-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Reduzieren einer Gierratenabweichung bei einem Fahrzeug gemäß Anspruch 1 sowie ein Fahrzeug gemäß Anspruch 7, auf welchem ein solches Verfahren ausführbar ist.
-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Reduzieren einer Gierratenabweichung bei einem Fahrzeug, wobei das Fahrzeug umfasst:
- - eine angetriebene Lenkachse mit einem linken Rad und einem rechten Rad;
- - eine Antriebsmaschine zum Vortrieb des Fahrzeugs mittels der Räder der Lenkachse;
- - eine Momenten-Moduliereinrichtung, mittels welcher ein jeweiliges Radmoment der Räder der Lenkachse unterschiedlich voneinander anpassbar ist;
- - eine Messeinrichtung zum Erfassen von Giermoment und Lenkwinkel und zum Berechnen einer Gierratenabweichung; und
- - eine Recheneinheit zum Verarbeiten von Daten der Messeinrichtung.
-
Das querdynamische Fahrzeugverhalten kann durch Nichtlinearitäten, bedingt durch seine Auslegung oder Materialeigenschaften, zu ungewünschten Fahrzuständen führen. Diese können zu einem Diskomfort beziehungsweise schlechter querdynamischer Performance führen. Es ist bekannt, dass zur Fahrverhaltensanpassung über Bremseingriffe oder aktive Sperrdifferentiale auf eine Gierratenabweichung geregelt wird. Weiterhin sind Lösungen für Sperrdifferentiale bekannt, um ein eindrehendes Fahrzeugverhalten zu erzeugen.
-
Beispielsweise ist aus der
DE 41 129 06 C2 eine Steuer- und Regelvorrichtung für ein Kraftfahrzeug zur Begrenzung der Differentialkraft bekannt. Gemäß der Zusammenfassung umfasst die Steuer- und Regelvorrichtung eine Differential-Vorrichtung (1) zur Verteilung eines Antriebsdrehmomentes zwischen linken und rechten Antriebsrädern, eine KupplungsVorrichtung (2) zur Begrenzung der Differentialwirkung der Differentialvorrichtung (1), Sensor-Vorrichtungen (3) für die Ermittlung von Betriebsbedingungen des Fahrzeugs sowie eine Steuervorrichtung (4, 13) zum Steuern der Kupplungseingriffskraft der Kupplung (2).
-
Weiterhin ist beispielsweise aus der
EP 1 884 395 B1 ein Verfahren zur Steuerung der Drehmomentdurchgangsrichtung in schlupfbegrenzten Differentialen bekannt. Der auf einem PID-Regler basierend geschlossene Regelkreis regelt die Giergeschwindigkeit des Fahrzeugs, wobei der PID-Regler so ausgelegt ist, dass er ein Regelsignal auf der Grundlage eines Giergeschwindigkeitsfehlers erzeugt. Das Regelsignal wird einer Betätigungseinrichtung zugeführt, welche betriebsmäßig mit dem schlupfbegrenzten Differential gekoppelt ist.
-
Beispielsweise ist aus der
US 10,513,178 B2 ein Verfahren und ein System zur Kontrolle des Stabilitäts- und Gierverhaltens eines Fahrzeugs mittels Sperren eines Differentials bei erhöhten Geschwindigkeiten bekannt. Gemäß der dortigen Zusammenfassung umfasst das Fahrzeug eine Vorderachse (24) und eine Hinterachse (26), ein steuerbares Differential (22) sowie ein Steuermodul (50) zum Sperren und Freigeben des Differentials (22). Die Methode sieht ein gezieltes Sperren und Freigeben des Differentials (22) je nach Fahrzustand des Kraftfahrzeugs vor, wobei zumindest die Fahrzeuglängsgeschwindigkeit erfasst wird, und diese Fahrzeuglängsgeschwindigkeit mit einer vorbestimmten Referenzgeschwindigkeit verglichen wird. Bei Überschreitung der Referenzgeschwindigkeit durch die Fahrzeuglängsgeschwindigkeit wird das Differential (22) gesperrt.
