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Die Erfindung bezieht sich auf ein Hörsystem zur Unterstützung des Hörvermögens eines Nutzers, mit mindestens einem an dem Kopf, insbesondere in oder an einem Ohr des Nutzers getragenen Hörinstrument. Die Erfindung bezieht sich weiterhin auf ein Verfahren zum Betrieb eines solchen Hörsystems.
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Als Hörinstrument wird allgemein ein elektronisches Gerät bezeichnet, dass das Hörvermögen einer das Hörinstrument tragenden Person (die nachfolgend als „Träger“ oder „Nutzer“ bezeichnet ist) unterstützt. Insbesondere bezieht sich die Erfindung auf Hörinstrumente, die dazu eingerichtet sind, einen Hörverlust eines hörgeschädigten Nutzers ganz oder teilweise zu kompensieren. Ein solches Hörinstrument wird auch als „Hörgerät“ bezeichnet. Daneben gibt es Hörinstrumente, die das Hörvermögen von normalhörenden Nutzern schützen oder verbessern, zum Beispiel in komplexen Hörsituationen ein verbessertes Sprachverständnis ermöglichen sollen.
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Hörinstrumente im Allgemeinen, und Hörgeräte im Speziellen, sind meist dazu ausgebildet, am Kopf und hier insbesondere ihn oder an einem Ohr des Nutzers getragen zu werden, insbesondere als Hinter-dem-Ohr-Geräte (nach dem englischen Begriff „behind the ear“ auch als BTE-Geräte bezeichnet) oder In-dem-Ohr-Geräte (nach dem englischen Begriff „in the ear“ auch als ITE-Geräte bezeichnet). Im Hinblick auf ihre interne Struktur weisen Hörinstrumente regelmäßig mindestens einen (akusto-elektrischen) Eingangswandler, eine Signalverarbeitungseinheit (Signalprozessor) und einen Ausgangswandler auf. Im Betrieb des Hörinstruments nimmt der oder jeder Eingangswandler einen Luftschall aus der Umgebung des Hörinstruments auf und wandelt diesen Luftschall in ein Eingangs-Audiosignal (d. h. ein elektrisches Signal, dass eine Information über den Umgebungsschall transportiert) um. Dieses mindestens eine Eingangs-Audiosignal ist nachfolgend auch als „aufgenommenes Schallsignal“ bezeichnet. In der Signalverarbeitungseinheit wird das oder jedes Eingangs-Audiosignal aufbereitet (d. h. hinsichtlich seiner Schallinformation modifiziert), um das Hörvermögen des Nutzers zu unterstützen, insbesondere um einen Hörverlust des Nutzers auszugleichen. Die Signalverarbeitungseinheit gibt ein entsprechend aufbereitetes Audiosignal (auch als „Ausgangs-Audiosignal“ oder „modifiziertes Schallsignal“ bezeichnet) an den Ausgangswandler aus.
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In den meisten Fällen ist der Ausgangswandler als elektro-akustischer Wandler ausgebildet, der das (elektrische) Ausgangs-Audiosignal wieder in einen Luftschall umwandelt, wobei dieser - gegenüber dem Umgebungsschall modifizierte - Luftschall in den Gehörgang des Nutzers abgegeben wird. Bei einem hinter dem Ohr getragenen Hörinstrument ist der auch als „Hörer“ („Receiver“) bezeichnete Ausgangswandler meist außerhalb des Ohrs in einem Gehäuse des Hörinstruments integriert. Der von dem Ausgangswandler ausgegebene Schall wird in diesem Fall mittels eines Schallschlauchs in den Gehörgang des Nutzers geleitet. Alternativ hierzu kann der Ausgangswandler auch in dem Gehörgang, und somit außerhalb des hinter dem Ohr getragenen Gehäuses, angeordnet sein. Solche Hörinstrumente werden (nach dem englischen Begriff „receiver in canal“) auch als RIC-Geräte bezeichnet. Im Ohr getragene Hörinstrumente, die so klein dimensioniert sind, dass sie nach außen über den Gehörgang nicht hinausstehen, werden (nach dem englischen Begriff „completely in canal“) auch als CIC-Geräte bezeichnet.
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In weiteren Bauformen kann der Ausgangswandler auch als elektro-mechanischer Wandler ausgebildet sein, der das Ausgangs-Audiosignal in Körperschall (Vibrationen) umwandelt, wobei dieser Körperschall zum Beispiel in den Schädelknochen des Nutzers abgegeben wird. Ferner gibt es implantierbare Hörinstrumente, insbesondere Cochlea-Implantate, und Hörinstrumente, deren Ausgangswandler den Hörnerv des Nutzers direkt stimulieren.
