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Technisches Gebiet
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Die Erfindung betrifft Kraftfahrzeuge mit elektrischen Antriebssystemen, und insbesondere Verfahren zum Bereitstellen einer Angabe zu einer Restnutzungsdauer basierend auf einer Diagnose von Komponenten des elektrischen Antriebssystems mithilfe Verfahren künstlicher Intelligenz.
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Technischer Hintergrund
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Ein elektrisches Antriebssystem umfasst zahlreiche Komponenten, wie beispielsweise einen elektrischen Energiespeicher, z. B. eine Traktionsbatterie, eine elektrische Maschine zur Wandlung zwischen mechanischer und elektrischer Energie, eine Leistungselektronik zur Ansteuerung der elektrischen Maschine und mechanische Komponenten, wie beispielsweise Getriebe und Differential zur Momentenübertragung sowie Radlager zur Lagerung von Antriebsrädern, und dergleichen.
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Verfahren zur Überwachung des Gesundheitszustands einzelner Komponenten sowie Diagnoseverfahren zum Feststellen von Fehlern in einzelnen Komponenten sind aus dem Stand der Technik bekannt. So wird beispielsweise in dem elektrischen Antriebssystem die Traktionsbatterie kontinuierlich basierend auf vorgegebenen Verfahren anhand von Betriebsgrößen, d. h. Sensorgrößen und Steuergrößen, überwacht. Für andere Komponenten findet jedoch eine Überwachung und Diagnose im laufenden Betrieb nur unzureichend statt.
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In der Regel werden mithilfe gängiger Diagnoseverfahren Fehler im Antriebssystem erst erkannt, wenn eine Schädigung des Antriebssystems stattgefunden hat. Jedoch kündigen sich alterungs- und verschleißbedingte Fehler durch Änderung von Betriebsverhalten und Systemzuständen vorher an. Tritt dann der Fehler auf, führt dies häufig zu einer Leistungsreduktion oder Totalausfall des Antriebssystems.
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Offenbarung der Erfindung
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Erfindungsgemäß sind ein Verfahren zum Bereitstellen einer Restnutzungsdauer basierend auf einer Diagnose von Komponenten eines elektrischen Antriebssystems in einem Kraftfahrzeug gemäß Anspruch 1 sowie ein Verfahren zum Trainieren eines datenbasierten Restnutzungsmodell, eine entsprechende Vorrichtung und ein Antriebssystem gemäß den nebengeordneten Ansprüchen vorgesehen.
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Weitere Ausgestaltungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Gemäß einem ersten Aspekt ist ein computer-implementiertes Verfahren zum Bereitstellen einer Restnutzungsdauer basierend auf einer Diagnose von Komponenten eines elektrischen Antriebssystems in einem Fahrzeug vorgesehen, mit folgenden Schritten:
- - Erfassen von Verläufen einer Vielzahl von Betriebsgrößen, die mindestens eine Sensorgröße und/oder mindestens eine Steuergröße umfassen, in dem Fahrzeug;
- - Verwenden mehrerer Diagnosemodelle für mehrere Fehlerarten, die jeweils ausgebildet sind, um basierend auf zumindest einem Teil der Vielzahl von Betriebsgrößen eine bestimmte Fehlerart in einer der Komponenten zu erkennen und eine entsprechende der Fehlerart zugeordneten Fehlerinformation zu signalisieren;
- - Ermitteln einer Restnutzungsdauer mithilfe eines trainierten datenbasierten Restnutzungsmodells abhängig von den signalisierten Fehlerinformationen der mehreren Diagnosemodelle, wobei das datenbasierte Restnutzungsmodell trainiert ist, um abhängig von Fehlerinformationen von mehreren Diagnosemodellen eine Restnutzungsdauer anzugeben;
- - Signalisieren der Restnutzungsdauer.
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Die Fehlerart entspricht hier einem bestimmten Fehler, der in einer bestimmten Komponente aufgetreten ist. In einer Komponente können verschiedene Fehler als unterschiedliche Fehlerarten definiert werden. Die Fehlerinformation kann eine Angabe umfassen, dass ein Fehler aufgetreten ist oder dass kein Fehler aufgetreten ist. Die Fehlerinformation kann auch eine Angabe über eine Schwere des Fehlers beinhalten.
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Die Betriebsgrößen entsprechen Größen des Antriebssystems aus dem laufenden Betrieb, wie Sensorgrößen und Steuergrößen für Aktuatoren und davon abgeleitete Größen und dergleichen.
