispielsweise gleich oder kleiner als 0,007% oder 0,005% oder 0,004%.
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Beispiele und Ausführungsmöglichkeiten der Erfindung werden nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnungen näher erläutert.
- 1 zeigt in schematischer Darstellung eine Prozessfolge für die Herstellung eines erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes.
- 2 zeigt ein Schaubild, in welchem der Si-Gehalt im Stahlflachprodukt vor der Warmbandglühung in Abhängigkeit von der Entfernung von der Oberfläche des Stahlflachproduktes für ein Basismaterial mit einem Si-Gehalt von 1,45% dargestellt ist.
- 3 zeigt ein Schaubild, in welchem der Si-Gehalt im Stahlflachprodukt nach der Warmbandglühung und vor dem Kaltwalzen in Abhängigkeit von der Entfernung von der Oberfläche des Stahlflachproduktes für ein Basismaterial mit einem Si-Gehalt von 1,45% dargestellt ist.
- 4 zeigt ein Schaubild, in welchem der Si-Gehalt im Stahlflachprodukt des Fertigmaterials (d.h. nach der Schlussglühung) in Abhängigkeit von der Entfernung von der Oberfläche des Stahlflachproduktes für ein Basismaterial mit einem Si-Gehalt von 1,45% dargestellt ist.
- 5 zeigt ein Schaubild, in welchem der Si-Gehalt im Stahlflachprodukt des Fertigmaterials (d.h. nach der Schlussglühung) in Abhängigkeit von der Entfernung von der Oberfläche des Stahlflachproduktes für ein Basismaterial mit einem Si-Gehalt von 0,02% dargestellt ist.
- 6 zeigt ein Schaubild, in welchem die Wasserstoffaufnahme bei Durchführung eines Dekapierschrittes beim elektrolytischen Verzinken in Abhängigkeit von der Zeitdauer des Dekapierschrittes für ein Stahlflachprodukt mit unterschiedlichen Si-Gehalten dargestellt ist.
- 7 zeigt ein Schaubild, in welchem die mittlere Zeitdauer bis zum Bruch eines Stahlflachprodukts gegenüber einer Beladungszeitdauer beim Dekapieren für unterschiedliche Si-Gehalte eines Stahlflachprodukts dargestellt ist.
- 8 zeigt ein Schaubild, in welchem der mittlere Wasserstoffgehalt bei einem Korrosionstest gegenüber Korrosionszeitdauern von 0 bis 6 Wochen für ein gestrecktes Stahlflachprodukt für unterschiedliche Si-Gehalte aufgetragen ist.
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Die im Folgenden anhand von 1 erläuterten Prozessschritte sind lediglich beispielhaft und können durch andere oder ähnliche Prozessschritte ersetzt oder ergänzt werden. Insbesondere können zwischen den im Folgenden beschriebenen Prozessschritten weitere Prozesse vorgesehen sein, auf die in dieser Beschreibung nicht näher eingegangen wird.
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Ausgangspunkt der Stahlerzeugung ist ein Hochofenprozess 1, in welchem eine Stahlschmelze erschmolzen wird.
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Nach einer in 1 nicht dargestellten Nachbehandlung des Stahls (Sekundärmetallurgie) weist die Stahlschmelze eine Zusammensetzung innerhalb der vorstehend angegebenen Bereiche auf.
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Anschließend erfolgt ein Vergießen 2 des Stahls, mit welchem Vorprodukte, beispielsweise sogenannte Walzbarren, hergestellt werden.
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Optional kann nach dem Vergießen ein Durcherwärmen oder Halten der Vorprodukte auf einer 1000 - 1300°C, bevorzugt 1150 - 1250°C betragenden Vorwärmtemperatur vorgesehen sein.
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Die beim Vergießen 2 der Stahlschmelze (beispielsweise Strangguss) hergestellten (und gegebenenfalls vorgewärmten) Vorprodukte werden anschließend in einer Walzstation 3 warmgewalzt. Das Warmwalzen erfolgt bei einer Walzendtemperatur zwischen 820 - 1000°C, bevorzugt 840 - 920°C.
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Nach der Herstellung des Warmbandes kann optional ein Beizen des Warmbandes in Station 4 durchgeführt werden. Durch das Beizen werden die durch das Warmwalzen entstandenen Oberflächenoxide (auch als Zunder oder Abbrand bezeichnet) entfernt. Der im Zunder gelöste Sauerstoff würde den Aufbau der initialen Si-Anreicherungsschicht stören.
