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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Einstellen einer geplanten Trajektorie für ein Fahrzeug, auf eine entsprechende Vorrichtung und auf ein Fahrzeug mit einer solchen Vorrichtung.
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Fahrdynamische Grenzen eines Fahrzeugs können Auswirkungen auf eine Trajektorie haben, die für das Fahrzeug geplant werden kann. Des Weiteren können unvorhergesehene Ereignisse auftreten, welche eine Führung des Fahrzeugs entlang einer geplanten Trajektorie beeinflussen können. Die
DE 10 2018 203 617 A1 offenbart ein Verfahren zum Berechnen einer Trajektorien-Limitierung und ein Verfahren zur Regelung einer Fahrdynamik.
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Vor diesem Hintergrund schafft die vorliegende Erfindung ein verbessertes Verfahren zum Einstellen einer geplanten Trajektorie für ein Fahrzeug, eine verbesserte Vorrichtung zum Einstellen einer geplanten Trajektorie für ein Fahrzeug und ein verbessertes Fahrzeug gemäß den Hauptansprüchen. Vorteilhafte Ausgestaltungen ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung.
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Gemäß Ausführungsformen kann insbesondere eine geplante Trajektorie für ein Fahrzeug mit mehreren Rückfallebenen hinsichtlich einer Ausnutzung fahrdynamischer Grenzen des Fahrzeugs eingestellt werden. Anders ausgedrückt können gemäß Ausführungsformen beispielsweise mehrstufige Rückfallebenen zur Absicherung einer Trajektorienplanung für ein Fahrzeug, insbesondere ein Fahrzeug für hochautomatisiertes Fahren, bereitgestellt werden. Vorteilhafterweise kann gemäß Ausführungsformen insbesondere somit eine Absicherung einer erhöhten Menge an Fahrsituationen durch Verwendung von Fahrdynamik-Begrenzungen erreicht werden, wobei eine Restmenge von Fahrsituationen mit ungewissen Ausgang reduziert werden kann. So kann eine Trajektorie sicher und zuverlässig geplant werden, wobei auch bei einem Auftreten unvorhergesehener Ereignisse noch fahrdynamische Reserven ausnutzbar sein können.
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Ein Verfahren zum Einstellen einer geplanten Trajektorie für ein Fahrzeug, insbesondere ein Fahrzeug für hochautomatisiertes Fahren, umfasst folgende Schritte:
- Erzeugen einer Mehrzahl von unterschiedlichen Begrenzungsdatensätzen zum Umsetzen der geplanten Trajektorie unter Verwendung zumindest eines fahrdynamischen Kennwertes des Fahrzeugs und eines Schätzwertes für einen Reibungskoeffizienten zwischen dem Fahrzeug und einer Fahrbahn, wobei jeder Begrenzungsdatensatz Grenzwerte für einen kinematischen Fahrzustand des Fahrzeugs aufweist;
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Berechnung der geplanten Trajektorie abhängig von aktuellen Trajektorienkontrolldaten und abhängig von einem ausgewählten Begrenzungsdatensatz aus der Mehrzahl von erzeugten Begrenzungsdatensätzen,
wobei der die niedrigsten Grenzwerte aufweisende Begrenzungsdatensatz aus der Mehrzahl von erzeugten Begrenzungsdatensätzen ausgewählt wird, mit dem die geplante Trajektorie umsetzbar ist, wobei die Trajektorienkontrolldaten aktuelle Umfelddaten von einem Umfeldsensor des Fahrzeugs und/oder aktuelle Positionsdaten von einem Positionssensor des Fahrzeugs aufweisen; und
Einstellen der geplanten Trajektorie.
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Dieses Verfahren kann beispielsweise in Software oder Hardware oder in einer Mischform aus Software und Hardware beispielsweise in einer Vorrichtung oder einem Steuergerät implementiert sein. Bei dem Fahrzeug kann es sich um ein Kraftfahrzeug, insbesondere ein Landfahrzeug, beispielsweise einen Personenkraftwagen, Bus, Lastkraftwagen oder ein anderes Nutzfahrzeug handeln. Die geplante Trajektorie kann von einer Trajektorie Planungseinrichtung des Fahrzeugs bereitgestellt sein oder werden. Der zumindest eine fahrdynamische Kennwert kann eine physikalische Größe einer Lenkung, eines Antriebs, einer Bremse, eines Reifens, eines Fahrwerks oder einer Karosserie repräsentieren, wie beispielsweise ein verfügbares Antriebsmoment, einen darstellbaren Lenkwinkel, einen darstellbares Lenkmoment, eine Auslegung der Achskinematik, eine Lenkübersetzung, eine Getriebeübersetzung, eine Fahrzeugmasse, eine Fahrzeuggeometrie oder dergleichen. Der kinematische Fahrzustand kann eine Beschleunigung, eine Geschwindigkeit, eine Krümmung, eine Krümmungsänderung, eine Beschleunigungsänderungsrate, eine Gierrate, eine Gierratenänderung und/oder dergleichen repräsentieren. Der zumindest eine Umfeldsensor kann eine Fahrzeugkamera, ein Radargerät, ein Lidargerät oder dergleichen zum Erfassen eines Umfelds des Fahrzeugs aufweisen. Die aktuellen Positionsdaten können eine aktuelle Position des Fahrzeugs bezogen auf ein geographisches Referenzsystem repräsentieren. Der Schritt des Auswählens kann unter Verwendung bzw. im Rahmen eines Planungsalgorithmus bzw. einer Trajektorienplanungseinrichtung ausgeführt werden. Dem Planer bzw. der Trajektorienplanungseinrichtung können somit über definierte Schnittstellen mehrere Grenzen mit unterschiedlichem Sicherheitsaspekt, z. B. degradierte Lenkung, voll verfügbare Lenkung und dergleichen, zur Verfügung gestellt werden.