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Weiterhin können die Diagnosemodelle ein oder mehrere physikalische Diagnosemodelle umfassen, die jeweils ausgebildet sind, um basierend auf korrelierenden und/oder redundanten Verläufen von zumindest einem Teil der Vielzahl von Betriebsgrößen einen Fehler in einer oder mehreren der Komponenten des elektrischen Antriebssystems zu erkennen und eine entsprechende Fehlerinformation bereitzustellen. Ein physikalisches Diagnosemodell sieht vor, die Betriebsgrößen auszuwerten und diagnostizierbare Fehlerarten unter Zuhilfenahme von Domänenwissen zu bewerten. Ein solches Diagnosemodell ist im Kraftfahrzeug implementiert und kann insbesondere redundante oder korrelierende Betriebsgrößen nutzen, um insbesondere in Verwendung mit Pinpointing auf einen Fehler zu schließen.
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Alternativ oder zusätzlich können die mehreren Diagnosemodelle ein oder mehrere datenbasierte Fehlerklassifikationsmodelle umfassen, die ausgebildet sind, um basierend auf den Verlauf zumindest eines Teils der Vielzahl von Betriebsgrößen einen Fehler in einer oder mehreren der Komponenten zu erkennen und eine entsprechende Fehlerinformation zu signalisieren.
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Mit Hilfe von datenbasierten Fehlerklassifikationsmodellen als Diagnosemodelle (Machine-Learning Modellen) können weitere Diagnosen hinsichtlich bekannter Fehlerarten durchgeführt werden. Insbesondere kann ein datenbasiertes Klassifikationsmodell, z. B. in Form eines neuronalen Netzes oder dergleichen, verwendet werden, das ebenfalls in dem Kraftfahrzeug zur Analyse und Bewertung klassifizierbarer Fehlerarten ausgeführt werden kann. Die Ausgabe des Fehlerklassifikationsmodells ist ebenfalls eine Fehlerinformation, die eine Fehlerart eines erkannten Fehlers anzeigt. Ein solches Klassifikationsmodell kann beispielsweise als Ergänzung des physikalischen Diagnosemodells zur Verbesserung der Diagnoseabdeckung eingesetzt werden. Ein datenbasiertes Fehlerklassifikationsmodell kann zudem einen Fehlergrad angeben.
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Das Fehlerklassifikationsmodell kann durch Flottendaten in einer Zentraleinheit (Cloud) auf Grundlage einer Vielzahl von Trainingsdaten trainiert werden. Diese Trainingsdaten für das Training dieses Fehlerklassifikationsmodells basieren auf in einer Vielzahl von Fahrzeugen erkannten Fehler einer bestimmten Fehlerart nebst zugehörigen Betriebsgrößen, die den Zustand des Antriebssystems angeben, durch den die Fehlerart charakterisiert ist. Die Modellparameter des so trainierten Fehlerklassifikationsmodells können dann einmalig oder zu regelmäßigen Zeitpunkten an das Kraftfahrzeug übermittelt werden.
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Es kann vorgesehen sein, dass die mehreren Diagnosemodelle ein oder mehrere Anomaliedetektionsmodelle umfassen, die ausgebildet sind, um basierend auf den Verlauf zumindest eines Teils der Vielzahl von Betriebsgrößen eine Anomalie des Verhaltens des Antriebssystems zu erkennen und einen entsprechenden Anomaliegrad als Fehlerinformation zur Verfügung zu stellen.
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Es kann vorgesehen sein, dass mithilfe des datenbasierten Restnutzungsmodells die Restnutzungsdauer abhängig von dem einen oder den mehreren Anomaliegraden als Fehlerinformation angegeben wird.
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Ein datenbasiertes Anomalie-Detektionsmodell kann Verhaltensabweichungen an einer Komponente des Antriebssystems erkennen, insbesondere auch Verhaltensabweichungen, die nicht zu einem Erkennen eines Fehlers durch andere Diagnosemodelle führen. So können bereits Verhaltensabweichungen erkannt werden, die nicht über das physikalische Diagnosemodell oder das Fehlerklassifikationsmodell erkannt werden können. Das Anomalie-Detektionsmodell kann mit einem Autoencoder ausgebildet sein, der einen Anomaliegrad, z. B. als Rekonstruktionsfehler, in an sich bekannter Weise ausgibt.