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Nach dem Warmwalzen und gegebenenfalls dem Beizen des Warmbandes wird das Warmband in Station 5 zu einem Coil gehaspelt. Die Haspeltemperatur kann über einen weiten Bereich variieren und beispielsweise von Raumtemperatur bis zu etwa 750°C, bevorzugt 450 bis 700°C betragen. Es ist auch möglich, das Warmband zuerst zu einem Coil zu haspeln und dann zu beizen.
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Das zu einem Coil gewickelte und ggf. gebeizte Warmband wird dann geglüht, d.h. nochmals erwärmt. Das Glühen des Warmbandes wird in einer Warmbandglühstation 6 am gewickelten Coil bei einer mehr als 400°C und bis zu 630°C, beispielsweise zwischen 450°C und 600°C betragenden Glühtemperatur durchgeführt. Die Glühdauer liegt im Bereich von 22 bis 50 Stunden, bevorzugt 24 oder 27 bis 40 Stunden.
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Durch die obere Grenze von 630°C wird gewährleistet, dass ein homogenisiertes Warmband hergestellt wird, d.h. es wird eine mögliche Austenitisierung in eventuell durch Mn und C angereicherten Bereichen vermieden. Ein während des Glühprozesses teilaustenitisiertes Material würde die Ausbildung einer homogenen, initialen Si-Anreicherungsschicht behindern, da die Diffusion von Si im austenitischen Gitter (kfz-Eisen) wesentlich langsamer abläuft als im Ferrit-Gitter (krz-Eisen).
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Mit anderen Worten wäre die Ausbildung einer einheitlichen, durchgängigen initialen Si-Anreicherungsschicht bei Vorhandensein von Austenit aufgrund der wesentlich schlechteren Diffusion von Si in Austenit (kfz-Eisen) nicht mehr möglich. Si würde sich bevorzugt in der ferritischen Phase anreichern. Ein durchgängiger oberflächennaher Bereich mit einer initialen Si Anreicherung im notwendigen Umfang lässt sich dabei nicht einstellen. Daher muss die Glühtemperatur <630°C sein um eine krz-Eisengittermatrix zu garantieren.
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Ein weiterer Effekt, der niedrigere Glühtemperaturen bevorzugt, besteht darin, dass bei den hier eingesetzten relativ hohen Mn-Konzentrationen ein gewisses Maß an Korngrenzen-Oxiden im oberflächennahen Bereich vorhanden ist. Bei höheren Warmband-Glühtemperaturen kann MnO durch an die Korngrenzen diffundierendes Si reduziert werden, wodurch sich SiO2 und Mn entlang von Korngrenzen bilden. Damit fehlt das Si wiederum für die Anreicherung in Oberflächennähe, d.h. für die Ausbildung einer einheitlichen, durchgängigen initialen Si-Anreicherungsschicht. Bei Warmband-Glühtemperaturen gleich oder unterhalb von 600°C (und vorzugsweise unterhalb von 550°C oder 530°C oder 520°C) ist dieser unerwünschte Effekt jeweils deutlich geringer.
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Es hat sich herausgestellt, dass durch Anwendung von niedrigeren Glühtemperaturen auch die Anlassversprödung wirksam reduziert bzw. unterbunden werden kann. Bei einer Warmband-Glühtemperatur von etwa 530°C tritt bereits eine deutliche Anlassversprödung auf, die die weitere Bearbeitung des Stahlbandes beeinträchtigen kann. Insbesondere verschlechtert die Anlassversprödung die Eignung des Stahlbandes für das Kaltwalzen und erhöht die Neigung zu Kantenrissen während der Produktion des walzharten Kaltbandes.
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Die Anlassversprödung ist auf die Segregation von Phosphor (P) an den Korngrenzen zurückzuführen und wird daher auch als Phosphorversprödung bezeichnet. Je geringer die Warmbandglühtemperatur (z.B. gleich oder weniger als 530°C, 520°C, 500°C, 480°C, 450°C), desto geringer ist die Anlassversprödung und desto robuster ist das Warmband gegenüber längeren Glühdauern.