-
Beispielsweise ist aus der
US 9,494,218 B2 ein Antriebsaggregat bekannt. In Bezug auf die dortige
2 umfasst das Antriebsaggregat ein Verteilungssystem DS1 im Heck eines Kraftfahrzeugs VFR. Das Verteilungssystem DS1, welches im Heck eines Kraftfahrzeugs VFR angeordnet ist, weist wiederum ein Differential GS, eine erste rotierende elektrische Maschine 11 und eine zweite rotierende elektrische Maschine 12 auf und sorgt dafür, dass die Antriebskraft nach links und rechts, korrespondierend zu einem linken Hinterrad WRL und zu rechten Hinterrad WRR, verteilt wird.
-
Weiterhin ist beispielsweise aus der
CN 107117203 A eine Differentialkraft-unterstützte Servolenkung für eine Fahrzeugantriebsachse und ein Verfahren für eine Differentialkraft-unterstützte Servolenkung bekannt. Gemäß der Zusammenfassung erfasst ein Erkennungsmechanismus Daten zu Lenkraddrehwinkel, Lenkraddrehmoment, Radgeschwindigkeit, Batteriespannung und zum Batteriestrom und überträgt die Daten an eine elektronische Steuereinheit. Die elektronische Steuereinheit steuert wiederum eine elektromagnetische Kupplung, Hilfsmotoren und Bremsen mittels eines vorbestimmten Prozesses, sodass die Antriebsräder auf der linken und rechten Seite ein unterschiedliches Antriebsmoment oder Bremsmoment aufweisen, und das Fahrzeug so ein Giermoment erzeugt, sodass die vom Fahrer auf ein Lenkrad ausgeübte Kraft reduziert wird.
-
Der Erfindung liegt gegenüber vorbekannten Verfahren zum Reduzieren einer Gierratenabweichung bei einem Fahrzeug die Aufgabe zugrunde, in einem normalen Fahrtzustand die Differenz zwischen Lenkwinkel und Gierrate des Fahrzeugs miteinander in Einklang zu bringen.
-
Gemäß Anspruch 1 wird diese Aufgabe gelöst, indem das Verfahren zumindest die folgenden Schritte umfasst:
- a. mittels der Messeinrichtung, dauerhaftes Überwachen einer Gierratenabweichung;
- b. mittels der Recheneinheit, Berechnen eines jeweiligen Anpassmoments auf Basis der in Schritt a. erfassten Gierratenabweichung für die Räder der Lenkachse; und
- c. mittels der Momenten-Moduliereinrichtung an den Rädern der Lenkachse zum Reduzieren der Gierratenabweichung, Anpassen der Radmomente um das jeweilige in Schritt b. berechnete Anpassmoment.
-
Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet.
-
Ein Giermoment ist ein solches Moment, welches auf die Bahn der Kurvenfahrt Einfluss nimmt, und zwar wird bei einem ausdrehenden Giermoment das Fahrzeug nach radial-außen (bezogen auf das Kurvenzentrum) getragen. Beim eindrehenden Giermoment wird das Fahrzeug nach radial-innen geführt, wobei hier in der Regel das Kompensieren eines Übersteuerns, also eines eindrehenden Giermoments beschrieben ist. Infolge eines Übersteuerns, also mittels eines stärker eindrehenden Giermoments als die Soll-Bahn vorgibt, wird bei einer solchen Kompensation also das Fahrzeug auf die Soll-Bahn geführt, indem das eindrehende Giermoment reduziert beziehungsweise ein ausdrehendes Giermoment hinzuaddiert wird. Die Soll-Bahn ist beispielsweise von dem Lenkwinkel, beispielsweise an einem Lenkrad, des Fahrzeugs und/oder von einer elektronisch erfassten Fahrbahn (-markierung) definiert. Eine Abweichung von der Soll-Bahn nach kurven-innen, also mit einem eindrehenden Giermoment, tritt vor allem bei hohen Geschwindigkeiten, also hoher Querbeschleunigung auf.