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Der Begriff „Hörsystem“ bezeichnet ein einzelnes Gerät oder eine Gruppe von Geräten und ggf. nicht-körperlichen Funktionseinheiten, die zusammen die im Betrieb eines Hörinstruments erforderlichen Funktionen bereitstellen. Das Hörsystem kann im einfachsten Fall aus einem einzelnen Hörinstrument bestehen. Alternativ hierzu kann das Hörsystem zwei zusammenwirkende Hörinstrumente zur Versorgung der beiden Ohren des Nutzers umfassen. In diesem Fall wird von einem „binauralen Hörsystem“ gesprochen. Zusätzlich oder alternativ kann das Hörsystem mindestens ein weiteres elektronisches Gerät, zum Beispiel eine Fernbedienung, ein Ladegerät oder ein Programmiergerät für das oder jedes Hörgerät umfassen. Bei modernen Hörsystemen ist oft anstelle einer Fernbedienung oder eines dedizierten Programmiergerätes ein Steuerprogramm, insbesondere in Form einer sogenannten App, vorgesehen, wobei dieses Steuerprogramm zur Implementierung auf einem externen Computer, insbesondere einem Smartphone oder Tablet, ausgebildet ist. Der externe Computer ist dabei regelmäßig selbst kein Teil des Hörsystems, insofern als er in der Regel unabhängig von dem Hörsystem und auch nicht von dem Hersteller des Hörsystems bereitgestellt wird.
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Zur Dämpfung von Störgeräuschen im Betrieb eines Hörsystems, und somit insbesondere zur Verbesserung des Sprachverständnisses in der Kommunikation zwischen dem Nutzer und einem anderen Sprecher, wird im Rahmen der Signalverarbeitung in einem Hörsystem häufig richtungsabhängige Dämpfung (Beamforming) des Eingangs-Audiosignals eingesetzt, mittels der die aus verschiedenen Richtungen stammenden Anteile der Eingangs-Audiosignale nach Maßgabe einer vorgegebenen Richtcharakteristik verschieden stark gedämpft werden. Häufig weist die Richtcharakteristik eine oder mehrere Richtungen maximaler Dämpfung auf, die auch als Notch bzw. Notches bezeichnet sind. In modernen Hörsystemen sind entsprechende Dämpfungseinheiten (Beamformer) mitunter adaptiv ausgestaltet. Ein solcher adaptiver Beamformer variiert seine Richtcharakteristik selbsttätig, um Störgeräusche optimiert zu dämpfen. Insbesondere wird dabei gegebenenfalls die Notch auf eine dominante Störgeräuschquelle ausgerichtet, um den von dieser Störgeräuschquelle ausgehenden Schallanteil besonders effektiv zu dämpfen.
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Um Störgeräuschquellen, die sich relativ zum Kopfe des Nutzers bewegen (z.B. vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen), folgen zu können, wird ein adaptiver Beamformer häufig mit einer vergleichsweise hohen Adaptionsgeschwindigkeit realisiert. Eine hohe Adaptionsgeschwindigkeit ist weiterhin auch wichtig, um Kopfbewegungen des Nutzers ausgleichen zu können; denn auch eine Kopfbewegung des Nutzers führt dazu, dass sich die in der Umgebung des Nutzers befindlichen Störgeräuschquellen - aus Sicht des Nutzers - relativ zu dessen Kopf bewegen. Die Adaptionsgeschwindigkeit wird dabei regelmäßig so hoch dimensioniert, dass sich der adaptive Beamformer bei einer Kopfdrehung von selbst ohne merkliche Verzögerung gegenläufig zu der Kopfdrehung neu ausrichten kann und somit die Ausrichtung auf eine bestimmte Störgeräuschquelle während und nach der Kopfdrehung beibehält.
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Nachteiligerweise neigen solche schnell-adaptierende Beamformer aber häufig bei dynamischen Hörsituationen zur Erzeugung von negativen Effekten (Artefakten), die von dem Nutzer als unnatürlich empfunden werden. Da nämlich durch die richtungsabhängige Dämpfung neben dem Geräusch der zu dämpfenden Störgeräuschquelle stets auch andere Schallanteile beeinflusst werden - insbesondere in Frequenzbereichen, in denen das Störgeräusch nur schwach oder gar nicht vorhanden ist - kann die Adaptierung der richtungsabhängigen Dämpfung zu einer wahrnehmbaren Fluktuation von Nutzsignalen oder Hintergrundgeräuschen in dem an den Nutzer ausgegebenen Schallsignal führen. Solche Artefakte können das Hörempfinden des Nutzers unter ungünstigen Umständen erheblich beeinträchtigen und im Extremfall sogar eine Verschlechterung des Sprachverständnisses (anstelle der gewünschten Verbesserung) verursachen. Insbesondere kann eine durch die Adaptierung der richtungsabhängigen Dämpfung verursachte Fluktuation von an sich statischen Hintergrundgeräuschen zu einer erhöhten Wahrnehmung dieser Hintergrundgeräusche führen und somit den Nutzer von der Konzentration auf das eigentliche Nutzsignal ablenken. Besondere störende Effekte können insbesondere dadurch verursacht werden, dass die Notch eines adaptiven Beamformers zwischen verschiedenen Störgeräuschquellen hin- und herspringt.
