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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Anlegen einer Prothese mit einem Liner, der eine Innenseite und eine Außenseite aufweist, und mit einem Prothesenschaft, der eine Innenseite aufweist, wobei das Verfahren folgende Schritte aufweist:
- - Anlegen des Liners an einen Amputationsstumpf, sodass die Innenseite des Liners an dem Amputationsstumpf anliegt,
- - Anlegen des Prothesenschaftes, sodass die Außenseite des Liners an der Innenseite des Prothesenschaftes anliegt.
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Die Erfindung betrifft zudem eine derartige Prothese sowie einen Liner für eine solche Prothese.
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Derartige Prothesen und Liner sowie Verfahren zum Anlegen sind aus dem Stand der Technik seit langem bekannt. Der Liner befindet sich im angelegt Zustand zwischen dem Amputationsstumpf und dem Prothesenschaft und dient auf diese Weise als Polsterung und Volumenausgleich. Er ist herkömmlicherweise aus einem elastischen Material, beispielsweise Silikon hergestellt und wird auf den Amputationsstumpf aufgerollt, bevor dieser mit dem dann daran angeordneten Liner in den Prothesenschaft eingeführt wird. In einigen Ausführungsformen ist die Innenseite des Liners, die im angelegt Zustand mit dem Amputationsstumpf in Kontakt kommt, beschichtet, um eine Haftung am Amputationsstumpf noch zu verstärken.
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Wenn der Liner sich am Amputationsstumpf befindet, wird beides in den Prothesenschaft eingeführt und der Prothesenschaft befestigt. Dazu sind im Wesentlichen zwei unterschiedliche Arten der Befestigung aus dem Stand der Technik bekannt. In einer ersten Art der Befestigung befindet sich am distalen Ende des Liners ein mechanisches Verriegelungssystem, beispielsweise ein Stift oder Pin, der in eine dafür vorgesehene Ausnehmung, die als Gegenelement dient, am distalen Ende des Prothesenschaftes eingeführt wird. Hier kommt es zu einer in der Regel formschlüssigen Verriegelung und zu einer Befestigung des Prothesenschaftes am Prothesenliner. Diese Ausgestaltung hat Nachteile insbesondere, wenn sie für eine Beinprothese verwendet wird. Die eigentliche Prothese, also beispielsweise ein Prothesenknie, einen Protheseknöchel oder ein Prothesenfuß werden am distalen Ende des Prothesenschaftes angeordnet. In der Schwungphase eines Schrittes üben diese Prothesenelemente eine Zugkraft auf den Prothesenschaft und damit auch auf den Liner aus. Da Prothesenschaft und Liner am distalen Ende des Liners miteinander verbunden sind, werden an dieser Stelle auch die auftretenden Zugkräfte in den Liner eingeleitet. Die Zugkräfte wirken über den Liner auch am Amputationsstumpf und dabei insbesondere an dessen distalen Ende. Haut und Bindegewebe des Amputationsstumpfes werden dadurch zyklisch (bei jedem Schritt) hohen Scherkräften ausgesetzt. Diesen sogenannten „Melkeffekt“ gilt es zu verhindern.
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In einer zweiten Form der Befestigung schließt die Außenseite des Liners mit der Innenseite des Prothesenschaftes luftdicht ab und in einem Volumen zwischen den beiden Elementen wird ein Unterdruck erzeugt, der auch als Vakuum bezeichnet wird. Dieser Unterdruck hält den Prothesenschaft am Liner und damit auch am Amputationsstumpf. Hierdurch wird eine flächige Anlage und damit auch gleichmäßig verteilte Lastübertragung gewährleistet, wodurch einzelne Bereich weniger stark belastet werden. Nachteilig ist, dass Leckagen dazu führen können, dass die Befestigung des Prothesenschaftes am Liner schwächer wird. Daher verfügen derartige Systeme in der Regel über Vorrichtungen durch die der Unterdruck aufrechterhalten und wieder gestärkt werden kann oder benötigen zusätzliche Abdichtungselemente.
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Die Erfindung hat die Aufgabe, eine weitere Möglichkeit der Befestigung eines Prothesenschaftes am Liner vorzuschlagen, bei der der Melkeffekt nicht auftritt und bei der vorzugsweise auch Rotationsbewegungen des Prothesenschaftes relativ zum Liner unterbunden werden.