-
Eine Gierratenabweichung ist die Differenz zwischen dem Lenkwinkel mit der erwarteten Bahn, also der Soll-Bahn, und der erfassten Gierrate, welche beispielsweise aus einer erfassten Querbeschleunigung errechnet ist. Hierbei ist vorgesehen, dass die Soll-Bahn nicht zwangsläufig konstant ist, sondern in einer vorteilhaften Ausführungsform geschwindigkeitsabhängig festgelegt ist. Es ist dann mitberücksichtigt, dass ein Fahrer erwartet, dass das Fahrzeug bei hohen Geschwindigkeiten infolge der Trägheit in der Kurvenfahrt nach radial-außen getragen wird (untersteuert), während beispielsweise in einer langsamen Rangierfahrt ein direktes Ansprechen erwartet wird. Im Gegensatz zu diesen Erwartungen ist aufgrund der Fahrphysik im Zusammenspiel mit den Einstellungen an einem beispielsweise konventionellen Lenkgetriebe ein Fahrzeug in der Langsamfahrt untersteuernd eingestellt, und bei einer Schnellfahrt ist eine Anfälligkeit für ein Übersteuern gegeben. Bei einem einzigen Antrieb über ein Differential an der gelenkten Vorderachse eines Fahrzeugs ist bei einer Kurvenfahrt das kurven-innere Vortriebsrad infolge der kürzeren Kurvenbahn langsamer als das kurven-äußere Vortriebsrad. Damit liegt mittels des Differentials ein größerer Anteil des Antriebsmoments als Radmoment an dem kurven-inneren Vortriebsrad an als an dem kurven-äußeren Vortriebsrad. Bis zur Haftungsgrenze, auch Kraftschlussgrenze, des kurven-inneren Vortriebsrads ist damit ein in Summe gegenüber dem Lenkwinkel eindrehendes Giermoment erzeugt. Wenn der Anteil des Antriebsmoments an dem kurven-inneren Vortriebsrad die Kraftschlussgrenze überschreitet, rutscht das kurven-innere Vortriebsrad durch, im Extremfall wird dabei die Drehzahl des kurven-inneren Vortriebsrads größer als die Drehzahl des kurven-äußeren Vortriebsrads und somit über das Differential auch der Anteil des Antriebsmoments als Radmoment an dem kurven-äußeren Vortriebsrad größer als derjenige Anteil an dem (durchrutschenden) kurven-inneren Vortriebsrad. Die Kraftschlussgrenze ist abhängig von der Rollneigung des Fahrzeugs. Infolge der Rollneigung nach kurven-außen ist das kurven-innere Rad entlastet, womit der Wert der Kraftschlussgrenze sinkt. Auch sei darauf hingewiesen, dass ein durchrutschendes Rad eine zumindest verminderte Seitenführungsfähigkeit aufweist. Es resultiert somit bei einem entlasteten kurven-inneren Rad ein sehr dynamisches eindrehendes Giermoment. Ein zusätzlicher Faktor ist das Verhalten des Fahrzeugfahrers am Beschleunigungspedal beziehungsweise Entschleunigungspedal sowie dem Verändern des Lenkwinkels, wobei beides nicht selten von dem Fahrzeugfahrer dem wunschgemäßen Kurvenfahrverhalten des Fahrzeugs entgegenwirkend vorgenommen wird.
-
Die Messeinrichtung ist zum Erfassen einer Beschleunigung des Fahrzeugs in Querrichtung zu der Fahrtrichtung und/oder umfassend ein Gyroskop zum Erfassen eines Moments um die Hochachse des Fahrzeugs eingerichtet, nämlich dem Giermoment.
-
Die Momenten-Moduliereinrichtung ist dazu eingerichtet, auf die Räder der angetriebenen Lenkachse derart einzuwirken, dass ein beispielsweise aus einem zentral bereitgestellten Antriebsmoment einer zentralen Antriebsmaschine resultierendes Radmoment an einem Rad veränderbar ist. Beispielsweise ist ein Differential zwischen den Rädern der Lenkachse angeordnet. Mittels Beeinflussung der Drehmomentverteilung an dem Differential sind dann die Radmomente an den Rädern der Lenkachse nicht nur angepasst an ein anliegendes Reibmoment im Kontakt mit dem Untergrund an den Rädern, sondern auch an einen Verteilungsbedarf für die gewünschte Kurvenfahrt. Grundsätzlich ist dies im Zusammenhang mit einem ESC- [Fahrdynamikregelung; engl.: Electronic Stability Control] Steuergerät bekannt, welches in einer Ausbruchsituation stabilisierend auf die Kurvenfahrt einwirkt. Eine Ausbruchsituation liegt dann vor, wenn die Räder des Fahrzeugs die Straßenhaftung soweit verlieren, dass das Fahrzeug beispielsweise mit dem Heck ausbricht bis hin zu ins Schleudern gerät.