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Ein z.B. aus
EP 2 908 550 B1 bekannter Ansatz, diese Probleme zumindest teilweise zu beheben, besteht darin, eine Kopfbewegung des Nutzers mittels eines Beschleunigungs- Richtungs- oder Neigungssensors zu detektieren und die „Blickrichtung“ des Beamformers (d.h. die Richtkeule) gegenläufig zu der detektierten Kopfbewegung nachzuführen. Alternativ hierzu ist aus
EP 2 908 550 B1 bekannt, die Adaptionsgeschwindigkeit eines adaptiven Beamformers zu erhöhen, wenn mittels des Sensors eine Kopfbewegung des Nutzers detektiert wird. Beide Ansätze ermöglichen, den Beamformer in Abwesenheit von Kopfdrehungen mit einer vergleichsweise geringen Adaptionsgeschwindigkeit auszugestalten, so dass in dieser Situation das Risiko von Artefakten der vorstehen beschriebenen Art verringert wird.
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Diese Ansätze helfen aber jedenfalls nicht gegen Artefakte der adaptiven richtungsabhängigen Dämpfung, die durch unabhängig von dem Kopf des Nutzers bewegte Störgeräuschquellen (z.B. vorbeifahrende Kraftfahrzeuge) verursacht werden.
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Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, eine im Betrieb eines Hörsystems (zur Modifikation des aus der Umgebung aufgenommenen und in modifizierter Form an den Nutzer auszugebenden Schallsignals) eingesetzte adaptive richtungsabhängige Dämpfung in Hinblick auf die Vermeidung von Artefakten zu verbessern. Es soll somit eine richtungsabhängige Dämpfung geschaffen werden, die ein verbessertes Hörempfinden des Nutzers ermöglicht.
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Bezüglich eines Verfahrens wird diese Aufgabe erfindungsgemäß gelöst durch die Merkmale des Anspruchs 1. Bezüglich eines Hörgerätesystems wird die Aufgabe erfindungsgemäß gelöst durch die Merkmale des Anspruchs 7. Vorteilhafte und teils für sich gesehen erfinderische Ausgestaltungen oder Weiterentwicklungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung dargelegt.
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Die Erfindung geht allgemein aus von einem Hörsystem zur Unterstützung des Hörvermögens eines Nutzers, wobei das Hörsystem mindestens ein am Kopf, insbesondere in oder an einem Ohr des Nutzers getragenes Hörinstrument aufweist. Wie vorstehend beschrieben, kann das Hörsystem in einfachen Ausführungen der Erfindung ausschließlich aus einem einzigen Hörinstrument bestehen. In einer anderen Ausführung der Erfindung umfasst das Hörsystem zusätzlich zu dem Hörinstrument mindestens eine weitere Komponente, z.B. ein weiteres (insbesondere gleichartiges) Hörinstrument zur Versorgung des anderen Ohrs des Nutzers, ein Steuerprogramm (insbesondere in Form einer App) zur Ausführung auf einem externen Computer (insbesondere einem Smartphone) des Nutzers und/oder mindestens ein weiteres elektronisches Gerät, z.B. eine Fernbedienung oder ein Ladegerät. Das Hörinstrument und die mindestens eine weitere Komponente stehen in diesem Fall miteinander in Datenaustausch, wobei Funktionen der Datenspeicherung und/oder Datenverarbeitung des Hörsystems unter dem Hörinstrument und der mindestens einen weiteren Komponente aufgeteilt sind.
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Das Hörsystem weist mindestens zwei Eingangswandler auf, die zur Aufnahme jeweils eines Schallsignals (insbesondere in Form von Luftschall) aus einer Umgebung des Hörinstruments dienen. Die mindestens zwei Eingangswandler können in demselben Hörinstrument angeordnet sein; insbesondere dann, wenn Hörsystem nur ein einziges Hörinstrument umfasst. Bei einem binauralen Hörsystem mit zwei Hörinstrumenten können die mindestens zwei Eingangswandler alternativ auch auf die beiden Hörinstrumente verteilt sein.
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Das Hörsystem umfasst weiterhin eine Signalverarbeitung, mit einer Signalaufbereitungseinheit zur Aufbereitung (Modifizierung) des aufgenommenen Schallsignals, um das Hörvermögen des Nutzers zu unterstützen, sowie einen Ausgangswandler zur Ausgabe des modifizierten Schallsignals. Bei einem binauralen Hörsystem weisen bevorzugt beide Hörinstrumente jeweils eine Signalaufbereitungseinheit und einen Ausgangswandler auf. Anstelle eines zweiten Hörinstruments mit Eingangswandler, Signalaufbereitungseinheit und Ausgangswandler kann das Hörsystem im Rahmen der Erfindung für das zweite Ohr allerdings auch ein Hörinstrument aufweisen, das selbst keinen Ausgangswandler hat, sondern nur Schall aufnimmt und - mit oder ohne Signalverarbeitung - an das Hörinstrument des ersten Ohrs weiterleitet. Solche sogenannten CROS- oder BiCROS-Instrumente werden insbesondere bei Nutzern mit einseitiger Taubheit eingesetzt. Ferner können im Rahmen der Erfindung die Signalaufbereitung oder ein Teil derselben auch aus dem Hörinstrument oder den Hörinstrumenten in eine externe Einheit, z.B. eine in einem Smartphone ablaufende App ausgelagert sein. Die Signalverarbeitung des Hörsystems umfasst vorzugsweise neben der Signalaufbereitungseinheit eine Signalanalyseeinheit, die selbst kein unmittelbar oder mittelbar an den Nutzer auszugebendes Audiosignal erzeugt, aber durch Analyse von Audiosignalen oder sonstigen Sensorsignalen die Funktion des Hörsystems, insbesondere der Signalaufbereitungseinheit, unterstützt.