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Gemäß einer Ausführungsform können im Schritt des Erzeugens die Begrenzungsdatensätze unter Verwendung von unterschiedlichen Sicherheitsfaktoren zum Skalieren des zumindest einen fahrdynamischen Kennwertes und zusätzlich oder alternativ des Schätzwertes für den Reibungskoeffizienten erzeugt werden. Hierbei können die Sicherheitsfaktoren zumindest abhängig von einer geschätzten, gemessenen oder anderweitig bekannten, z. B. vom Aktuator übermittelten, Fehlergröße, von einer stochastischen Unsicherheit und zusätzlich oder alternativ von einem gemessenen oder geschätzten Verschleißzustand zumindest eines Aktuators des Fahrzeugs definiert sein oder werden. Genauer gesagt kann oder können der zumindest eine fahrdynamische Kennwert und zusätzlich oder alternativ der Reibungskoeffizient jedes Begrenzungsdatensatzes mit einem oder mehreren Sicherheitsfaktoren multipliziert werden. Ein Sicherheitsfaktor kann beispielsweise eine Zahl zwischen 0 und 1, eine negative Zahl oder eine positive Zahl größer 1 sein. Eine solche Ausführungsform bietet den Vorteil, dass durch derart skalierte Begrenzungsdatensätze je nach aktueller Fahrsituation eine Sicherheitsreserve hinsichtlich der Fahrdynamik vorgehalten werden kann, welche bei Bedarf auch voll ausgeschöpft werden kann, um unterschiedlich kritische Fahrsituationen zu bewältigen. Es kann mit bekannten, gemessenen oder ggf. konservativ geschätzten physikalischen Parametern, wie beispielsweise maximales Lenkmoment z. B. im Falle einer Degradierung, gearbeitet werden.
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Insbesondere können im Schritt des Erzeugens ein erster Begrenzungsdatensatz mit ersten Grenzwerten unter Verwendung eines ersten Schätzwertes für den Reibungskoeffizienten und mindestens ein zweiter Begrenzungsdatensatz mit zweiten Grenzwerten unter Verwendung eines zweiten Schätzwertes für den Reibungskoeffizienten erzeugt werden, wobei physikalische Grenzwerte auf Basis eines dritten Schätzwertes für den Reibungskoeffizienten gelten. Hierbei kann der zweite Schätzwert größer als der erste Schätzwert und kleiner als der dritte Schätzwert sein. Dabei können die zweiten Grenzwerte größer als die ersten Grenzwerte und kleiner als die physikalischen Grenzwerte sein. Auch können dabei die Begrenzungsdatensätze unter Verwendung von unterschiedlich skalierten fahrdynamischen Kennwerten erzeugt werden. Der zweite Schätzwert für den Reibungskoeffizienten kann eine realistische Schätzung repräsentieren, wobei der erste Schätzwert eine vorsichtige oder konservative Schätzung repräsentieren kann, wobei der dritte Schätzwert einen vordefinierten maximalen oder unendlich hohen Reibungskoeffizienten repräsentieren kann. Eine solche Ausführungsform bietet den Vorteil, dass je nach Fahrsituation bedarfsabhängig als erste Stufe eine Absicherung planbarer Trajektorien unter Berücksichtigung von Unsicherheiten, als zweite Stufe eine Bewältigung von plötzlich auftretenden Ereignissen mit erhöhten fahrdynamischen Anforderungen oder als dritte Stufe eine Ausnutzung eines vollen fahrdynamischen Potentials erreicht werden kann, falls die beiden vorangegangenen Stufen keine unfallfreie Trajektorie ermöglichen, wobei auch eine Reduzierung eines möglichen Schadensausmaßes ermöglicht wird.
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Gemäß einer Ausführungsform kann im Schritt des Erzeugens für jeden Begrenzungsdatensatz unter Verwendung des zumindest einen fahrdynamischen Kennwertes und des Schätzwertes für den Reibungskoeffizienten ein Wertefeld in einem auf Längsbeschleunigung und Querbeschleunigung des Fahrzeugs bezogenen Beschleunigungsdiagramm ermittelt werden. Bei dem Beschleunigungsdiagramm kann es sich ein sogenanntes G-G-Diagramm handeln. Das Wertefeld kann hierbei insbesondere durch Polygone approximiert und beschrieben werden. Eine solche Ausführungsform bietet den Vorteil, dass die Begrenzungsdatensätze auf eine einheitliche und anschauliche Referenz bezogen sein können, wodurch eine einfache, exakte und zuverlässige Skalierung der Grenzwerte für unterschiedliche Rückfallebenen ermöglicht werden kann.
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Auch kann das Verfahren einen Schritt des Einlesens des zumindest einen fahrdynamischen Kennwertes, der Umfelddaten und zusätzlich oder alternativ der Positionsdaten aufweisen. Die Umfelddaten können von einem Umfeldsensor des Fahrzeugs bereitgestellt sein oder werden. Die Positionsdaten können von einem Positionssensor und zusätzlich oder alternativ einem Satellitenempfangsgerät des Fahrzeugs bereitgestellt sein oder werden. Der zumindest eine fahrdynamische Kennwert kann aus einer Speichereinrichtung eingelesen werden. Eine solche Ausführungsform bietet den Vorteil, dass zur Durchführung des Verfahrens benötigte Eingangsdaten auf einfache und zuverlässige Weise verfügbar gemacht werden können.
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Ferner kann das Verfahren einen Schritt des Schätzens des Reibungskoeffizienten unter Verwendung der Umfelddaten und zusätzlich oder alternativ der Positionsdaten aufweisen. Zusätzlich oder alternativ kann der Reibungskoeffizient im Schritt des Schätzens auch aus einer Liste oder Tabelle mit geschätzten Reibungskoeffizienten ausgelesen ausgewählt oder abgerufen werden, optional abhängig von den Umfelddaten und zusätzlich oder alternativ den Positionsdaten. Eine solche Ausführungsform bietet den Vorteil, dass lediglich der Reibungskoeffizient geschätzt zu werden braucht, da die fahrdynamischen Kennwerte des Fahrzeugs ohnehin vorliegen. Somit können die unterschiedlichen Begrenzungsdatensätze auf einfache Weise erzeugt werden.