-
Die Recheneinheit umfasst minimal einen elektronisch auslesbaren Speicher und einen Prozessor, beispielsweise eine CPU, wobei die Messeinrichtung und die Momenten-Moduliereinrichtung (elektronisch) kommunizierend mit der Recheneinheit verbunden sind. Es ist damit ein Regelkreis gebildet. Die Recheneinheit ist zentral oder dezentral in dem Fahrzeug angeordnet. Eine Recheneinheit, oder ein Computer, umfasst einen oder mehrere Allzweck-Prozessoren (CPU) oder Mikroprozessoren, RISC-Prozessoren, GPU und/oder DSP. Der Computer weist beispielsweise zusätzliche Elemente wie Speicherschnittstellen auf. Wahlweise oder zusätzlich bezeichnen die Begriffe solch eine Einrichtung, welche in der Lage ist, ein bereitgestelltes oder eingebundenes Programm, bevorzugt mit standardisierter Programmiersprache, wie beispielsweise C++, JavaScript oder Python, auszuführen und/oder Datenspeichergeräte und/oder andere Geräte wie Eingangsschnittstellen und Ausgangsschnittstellen zu steuern und/oder darauf zuzugreifen. Der Begriff Computer bezeichnet auch eine Vielzahl von Prozessoren oder eine Vielzahl von (Unter-) Computern, welche miteinander verbunden und/oder anderweitig kommunizierend verbunden sind und möglicherweise eine oder mehrere andere Ressourcen, wie zum Beispiel einen Speicher, gemeinsam nutzen. Ein (Daten-) Speicher ist beispielsweise eine Festplatte (HDD, SSD, HHD) oder ein (nichtflüchtiger) Festkörperspeicher, beispielsweise ein ROM-Speicher oder Flash-Speicher [Flash-EEPROM]. Der Speicher umfasst oftmals eine Mehrzahl einzelner physischer Einheiten oder ist auf eine Vielzahl von separaten Geräten verteilt.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens vorgeschlagen, dass das Fahrzeug ein Differential umfasst, mittels welchem ein Drehmoment der Antriebsmaschine bedarfsgerecht an die Räder der Lenkachse übertragbar ist, wobei bevorzugt von der Momenten-Moduliereinrichtung das jeweilige Radmoment gemäß Schritt c. unmittelbar an dem Differential angepasst wird.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens vorgeschlagen, dass in einem Zwischenschritt b1. vor Schritt b. ein aktuell eingestelltes Fahrprofil abgefragt wird, und in Schritt b. die Anpassmomente abhängig von dem aktuell eingestellten Fahrprofil berechnet werden.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens vorgeschlagen, dass das Verfahren ausschließlich in einem fahrstabilen Zustand des Fahrzeugs ausgeführt wird.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens vorgeschlagen, dass das Verfahren ausschließlich bei einem Übersteuern des Fahrzeugs ausgeführt wird und ein Anpassmoment ein ausdrehendes Giermoment bewirkt.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens vorgeschlagen, dass das Anpassmoment ausschließlich umverteilt wird.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens vorgeschlagen, dass mittels der Messeinrichtung eine Gierratenabweichung bei einer relativen Abweichung einer prädizierten Ist-Bahn von einer Soll-Bahn von mehr als 5%, bevorzugt mehr als 2%, Schritt b. auslöst.
-
Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Fahrzeug, aufweisend zumindest die folgenden Komponenten:
- - eine angetriebene Lenkachse mit einem linken Rad und einem rechten Rad;
- - eine Antriebsmaschine zum Vortrieb des Fahrzeugs mittels der Räder der Lenkachse;
- - eine Momenten-Moduliereinrichtung, mittels welcher ein jeweiliges Radmoment der Räder der Lenkachse unterschiedlich voneinander anpassbar ist;
- - eine Messeinrichtung zum Erfassen von Giermomenten und Lenkwinkel und zum Berechnen einer Gierratenabweichung; und
- - eine Recheneinheit zum Verarbeiten von Daten der Messeinrichtung,
wobei mittels der Recheneinheit im Zusammenwirken mit der Messeinrichtung, mit der Momenten-Moduliereinrichtung und mit den Rädern der Lenkachse das Verfahren nach einer Ausführungsform gemäß der obigen Beschreibung ausführbar ist.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Fahrzeugs vorgeschlagen, dass das Fahrzeug ein Differential umfasst, mittels welchem ein Drehmoment der Antriebsmaschine bedarfsgerecht an die Räder der Lenkachse übertragbar ist, wobei bevorzugt die Momenten-Moduliereinrichtung zum unmittelbar an dem Differential Wirken eingerichtet ist.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Fahrzeugs vorgeschlagen, dass die Momenten-Moduliereinrichtung zumindest eine auf die Radmomente der Räder einwirkende Bremse umfasst.