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Das oder jedes Hörinstrument des Hörsystems liegt insbesondere in einer der eingangs beschriebenen Bauformen (BTE-Gerät mit internem oder externem Ausgangswandler, ITE-Gerät, z.B. CIC-Gerät, Hörimplantat, insbesondere Cochlea-Implantat, etc.) oder als Hearable vor. Im Falle eines binauralen Hörsystems sind vorzugsweise beide Hörinstrumente gleichartig ausgebildet.
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Bei jedem der Eingangswandler handelt es sich insbesondere um einen akusto-elektrischen Wandler, der einen Luftschall aus der Umgebung in ein elektrisches Eingangs-Audiosignal umwandelt. Der oder jeder Ausgangswandler ist vorzugsweise als elektro-akustischer Wandler (Hörer) ausgebildet, der das von der Signalaufbereitungseinheit modifizierte Audiosignal wiederum in einen Luftschall umwandelt. Alternativ ist der Ausgangswandler zur Abgabe eines Körperschalls oder zur direkten Stimulierung des Hörnervs des Nutzers ausgebildet.
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Im Zuge des Verfahrens wird mit den mindestens zwei Eingangswandlern des Hörsystems ein Schallsignal aus einer Umgebung des Nutzers aufgenommen und in Eingangs-Audiosignale umgewandelt. Die Eingangs-Audiosignale werden in einem Signalaufbereitungsschritt zur Erzeugung eines Ausgangs-Audiosignals verarbeitet. Dieses Ausgangs-Audiosignal wird mittels des Ausgangswandlers des Hörinstruments ausgegeben. In dem Signalaufbereitungsschritt werden die Eingangs-Audiosignale unmittelbar (oder mittelbar nach einer Vorverarbeitung) einem ersten adaptiven Beamformer zugeführt, durch den die Eingangs-Audiosignale oder die durch die Vorverarbeitung daraus abgeleiteten Audiosignale (vorverarbeitete Audiosignale) nach Maßgabe einer variablen (ersten) Richtcharakteristik mit einer vorgegebenen (ersten) Richtstärke richtungsabhängig gedämpft werden. Der erste adaptive Beamformer erzeugt dabei ein erstes gerichtetes Audiosignal, das unmittelbar (oder mittelbar nach einem oder mehreren weiteren Signalaufbereitungsschritten) als das modifizierte Audiosignal zur Ausgabe an den Nutzer an den elektro-akustischen Wandler ausgegeben wird.
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In einem Adaptionsschritt wird die Richtcharakteristik des ersten adaptiven Beamformers in Abhängigkeit einer vorgegebenen (ersten) Adaptionsgeschwindigkeit derart variiert, dass der Energieinhalt des ersten gerichteten Audiosignals minimiert wird.
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Als „Richtcharakteristik“ eine Beamformers wird allgemein die Abhängigkeit der durch den Beamformer vorgenommene Dämpfung von Schallanteilen des aufgenommenen Schallsignals in Abhängigkeit von der Richtung, aus der diese Schallanteile empfangen werden, bezeichnet.
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Die Abweichung der Richtcharakteristik von der omnidirektionalen Charakteristik äußert sich dabei insbesondere darin, dass die richtungsabhängige Dämpfung des zugehörigen adaptiven Beamformers mindestens ein lokales Maximum aufweist. Dies oder jedes Dämpfungsmaximum der Richtcharakteristik wird dabei nachfolgend auch als „Notch“ bezeichnet, die zugehörige Richtung maximaler Dämpfung auch als „Notch-Richtung“.
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Die oder jede Notch-Richtung ist in zweckmäßiger Ausführung der Erfindung in Form einer Winkelangabe, beispielsweise relativ zu der Blickrichtung des Nutzers, definiert. Alternativ kann die oder jede Notch-Richtung aber auch als - mit der Ausrichtung der zughörigen Notch linear oder nicht-linear korrelierte - abstrahierte Größe angegeben sein, beispielsweise in Form eines Wichtungsfaktors, mit dem zur Einstellung gängiger adaptiver Beamformer verschiedene Grundrichtsignale (z.B. ein Cardioid-Signal und ein Anti-Cardioid-Signal, etc.) gewichtet werden, oder in Form einer variablen Zeitverzögerung, mit der verschiedene Signalanteile zur Erzeugung der Richtwirkung einander überlagert werden.