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Der hier vorgestellte Ansatz schafft ferner eine Vorrichtung, die ausgebildet ist, um die Schritte einer Variante eines hier vorgestellten Verfahrens in entsprechenden Einrichtungen durchzuführen, anzusteuern bzw. umzusetzen. Auch durch diese Ausführungsvariante der Erfindung in Form einer Vorrichtung kann die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe schnell und effizient gelöst werden.
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Die Schritte des Verfahrens können somit in einer geeigneten Vorrichtung umgesetzt werden, die Teil eines Steuergeräts des Fahrzeugs sein kann, wie einer Ausführungsform der vorstehend genannten Vorrichtung. Eine Vorrichtung kann ein elektrisches Gerät sein, das elektrische Signale, beispielsweise Sensorsignale verarbeitet und in Abhängigkeit davon Steuersignale ausgibt. Die Vorrichtung kann eine oder mehrere geeignete Schnittstelle aufweisen, die hard- und/oder softwaremäßig ausgebildet sein können. Bei einer hardwaremäßigen Ausbildung können die Schnittstellen beispielsweise Teil einer integrierten Schaltung sein, in der Funktionen der Vorrichtung umgesetzt sind. Die Schnittstellen können auch eigene, integrierte Schaltkreise sein oder zumindest teilweise aus diskreten Bauelementen bestehen. Bei einer softwaremäßigen Ausbildung können die Schnittstellen Softwaremodule sein, die beispielsweise auf einem Mikrocontroller neben anderen Softwaremodulen vorhanden sind.
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Von Vorteil ist auch ein Computerprogrammprodukt mit Programmcode, der auf einem maschinenlesbaren Träger wie einem Halbleiterspeicher, einem Festplattenspeicher oder einem optischen Speicher gespeichert sein kann und zur Durchführung des Verfahrens nach einer der vorstehend beschriebenen Ausführungsformen verwendet wird, wenn das Programm auf einem Computer oder einer Vorrichtung ausgeführt wird.
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Ein entsprechendes Fahrzeug, insbesondere ein Fahrzeug für hochautomatisiertes Fahren, weist zum Umsetzen einer geplanten Trajektorie für das Fahrzeug eine Ausführungsform der vorstehend genannten Vorrichtung auf.
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Die Erfindung wird anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung eines Fahrzeugs mit einer Vorrichtung gemäß einem Ausführungsbeispiel;
- 2 ein schematisches Beschleunigungsdiagramm für ein Fahrzeug gemäß einem Ausführungsbeispiel;
- 3 ein schematisches Antriebskraft-Geschwindigkeitsdiagramm für unterschiedliche Getriebestufen eines Fahrzeugs gemäß einem Ausführungsbeispiel;
- 4 ein schematisches Beschleunigungsdiagramm für ein Fahrzeug gemäß einem Ausführungsbeispiel;
- 5 ein schematisches Beschleunigungsdiagramm für ein Fahrzeug gemäß einem Ausführungsbeispiel;
- 6 ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zum Einstellen gemäß einem Ausführungsbeispiel; und
- 7 eine schematische Darstellung einer Vorrichtung gemäß einem Ausführungsbeispiel.
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In der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung werden für die in den verschiedenen Figuren dargestellten und ähnlich wirkenden Elemente gleiche oder ähnliche Bezugszeichen verwendet, wobei auf eine wiederholte Beschreibung dieser Elemente verzichtet wird.
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines Fahrzeugs 100 mit einer Vorrichtung 120 gemäß einem Ausführungsbeispiel. Das Fahrzeug 100 ist insbesondere für hoch automatisiertes Fahren ausgelegt. Bei dem Fahrzeug 100 handelt es sich um ein Kraftfahrzeug, insbesondere ein Landfahrzeug, beispielsweise um einen Personenkraftwagen, Bus, Lastkraftwagen oder ein anderes Nutzfahrzeug. Das Fahrzeug 100 umfasst zum Einstellen einer geplanten Trajektorie für das Fahrzeug 100 die Vorrichtung 120. Somit ist die Vorrichtung 120 ausgebildet, um eine geplante Trajektorie für das Fahrzeug 100 einzustellen.
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Das Fahrzeug 100 umfasst gemäß dem hier dargestellten Ausführungsbeispiel auch einen Umfeldsensor 102, einen Positionssensor 104, eine Speichereinrichtung 106, eine Trajektorienplanungseinrichtung 108 und zumindest einen Aktuator 110. Der Umfeldsensor 102 ist ausgebildet, um ein Umfeld des Fahrzeugs 100 zu erfassen und Umfelddaten 103 bereitzustellen, welche das erfasste Umfeld repräsentieren. Bei dem Umfeldsensor 102 handelt es sich beispielsweise um eine Fahrzeugkamera, ein Radargerät oder dergleichen. Mittels des Umfeldsensors 102 sind beispielsweise Hindernisse im Umfeld des Fahrzeugs 100 erkennbar. Der Positionssensor 104 ist ausgebildet, um eine geografische Position des Fahrzeugs 100 zu erfassen und Positionsdaten 105 bereitzustellen, welche die erfasste Position repräsentieren. Bei dem Positionssensor 104 handelt es sich beispielsweise um einen Satellitenempfänger oder dergleichen. Die Speichereinrichtung 106 ist ausgebildet, um zumindest einen fahrdynamischen Kennwert des Fahrzeugs 100 repräsentierende Fahrdynamikdaten 107 für die Vorrichtung 120 abrufbar bzw. lesbar zu speichern. Die Trajektorienplanungseinrichtung 108 ist ausgebildet, um eine Trajektorie für das Fahrzeug 100 zu planen und Trajektoriendaten 109 bereitzustellen, welche die geplante Trajektorie repräsentieren. Der Aktuator 110 ist ausgebildet, um die geplante Trajektorie umzusetzen und hierzu entsprechende Stelleingriffe in Fahrzeugprozesse hinsichtlich Fahrwerk, Getriebe, Lenkung, Bremsen und dergleichen auszuführen.