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Hintergrund ist, dass Mn und Si die Segregation von P an den Korngrenzen anregt, d.h. die Anlassversprödung bei dem hier beschriebenen Mn- und Si-reichen Stahl vergleichsweise kritisch ist. Das Material wird spröder und im Bereich von etwa 550°C scheint es ein Maximum an Versprödung des Warmbandes zu geben. Ein besonders günstiger Temperaturbereich für die Warmbandglühung liegt daher zwischen etwa 420°C und 500°C. Im Temperaturbereich oberhalb von 550° wird die Anlassversprödung mit steigender Warmbandglühtemperatur wieder unkritischer, da mit einsetzender Teilaustenitisierung neue Korngrenzen ausgebildet werden.
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Das Warmbandglühen wird vorzugsweise in einer nicht oxidierenden und/oder reduzierenden Glühatmosphäre durchgeführt. Dadurch wird gewährleistet, dass das Si der initialen Si-Anreicherungsschicht nicht oxidiert bzw. reduziert wird. Durch eine Oxidation des Si würde dieses für die folgenden Prozessschritte nicht mehr zur Verfügung stehen.
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Als Glühatmosphäre kann beispielsweise eine Wasserstoffgasatmosphäre eingesetzt werden, die nicht-oxidierend und reduzierend gegenüber Si wirkt. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Stickstoffgas, welches eine Oxidation von Si unterbindet.
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Die Warmbandglühung wird vorzugsweise durch eine Haubenglühung durchgeführt, wodurch die Glühatmosphäre gezielt vorgegeben werden kann und die verhältnismäßig langen Glühdauern und eine gleichmäßige Temperaturverteilung kosteneffizient erzielt werden können.
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Das Glühen des Warmbandes ist ein für die spätere Ausbildung der erfindungsgemäßen Si-Anreicherungsschicht notwendiger Prozessschritt. Wie im Folgenden noch näher erläutert wird hat sich gezeigt, dass bei der Warmbandglühung (zunächst) eine initiale Si-Anreicherungsschicht in Oberflächennähe des Warmbandes erzeugt wird, die für die spätere Si-Umverteilung in Oberflächennähe zur Ausbildung der dünnen, wasserstoffdiffusionshemmenden Si-Anreicherungsschicht benötigt wird.
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Die Si-Anreicherung in oberflächennahen Regionen des Warmbandes zur Ausbildung der initialen Si-Anreicherungsschicht ist abhängig sowohl von der Glühdauer als auch von der Glühtemperatur beim Warmbandglühen. Die Warmbandglühtemperatur (Temperatur des Glühofenraums) liegt zwischen 400°C und 630°C und kann insbesondere gleich oder größer oder kleiner als 420°C, 430°C, 450°C, 480°C, 500°C, 520°C, 530°C, 550°C, 580°C, 600°C, 610°C und 620°C betragen. Die Glühdauer (Gesamtglühzeit) kann insbesondere gleich oder kleiner oder größer als 23 Stunden, 24 Stunden, 30 Stunden, 35 Stunden, 40 Stunden oder 45 Stunden sein. Bei niedrigeren Warmbandglühtemperaturen können kürzere Glühdauern (Aufheizen, Halten, Abkühlen) verwendet werden, da sich die Aufheiz- und Abkühlphasen verkürzen.
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Im Prozessweg hinter dem Glühen des Warmbandes erfolgt in einer Walzstation 7 ein Kaltwalzen des geglühten Warmbandes. Der Gesamt-Kaltwalzgrad kann mindestens 45% betragen oder darüber liegen, z.B. gleich oder größer als 50%, 55%, 60% oder 65% sein.
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Nach dem Kaltwalzen wird das kaltgewalzte Stahlflachprodukt bei einer Schlussglühtemperatur zwischen 650°C bis 920°C schlussgeglüht. Das Schlussglühen wird in einer Schlussglühstation 8, beispielsweise einem Durchlaufglühofen, durchgeführt. Insbesondere kann der Schlussglühschritt bei einer Temperatur gleich oder größer oder kleiner als 700°C, 750°C, 800°C, 850°C oder 900°C durchgeführt werden.
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Auch das Schlussglühen kann in einer nicht-oxidierenden bzw. reduzierenden Glühatmosphäre erfolgen, wobei hinsichtlich der Schutzgase auf die Ausführungen zum Warmbandglühen Bezug genommen wird.
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Die Glühdauer des Schlussglühschrittes beträgt zwischen 30 und 1500 Sekunden (s). Die Glühdauer des Schlussglühschrittes kann insbesondere zwischen 60 s und 900 s liegen, wobei auch Glühdauern gleich oder kleiner oder größer als 120 s, 180 s, 240 s oder 300 s gewählt werden können.