-
Es wird weiterhin in einer vorteilhaften Ausführungsform des Fahrzeugs vorgeschlagen, dass die Recheneinheit und/oder die Messeinrichtung von einem Bordcomputer des Fahrzeugs umfasst sind,
wobei bevorzugt die Recheneinheit und/oder die Messeinrichtung in einem Fahrdynamikregler enthalten sind.
-
Ausführungsbeispiele der Erfindung werden nachstehend anhand der Zeichnung näher erläutert. Es zeigen:
- 1: in einer schematischen Draufsicht ein Fahrzeug mit an einem Differential wirkender Momenten-Moduliereinrichtung, und
- 2: in einer schematischen Draufsicht das Fahrzeug nach 1 bei einer Kurvenfahrt mit Gierratenabweichung, und
- 3: ein Flussdiagramm einer Ausführungsform des Verfahrens zum Reduzieren einer Gierratenabweichung.
-
1 zeigt in einer schematischen Draufsicht ein Fahrzeug 100 mit an einem Differential 31 wirkender Momenten-Moduliereinrichtung 20, beispielsweise eingerichtet als von der Recheneinheit 22 regelbare Bremse 32. Die Bremse 32 ist hier (optional) eine als Schaltelement, dargestellt als Kupplungspaket, ausgeführte regelbare Quersperre. Beispielsweise sind alternativ oder ergänzend von einer solchen Bremse 32 unabhängig voneinander ansteuerbare Radreibbremsen und/oder Radwirbelstrombremsen an den Rädern 10, 11 umfasst. Die Recheneinheit 22 ist hier beispielsweise von einem Bordcomputer 33 umfasst beziehungsweise gebildet. In einer vorteilhaften Ausführungsform ist die Recheneinheit 22 eine Untereinheit des Bordcomputers 33, und zwar ein konventioneller Fahrdynamikregler 34. Die Lenkachse 200 mit dem linken, hier kurven-inneren, (Vorder-) Rad 10 und dem rechten, hier kurven-äußeren, (Vorder-) Rad 11 ist hier beispielsweise die Vorderachse des Fahrzeugs 100, bei welcher ein Lenkwinkel GA von etwa 20° beispielsweise mittels des Lenkrads 41 in der Fahrgastzelle 40 eingestellt ist. Die beiden Räder 10,11 der Lenkachse 200 sind von einer Antriebsmaschine 30 mittels eines Differentials 31 bedarfsgerecht mit einem Antriebsmoment zum Vortrieb des Fahrzeugs 100 versorgbar. Das Differential 31 ist beispielsweise eine passive Einrichtung, welche je nach Reibmoment an den beiden Rädern 10, 11 der Lenkachse 200 das Antriebsmoment als linkes, hier kurven-inneres, Radmoment W1 und rechtes, hier kurven-äußeres, Radmoment W2 verteilt. Die Summe der beiden Radmomente W1, W2 ist (näherungsweise) gleich dem bereitgestellten Antriebsmoment der, hier zentralen, Antriebsmaschine 30. In einer Ausführungsform sind separate Antriebsmaschinen für jedes der Räder 10, 11, beispielsweise als Radnabenmotoren, vorgesehen, welche dann bevorzugt von der Momenten-Moduliereinrichtung 20 einzeln elektronisch gesteuert geregelt werden. Dann sind die Radmomente W1, W2 unabhängig voneinander einstellbar.
-
In einer Ausführungsform ist ein Hybrid aus separaten Antriebsmaschinen und einer zentralen Antriebsmaschine 30 gebildet. Es resultiert aus dem Regelungseingriff der Momenten-Moduliereinrichtung 20 an dem kurven-inneren Rad 10 ein linkes beziehungsweise kurven-inneres Anpassmoment A1, welches den mittels des Differentials 31 zugeteilten Anteil des von der Antriebsmaschine 30 bereitgestellten Antriebsmoments überlagert. Ebenso resultiert aus diesem Regelungseingriff an dem kurven-äußeren Rad 11 ein rechtes beziehungsweise kurven-äußeres Anpassmoment A2, welches das kurven-äußere Radmoment W2 überlagert.