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Die Vorrichtung 120 ist signalübertragungsfähig mit dem Umfeldsensor 102, dem Positionssensor 104, der Speichereinrichtung 106 und der Trajektorienplanungseinrichtung 108 verbunden. Anders als dargestellt kann die Vorrichtung 120 auch als ein Teil der Trajektorienplanungseinrichtung 108 ausgeführt sein und/oder kann die Vorrichtung 120 auch die Speichereinrichtung 106 umfassen. Der Aktuator 110 ist signalübertragungsfähig mit der Trajektorienplanungseinrichtung 108 und/oder der Vorrichtung 120 verbunden. Die Vorrichtung 120 umfasst eine Erzeugungseinrichtung 124, eine Auswahleinrichtung 126 und eine Anwendungseinrichtung 128. Ferner umfasst die Vorrichtung 120 gemäß dem hier dargestellten Ausführungsbeispiel auch eine Eingangsschnittstelle 121, eine Schätzeinrichtung 122 und eine Ausgangsschnittstelle 129.
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Die Vorrichtung 120 ist gemäß dem hier dargestellten Ausführungsbeispiel ausgebildet, um die Umfelddaten 103, die Positionsdaten 105 und die Fahrdynamikdaten 107 über die Eingangsschnittstelle 121 einzulesen. Ferner weist die Vorrichtung 120 gemäß dem hier dargestellten Ausführungsbeispiel die Schätzeinrichtung 122 auf. Die Schätzeinrichtung 120 ist ausgebildet, um einen Reibungskoeffizienten eines Reibkontaktes zwischen dem Fahrzeug 100 und einer Fahrbahn unter Verwendung der Umfelddaten 103 und/oder der Positionsdaten 105 zu schätzen. Somit ist die Schätzeinrichtung 120 ausgebildet, um unter Verwendung der Umfelddaten 103 und/oder der Positionsdaten 105 einen Schätzwert 123 für den Reibungskoeffizienten bereitzustellen.
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Die Erzeugungseinrichtung 124 ist ausgebildet, um unter Verwendung des zumindest einen fahrdynamischen Kennwertes des Fahrzeugs 100 aus den Fahrdynamikdaten 107 und unter Verwendung des Schätzwertes 123 für den Reibungskoeffizienten eine Mehrzahl von unterschiedlichen Begrenzungsdatensätzen 125 zum Umsetzen der geplanten Trajektorie zu erzeugen. Jeder mittels der Erzeugungseinrichtung 124 erzeugte Begrenzungsdatensatz 125 umfasst Grenzwerte für einen kinematischen Fahrzustand des Fahrzeugs 100, z.B. eine Beschleunigung, insbesondere bezogen auf eine Längsachse und eine Querachse des Fahrzeugs 100.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die Erzeugungseinrichtung 124 ausgebildet, um die Begrenzungsdatensätze 125 unter Verwendung von unterschiedlichen Sicherheitsfaktoren zum Skalieren des zumindest einen fahrdynamischen Kennwertes und/oder des Schätzwertes 123 für den Reibungskoeffizienten zu erzeugen. Dabei sind oder werden die Sicherheitsfaktoren zumindest abhängig von einer geschätzten, gemessenen oder anderweitig bekannten, z. B. vom Aktuator übermittelten, Fehlergröße, einer stochastischen Unsicherheit und/oder einem gemessenen oder geschätzten Verschleißzustand des zumindest einen Aktuators 110 des Fahrzeugs definiert. Insbesondere ist die Erzeugungseinrichtung 124 ausgebildet, um unter Verwendung eines ersten Schätzwertes 123 für den Reibungskoeffizienten einen ersten Begrenzungsdatensatz 125 mit ersten Grenzwerten und unter Verwendung eines zweiten Schätzwertes 123 für den Reibungskoeffizienten mindestens einen zweiten Begrenzungsdatensatz 125 mit zweiten Grenzwerten zu erzeugen, wobei physikalische Grenzwerte auf Basis eines dritten Schätzwertes 123 für den Reibungskoeffizienten gelten. Hierbei ist der zweite Schätzwert 123 größer als der erste Schätzwert 123 und kleiner als der dritte Schätzwert 123. Ferner sind die zweiten Grenzwerte größer als die ersten Grenzwerte und kleiner als die physikalischen Grenzwerte. Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die Erzeugungseinrichtung 124 ausgebildet, um für jeden der Begrenzungsdatensätze 125 unter Verwendung des zumindest einen fahrdynamischen Kennwertes aus den Fahrdynamikdaten 107 und des Schätzwertes 123 für den Reibungskoeffizienten und Informationen von dem Aktuator bzw. den Aktuatoren, z. B. maximales Lenkmoment, ein Wertefeld in einem auf Längsbeschleunigung und Querbeschleunigung des Fahrzeugs 100 bezogenen Beschleunigungsdiagramm zu ermitteln. Insbesondere auf die hier genannten Ausführungsbeispiele wird unter Bezugnahme auf nachfolgende Figuren noch detaillierter eingegangen.
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Die Auswahleinrichtung 126 ist ausgebildet, um abhängig von aktuellen Trajektorienkontrolldaten, hier aktuellen Umfelddaten 103 und aktuellen Positionsdaten 105, den die niedrigsten Grenzwerte aufweisenden Begrenzungsdatensatzes 127, mit dem die geplante Trajektorie abhängig von aktuellen Trajektorienkontrolldaten umsetzbar ist, aus der Mehrzahl von erzeugten Begrenzungsdatensätzen 125 auszuwählen. Anders ausgedrückt ist die Auswahleinrichtung 126 ausgebildet, um einen aus der Mehrzahl von Begrenzungsdatensätzen 125 gemäß Auswahlkriterien ausgewählten Begrenzungsdatensatz 127 bereitzustellen. Die Auswahlkriterien umfassen hierbei sowohl minimale Grenzwerte für den kinematischen Fahrzustand als auch eine Umsetzbarkeit der geplanten Trajektorie vor dem Hintergrund der Trajektorienkontrolldaten. Gemäß dem hier dargestellten Ausführungsbeispiel umfassen die Trajektorienkontrolldaten die aktuellen Umfelddaten 103 und die aktuellen Positionsdaten 105. Gemäß einem anderen Ausführungsbeispiel umfassen die Trajektorienkontrolldaten die aktuellen Umfelddaten 103 oder die aktuellen Positionsdaten 105.