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Mit dem Schlussglühschritt kann einerseits eine Rekristallisierung des Stahlflachproduktes erreicht werden. Zum anderen bildet sich bei einem Stahlflachprodukt mit der erfindungsgemäßen Zusammensetzung und der erfindungsgemäßen Prozessabfolge, insbesondere dem erforderlichen Glühen des Warmbandes in der Warmbandglühstation 6, eine (finale) Si-Anreicherungsschicht zwischen einer Oberfläche und einem Basismaterial des kaltgewalzten und schlussgeglühten Stahlflachproduktes aus. Die Tiefe der Si-Anreicherungsschicht, gemessen von der Oberfläche des Stahlflachproduktes, beträgt zwischen 10 nm und 1 µm. Tiefenprofile der Si-Anreicherungsschicht werden später im Zusammenhang mit 4 näher betrachtet. Wenn im Folgenden von „Si-Anreicherungsschicht“ gesprochen wird, ist stets diese finale Si-Anreicherungsschicht nach der Schlussglühung gemeint.
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Auch beim Schlussglühen ist somit die Diffusionsfähigkeit von Si im Eisengitter für die Ausbildung der Si-Anreicherungsschicht zu beachten. Da bei niedrigeren Schlussglühtemperaturen mehr ferritische Anteile im Eisengitter vorhanden sind, sind niedrige Schlussglühtemperaturen für die Ausbildung der Si-Anreicherungsschicht vorteilhaft.
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Nach dem Schlussglühschritt und der dabei erfolgten Ausbildung der oberflächennahen bzw. oberflächenangrenzenden Si-Anreicherungsschicht wird das kaltgewalzte und schlussgeglühte Stahlflachprodukt mit einer metallischen Korrosionsschutzschicht auf der Basis von Zink überzogen.
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Erfindungsgemäß kann das Verzinken mittels eines elektrolytischen Verzinkungsprozesses (ELO) in einer elektrolytischen Verzinkungsstation 9 erfolgen. Vor dem eigentlichen galvanischen Beschichtungsprozess erfolgt eine Vorbehandlung (nicht dargestellt) des Stahlflachproduktes. Die Vorbehandlung kann verschiedene mechanische Reinigungsschritte, wie beispielsweise Bürstenentfettung und dergleichen, beinhalten. Ferner wird üblicherweise ein elektrolytischer Dekapierschritt durchgeführt, der eine anodische Eisenauflösung und Resteentfernung beinhaltet. Bei dem elektrolytischen Dekapierschritt, der beispielsweise mit Wechselstrom durchgeführt werden kann, findet bereits eine kathodische Beladungsreaktion statt, die ein erhöhtes Risiko der Wasserstoffaufnahme in das Metallgitter bewirkt.
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Nach dem elektrolytischen Dekapierschritt erfolgt die eigentliche Verzinkung des Stahlflachprodukts in der Galvanik, die sich in der Verzinkungsstation 9 befindet. Die Verzinkung kann einseitig oder beidseitig erfolgen. Sie kann am kontinuierlichen Stahlband durchgeführt werden und beispielsweis mit einer Behandlungsgeschwindigkeit von 10 bis 200 m/min, bevorzugt 80 bis 140 m/min erfolgen.
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Auch der Prozess des Verzinkens bewirkt eine kathodische Beladungsreaktion, die eine Wasserstoffaufnahme in das Metallgitter zur Folge haben kann. Bei herkömmlichen Stahlflachprodukten ohne die erfindungsgemäße Ausbildung einer Si-Anreicherungsschicht an der Oberfläche des Stahlflachproduktes hat sich gezeigt, dass bei dem elektrolytischen Verzinken je nach Anlagenfahrweise bis zu 0,3 ppm diffusibler Wasserstoff (isotherm gemessen bei 350°C) in das Metallgitter aufgenommen werden kann.
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Alternativ zum elektrolytischen Verzinken ist auch eine Schmelztauchverzinkung möglich.
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Dem eigentlichen Verzinken (Galvanik oder Schmelztauchverzinken) schließt sich in der Regel eine Nachbehandlung des verzinkten Stahlflachproduktes an, die in 1 nicht dargestellt ist und beispielsweise ein Phosphatieren, ein Passivieren und/oder ein Ölen des Stahlflachproduktes umfassen kann. Auch diese Prozessschritte können eine weitere Beladung mit Wasserstoff und das Risiko eines Eindringens desselben in das Metallgitter des Stahlflachproduktes mit sich bringen.