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Das Anomalie-Detektionsmodell kann mit Betriebsgrößen bzw. Verläufen von Betriebsgrößen aus dem laufenden Betrieb in verschiedenen Betriebsbereichen eines Antriebssystems mit gesichert fehlerfreien Komponenten trainiert werden. Auf diese Weise können Verhaltensmuster des Antriebssystems dem Anomalie-Detektionsmodell eingeprägt werden. Das Anomalie-Detektionsmodell kann im Kraftfahrzeug implementiert sein. Das Training des Anomalie-Detektionsmodell kann vorzugsweise in der Zentraleinheit vorgenommen werden, insbesondere auf Grundlage die Verhaltensmuster vieler Kraftfahrzeuge mit sicher fehlerfreien Komponenten. Die Modellparameter des so trainierten Anomalie-Detektionsmodells können dann einmalig oder zu regelmäßigen Zeitpunkten an das Kraftfahrzeug übermittelt werden.
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Insbesondere können die jeweilige Fehlerinformation einem kritischen oder nicht-kritischen Fehler in der betreffenden Komponente des Antriebssystems zugeordnet sein, wobei bei Erkennen eines kritischen Fehlers durch eine entsprechende der Fehlerinformationen ein Ende der Lebensdauer als Restnutzungsdauer signalisiert wird.
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Weiterhin kann bei Signalisieren eines nicht-kritischen Fehlers durch die Fehlerinformation diesem eine Zeitinformation zugeordnet werden, die angibt, wann der nicht-kritische Fehler aufgetreten ist, wobei die Zeitinformation für die Bestimmung der Restnutzungsdauer verwendet wird, wobei insbesondere die Zeitinformation dem Restnutzungsmodell als Eingangsgröße bereitgestellt wird.
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Gemäß einer Ausführungsform kann die Fehlerinformationen kontinuierlich an eine Zentraleinheit von einem oder einer Vielzahl von Kraftfahrzeugen übermittelt werden, wobei bei Vorliegen eines kritischen Fehlers, der ein Ende einer Nutzungsdauer angibt, ein oder mehrere Trainingsdatensätze generiert werden, der Fehlerinformationen der mehreren Diagnosemodelle einer Restnutzungsdauer zuordnet, wobei das datenbasierten Restnutzungsmodell mit dem einen oder den mehreren Trainingsdatensätzen nachtrainiert bzw. aktualisiert wird.
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Grundsätzlich sind verschiedene Diagnoseverfahren für das Überprüfen einer Funktionsfähigkeit von verschiedenen Komponenten in einem Kraftfahrzeug bekannt. Diese Diagnoseverfahren können Diagnosen basierend auf Modellen, wie einem physikalischen Diagnosemodell, einem datenbasierten Fehlerklassifizierungsmodell oder einem Anomalie-Detektionsmodell durchführen.
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Mit Hilfe des datenbasierten Restnutzungsmodells kann der aktuelle Gesundheitszustand des gesamten Antriebssystems unter Zuhilfenahme von diagnostizierten Fehlern und ggfs Verhaltensänderungen bewertet werden. Der Gesundheitszustand wird als Restnutzungsdauer angegeben. Die Restnutzungsdauer kann als geschätzte verbleibende Betriebszeit des Antriebssystems, bis ein Ausfall wahrscheinlich ist, oder in anderer Weise angegeben werden, womit die Restnutzungsdauer bestimmt werden kann.
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Insbesondere können durch das datenbasierte Restnutzungsmodell auch Fehlerbilder von nicht-kritischen Fehlern ausgewertet werden, bei denen von keinem oder nur von einem Teil der obigen Diagnosemodelle Fehler erkannt worden sind. Beispielsweise kann bei einem Fehlerverdacht im Fahrzeug, der vorliegt, wenn die implementierten Diagnosemodelle für eine Fehlerart widersprüchliche Fehlerinformationen bereitstellen, eine fundierte Angabe der Restnutzungsdauer durch das datenbasierte Restnutzungsmodell vorgenommen werden.
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Hierzu wird auf Basis von Ähnlichkeitsbedingungen unter Zuhilfenahme von Cluster-Verfahren bereits vergangene und bekannte Fehlerfälle in der Cloud ermittelt. Diese bekannten und ähnlichen Fehlerfälle sind bereits hinsichtlich Ihrer Schwere und Restlebensdauer bewertet. Damit ist es nun möglich den Erwartungswert und die Streuung sowohl hinsichtlich Schwere des Fehlers als auch Restlebensdauer aufgrund des Fehlers abzuleiten.