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Die Anwendungseinrichtung 128 ist ausgebildet, um den ausgewählten Begrenzungsdatensatz 127 auf die geplante Trajektorie aus den Trajektoriendaten 109 anzuwenden, um die Trajektorie einzustellen bzw. eine eingestellte Trajektorie bereitzustellen, gemäß dem hier dargestellten Ausführungsbeispiel in Gestalt eines Einstellsignals 130. Anders ausgedrückt ist die Anwendungseinrichtung 128 ausgebildet, um unter Verwendung des ausgewählten Begrenzungsdatensatzes 127 das Einstellsignal 130 bereitzustellen, welches die eingestellte Trajektorie repräsentiert.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel werden die zwei oder mehr berechneten Begrenzungsdatensätze 125 an die Trajektorienplanungseinrichtung 108 übermittelt. Diese erstellt dann eine Trajektorie unter Berücksichtigung der Grenzen. Das Ergebnis genügt also diesen Grenzen. Die Entscheidung, welche Grenzen verwendet werden, obliegt somit dem Planungsalgorithmus bzw. der Trajektorienplanungseinrichtung 108. Die Auswahleinrichtung 126 und die Anwendungseinrichtung 128 sind hierbei mit der Trajektorienplanungseinrichtung 108 integriert bzw. kombiniert ausgeführt.
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2 zeigt ein schematisches Beschleunigungsdiagramm 200 für ein Fahrzeug gemäß einem Ausführungsbeispiel. Das Beschleunigungsdiagramm 200 betrifft beispielsweise das Fahrzeug aus 1 oder ein anderes oder ähnliches Fahrzeug. An einer Abszissenachse des Beschleunigungsdiagramms 200 ist eine Beschleunigung ax entlang einer Längsachse x des Fahrzeugs aufgetragen. An einer Ordinatenachse des Beschleunigungsdiagramms 200 ist eine Beschleunigung ay entlang einer Querachse y des Fahrzeugs aufgetragen.
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In dem Beschleunigungsdiagramm 200 sind ein lediglich beispielhaft im Ursprung des Beschleunigungsdiagramms 200 zentrierter Reibungskreis 201 einer reibungsbedingten Beschleunigungsgrenze auf Fahrzeugebene, eine Antriebsgrenze 202 für die Beschleunigung aufgrund von geschwindigkeitsabhängigen Beschränkungen von Antrieb und Antriebsstrang, eine Schlupfgrenze 203 hinsichtlich des inneren Rades (Differenzial), Kippgrenzen 204 für ein Umkippen des Fahrzeugs, ABS-Grenzen 205 aufgrund des Eingriffs von Antiblockiersystem-Funktionen und eine Bremsgrenze 206 aufgrund allgemeiner Beschränkungen des Bremssystems eingezeichnet. Der Reibungskreis 201 skaliert mit dem Reibungskoeffizienten µ. Die Zentrierung im Ursprung repräsentiert eine Fahrt in der absoluten Ebene. Bei Fahrbahnsteigungen bzw. Fahrbahnneigungen verschiebt sich das Diagramm vom Ursprung weg.
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3 zeigt ein schematisches Antriebskraft-Geschwindigkeitsdiagramm 300 für unterschiedliche Getriebestufen eines Fahrzeugs gemäß einem Ausführungsbeispiel. An einer Abszissenachse des Antriebskraft-Geschwindigkeitsdiagramms 300 ist eine Geschwindigkeit v des Fahrzeugs aufgetragen. An einer Ordinatenachse des Antriebskraft-Geschwindigkeitsdiagramms 300 ist Antriebskraft F des Fahrzeugs aufgetragen. Das Antriebskraft-Geschwindigkeitsdiagramm 300 steht in Zusammenhang mit der Antriebsgrenze aus 2. In dem Antriebskraft-Geschwindigkeitsdiagramm 300 sind ein erster Graph 301, der einen Verlauf der Antriebskraft F über der Geschwindigkeit v für einen ersten Gang bzw. eine erste Getriebestufe repräsentiert, ein zweiter Graph 302, der einen Verlauf der Antriebskraft F über der Geschwindigkeit v für einen zweiten Gang bzw. eine zweite Getriebestufe repräsentiert, ein dritter Graph 303, der einen Verlauf der Antriebskraft F über der Geschwindigkeit v für einen dritten Gang bzw. eine dritte Getriebestufe repräsentiert, ein vierter Graph 304, der einen Verlauf der Antriebskraft F über der Geschwindigkeit v für einen vierten Gang bzw. eine vierte Getriebestufe repräsentiert, und ein fünfter Graph 305, der einen Verlauf der Antriebskraft F über der Geschwindigkeit v für einen fünften Gang bzw. eine fünfte Getriebestufe repräsentiert, eingezeichnet.
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4 zeigt ein schematisches Beschleunigungsdiagramm 200 für ein Fahrzeug gemäß einem Ausführungsbeispiel. Das Beschleunigungsdiagramm 200 ähnelt hierbei dem Beschleunigungsdiagramm aus 2. Hierbei sind von den Begrenzungen beispielhaft lediglich der Reibungskreis 201, die Antriebsgrenze 202 und die Schlupfgrenze 203 explizit eingezeichnet. Ferner sind nichtlineare Abschnitte 410 der Begrenzungen sowie eine lineare Approximation 425 der nichtlinearen Abschnitte 410 eingezeichnet.
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Bei Beschleunigungssituationen sowie Verzögerungssituationen können die Beschränkungen durch Geraden und Ellipsen beschrieben sein. Die Vorrichtung, genauer gesagt die Erzeugungseinrichtung, aus 1 ist ausgebildet, um die Schnittpunkte zwischen den Geraden und den Ellipsen mittels quadratischer Gleichungen zu berechnen und diese Schnittpunkte zu verbinden. Hierzu wird ein grober Schätzwert des Reibungskoeffizienten µ benötigt.