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Die Wasserstoffaufnahme beim Verzinken (Vorbehandlung, Galvanik oder Schmelztauchverzinken, Nachbehandlung) sollte so gering wie möglich sein, da durch die deckende Zinkschicht die spätere Effusion von Wasserstoff deutlich reduziert wird. Es wurde jedoch erkannt, dass trotz der Zinkschicht auch noch durch nachfolgende Verarbeitungsschritte beim Kunden eine nachträgliche Wasserstoffaufnahme in ein (verzinktes) Stahlband auftreten kann. Beispielsweise werden bei der kathodischen Tauchlack-Aufbringung (KTL) sowie bei einer gegebenenfalls nochmals stattfindenden Phosphatierung beim Kunden ebenfalls Prozesse durchgeführt, die ein Eindringen von Wasserstoff in das Metallgitter ermöglichen. Bei einer Verweilzeit von etwa 10 Minuten in einer Tauchlack-Vorbehandlung und in einem KTL-Bad wurde bei einem Stahlflachprodukt ohne die erfindungsgemäße Si-Anreicherungsschicht eine Wasserstoffaufnahme von bis zu 0,2 ppm (bei einer Aufheizrate von 20 K/s auf 900°C) in das Metallgitter gemessen.
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Anhand der 2 bis 5 wird die erfindungsgemäße Ausbildung einer oberflächenangrenzenden bzw. oberflächennahen Si-Anreicherungsschicht zur Hemmung oder Verzögerung des Eindiffundierens von Wasserstoff in das Basismetall des Stahlflachprodukts veranschaulicht.
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2 zeigt das Siliziumprofil (in Gew.-%) in Abhängigkeit von der Tiefe gemessen von der Oberfläche des Warmbands vor der Warmbandglühung. Der Si-Gehalt des Warmbands (bzw. der Stahlschmelze, aus welcher das Warmband hergestellt wird) betrug 1,45%. 2 zeigt, dass ein verhältnismäßig konstantes oder gleichmäßiges Siliziumprofil gegenüber der Tiefe vorhanden ist.
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Insbesondere zeigt 2 den Zustand des Warmbands nach dem Beizen 4 und dokumentiert, dass im Prozessweg vorhergehende Glühungen keine Si-Anreicherung an der Oberfläche des gebeizten Warmbandes verursachen.
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3 zeigt den Verlauf des Si-Gehalts (Siliziumprofil) nach der Warmbandglühung. Die Figur macht deutlich, dass eine signifikante initiale Si-Anreicherungsschicht zwischen der Oberfläche und einem Basismaterial des geglühten Warmbandes erzeugt wurde. Es hat sich gezeigt, dass ein maximaler Si-Gehalt der initialen Si-Anreicherungsschicht beispielsweise 20% oder mehr über dem Si-Gehalt des Basismaterials liegt. Die initiale Si-Anreicherungsschicht weist in dem hier dargestellten Beispiel eine Schichtdicke von etwa 10 nm, gemessen von der Oberfläche, auf. Es hat sich gezeigt, dass Schichtdicken gleich oder kleiner als 100 nm, 80 nm, 50 nm, 40 nm, 30 nm oder 20 nm möglich sind.
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4 zeigt das Siliziumprofil (Verlauf des Si-Gehalts) im Fertigmaterial, d.h. nach der Schlussglühung des kaltgewalzten Stahlflachproduktes. Dargestellt sind die Siliziumprofile von zwei Stahlflachprodukten mit identischem Si-Gehalt von 1,45%, wobei die Kurven 4_1a und 4_1b ein erstes Stahlflachprodukt gemessen von der Oberseite (Index a) bzw. von der Unterseite (Index b) betreffen und die Kurven 4_2a und 4_2b ein zweites Stahlflachprodukt bezeichnen, von welchem ebenfalls Messungen an der Oberseite (Index a) und an der Unterseite (Index b) vorgenommen wurden. Erkennbar ist, dass in allen Fällen eine deutliche Ausbildung einer Si-Anreicherungsschicht in Oberflächennähe stattgefunden hat. Die Si-Anreicherungsschicht kann eine größere Tiefe als die initiale Si-Anreicherungsschicht aufweisen. Die Tiefe der Si-Anreicherungsschicht beträgt in den hier dargestellten Beispielen etwa 0,06 µm (d.h. 60 nm), wobei sowohl größere Schichtdicken, beispielsweise gleich oder kleiner als 500 nm, 300 nm, 200 nm, 150 nm, 100 nm, 80 nm, oder auch kleiner Schichtdicken gleich oder kleiner als 50 nm, 30 nm oder 20 nm auftreten können.