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Die verschiedenen Diagnoseansätze werten kontinuierlich Betriebsgrößen aus, um eine Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines tatsächlichen Fehlers zu ermitteln und daraus gegebenenfalls Maßnahmen abzuleiten und/oder eine Restlebensdauer einer betreffenden Komponente festzustellen. Durch die Kombination herkömmlicher Diagnoseverfahren mit der Nutzung von Flottendaten in einer Zentraleinheit können Domänenwissen und Datenwissen modellbasiert miteinander kombiniert werden, so dass die Robustheit insbesondere bei widersprüchlichen und unklaren Diagnosezuständen erhöht wird. Auf diese Weise kann sehr früh eine verlässliche Diagnose erstellt werden.
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Die Restnutzungsdauer kann mithilfe eines datenbasierten Restnutzungsmodell bestimmt werden, das entsprechend auf die Fehlerinformationen eine Restnutzungsdauer abbildet.
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Alternativ kann das Restnutzungsmodell ein Cluster-Verfahren anwenden, z. B. über einen Nearest Neighbour-Ansatz, basierend auf gespeicherten Datensätzen, die für eine Vielzahl von Fahrzeugen Fehlerinformationen für alle berücksichtigten Fehlerarten eine Restnutzungsdauer zuordnen. Die Restnutzungsdauer ergibt sich dabei aus einem Zeitpunkt einer Änderung einer Fehlerinformation und einem erkannten Zeitpunkt eines Auftretens eines kritischen Fehlers. Damit ist es nun möglich, den Erwartungswert und die Streuung der Restnutzungsdauer zu bewerten, indem über ähnliche Schadenverläufe statistisch eine Wahrscheinlichkeitsdichte gefittet wird. Dies erlaubt eine statistisch quantifizierte Vorhersage der Restnutzungsdauer.
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Gemäß einem weiteren Aspekt ist eine Vorrichtung zum Bereitstellen einer Restnutzungsdauer basierend auf einer Diagnose von Komponenten eines elektrischen Antriebssystems in einem Fahrzeug vorgesehen, wobei die Vorrichtung ausgebildet ist zum:
- - Erfassen von Verläufen einer Vielzahl von Betriebsgrößen, die mindestens eine Sensorgröße und/oder mindestens eine Steuergröße umfassen, in dem Fahrzeug;
- - Verwenden mehrerer Diagnosemodelle für mehrere Fehlerarten, die jeweils ausgebildet sind, um basierend auf zumindest einem Teil der Vielzahl von Betriebsgrößen eine bestimmte Fehlerart in einer der Komponenten zu erkennen und eine entsprechende der Fehlerart zugeordneten Fehlerinformation zu signalisieren;
- - Ermitteln einer Restnutzungsdauer mithilfe eines Restnutzungsmodells abhängig von den signalisierten Fehlerinformationen der mehreren Diagnosemodelle, wobei das Restnutzungsmodell ausgebildet ist, um abhängig von Fehlerinformationen von mehreren Diagnosemodellen eine Restnutzungsdauer anzugeben; und
- - Signalisieren der Restnutzungsdauer.
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Figurenliste
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Ausführungsformen werden nachfolgend anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung eines Systems mit einer Fahrzeugflotte und einer Zentraleinheit zur Feststellung von Fehlern in einem Antriebssystem der Kraftfahrzeuge;
- 2 ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung eines Verfahrens zur Diagnose von Komponenten eines Antriebssystems; und
- 3 ein Blockdiagramm zur Veranschaulichung des Diagnosesystems in einem Kraftfahrzeug und einer Zentraleinheit.
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Beschreibung von Ausführungsformen
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines Systems 1 mit einer Fahrzeugflotte 3 aus einer Vielzahl von Fahrzeugen 4 und einer Zentraleinheit 2. Jedes der Fahrzeuge 4 steht mit der Zentraleinheit 2 in Kommunikationsverbindung.
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Dazu weist jedes der Fahrzeuge 4 eine Steuereinheit 41 auf, die über eine Kommunikationseinrichtung 42 mit der Zentraleinheit 2 in Kommunikationsverbindung steht.