-
Wie stark ein Eingriff der Recheneinheit 22 mittels der Momenten-Moduliereinrichtung 20 auf Basis der Daten der Messeinrichtung 21 sind (vergleiche 2), hängt in einer vorteilhaften Ausführungsform von dem eingestellten Fahrprofil D ab. Ein solches Fahrprofil D ist beispielsweise anwenderseitig als Komfort, Sport oder Balance bezeichnet. Bei dem Fahrprofil D Komfort ist beispielsweise ein geringer Querbeschleunigungsaufbau beziehungsweise langsames Ansprechverhalten auf eine Lenkbewegung und damit ein sanfteres Einlenken und ein geringer Rollruck an der Fahrgastzelle 40 angestrebt. Bei dem Fahrprofil D Sport ist beispielsweise ein hoher Querbeschleunigungsaufbau zulässig. Bei dem Fahrprofil D Balance ist beispielsweise ein mittlerer Querbeschleunigungsaufbau bei gleichzeitig einer gewissen Rückmeldung der Fahrphysik angestrebt. Ein solches Fahrprofil D ist in der Fahrgastzelle 40 von einem Fahrer des Fahrzeugs 100 mittels einer Auswahleinrichtung 42 auswählbar. Eine solche Auswahleinrichtung 42 für ein Fahrprofil D umfasst beispielsweise eine Mensch-Maschine-Schnittstelle mit einem Bildschirm im Cockpit des Fahrzeugs 100. Die Recheneinheit 22, die Auswahleinrichtung 42, und/oder ein gegebenenfalls separates Steuergerät 35 zum Ausführen des hierin beschriebenen Verfahrens sind bei diesem Ausführungsbeispiel mittels eines Datenbus 36 miteinander dauerhaft elektronisch kommunizierend verbunden.
-
2 zeigt in einer schematischen Draufsicht das Fahrzeug 100 nach 1 bei einer Kurvenfahrt mit Gierratenabweichung, und zwar in einem übersteuernden Zustand. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um einen Grenzbereich handelt, bei welchem ein Ausbrechen des Fahrzeugs 100 zu befürchten ist und damit das (gegebenenfalls vorhandene) Fahrdynamikregelungssystem eingreift. In einer vorteilhaften Ausführungsform wird das Erreichen des Grenzbereichs, ab welchem das Fahrdynamikregelungssystem eingreift, mittels des hier vorgeschlagenen Verfahrens zeitlich hinausgezögert oder im Vorfeld verhindert. Das dauerhafte Überwachen einer Gierratenabweichung mittels der Messeinrichtung 21 findet also nicht abhängig von einem Grenzwert statt, so wie das Abgeben eines Modulationseingriffs auch nicht von einem Erreichen eines Grenzbereichs abhängt, sondern in einem stabilen Fahrzustand erfolgt. Ein stabiler Fahrzustand ist ein solcher Zustand des Fahrzeugs 100, bei welchem kein Ausbrechen des Fahrzeugs 100 zu erwarten ist, sofern die vorliegenden Parameter (beispielsweise Lenkwinkel, Vortriebs-Beschleunigung, Fahrbahnzustand) konstant bleiben beziehungsweise in einem vorbestimmten Sicherheitsrahmen liegen.
-
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bekannte Fahrdynamikregelungssysteme mittels Einbremsen von einzelnen Rädern, vor allem auf der Hinterachse, in die Fahrstabilität eingreifen. Bei einem Einbremsen wird ein Teil des für den Vortrieb zur Verfügung gestellten Antriebsmoments dissipiert. Hier ist in einer vorteilhaften Ausführungsform vorgeschlagen, dass ein Einbremsen im Vergleich zu einem Eingriff einer konventionellen Fahrdynamikregelung reduziert, bevorzugt ausgeschlossen, ist. Ohne Einbremsen, also mit einer reinen Umverteilung des Antriebsmoments ist der Eingriff dissipationsfrei. Bevorzugt wird ausschließlich mittels eines Steuereingriffs an einem steuerbaren Differential 31 das Antriebsmoment einer zentralen Antriebsmaschine 30 umverteilt, sodass die Radmomente W1, W2 entsprechend der berechneten Anpassmomente A1, A2 verändert sind.