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5 zeigt ein schematisches Beschleunigungsdiagramm 200 für ein Fahrzeug gemäß einem Ausführungsbeispiel. Das Beschleunigungsdiagramm 200 ähnelt dem Beschleunigungsdiagramm aus 2 und 4. Gezeigt sind in dem Beschleunigungsdiagramm 200 ein erstes Wertefeld 525a, ein zweites Wertefeld 525b und ein drittes Wertefeld 525c. Ferner sind Reibungskreise eingezeichnet, die einen ersten Schätzwert µ1 des Reibungskoeffizienten µ und einen zweiten Schätzwert µ2 des Reibungskoeffizienten µ repräsentieren. Der erste Schätzwert µ1 des Reibungskoeffizienten µ entspricht einer vorsichtigen bzw. sicheren Schätzung des Reibungskoeffizienten µ und der zweite Schätzwert µ2 des Reibungskoeffizienten µ entspricht einer realen Schätzung des Reibungskoeffizienten µ. Das erste Wertefeld 525a ist innerhalb des zu dem ersten Schätzwert µ1 gehörigen Reibungskreises angeordnet. Das zweite Wertefeld 525b und das dritte Wertefeld 525c sind innerhalb des zu dem zweiten Schätzwert µ2 gehörigen Reibungskreises angeordnet, der größer als der zu dem ersten Schätzwert µ1 gehörige Reibungskreis ist. Das erste Wertefeld 525a steht in Zusammenhang mit dem unter Bezugnahme auf 1 erwähnten ersten Begrenzungsdatensatz und repräsentiert sichere Grenzen. Das zweite Wertefeld 525b steht in Zusammenhang mit dem zweiten Begrenzungsdatensatz und repräsentiert Grenzen auf der Basis einer konservativen Schätzung der realen physikalischen Grenzen. Das dritte Wertefeld 525c steht in Zusammenhang mit dem dritten Begrenzungsdatensatz und repräsentiert reale physikalische Grenzen. Diese sind nicht exakt bekannt und liegen somit als theoretisches Wertefeld vor. In dem zweiten Wertefeld 525b sind diese möglichst gut, aber nicht-optimistisch abgeschätzt. Wenn das dritte Wertefeld 525c genutzt wird, werden z. B. Schlupfregelungssysteme im Falle einer Vollbremsung genutzt. Wenn eine Trajektorie unter den geschätzten Grenzen des dritten Wertefeldes 525c nicht mehr möglich ist, dann und nur dann darf die Trajektorienplanung die Grenzen überschreiten.
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6 zeigt ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens 600 zum Einstellen gemäß einem Ausführungsbeispiel. Das Verfahren 600 ist ausführbar, um eine geplante Trajektorie für ein Fahrzeug, insbesondere für ein Fahrzeug für hochautomatisiertes Fahren, einzustellen. Dabei ist das Verfahren 600 zum Einstellen in Verbindung mit dem Fahrzeug aus 1 oder einem ähnlichen Fahrzeug ausführbar. Auch ist das Verfahren 600 unter Verwendung der Vorrichtung aus 1 oder einer ähnlichen Vorrichtung ausführbar.
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In einem Schritt 630 des Erzeugens wird bei dem Verfahren 600 zum Einstellen unter Verwendung zumindest eines fahrdynamischen Kennwertes des Fahrzeugs und eines Schätzwertes für einen Reibungskoeffizienten zwischen dem Fahrzeug und einer Fahrbahn eine Mehrzahl von unterschiedlichen Begrenzungsdatensätzen zum Umsetzen der geplanten Trajektorie erzeugt. Jeder Begrenzungsdatensatz umfasst Grenzwerte für einen kinematischen Fahrzustand des Fahrzeugs. Nachfolgend wird in einem Schritt 640 des Auswählens aus der Mehrzahl von unterschiedlichen Begrenzungsdatensätzen der die niedrigsten Grenzwerte aufweisende Begrenzungsdatensatz ausgewählt, mit dem die geplante Trajektorie abhängig von aktuellen Trajektorienkontrolldaten umsetzbar ist. Die Trajektorienkontrolldaten umfassen aktuelle Umfelddaten von einem Umfeldsensor des Fahrzeugs und/oder aktuelle Positionsdaten von einem Positionssensor des Fahrzeugs. Wiederum nachfolgend wird in einem Schritt 650 des Anwendens der im Schritt 640 des Auswählens ausgewählte Begrenzungsdatensatz auf die geplante Trajektorie angewendet, um die Trajektorie einzustellen. Somit wird hierbei eine eingestellte Trajektorie generiert.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist das Verfahren 600 zum Einstellen auch einen Schritt 610 des Einlesens und/oder einen Schritt 620 des Schätzens auf. In dem Schritt 610 des Einlesens wird oder werden der zumindest eine fahrdynamische Kennwert, die Umfelddaten und/oder die Positionsdaten eingelesen. In dem
Schritt 620 des Schätzens wird unter Verwendung der Umfelddaten und/oder der Positionsdaten der Reibungskoeffizient geschätzt. Somit wird hierbei der Schätzwert für den Reibungskoeffizienten generiert. Der Schritt 610 des Einlesens und der Schritt 620 des Schätzens sind vor dem Schritt 630 des Erzeugens oder während desselben ausführbar.