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Die Erfindung löst die gestellte Aufgabe durch ein Verfahren der oben beschriebenen Art, das sich dadurch auszeichnet, dass nach dem Anlegen des Prothesenschaftes wenigstens ein an der Außenseite des Liners vorhandenes Volumen mit einem Fluid gefüllt wird, sodass sich das Volumen in wenigstens eine an der Innenseite des Prothesenschaftes vorhandene Vertiefung ausdehnt. Auf diese Weise kommt es zwischen dem Liner und dem Prothesenschaft zu einem Formschluss und zu einer formschlüssigen Verbindung, die durch das Befüllen des Volumens mit einem Fluid schaltbar ist. Das Fluid kann ein Gas oder eine Flüssigkeit sein.
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Je nach Ausgestaltung des Volumens am Liner und der entsprechenden Vertiefung an der Innenseite des Prothesenschaftes können unterschiedliche Vorteile erreicht werden. An der Stelle der formschlüssigen Verbindung zwischen Liner und Prothesenschaft werden die auf den Prothesenschaft beispielsweise beim Gehen mit einer Beinprothese wirkenden Kräfte auf den Liner und damit auch auf den Amputationsstumpf übertragen. Durch die Positionierung des Volumens und der entsprechenden Vertiefung im proximalen Bereich des Liners, möglichst nah am proximalen Rand des Liners, können diese Krafteinleitungsstellen ebenfalls nach proximal am Amputationsstumpf verlegt werden, sodass der Melkeffekt zumindest verringert, optimalerweise vollständig vermieden werden kann.
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Durch eine geschickte Wahl der Gestalt des Volumens und der entsprechenden Vertiefung kann zudem eine Verdrehsicherung erreicht werden, die eine versehentliche Verdrehung des Prothesenschaftes relativ zum Liner verhindert.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung wird das Fluid aus einem Reservoir in das Volumen geleitet, wobei das Reservoir vorzugsweise am Liner angeordnet ist oder ein Teil des Liners ist. Alternativ dazu ist es auch möglich, ein Fluid, beispielsweise in Form von Druckluft, aus einer externen Quelle, beispielsweise einer Druckluftflasche oder einer Pumpe, über eine dafür vorgesehene Schnittstelle in das Volumen des Liners einzuleiten. Dazu kann ein entsprechendes Ventil vorhanden sein, an das die externe Fluidquelle angeschlossen werden kann. Der Vorteil dieser Ausgestaltung liegt darin, dass das Fluid wenn es nicht im Volumen positioniert ist, nicht am Liner oder an der Prothese angeordnet und mit transportiert werden muss. Der Nachteil besteht darin, dass zum Anlegen der Prothese eine externe Fluidquelle benötigt wird.
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Vorzugsweise wird das Fluid durch wenigstens eine Fluidleitung aus dem Reservoir in das Volumen geleitet, die vorzugsweise am Liner angeordnet oder Teil des Liners ist.
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In einer besonders bevorzugten Ausgestaltung befindet sich das Reservoir am distalen Ende des Liners. In diesem Fall wird das Fluid vorzugsweise aus dem Reservoir in das Volumen geleitet, indem das distale Ende des Liners an das distale innere Ende des Prothesenschaftes gedrückt wird. Dies geschieht bevorzugt beim Einsteigen und Einführen des Amputationsstumpfes mit dem sich daran befindenden Liner in den Prothesenschaft. In dieser besonders bevorzugten Ausgestaltung wird folglich zunächst der Liner am Amputationsstumpf befestigt, indem er beispielsweise auf diesen aufgerollt wird. Anschließend wird der Amputationsstumpf mit dem Liner in den Prothesenschaft eingeführt, sodass das distale Ende des Amputationsstumpfes mit dem Liner am distalen inneren Ende des Prothesenschaftes anliegt. Wird in diesem Zustand der Amputationsstumpf und die sich daran nun befindende Prothese belastet, wird das Fluid aus dem Volumen, das sich nun zwischen dem Amputationsstumpf und dem inneren Ende des Prothesenschaftes befindet, herausgedrückt und über die wenigstens eine Fluidleitung in das Volumen geleitet. Um einen Rückstrom des Fluids aus dem Volumen in das Reservoir zu verhindern, befindet sich vorzugsweise ein schaltbares Ventil oder eine Rückflussdrossel in der Fluidleitung zwischen Volumen und Reservoir.