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4 zeigt, dass eine Anreicherung des Si-Gehalts um mehr als den Faktor 4 im Vergleich zum Si-Gehalt des Basismaterials möglich ist. Der maximale Si-Gehalt der Si-Anreicherungsschicht kann beispielsweise um einen Faktor 3, 4, 5, 6, 7 oder 8 größer als der Si-Gehalt des Basismaterials des kaltgewalzten und schlussgeglühten Stahlflachproduktes sein. Die Si-Anreicherungsschicht kann einen größeren Si-Anreicherungsfaktor (Verhältnis aus maximalem Si-Gehalt und Si-Gehalt des Basismaterials) als die initiale Si-Anreicherungsschicht aufweisen.
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5 zeigt beispielhaft das Siliziumprofil eines Werkstoffs mit einem Si-Gehalt von weniger als 0, 02% im Fertigmaterial, d.h. wie in 4 nach der Schlussglühung. 5 verdeutlicht, dass sich bei diesem nicht-erfindungsgemäßen Material keine wirksame Si-Anreicherungsschicht herausbildet, da die Si-Konzentration im Basismaterial hierfür offensichtlich nicht ausreichend hoch ist.
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6 dokumentiert die Wirksamkeit der erfindungsgemäßen Lösung. Aufgetragen ist der mittlere Wasserstoffgehalt im Metallgitter in ppm gegenüber der Beladungszeitdauer beim Dekapierschritt, der, wie bereits beschrieben, beim elektrolytischen Verzinken in der Verzinkungsanlage 9 durchgeführt wird. Die Messungen wurden an Stahlflachprodukten mit unterschiedlichen Si-Gehalten (ohne Si, 0,85% Si, 1,5% Si) durchgeführt.
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6 zeigt, dass die Wasserstoffaufnahme mit steigender Beladungszeitdauer generell zunimmt. Dies gilt sowohl für Beladungszeitdauern im Bereich von 6 bis 180 Sekunden, welche realistische Zeitdauern für die Praxis sind (angestrebt werden insbesondere kurze Beladungszeitdauern zwischen 6 und 100 Sekunden, nach Möglichkeit kürzer als 80, 60, 40, 20 Sekunden), als auch für längere Beladungszeitdauern, bei denen der Wasserstoffeintrag in das Metallgitter weiterhin kontinuierliche zunimmt. Die 6 verdeutlicht, dass bei der hier gewählten Prozessführung ein Si-Gehalt von 0,85% für kürzere Beladungszeitdauern die Wasserstoffaufnahme nicht wirksam unterbindet, während bei längeren Beladungszeitdauern auch dieser relativ niedrige Si-Gehalt den Eintritt von diffusiblen Wasserstoff in das Metallgitter deutlich hemmt. Die bei einem Si-Gehalt von 1,5% gebildete Si-Anreicherungsschicht ermöglicht indes auch schon bei kürzeren Beladungszeitdauern eine sehr wirksame Unterdrückung der Wasserstoffaufnahme beim Dekapierschritt.
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Es wird darauf hingewiesen, dass die Schichtdicke der Si-Anreicherungsschicht im Fertigmaterial nicht allein von dem Si-Gehalt, sondern auch von der Prozessführung bei der Herstellung des Stahlflachproduktes abhängig sein kann, insbesondere von der Prozessführung beim Warmbandglühen und von der Prozessführung beim Schlussglühen des kaltgewalzten Stahlflachproduktes . Insofern kann ein im Rahmen der Erfindung relativ niedriger Si-Gehalt von 0,85% gegebenenfalls auch schon bei kürzeren Beladungszeitdauern eine gewisse Wirksamkeit gegenüber dem Eindringen von Wasserstoff zeigen. 6 zeigt andererseits, dass jedenfalls bei höheren Si-Gehalten die Wirksamkeit der erfindungsgemäßen Si-Anreicherungsschicht deutlich - und insbesondere auch schon bei geringen Beladungszeitdauern - zunimmt. Insofern kann der Si-Gehalt vorzugsweise gleich oder größer als 0,5%, 0,6%, 0,7%, 0,8%, 0,9%, 1,0%, 1,1%, 1,2%, 1,3%, 1,4%, 1,5%, 1,6%, 1,7%, 1,8% oder 1,9% sein.