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Die „Richtstärke“ beschreibt allgemein, wie stark die Richtcharakteristik des zugehörigen adaptiven Beamformer von einer omnidirektionalen Charakteristik (also einer Signalverarbeitung ohne Richtungsabhängigkeit) abweicht. Die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers ist in bestimmten Ausführungen der Erfindung unveränderlich. In diesem Fall ist die Richtstärke insbesondere implizit durch den funktionalen Aufbau oder die Auslegung des ersten adaptiven Beamformers festgelegt.
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Die „Adaptionsgeschwindigkeit“ beschreibt allgemein, wie schnell der zugehörige adaptive Beamformer seine Richtcharakteristik an eine Änderung der Geräuschkulisse (also der räumlichen Verteilung der Geräuschquellen und somit der Schallanteile in den Eingangs-Audiosignalen) anpasst. In bestimmten Ausführungen der Erfindung ist die Adaptionsgeschwindigkeit des ersten adaptiven Beamformers unveränderlich. In diesem Fall ist die Adaptionsgeschwindigkeit insbesondere implizit durch den funktionalen Aufbau des ersten adaptiven Beamformers festgelegt.
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Erfindungsgemäß ist nun aber zumindest eine der beiden vorstehenden beschriebenen Eigenschaften der Richtcharakteristik, nämlich die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke, des ersten adaptiven Beamformers nicht unveränderlich, sondern wird dem ersten adaptiven Beamformer als Variable, mithin als veränderlicher Parameter vorgegeben. Die Adaptionsgeschwindigkeit bzw. die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers wird dabei (vorzugsweise durch die vorstehend beschriebene Signalanalyseeinheit) aufgrund einer Analyse der Eingangs-Audiosignale oder der vorverarbeiteten Audiosignale variabel eingestellt.
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Durch die Variabilität der Adaptionsgeschwindigkeit und/oder der Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers können Artefakte der vorstehend beschriebenen Art effektiv vermieden werden. So wird insbesondere ermöglicht, die Adaptionsgeschwindigkeit und somit die Anpassungsfähigkeit des ersten adaptiven Beamformers vorübergehend zu erhöhen, wenn Änderungen der Geräuschkulisse eine wesentliche Anpassung des ersten Beamformers erfordern. Auf diese Weise kann insbesondere eine wahrnehmbare Verzögerung der Anpassung des ersten adaptiven Beamformers an eine Bewegung einer Geräuschquelle relativ zum Kopf vermieden werden. Ein ähnlicher Effekt wird alternativ oder zusätzlich durch vorübergehende Reduzierung der Richtstärke erzielt. Andererseits kann die erste Adaptionsgeschwindigkeit aber in statischen Hörsituation niedrig eingestellt werden, so dass künstliche Fluktuationen von Nutzsignalen oder Hintergrundgeräuschen aufgrund von kleinskaligen Anpassungen der Richtcharakteristik des ersten adaptiven Beamformers vermieden werden. Eine vergleichsweise hohe Richtstärke ermöglicht in diesem Fall eine gute Dämpfung von Störgeräuschen und mithin eine gute Wahrnehmung des Nutzsignals durch den Nutzer und erleichtert somit insbesondere das Sprachverständnis in der Kommunikation zwischen dem Nutzer und einem anderen Sprecher. Die Erfindung beruht dabei auf der Erkenntnis, dass die Steuerung der Adaptionsgeschwindigkeit und/oder der Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers aufgrund einer Analyse der Eingangs-Audiosignale oder der vorverarbeiteten Audiosignale eine besonders effektive Vermeidung von Artefakten der richtungsabhängigen Dämpfung zulässt.
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Die beiden vorstehend beschriebenen Maßnahmen, also die Variation der Adaptionsgeschwindigkeit des ersten adaptiven Beamformers einerseits und die Variation der Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers andererseits tragen grundsätzlich unabhängig voneinander zur Erzielung dieses Effekts bei. Diese Maßnahmen können daher im Rahmen der Erfindung losgelöst voneinander eingesetzt werden, indem entweder nur die Adaptionsgeschwindigkeit oder nur die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers variiert werden. In einer bevorzugten Ausführung des Verfahrens werden aber sowohl die Adaptionsgeschwindigkeit als auch die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers variiert.