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Die Erfindung löst die gestellte Aufgabe zudem durch eine Prothese, die mittels eines hier beschriebenen Verfahrens anlegbar ist. Die Prothese verfügt über einen Liner mit einer Innenseite und eine Außenseite und einen Prothesenschaft mit einer Innenseite. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass an der Außenseite des Liners ein füllbares Volumen angeordnet ist oder Teil des Liners ist. Das Volumen und/oder die Fluidleitung können einstückig mit dem Liner ausgebildet sein. Sie befinden sich dann vorzugsweise im Linermaterial zwischen der Innenseite und der Außenseite des Liners. Alternativ dazu können sie auch als separates Element auf der Außenseite des Liners angeordnet sein. So ist es beispielsweise möglich, die Fluidleitung in Form eines Schlauches nach dem Herstellen des Liners auf dessen Außenseite zu positionieren. Ähnliches ist mit separaten Elementen, die als Volumen oder als Reservoir dienen sollen, ebenfalls möglich.
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Vorzugsweise verfügt der Liner über ein Grundkörpers einem elastischen Linermaterial und das Volumen befindet sich innerhalb dieses Linermaterials. In einer bevorzugten Ausgestaltung verfügt des Volumen über mehrere Teilvolumina, die durch wenigstens eine Fluidleitung in fluidtechnischer Verbindung stehen, wobei die wenigstens eine Fluidleitung vorzugsweise an dem Liner angeordnet oder Teil des Liners ist. Die mehreren Teilvolumina können über den Umfang des Liners verteilt angeordnet sein. Dadurch wird eine möglichst gleichmäßige Krafteinleitung vom Prothesenschaft in den Amputationsstumpf erreicht. Auch mehrere Teilvolumina, die unterschiedlich weit vom distalen oder proximalen Ende des Liners angeordnet sind, sind von Vorteil. Auch dadurch wird die Krafteinleitung homogener gestaltet und die negativen Effekte dieser Krafteinleitung auf den Amputationsstumpf reduziert.
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Vorzugsweise erstreckt sich das Volumen oder wenigstens ein Teilvolumen um den Umfang des Liners herum. In einer besonders bevorzugten Ausgestaltung erstreckt sich das Volumen oder ein Teilvolumen vollständig um den Umfang des Liners herum.
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Es ist von Vorteil, wenigstens ein Teilvolumen oder das Volumen möglichst weit nach proximal am Liner anzuordnen. Vorzugsweise verfügt der Prothesenschaft über einen proximalen Rand und das Volumen folgt diesem Rand zumindest abschnittsweise. Besonders bevorzugt folgt das Volumen oder ein Teilvolumen diesem Rand über den gesamten Umfang des Prothesenschaftes und des Liners.
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Vorzugsweise verfügt der Liner über wenigstens einen Anschluss zum Anschließen einer Fluidquelle, die beispielsweise eine Pumpe, eine Druckgasflasche oder ein Flüssigkeitsbehälter ist.
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Besonders bevorzugt verfügt der Liner an seinem distalen Ende über ein Reservoir, das sich besonders bevorzugt innerhalb des Linermaterials befindet. In einer bevorzugten Ausgestaltung verfügt der Liner über eine Fluidleitung, in der sich ein Rückschlagventil befindet, das einen Fluss aus dem Volumen verhindert. Alternativ oder zusätzlich dazu befindet sich in der Fluidleitung vorzugsweise eine Strömungsbarriere, die einen Fluss von Fluid aus dem Volumen erschwert. Letzteres ist insbesondere dann von Vorteil, wenn der Prothesenschaft abgelegt werden soll. Durch eine Strömungsbarriere wird der Fluss aus dem Volumen nicht verhindert, sondern lediglich erschwert. Durch ein langsames Ablegen oder Abstreifen des Prothesenschaftes kann in diesem Fall das Fluid aus dem Volumen entfernt werden und der Prothesenschaft kann abgelegt werden. Bei einer kurzen Belastung, wie sie beispielsweise während der Schwungphase eines Schrittes auftritt, kann aufgrund der vorhandenen Strömungsbarriere nur eine geringe Menge Fluid das Volumen verlassen, wodurch die formschlüssige Verbindung nicht beeinträchtigt wird. Besonders bevorzugt wird die geringe Menge Fluid bei der nächsten Standphase des Gangzyklus wieder in das Volumen hineingeleitet.
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Vorzugsweise verfügt der Prothesenschaft an seiner Innenseite über wenigstens eine Vertiefung, die derart ausgebildet und eingerichtet ist, dass sich das Volumen beim Befüllen mit Fluid in diese Vertiefung ausdehnen kann. Eine solche Vertiefung kann beispielsweise erreicht werden, indem der Prothesenschaft über dem angelegten Liner mit befülltem Volumen abgeformt wird.
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Die Erfindung löst die gestellte Aufgabe zudem durch einen Liner für eine derartige Prothese.