-
Die in 1 dargestellten Komponenten des Fahrzeugs 100 sind hier der Übersichtlichkeit halber nicht dargestellt. Infolge der Kurvenfahrt und der Umverteilung des Antriebsmoments mittels des Differentials 31 ist im nicht modulierten Zustand das kurven-innere Radmoment W1 an dem kurven-inneren Rad 10 größer als das kurven-äußere Radmoment W2 an dem kurven-äußeren Rad 11. Damit ist eine prädizierte Ist-Bahn 51 die Folge, welche im Vergleich zu der Soll-Bahn 50 auf einem eindrehenden Giermoment beruht. Indem mittels Modulationseingriff ein ausdrehendes Giermoment GM aufgegeben wird, wird das Fahrzeug 100 von seiner prädizierten Ist-Bahn 51 auf die Soll-Bahn 50 geführt. Ein ausdrehendes Giermoment GM ist erzeugt, indem das kurven-äußere Rad 10 eingebremst und/oder ein ergänzendes Drehmoment an das kurven-innere Rad 11 angelegt und/oder mittels Modulation, beispielsweise mittels der Quersperre 32, das Antriebsmoment umverteilt wird. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass als Ist-Bahn 51 diejenige Trajektorie des Fahrzeugs 100 bezeichnet ist, welche ohne Regelungseingriff der Momenten-Moduliereinrichtung 20 auftreten würde beziehungsweise den zugrundeliegenden Berechnungen zufolge vorhergesagt ist. Die Momenten-Moduliereinrichtung 20 ist infolge der von der Messeinrichtung 21 erfassten Gierratenabweichung, also der Differenz zwischen dem Giermoment GM und dem eingestellten Lenkwinkel GA, geregelt. Es sei darauf hingewiesen, dass hier nicht erst bei einer erheblichen Abweichung ein Regeleingriff vorgenommen wird, sondern bereits im normalen Fahrzustand, beispielsweise angepasst an das jeweils eingestellte Fahrprofil D. Bei einer Ausführungsform wird ein Anpassmoment A1, A2 in Schritt c. aufgegeben, sobald die prädizierte Ist-Bahn 51 von der Soll-Bahn 50 um mehr als 5%, bevorzugt bereits um mehr als 2%, abweicht. Dabei wird die Ausrichtung der Tangente der jeweiligen Bahn 50, 51 mit dem Kontaktpunkt bei der Lenkachse betrachtet. In einer alternativen Betrachtung wird der Kurvenradius der beiden Bahnen 50, 51 verglichen. Wenn der Kurvenradius der prädizierten Ist-Bahn 51 beispielsweise um mehr als 10 %, bevorzugt bereits um mehr als 2 %, kleiner als der Kurvenradius der Soll-Bahn 50 ist, wird Schritt b. ausgelöst.
-
Der Vergleich der prädizierten Ist-Bahn 51 und der Soll-Bahn 50 ist in einer Ausführungsform die Grundlage der Feststellung einer Gierratenabweichung in Schritt a., wobei in einer Ausführungsform die Ist-Bahn 51 konkret berechnet, also prädiziert, wird und in einer anderen Ausführungsform ausschließlich die Faktoren für eine Abweichung der prädizierten Ist-Bahn 51 von der Soll-Bahn 50 berechnet beziehungsweise registriert werden. Die Faktoren sind beispielsweise das Momentenübertragungspotential des kurven-inneren Rads 10, der anliegende Lenkwinkel und/oder ein erfasster vorausliegender Spurverlauf.
-
3 zeigt ein Flussdiagramm einer Ausführungsform des Verfahrens zum Reduzieren einer Gierratenabweichung. Zunächst wird mittels dauerhafter Überwachung in Schritt a. eine Kurvenfahrt erkannt, beispielsweise anhand des eingestellten Lenkwinkels GA, vorteilhafterweise oberhalb eines vorbestimmten Winkelgrenzwerts, beispielsweise oberhalb von 5°. Optional ist zusätzlich eine Fahrtgeschwindigkeit berücksichtigt und/oder der Winkelgrenzwert adaptiv an die Fahrtgeschwindigkeit festgelegt, beispielsweise geringer mit einer höheren Fahrtgeschwindigkeit.