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Vorzugsweise werden die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers in Abhängigkeit von einer Zeitstabilität der Eingangs-Audiosignale oder der vorverarbeiteten Audiosignale (genauer gesagt in Abhängigkeit von einer Zeitstabilität der den Eingangs-Audiosignalen zugrundeliegenden Geräuschkulisse) eingestellt. Bei Varianten des Verfahrens, bei denen die Adaptionsgeschwindigkeit des ersten adaptiven Beamformers variiert wird, wird diese insbesondere bei hoher Zeitstabilität (d.h. schwacher zeitlicher Veränderung) der jeweiligen Audiosignale niedrig und bei geringer Zeitstabilität (d.h. starker zeitlicher Veränderung) hoch eingestellt. Dies führt dazu, dass die Richtcharakteristik des ersten adaptiven Beamformers bei stark veränderlicher Geräuschkulisse schnell und bei schwach veränderlicher Geräuschkulisse langsam adaptiert wird. Bei Varianten des Verfahrens, bei denen die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers variiert wird, wird diese insbesondere bei hoher Zeitstabilität (d.h. geringer zeitlicher Veränderung) der jeweiligen Audiosignale hoch und bei geringer Zeitstabilität (d.h. starker zeitlicher Veränderung) niedrig eingestellt. Dies führt dazu, dass die Eingangs-Audiosignale oder die vorverarbeiteten Audiosignale durch den ersten adaptiven Beamformer bei gering veränderlicher Geräuschkulisse stark und bei stark veränderlicher Geräuschkulisse schwach oder sogar gar nicht gerichtet werden. Zur Bestimmung der Zeitstabilität wird beispielweise aus den Eingangs-Audiosignalen oder den vorverarbeiteten Audiosignalen eine die Geräuschkulisse charakterisierende Größe abgeleitet. Als Maß für die Zeitstabilität wird dabei beispielsweise die Standardabweichung dieser Größe oder ein quadratischer Mittelwert der ersten zeitlichen Ableitung dieser Größe über einen gleitenden Zeitraum herangezogen. Alternativ oder zusätzlich können auch die Rate, mit der ein gleitender Mittelwert dieser Größe über- bzw. unterschritten wird (Mean Crossing Rate) oder die Rate, mit der die erste Ableitung dieser Größe das Vorzeichen wechselt, als Maß für die Zeitstabilität der Eingangs-Audiosignale oder die vorverarbeiteten Audiosignale herangezogen werden.
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Zur Charakterisierung der Geräuschkulisse wird in einer vorteilhaften Ausführung der Erfindung ein zweiter adaptiver Beamformer mit einer (zweiten) variablen Richtcharakteristik herangezogen. Dieser zweite adaptive Beamformer wird - ebenso wie der erste adaptive Beamformer - unmittelbar oder mittelbar auf die Eingangs-Audiosignale angewendet, um ein zweites gerichtetes Audiosignal zu erzeugen. Die Richtcharakteristik des zweiten adaptiven Beamformers wird hierbei mit einer- vorzugsweise konstanten - (zweiten) Adaptionsgeschwindigkeit so eingestellt, dass der Energieinhalt des zweiten gerichteten Audiosignals minimiert wird. Wie schon im Fall der ersten Richtcharakteristik wird die zweite Richtcharakteristik vorzugsweise charakterisiert durch mindestens eine variable Richtung maximaler Dämpfung (Notch-Richtung). Das zweite gerichtete Audiosignal geht in einer zweckmäßigen Ausführungsform der Erfindung allerdings nicht in das an den Nutzer auszugebende modifizierte Audiosignal ein. Der zweite adaptive Beamformer wird somit in diesem Fall nur zum Zweck der Signalanalyse eingesetzt. Das zweite gerichtete Audiosignal wird dabei nur als Regelgröße für die Energieminimierung verwendet, und nicht für die Signalaufbereitung zur Ausgabe an den Nutzer.
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Die Adaptionsgeschwindigkeit des zweiten adaptiven Beamformers ist insbesondere derart gewählt, dass sie die Adaptionsgeschwindigkeit des ersten adaptiven Beamformers nicht unterschreitet und zumindest zeitweise übertrifft. Der zweite adaptive Beamformer ist also stets schnell-adaptierend ausgelegt, so dass er sich an Änderungen der Geräuschkulisse ohne signifikante Verzögerung anpassen kann. Die Richtcharakteristik dieses zweiten adaptiven Beamformers (insbesondere eine dieser Richtcharakteristik ggf. zugeordnete Notch-Richtung) bildet somit ein Maß für die Veränderlichkeit der den Eingangs-Audiosignalen zugrundeliegenden Geräuschkulisse. Im Vergleich zu dem zweiten adaptiven Beamformer adaptiert der erste adaptive Beamformer entweder immer langsam oder wechselt zwischen langsamer und schneller Adaption.
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In einer vorteilhaften Ausführung des Verfahrens werden die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers in Abhängigkeit von der Änderung der zweiten Richtcharakteristik (also der Richtcharakteristik des zweiten adaptiven Beamformers) variabel eingestellt. Als Kenngröße für die zeitliche Änderung der zweiten Richtcharakteristik und somit als Maß für die Veränderlichkeit der Geräuschkulisse wird dabei beispielsweise ein gleitender quadratischer Mittelwert der ersten zeitlichen Ableitung einer der zweiten Richtcharakteristik zugeordneten Notch-Richtung ermittelt. Beispielsweise werden die Adaptionsgeschwindigkeit des ersten adaptiven Beamformers gegenüber einem Grundwert erhöht und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers gegenüber einem Grundwert erniedrigt, wenn und solange die vorstehend genannte Kenngröße einen vorgegebenen Schwellwert überschreitet.