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7 zeigt eine schematische Darstellung einer Vorrichtung 120 gemäß einem Ausführungsbeispiel. Die Vorrichtung 120 entspricht oder ähnelt hierbei der Vorrichtung aus 1. Gezeigt sind der mindestens eine Umfeldsensor 102 außerhalb der Vorrichtung 120, die Umfelddaten 103, ein Wahrnehmungsmodul 702 (engl. Perception) außerhalb der Vorrichtung 120, der Positionssensor 104 außerhalb der Vorrichtung 120 zur Positionsermittlung, die Positionsdaten 105, die Trajektorienplanungseinrichtung 108 bzw. der Trajektorienplaner als Teil der Vorrichtung 120, die Trajektoriendaten 109 bzw. die Zieltrajektorie, der Aktuator 110 außerhalb der Vorrichtung 120, die Schätzeinrichtung 122 als Teil der Vorrichtung 120, die Schätzwerte 123, z. B. Reitpferd, Masse, Steigung, Neigung etc., die Erzeugungseinrichtung 124 als Teil der Vorrichtung 120 zur Begrenzungserzeugung, die Begrenzungsdatensätze 125, die Auswahleinrichtung 126 als Teil der Vorrichtung 120, der ausgewählte Begrenzungsdatensatz 127, eine Sicherheitsstufe 727 bzw. Auswahlkriterien, die Anwendungseinrichtung 128 bzw. ein Trajektorienregler als Teil der Vorrichtung 120 und das Einstellsignal 130 bzw. Stellwerte.
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Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele sowie Hintergründe und Vorteile von Ausführungsbeispielen unter Bezugnahme auf die vorstehend beschriebenen Figuren zusammenfassend und mit anderen Worten nochmals kurz erläutert.
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Ein Fahrzeug 100 hat fahrdynamische Grenzen. Diese Grenzen lassen sich z. B. über eine maximal darstellbare Querbeschleunigung ay und Längsbeschleunigung ax beschreiben. Diese Grenzen werden durch verschiedene Aspekte bestimmt. Als Beispiele seien Reifen- und Fahrbahneigenschaften, aber auch Aktuatoreigenschaften, z. B. verfügbare Antriebsmomente oder darstellbare Lenkwinkel bzw. -momente, genannt. Auch eine Auslegung einer Achskinematik spielt hier eine Rolle. Zudem sind längs- und querdynamische Grenzen über die Reifen miteinander gekoppelt. So kann bei Kurvenfahrt mit konstanter Geschwindigkeit eine höhere Querbeschleunigung stationär gefahren werden als bei einer beschleunigten Kurvenfahrt (Stichwort: Kammscher Kreis). Bei hochautomatisiert bzw. zumindest teilweise autonom fahrenden Fahrzeugen bzw. Fahrzeugen mit Fahrerassistenzsystemen wird eine Solltrajektorie von einem Algorithmus prädiktiv berechnet, beispielsweise mittels der Trajektorienplanungseinrichtung 108. Ein unterlagerter Regler setzt diese Solltrajektorie in Stellbefehle für die wiederum unterlagerten Aktuatoren 110, z. B. Lenkung, Bremse, Antrieb etc., um. Dabei wird eine die aktuelle Fahrzeugposition kontinuierlich berücksichtigt und bei Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Trajektorie korrigierend über die Aktuatoren 110 eingegriffen. Bei der Planung der Solltrajektorie sollen fahrdynamische Grenzen des Fahrzeugs 100 einschließlich aller relevanten Teilsysteme berücksichtigt werden, damit das Fahrzeug 100 mit den unterlagerten Trajektorien- und Aktuatorregelungen (Lenkung, Antrieb, Bremse, etc.) diese Solltrajektorie auch umsetzen kann. Bei der Berechnung der fahrdynamischen Grenzen sollen vielfältige Informationen verfügbar sein: z. B. Fahrbahn- und Reifeneigenschaften, Lenk- und Getriebeübersetzungen, Eigenschaften eines Antriebsmotors, verfügbare Momente eines Lenkaktuators, Fahrzeugmasse und -geometrie sowie Eigenschaften eines Fahrwerks. Die Beschreibung der fahrdynamischen Grenzen kann in einem Planungsverfahren, z. B. in Form von Modellen oder einfachen, beispielsweise heuristischen, Kennlinien abgebildet werden.
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Bei der Trajektorienplanung und Trajektorienregelung handelt es sich um sicherheitskritische Vorgänge, die abgesichert werden sollen. Die Planung einer Trajektorie soll zukünftige Ereignisse und Situationen einbeziehen und unterliegt daher prinzipbedingt gewissen Unsicherheiten, beispielsweise durch unsichere/unbekannte Straßeneigenschaften, z. B. Reibwert, aber auch Fahrbahnsteigung, Neigung und dergleichen, unsichere/unbekannte Umgebungseigenschaften, z. B. Seitenwind, nichtplanbare plötzliche Situationsänderungen, Aktuatorausfälle oder Aktuatordegradierung und dergleichen. In Kurvenfahrten soll beispielsweise die Lenkung die Querbeschleunigung ay durch Aufbau eines Lenkmoments abstützen. Degradiert die Lenkung, verringert sich die abstützbare Querbeschleunigung ay. Geschieht dies während einer Kurvenfahrt, kann sich eine vorher fahrbare Trajektorie in eine nicht mehr fahrbare Trajektorie verwandeln, und das Fahrzeug droht aus der Kurve zu fliegen.
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Um eine Trajektorie sicher zu planen, sollen solche Unsicherheiten demnach in der Planung berücksichtigt werden. Eine Strategie ist es, die Trajektorie mit niedrigen fahrdynamischen Anforderungen zu planen, sodass die Trajektorie auch beim Auftreten von ungünstigen Straßeneigenschaften und Umgebungseigenschaften sowie bei Aktuatordegradierung dennoch fahrbar bleibt. Diese Strategie ist jedoch nur sehr eingeschränkt geeignet, mit plötzlichen und somit unplanbaren Ereignisse umzugehen. Tritt z. B. plötzlich ein Hindernis auf, kann es erforderlich sein, dieses mit erhöhten fahrdynamischen Anforderungen auf einer eingestellten bzw. geänderten Trajektorie zu umfahren.
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Der vorstehend genannte Sachverhalt wird über ein mehrstufiges, beispielsweise dreistufiges, Sicherheitskonzept gemäß Ausführungsbeispielen gelöst. Hierbei werden Fahrdynamikgrenzen genutzt, um verschiedene Situationen abzusichern.