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Zwar bezieht sich die 6 auf die Beladungszeitdauer des Dekapierschrittes, es ist jedoch davon auszugehen, dass bei anderen Prozessen, bei denen ebenfalls eine Beladung mit Wasserstoff auftritt, ein ähnliches Verhalten auftreten wird. Das heißt, dass die erfindungsgemäße Si-Anreicherungsschicht auch bei anderen Beladungsprozessen den Eintritt von Wasserstoff in das Metallgitter wirksam verzögern oder hemmen kann.
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7 dient ebenfalls zur Veranschaulichung der Wirksamkeit der hier beschriebenen erfindungsgemäßen Lösung. Dargestellt ist die mittlere Zeitdauer bis zum Bruch einer Stahlflachprodukt-Probe in Stunden (h) gegenüber der Beladungszeitdauer in Sekunden (s) . Das Schaubild verdeutlicht, dass bei relativ geringen Beladungszeitdauern von 6 und 30 Sekunden noch kein Einfluss (bei den betrachteten Belastungszeitdauern) auf das Bruchverhalten der Stahlflachprodukt-Proben feststellbar ist. Bei höheren Beladungszeitdauern ab 180 Sekunden und mehr zeigt sich, dass die Stahlflachprodukt-Probe mit einer Si-Anreicherungsschicht basierend auf einem Si-Gehalt von 1,5% eine wesentlich bessere Bruchfestigkeit als die Vergleichsproben zeigt. Zurückzuführen ist dies, wie bereits beschrieben, auf die Barrierewirkung der Si-Anreicherungsschicht gegenüber dem Eintritt von diffusiblen Wasserstoff in das Metallgitter.
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Nachgewiesen wurde die Wirksamkeit der erfindungsgemäßen Si-Anreicherungsschicht gegenüber Beladungsprozessen beim elektrolytischen Verzinken (insbesondere beim Dekapierschritt) . Wie bereits erwähnt kann trotz der Schutzwirkung der Zinkschicht auch bei nachgeschalteten Kundenprozessen eine zusätzliche signifikante Aufnahme von Wasserstoff in den Stahl stattfinden. Es wird daher davon ausgegangen, dass die in den 6 und 7 dargestellten Schutzeigenschaften der dünnen Si-Anreicherungsschicht auch bei nachgeschalteten Kundenprozessen wirksam sind. Die erfindungsgemäße Si-Anreicherungsschicht ermöglicht somit auch einen Schutz des verzinkten Stahlflachproduktes vor wasserstoffinduzierter Rissbildung aufgrund von Beladungsprozessen, die außerhalb des Einflussbereichs des Stahlherstellers stattfinden.
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Dies wird anhand 8 verdeutlicht. 8 zeigt den mittleren Wasserstoffgehalt (in ppm) beim zyklischen Korrosionstest VDA 233-102 an verzinkten und auf Gleichmaßdehnung vorgestreckten Proben über Korrosionszeitdauern von 0 bis 6 Wochen. Mit dem Test VDA 233-102 lässt sich das Korrosionsverhalten von Werkstoffen und Bauteilen sowie der Korrosionsschutz durch Beschichtungssysteme mit einem zeitraffenden Testverfahren ermittelt. D.h., der Korrosionstest VDA 233-102 simuliert das Korrosionsverhalten von den Proben entsprechenden verzinkten und gestreckten Stählen, wie sie beispielsweise in der Automobilindustrie eingesetzt werden. Es ist erkennbar, dass die Proben mit höherem Si-Gehalt eine verringerte Wasserstoffaufnahme zeigen, und zwar auch nach relativ langer Zeit. Nach der ersten Korrosionswoche des Tests scheint keine signifikante Wasserstoffaufnahme mehr stattzufinden.