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Alternativ oder zusätzlich hierzu werden vorzugsweise die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers in Abhängigkeit von der Abweichung der zweiten Richtcharakteristik von der ersten Richtcharakteristik eingestellt, insbesondere in Abhängigkeit von der Abweichung einer der zweiten Richtcharakteristik zugeordneten (zweiten) Notch-Richtung von einer der ersten Richtcharakteristik zugeordneten (ersten) Notch-Richtung. Beispielsweise werden die Adaptionsgeschwindigkeit des ersten adaptiven Beamformers erhöht und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers erniedrigt, wenn und solange die vorstehend beschriebene Abweichung der Notch-Richtungen einen vorgegebenen Schwellwert überschreitet.
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In einer Weiterentwicklung der vorstehend beschriebenen Verfahrensvariante werden anstelle des einen zweiten adaptiven Beamformers zur Analyse der Eingangs-Audiosignale oder der vorverarbeiteten Audiosignale und somit zur Einstellung der ersten Adaptionsgeschwindigkeit und/oder der ersten Richtstärke mehrere adaptive Beamformer einsetzt, die vom Aufbau, der Funktionsweise (sowie optional auch von der Auslegung) her insbesondere dem zweiten adaptiven Beamformer entsprechen. Diese mehreren adaptiven (Analyse-)Beamformer sind dabei insbesondere untereinander gekoppelt, so dass eine unterschiedliche Ausrichtung ihrer jeweils zugeordneten Richtcharakteristiken (und ggf. der zugehörigen Notch-Richtungen) erzwungen wird. Somit wird insbesondere erreicht, dass sich jeder der mehreren adaptiven (Analyse-)Beamformer auf eine andere dominante Geräuschquelle in der Umgebung des Nutzers ausrichtet. Durch eine solche Kaskade von Analyse-Beamformern können die den Eingangs-Audiosignalen zugrundeliegende Geräuschkulisse und Änderungen dieser Geräuschkulisse mit hoher Präzision analysiert werden.
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Vorzugsweise hat der erste adaptive Beamformer eine Frequenzabhängigkeit, modifiziert also verschiedene Frequenzanteile der Eingangs-Audiosignal oder der vorverarbeiteten Audiosignale in jeweils individueller Weise. Insbesondere werden die Eingangs-Audiosignale oder die vorverarbeiteten Audiosignale jeweils in verschiedene Frequenzkanäle aufgeteilt, wobei die Richtcharakteristik (insbesondere die oder jede Notch-Richtung) des ersten adaptiven Beamformers für jeden Frequenzkanal individuell adaptiert wird. In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden dabei auch die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers als frequenzabhängige Größe (z.B. als Vektor mit jeweils einem Eintrag für jeden Frequenzkanal oder als kontinuierliche frequenzabhängige Funktion) vorgegeben, so dass die Richtcharakteristik des ersten adaptiven Beamformers für verschiedene Frequenzen ggf. unterschiedlich schnell adaptiert wird bzw. so dass die Richtwirkung des ersten adaptiven Beamformers für verschiedene Frequenzen ggf. unterschiedlich stark ausgeprägt ist.
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Zur frequenzabhängigen Einstellung der Adaptionsgeschwindigkeit und/oder der Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers wird dabei mindestens ein von einer Störgeräuschquelle ausgehender Störgeräuschanteil in den Eingangs-Audiosignalen oder den vorverarbeiteten Audiosignalen identifiziert und hinsichtlich seiner spektralen Zusammensetzung analysiert. Konkret wird ein Stör-Frequenzbereich ermittelt, der diesem Störgeräuschanteil entspricht. Die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers werden dabei innerhalb des Stör-Frequenzbereichs einheitlich (d.h. mit gleichem Wert) vorgegeben. Auf diese Weise wird vermieden, dass der erste Beamformer für verschiedene Frequenzanteile ein und desselben Störgeräuschs in unterschiedlicher Weise adaptiert wird, was zu einer klanglichen Verzerrung und/oder künstlichen Fluktuation des Störgeräuschs führen könnte.
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Das erfindungsgemäße Hörsystem ist allgemein zur automatischen Durchführung des vorstehend beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahrens eingerichtet. Das Hörsystem umfasst hierzu den ersten adaptiven Beamformer (wie vorstehend beschrieben). Das Hörsystem umfasst weiterhin eine Adaptivitätssteuerung, die dazu eingerichtet ist, die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers aufgrund einer Analyse der Eingangs-Audiosignale oder vorverarbeitete Audiosignale variabel einzustellen.