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Mithilfe der beigefügten Zeichnungen werden nachfolgend einige Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung näher erläutert. Es zeigt
- 1 - eine schematische Darstellung eines Liners und eines Prothesenschaftes gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung,
- 2 - eine schematische Darstellung eines Liners und eines Prothesenschaftes gemäß einem zweiten Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung,
- 3 und 4 - schematische Darstellungen eines Liners mit wenig gefülltem Volumen und mit gefülltem Volumen und
- 5 - eine schematische Darstellung eines Liners gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel.
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1 zeigt einen Liner 2, der eine Innenseite 4 und eine Außenseite 6 aufweist. An der Außenseite 6 befindet sich ein mit einem Fluid füllbares Volumen 8, dass im gezeigten Ausführungsbeispiel als umlaufende Wulst ausgebildet ist. In der rechten Darstellung der 1 ist der Liner 2 dargestellt. In der linken Darstellung ist zudem durch eine dicke Linie ein Prothesenschaft 10 schematisch dargestellt. Das Volumen 8 ist in 1 im gefüllten Zustand dargestellt, sodass es sich von der Außenseite 6 des Liners 2 nach außen hervor steht. Um dieses hervorstehende Volumen 8 aufnehmen zu können verfügt der Prothesenschaft 10 an seiner Innenseite über eine Vertiefung 12, die in 1 als nach außen ragende Wölbung ausgebildet ist. Auf der Innenseite des Prothesenschaftes 10 bildet sie eine Vertiefung, in die das Volumen 8 hineinragt. Im gezeigten Ausführungsbeispiel folgt der Verlauf des Volumens 8 zumindest prinzipiell dem Verlauf eines proximalen Randes 14 des Prothesenschaftes 10.
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Auch 2 zeigt in der linken Darstellung einen Liner 2, der in einem schematisch dargestellten Prothesenschaft 10 angeordnet ist. In der rechten Darstellung der 2 ist nur der Liner 2 dargestellt. Der Hauptunterschied zu der in 1 gezeigten Ausführungsform besteht in der Form des Volumens 8. Anders als in 1, wo das Volumen 8 als umlaufende Wulst dargestellt ist, ist es hier in Form mehrerer kleiner Teilvolumina ausgebildet. Sie sind auch auf der Außenseite 6 des Liners 2 angeordnet und können sich im gefüllten Zustand, der in 2 dargestellt ist, in dafür vorgesehene Vertiefungen 12 auf der Innenseite des Prothesenschaftes 10 erstrecken.
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3 zeigt einen Liner 2 in einer ähnlichen Ausbildung. Auch hier verfügt das Volumen 8 über mehrere Teilvolumina 14, die durch Fluidleitungen 16 miteinander in Verbindung stehen. In 3 sind die Teilvolumina 14 und damit auch das Volumen 8 nicht mit Fluid gefüllt. Dieses befindet sich in einem Reservoir 18, das am distalen Ende des Liners 2 angeordnet ist. Durch die Fluidleitung 16 kann das Fluid aus dem Reservoir 18 in die Teilvolumina 14 gedrückt werden.
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Diese Situation ist in 4 dargestellt. Man erkennt, dass das Reservoir 18 im Vergleich zu der in 3 dargestellten Situation verkleinert ist. Dadurch ist Fluid aus dem Reservoir 18 durch die Fluidleitung 16 in die Teilvolumina 14 hineingedrückt worden. Dies geschieht beispielsweise, wenn ein Träger einer Prothese, deren Teil der Liner 2 ist, auftritt. Dadurch wird das Reservoir 18 komprimiert und Fluid in die Teilvolumina 14 geleitet.
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5 zeigt eine ähnliche Ausgestaltung, bei der in der Fluidleitung 16, die sich zwischen dem Reservoir 18 und dem ersten Teilvolumen 14 erstreckt, eine Strömungsbarriere 20 angeordnet ist. Diese kann als Rückschlagventil 22 oder beispielsweise als Verringerung des Querschnittes 24 ausgebildet sein. Wichtig ist lediglich, dass sie die Menge an Fluid, die aus einem Teilvolumen 14 durch die Fluidleitung 16 in das Reservoir 18 strömen kann, begrenzt.
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Bezugszeichenliste
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- 2
- Liner
- 4
- Innenseite
- 6
- Außenseite
- 8
- Volumen
- 10
- Prothesenschaft
- 12
- Vertiefung
- 14
- Teilvolumen
- 16
- Fluidleitung
- 18
- Reservoir
- 20
- Strömungsbarriere
- 22
- Rückschlagventil
- 24
- Verringerung des Querschnitts