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Die Fahrzeuge 4 werden über ein Antriebssystem 43 betrieben, das zahlreiche Komponenten, wie beispielsweise einen elektrischen Energiespeicher 44, z. B. eine Traktionsbatterie, eine elektrische Maschine 45 zur Wandlung zwischen mechanischer und elektrischer Energie, eine Leistungselektronik 46 zur Ansteuerung der elektrischen Maschine 45 und mechanische Komponenten 47, wie beispielsweise Getriebe und Differential zur Momentenübertragung sowie Radlager zur Lagerung von Antriebsrädern, und dergleichen aufweist. Weiterhin kann eine Sensorik 48 vorgesehen sein, um Sensorgrößen als Betriebsgrößen F zu erfassen. Die Betriebsgrößen F umfassen die Sensorgrößen und Ansteuergrößen, mit denen Stellgeber in dem Antriebssystem 43 angesteuert werden.
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Die Steuereinheit 41 ist ausgebildet, das Antriebssystem 43 zum Betreiben des Antriebssystems anzusteuern. Weiterhin kann die Steuereinheit 41 ausgebildet sein, um Diagnoseverfahren auszuführen.
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Die Zentraleinheit 2 steht mit allen Fahrzeugen in Kommunikationsverbindung und weist eine Steuereinheit 21 und eine Datenbank 22 zur Speicherung von Datensätzen auf.
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In Verbindung mit dem Blockdiagramm eines Diagnosesystems 10 der 3 wird in 2 ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung eines Verfahrens zur Diagnose des Antriebssystems 43 eines Kraftfahrzeugs 4 ausführlicher beschrieben, wie es in der Steuereinheit 41 in Verbindung mit der Zentraleinheit 2 ausgeführt werden kann.
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Das Verfahren kann in den Steuereinheiten 21, 41 der Zentraleinheit bzw. des Kraftfahrzeugs in Hardware oder Software implementiert sein. Grundsätzlich hat das Diagnosesystem 10 den Aufbau, wie er in 3 dargestellt ist.
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Das Diagnosesystem 10 weist eine Betriebsgrößenerfassungseinheit 11 auf, um Betriebsgrößen F bereitzustellen, die Sensorgrößen von diversen Sensoren der Sensorik 48 im Antriebsystem 43 und Steuergrößen, die an Stellgeber des Antriebsystems 43 ausgegeben werden, umfassen. Ferner können die Betriebsgrößen F davon abgeleitete Größen, wie z. B. Durchschnittswerte, zeitliche Mittelwerte, Gradienten und dergleichen, umfassen. Die Betriebsgrößen aus dem Antriebssystem 43 des Fahrzeugs werden in Schritt S1 kontinuierlich erfasst, so dass zeitliche Verläufe der Betriebsgrößen F bereitstehen.
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Die Betriebsgrößen F werden in Schritt S2 in einem Vorverarbeitungsblock 12 vorverarbeitet. Dabei werden Ausreißer eliminiert, die Verläufe der Betriebsgrößen F geglättet und gegebenenfalls für die weitere Auswertung aufbereitet, beispielsweise durch Normierung, Transformation und dergleichen.
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Die so aufbereiteten Betriebsgrößen F werden verschiedenen Fehlerdiagnosemodellen zugeführt. Diese umfassen in der Regel mehrere physikalische Diagnosemodelle 13, von denen der Übersichtlichkeit halber nur eines dargestellt ist. Physikalische Diagnosemodelle können unter Zuhilfenahme von Domänenwissen zur Analysebewertung diagnostizierbarer Fehlerarten erstellt und eingesetzt werden. Mit dem physikalischen Diagnosemodell 13 kann basierend auf physikalischen Abhängigkeiten zwischen redundanten oder korrelierenden Betriebsgrößen F ein Fehler in einer oder mehreren Komponenten des Antriebssystems 43 erkannt werden. So können eine Reihe von verschiedenen Fehlerarten in den mehreren Komponenten des Antriebssystems 43 erkannt werden und eine entsprechende Fehlerinformation ausgegeben werden Die Fehlerinformation gibt an, ob durch das zugeordnete physikalische Diagnosemodell 13 ein Fehler erkannt worden ist oder nicht.
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In Schritt S3 wird entsprechend mithilfe des physikalischen Diagnosemodells 13 ein Fehler in den Komponenten des Antriebssystems 43 erkannt und eine entsprechende Fehlerinformation bereitgestellt.