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Berechnung der Trajektorie mit sicheren Grenzen bzw. Safe Constraints, siehe beispielsweise erstes Wertefeld 525a aus 5:
- Dies ist der Nominalfall für vorhersehbare Situationen. Grenzen bzw. Grenzwerte liegen hier etwa im Bereich um +/- 3 m/s2. Berechung erfolgt unter der Annahme von Fehlerfällen/Unsicherheiten, wie beispielsweise der Degradierung der Lenkung und somit reduziertem Lenkmoment und in Folge reduzierter Querabstützung in Kurven, niedriger Reibwert etc. Eine Planung unter diesen Annahmen ist möglich, solange eine vorhersehbare Situation vorliegt, wobei eine unvorhersehbare Situation zum Beispiel darin bestehen kann, dass ein Kind vor das Fahrzeug 100 springt. Beim Eintreten eines Fehlers bzw. einer Unsicherheit können negative Auswirkungen vorteilhaft verhindert werden, da die Trajektorie mit den sicheren Grenzen geplant wurde.
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Berechnung der Trajektorie mit konservativen physikalischen Grenzen bzw. Conservative Physical Constraints, siehe beispielsweise zweites Wertefeld 525b aus 5: Falls eine unfallfreie/sichere Trajektorie mit den sicheren Grenzen aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses, z. B. Kind springt vor das Fahrzeug 100, nicht mehr umsetzbar ist, wird versucht, die Situation mit den konservativen physikalischen Grenzen abzusichern. Berechnung erfolgt unter der Annahme des aktuellen Sytemzustandes, beispielsweise aktueller Degradierungszustand, aktueller Reibwert etc. Die Wahrscheinlichkeit, dass während der Behandlung des unvorhergesehenen Ereignisses ein Aktuatorausfall auftritt, ist gering. Ein abgesichertes Ausführen von vielen Situationen mit erhöhten fahrdynamischen Anforderungen ist somit vorteilhaft möglich.
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Berechnung der Trajektorie unter Ignorierung von Grenzen bzw. mit realen physikalischen Grenzen bzw. Real Physical Constraints, siehe beispielsweise drittes Wertefeld 525c aus 5:
- Falls eine unfallfreie/sichere Trajektorie auch mit den konservativen physikalischen Grenzen nicht mehr möglich ist, ist die Vorrichtung 120 ausgebildet, um die geplante Trajektorie so einzustellen, dass Grenzen ignoriert werden. Hierdurch können die realen physikalischen Grenzen ausgenutzt werden, eine Absicherung der Trajektorie ist jedoch nicht mehr möglich. Ein mögliches Schadenausmaß kann jedoch zumindest gesenkt werden. Als Beispiel sei eine Forderung einer Vollbremsung mit ax = -20 m/s2 genannt, was über ein Reifenkraftpotential hinausgehen würde, wobei das System in eine ABS-Regelung eingreift. So kann eine Ausnutzung des vollen fahrdynamischen Potentials erreicht werden, wobei eine Auftretenswahrscheinlichkeit aufgrund der vorgeschalteten beiden Stufen, d. h. der sicheren Grenzen und der konservativen physikalischen Grenzen, minimal ist.
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Die beschriebenen und in den Figuren gezeigten Ausführungsbeispiele sind nur beispielhaft gewählt. Unterschiedliche Ausführungsbeispiele können vollständig oder in Bezug auf einzelne Merkmale miteinander kombiniert werden. Auch kann ein Ausführungsbeispiel durch Merkmale eines weiteren Ausführungsbeispiels ergänzt werden.
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Ferner können erfindungsgemäße Verfahrensschritte wiederholt sowie in einer anderen als in der beschriebenen Reihenfolge ausgeführt werden.
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Umfasst ein Ausführungsbeispiel eine „und/oder“ Verknüpfung zwischen einem ersten Merkmal und einem zweiten Merkmal, so kann dies so gelesen werden, dass das Ausführungsbeispiel gemäß einer Ausführungsform sowohl das erste Merkmal als auch das zweite Merkmal und gemäß einer weiteren Ausführungsform entweder nur das erste Merkmal oder nur das zweite Merkmal aufweist.
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Bezugszeichenliste
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- 100
- Fahrzeug
- 102
- Umfeldsensor
- 103
- Umfelddaten
- 104
- Positionssensor
- 105
- Positionsdaten
- 106
- Speichereinrichtung
- 107
- Fahrdynamikdaten
- 108
- Trajektorienplanungseinrichtung
- 109
- Trajektoriendaten
- 110
- Aktuator
- 120
- Vorrichtung
- 121
- Eingangsschnittstelle
- 122
- Schätzeinrichtung
- 123
- Schätzwerte
- 124
- Erzeugungseinrichtung
- 125
- Begrenzungsdatensätze
- 126
- Auswahleinrichtung
- 127
- ausgewählter Begrenzungsdatensatz
- 128
- Anwendungseinrichtung
- 129
- Ausgangsschnittstelle
- 130
- Einstellsignal
- 200
- Beschleunigungsdiagramm
- ax
- Beschleunigung entlang einer Längsachse des Fahrzeugs
- ay
- Beschleunigung entlang einer Querachse des Fahrzeugs
- 201
- Reibungskreis
- 202
- Antriebsgrenze
- 203
- Schlupfgrenze
- 204
- Kippgrenzen
- 205
- ABS-Grenzen
- 206
- Bremsgrenze
- 300
- Antriebskraft-Geschwindigkeitsdiagramm
- 301
- erster Graph
- 302
- zweiter Graph
- 303
- dritter Graph
- 304
- vierter Graph
- 305
- fünfter Graph
- 410
- nichtlinearer Abschnitt
- 525
- lineare Approximation
- 525a
- erstes Wertefeld
- 525b
- zweites Wertefeld
- 525c
- drittes Wertefeld
- µ1
- erster Schätzwert des Reibungskoeffizienten
- µ2
- zweiter Schätzwert des Reibungskoeffizienten
- 600
- Verfahren zum Einstellen
- 610
- Schritt des Einlesens
- 620
- Schritt des Schätzens
- 630
- Schritt des Erzeugens
- 640
- Schritt des Auswählens
- 650
- Schritt des Anwendens
- 702
- Wahrnehmungsmodul
- 727
- Sicherheitsstufe
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102018203617 A1 [0002]