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Beispiele
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Tabelle 1 zeigt Stahlzusammensetzungen (Legierungen: LG) Nr. 1 bis 6. Die Legierungen 1 bis 5 sind erfindungsgemäße Legierungen, während die Legierung 6 aufgrund zu geringen Si-Gehalts nicht erfindungsgemäß ist. Der Restgehalt besteht in allen Fällen aus Eisen sowie den unvermeidbaren Verunreinigungen, gegebenenfalls auch aus zuvor genannten optionalen Elementen. Tabelle 1
LG | C | Mn | Si | Nb | Ti | P | S | Al | N | Cr | Cu |
1 | 0,19 | 2,3 | 1,45 | 0,002 | 0,003 | 0,09 | 0,03 | 0,04 | 0,04 | - | - |
2 | 0,2 | 2,25 | 0,9 | 0,003 | 0,002 | 0,08 | 0,02 | 0,045 | 0,05 | - | - |
3 | 0,18 | 2,35 | 2,0 | 0,02 | 0,005 | 0,09 | 0,025 | 0,04 | 0,045 | - | - |
4 | 0,19 | 2,4 | 1,7 | 0,03 | 0,004 | 0,08 | 0,02 | 0,045 | 0,05 | - | - |
5 | 0,2 | 2,55 | 1,2 | 0,03 | 0,002 | 0,07 | 0,025 | 0,04 | 0,045 | - | - |
6 | 0,18 | 2,55 | 0,3 | 0,02 | 0,03 | 0,07 | 0,025 | 0,05 | 0,043 | - | - |
7 | 0,17 | 2,35 | 0,86 | 0,002 | 0,001 | 0,08 | 0,015 | 0,04 | 0,005 | 0,3 | - |
8 | 0,19 | 2,53 | 1,11 | 0,02 | 0,003 | 0,09 | 0,009 | 0,05 | 0,004 | - | 0,08 |
9 | 0,18 | 2,41 | 1,38 | 0,03 | 0,002 | 0,07 | 0,018 | 0,04 | 0,006 | - | 0,11 |
Alle Werte sind in Gew.-% angeführt.
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Tabelle 2 zeigt Prozessparameter und Wasserstoffaufnahme der Stahlzusammensetzungen (Legierungen) Nr. 1 bis 6. Tabelle 2
LG | H (ppm) | Warmbandglühtemp. °C | Gesamtglühzeit (Stunden) | Schlussglühtemp. °C | Erfindungsgemäß |
1 | 0,05 | 590 | 33 | 845 | Ja |
2 | 0,09 | 600 | 32 | 850 | Ja |
3 | 0,04 | 580 | 33,5 | 848 | Ja |
4 | 0,07 | 600 | 33 | 850 | Ja |
5 | 0,09 | 590 | 32,5 | 847 | Ja |
6 | 0,22 | 590 | 32 | 847 | Nein |
7 | 0,07 | 510 | 31 | 823 | Ja |
8 | 0,1 | 450 | 23 | 842 | Ja |
9 | 0,09 | 480 | 27 | 835 | Ja |
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Die Gesamtglühzeit entspricht der Summe der Glühdauer des Warmbandes und der Glühdauer des Schlussglühens, wobei aufgrund der wesentlich längeren Warmband-Glühdauern die angegebenen Gesamtglühzeiten näherungsweise auch als (Obergrenzen der) Warmband-Glühdauer interpretierbar sind.
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Tabelle 2 macht deutlich, dass die Wasserstoffaufnahme H (in ppm, isotherm gemessen bei 350°C) bei den erfindungsgemäßen Stahlzusammensetzungen bzw. Stahlflachprodukten (Legierungen 1 bis 5 und 7 bis 9) signifikant kleiner (beispielsweise stets unter 0,1 ppm) ist als bei der nicht erfindungsgemäßen Legierung 6. Ferner zeigt sich, dass die Legierung 3 mit dem größten Si-Gehalt die geringste Wasserstoffaufnahme zeigt.
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Die Tabelle 2 zeigt am Beispiel der Legierungen 7 bis 9 ferner, dass auch niedrigere Warmbandglühtemperaturen von z.B. unter 530°C, insbesondere unter 520°C möglich sind und eine geringe Wasserstoffaufnahme H ermöglichen.
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Es kann auch die Schlussglühtemperatur im Vergleich zu den Beispielen der Legierungen 1 bis 5 herabgesenkt werden. Am Beispiel der Legierungen 7 bis 9 ist ersichtlich, dass Schlussglühtemperaturen von weniger als z.B. 845°C oder 840°C oder 830°C möglich sind.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 3020842 A1 [0005]
- DE 102008057151 A1 [0006]
- EP 3027784 B1 [0007]
- JP 2013032582 A [0008]
- EP 3146083 A1 [0009]
- EP 3219821 A1 [0010]