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Weiterhin kann ein datenbasiertes Fehlerklassifikationsmodell 14 vorgesehen sein, das in Schritt S4 anhand der Verläufe der Betriebsgrößen F mit Hilfe von Klassifikationsverfahren einen Fehler in einer oder mehreren Komponenten des Antriebssystems 43 ermitteln kann und eine entsprechende jeweilige Fehlerinformation bereitstellen kann. Das Fehlerklassifikationsmodell 14 (hier der Übersichtlichkeit halber nur eines dargestellt) kann basierend auf Betriebsgrößen F und/oder Verläufen von Betriebsgrößen F für ein fehlerfreies Antriebssystem 43 trainiert sein. Das Fehlerklassifikationsmodell kann auf einem Gaußprozessmodell, einem neuronalen Netz oder dergleichen basieren.
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Das physikalische Diagnosemodell 13 und das Fehlerklassifikationsmodell 14 können in dem Steuergerät 41 des Fahrzeugs implementiert sein. Diese können Fehlerdiagnosen durchführen und die entsprechenden Fehlerinformationen signalisieren.
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Alternativ oder zusätzlich zu dem Fehlerklassifikationsmodell kann ein Flottenklassifikationsmodell 16 in der Zentraleinheit 2 vorgesehen sein, das im Wesentlichen in ähnlicher Weise wie das Fehlerklassifikationsmodell 14 ausgebildet sein kann. Das Flottenklassifikationsmodell 16 kann datenbasiert ausgebildet sein, z. B. als Gaußprozessmodell oder neuronales Netz, und ist mit Flottendaten trainiert, um so Fehlerbilder, die sich in verschiedenen Fahrzeugen 4 der Fahrzeugflotte 3 ergeben haben, zu erkennen, während das Fehlererkennungsmodell lediglich Fehlerbilder des jeweiligen Ego-Fahrzeugs erkennen kann. Mithilfe des Flottenklassifikationsmodells 16 können so zusätzlich Fehler in Komponenten des Antriebssystems, die einem bekannten Fehlermuster entsprechen, erkannt und bereitgestellt werden. Dies erfolgt durch entsprechendes Bereitstellen einer Fehlerinformation für jede zu detektierende Fehlerart.
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Weiterhin werden in Schritt S5 die aufbereiteten Betriebsgrößen F bzw. Verläufe der Betriebsgrößen und die Fehlerinformationen der physikalischen Diagnosemodelle 13 und der Fehlerklassifikationsmodelle 14 an die Zentraleinheit 2 übermittelt.
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Mithilfe eines Anomalie-Detektionsmodells 15, das sowohl in der Zentraleinheit 2 oder in dem Steuereinheit 41 implementiert sein kann, können in Schritt S6 Anomalien in den Verläufen der Betriebsgrößen F erkannt werden, ohne dass diese einem konkreten Fehler bzw. einer konkreten Fehlerart zugeordnet werden können. Diese Anomalien weisen auf abweichende Verhaltensmuster des Antriebssystems 43 hin.
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Eine Anomalie-Detektion wird in der Regel basierend auf einem Autoencoder durchgeführt, der auf Basis von Normaldaten (Betriebsgrößen für fehlerfreie Komponenten des Antriebssystems) trainiert ist. Die Normaldaten werden in einen reduzierten Merkmalsraum abgebildet, aus dem die Betriebsgrößen wieder rekonstruiert werden können. Sätze von Betriebsgrößen F, bei denen die rekonstruierten Betriebsgrößen F von den ursprünglichen Betriebsgrößen abweichen, weisen auf eine Anomalie hin. Der Grad der Abweichung kann auf den Grad der Anomalie hinweisen. Der Anomaliegrad wird in der Zentraleinheit 2 als Fehlerinformation bereitgestellt.
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Datenbasierte Diagnoseverfahren, die beispielsweise für das Fehlerklassifikationsmodell 14 und das Flottenklassifikationsmodell 16 verwendet werden, können eingesetzt werden, um bekannte Fehlerarten zu analysieren und zu quantifizieren. Wird ein Fehler erkannt, kann je nach verwendetem Klassifikationsmodell mit der Fehlerinformation ein Konfidenzniveau angegeben werden, der angibt, mit welcher Zuverlässigkeit das Vorliegen des Fehlers oder das Nicht-Vorliegen des Fehlers erkannt worden ist.
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Jedes der oben beschriebenen Diagnosemodelle kann jeweils einer der Komponenten des Antriebssystems 43 zugeordnet sein, um eine Fehlerart in der entsprechenden Komponente zu erkennen.