-
Anschließend wird ein Fahrtprofil abgefragt und das entsprechende Regelverhalten, in diesem Beispiel aus drei Applikationen C, S, B, nutzend wird in der Potentialabfrage P, das Potential abgefragt. Das Potential setzt sich aus der Gierratenabweichung und der zulässigen Gierratenabweichung, sowie bei einem regelbar sperrbaren Differential 31 zusätzlich aus der Drehzahl-Differenz der beiden Vortriebsräder 10, 11 und dem Kraftschlussgrenzwert des jeweiligen oder zumindest des inneren Vortriebsrads 10, 11 zusammen. Es ist also abhängig von der Applikation C, S, B eine unter Umständen nicht vollständige Kompensation der Gierratenabweichung erwünscht. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei einem Differential 31 ein Antriebsmoment stets vom schneller drehenden Rad 11 zum langsamer drehenden Rad 10 transferiert wird. Ein ausdrehendes Giermoment ist also nur dann erzeugbar, solange das Fahrzeug den Grenzbereich nicht überschreitet. Der Grenzbereich ist dann nicht überschritten, wenn das kurven-innere Rad 10 den Kraftschlussgrenzwert nicht überschreitet. Wenn der Kraftschlussgrenzwert von dem kurven-inneren Rad 10, beispielsweise infolge einer Entlastung des kurven-inneren Rads 10, welche beispielsweise durch die aktuelle Rollneigung des Fahrzeugs 100 bedingt ist, überschritten wird, dreht das kurven-innere Rad 10 durch und sorgt im Zusammenhang mit der Umverteilung des Antriebsmoments an das kurven-äußere Rad 11 dafür, dass die Seitenführungsfähigkeit des kurven-inneren Rads 10 abfällt. Das kurven-innere Rad 10 wird zudem schneller als kurven-äußere Rad 11. Es wird damit ein eindrehendes Giermoment erzeugt.
-
Es ist in diesem Zusammenhang weiterhin eine solche Potentialabschätzung nötig, mittels welcher abgeschätzt wird, ob das Radmoment W1 durch das entsprechende Rad 10 absetzbar ist. Andernfalls sorgt die Entlastung des kurven-inneren Rads 10 zum Abreißen der Haftung und damit der Seitenführungsfähigkeit des kurven-inneren Rads 10 und also wird damit ein eindrehendes Giermoment erzeugt.
-
In Schritt b. wird mittels der Recheneinheit 22 ein jeweiliges Anpassmoment A1, A2 berechnet beziehungsweise das Bremsmoment und/oder Ergänzungsmoment für die Momenten-Moduliereinrichtung 20. Abschließend wird ein Stellbefehl O an die Momenten-Moduliereinrichtung 20 abgegeben. In Schritt c. wird dann das berechnete Anpassmoment A1, A2 an das jeweilige Rad 10, 11 abgegeben. Damit wird, sofern gemäß der gewählten Applikation C, S, B erwünscht, das zumindest zum Teil kompensierende Giermoment GM erzeugt.
-
Bezugszeichenliste
-
- 100
- Fahrzeug
- 200
- Lenkachse
- 10
- kurven-inneres Rad
- 11
- kurven-äußeres Rad
- 20
- Momenten-Moduliereinrichtung
- 21
- Messeinrichtung
- 22
- Recheneinheit
- 30
- Antriebsmaschine
- 31
- Differential
- 32
- Bremse
- 33
- Bordcomputer
- 34
- Fahrdynamikregler
- 35
- separates Steuergerät
- 36
- Datenbus
- 40
- Fahrgastzelle
- 41
- Lenkrad
- 42
- Auswahleinrichtung für ein Fahrprofil
- 50
- Soll-Bahn
- 51
- Ist-Bahn
- A1
- kurven-inneres Anpassmoment
- A2
- kurven-äußeres Anpassmoment
- B
- dritte Applikationen
- C
- erste Applikationen
- D
- Fahrprofil
- GA
- Lenkwinkel
- GM
- Giermoment
- O
- Stellbefehl
- P
- Potentialabfrage
- S
- zweite Applikationen
- W1
- kurven-inneres Radmoment
- W2
- kurven-äußeres Radmoment
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- DE 4112906 C2 [0004]
- EP 1884395 B1 [0005]
- US 10513178 B2 [0006]
- US 9494218 B2 [0007]
- CN 107117203 A [0008]