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Erkannte Fehler aus den Modellen 13 - 16 werden in Schritt S8 einem Fusionsblock 17 zugeführt, der eine Fehlerauswertung mithilfe eines Restnutzungsmodells vornimmt.
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In Schritt S9 werden in dem Fusionsblock 17 mithilfe eines Restnutzungsmodells die Fehlerinformationen einer Restnutzungsdauer zugeordnet. Die Restnutzungsdauer wird vorzugsweise abhängig von einer Zustandsänderung der Fehlerinformationen ermittelt, so dass abhängig von der bestimmten Restnutzungsdauer und der seit der Zustandsänderung verstrichenen Zeit die Restnutzungsdauer abgeleitet werden kann.
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Die Restnutzungsdauer kann mithilfe eines Clustering-Verfahren bestimmt werden, z. B. über einen Nearest Neighbour-Ansatz. Dazu erfolgt eine Auswertung mit in der Datenbank 22 gespeicherten Datensätzen von Fehlerinformationen und anhand eines infolge aufgetretenen kritischen Fehlers, der ein Nutzungsdauerende signalisiert. So können die Datensätze eine Kombination aller Fehlerinformationen eines Fahrzeugs einer Restnutzungsdauer zuordnen, indem die Zeitdauer zwischen dem Auftreten einer Zustandsänderung der Fehlerinformationen (z. B. nach Erkennen eines nicht-kritischen Fehlers, einer Überschreiten eines Schwellenwerts durch den Anomaliegrad und dergleichen) und dem Auftreten eines kritischen Fehlers als Restnutzungsdauer bestimmt wird.
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Damit ist es nun möglich den Erwartungswert und die Streuung der Restnutzungsdauer zu bewerten, indem mithilfe des Clustering-Verfahrens über ähnliche Schadenverläufe statistisch eine Wahrscheinlichkeitsdichte gefittet wird. Dies erlaubt eine statistisch quantifizierte Vorhersage der Restnutzungsdauer.
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Alternativ kann mit den Datensätzen auch ein datenbasiertes Restnutzungsmodell in Form eines Regressionsmodells, wie z.B. ein Gaußprozessmodell, oder eines neuronalen Netzes trainiert werden. Ein solches datenbasiertes Restnutzungsmodell kann dann mithilfe der bereitgestellten Fehlerinformation ausgewertet werden, um eine Restnutzungsdauer zu erhalten. Wie oben kann das Training so erfolgen, dass die Restnutzungsdauer bezogen auf den Zeitpunkt des Zustandswechsels der Menge an Fehlerinformationen angegeben wird.
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Mithilfe des Anomalie-Detektionsmodells 15 kann eine Anomalie erkannt werden, wenn eine Abweichung der rekonstruierten Betriebsgrößen von den ursprünglichen Sensordaten, die einem Anomaliegrad entspricht, ein bestimmtes Abweichungsmaß überschreitet. Solange dies nicht der Fall ist, kann kein Fehler festgestellt werden. Jedoch kann eine kontinuierliche Überwachung des Anomaliegrades vorgenommen werden, um einen Trend der Entwicklung des Anomaliegrades festzustellen. Dies ermöglicht eine Prädiktion, nach welchem Zeitraum ein vorgegebener Anomaliegrad-Schwellenwert durch den Anomaliegrad überschritten wird. Dieser Zeitraum kann als Restnutzungsdauer angenommen und signalisiert werden. Zudem können die Restnutzungsdauer und die ausgewerteten Betriebsgrößen F als Trainingsdaten für das Flottenklassifikationsmodell verwendet werden. Auch können Fehler, die nach Auftreten einer Anomalie erkannt werden, der Anomalie zugeordnet werden, um so weitere Trainingsdaten für das Flottenklassifikationsmodell für ein Nachtraining zu schaffen.
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Der Anomaliegrad ist besonders dann von Interesse, wenn in der Zentraleinheit 2 keine zuverlässige Restnutzungsdauer auf Basis des Clustering-Verfahrens ermittelbar ist. Denn dann kann eine Abschätzung der Restnutzungsdauer erfolgen, in dem der Anstieg des Anomaliegrads extrapoliert wird und abgeschätzt wird, wann ein vorgegebener kritischer Grenzwert erreicht ist. Dieser Schnittpunkt beschreibt den voraussichtlichen Ausfall der Komponente bzw. des Systems.