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Die Einrichtung des Hörsystems zur automatischen Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist programmtechnischer und/oder schaltungstechnischer Natur. Das erfindungsgemäße Hörsystem umfasst also programmtechnische Mittel (Software) und/oder schaltungstechnische Mittel (Hardware, z.B. in Form eines ASIC), die im Betrieb des Hörsystems das erfindungsgemäße Verfahren automatisch durchführen. Die programmtechnischen bzw. schaltungstechnischen Mittel zur Durchführung des Verfahrens, insbesondere der erste adaptive Beamformer und die Adaptivitätssteuerung, können hierbei ausschließlich in dem Hörinstrument (oder den Hörinstrumenten) des Hörsystems, angeordnet sein. Alternativ sind die programmtechnischen bzw. schaltungstechnischen Mittel zur Durchführung des Verfahrens auf das Hörinstrument bzw. die Hörgeräte sowie mindestens auf ein weiteres Gerät oder eine Softwarekomponente des Hörsystems verteilt. Beispielsweise sind programmtechnische Mittel zur Durchführung des Verfahrens auf das mindestens eine Hörinstrument des Hörsystems sowie auf ein auf einem externen elektronischen Gerät (insbesondere einem Smartphone) installiertes Steuerprogramm verteilt. Das externe elektronische Gerät ist dabei, wie vorstehend erwähnt, in der Regel selbst kein Teil des Hörsystems.
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Die vorstehend beschriebenen Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens korrespondieren mit entsprechenden Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Hörsystems.
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So ist die Adaptivitätssteuerung in bevorzugten Ausführungsformen der Erfindung dazu eingerichtet, die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers in Abhängigkeit von der Zeitstabilität der Eingangs-Audiosignale einzustellen.
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Vorzugsweise umfasst die Adaptivitätssteuerung zur Analyse der Eingangs-Audiosignale oder der vorverarbeiteten Audiosignale (d.h. zur Charakterisierung der zugrundeliegenden Geräuschkulisse) und zur Ermittlung der Adaptionsgeschwindigkeit und/oder der Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers einen zweiten adaptiven Beamformer oder eine Kaskade weiterer (insbesondere untereinander gekoppelter) adaptiver Beamformer, wie vorstehend beschrieben.
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Die Adaptivitätssteuerung ist insbesondere dazu eingerichtet, die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers in Abhängigkeit von der Änderung der (jeweiligen) Richtcharakteristik des zweiten Beamformers (und ggf. der weiteren adaptiven Beamformers) und/oder in Abhängigkeit von der Abweichung der Richtcharakteristiken der adaptiven Beamformer variabel einzustellen.
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Der erste adaptive Beamformer weist vorzugsweise eine frequenzabhängige Richtcharakteristik (wie vorstehend beschrieben) auf, insbesondere eine jeweils individuell adaptierte Richtcharakteristik für eine Mehrzahl von Frequenzkanälen. Die Adaptivitätssteuerung ist dabei bevorzugt dazu eingerichtet, die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers als frequenzabhängige Größe vorzugeben, zur Einstellung der Adaptionsgeschwindigkeit und/oder der Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers einen von einer Störgeräuschquelle ausgehenden Störgeräuschanteil in den Eingangs-Audiosignalen oder den vorverarbeiteten Audiosignalen zu identifizieren, einen dem Störgeräuschanteil entsprechenden Stör-Frequenzbereich zu ermitteln, und die Adaptionsgeschwindigkeit und/oder die Richtstärke des ersten adaptiven Beamformers in dem Störfrequenzbereich einheitlich vorzugeben.
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Effekte und Vorteile der einzelnen Verfahrensvarianten sind auf die entsprechenden Varianten des Hörsystems übertragbar und umgekehrt.
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Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen:
- 1 in einer schematischen Darstellung ein aus einem einzelnen Hörinstrument bestehendes Hörsystem in Form eines hinter einem Ohr eines Nutzers tragbaren Hörgeräts,
- 2 bis 4 jeweils in einem schematischen Blockschaltbild den Aufbau einer Signalverarbeitung des Hörsystems aus 1 in drei alternativen Ausführungsformen,
- 5 in Darstellung gemäß 2 bis 4 eine als Adaptivitätssteuerung bezeichnete Funktionseinheit der Signalverarbeitung des Hörsystems in einer weiteren Ausführungsform, und
- 6 in Darstellung gemäß 1 eine alternative Ausführungsform des Hörsystems, in dem dieses ein Hörinstrument in Form eines hinter dem Ohr tragbaren Hörgeräts sowie ein in einem Smartphone implementiertes Steuerprogramm („Hör-App“) umfasst.
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Einander entsprechende Teile und Größen sind in allen Figuren stets mit gleichen Bezugszeichen versehen.
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1 zeigt ein Hörsystem 2, das hier aus einem einzelnen Hörgerät 4, d. h. einem zur Unterstützung des Hörvermögens eines hörgeschädigten Nutzers eingerichteten Hörinstrument, besteht. Bei dem Hörgerät 4 handelt es sich in dem hier dargestellten Beispiel um ein hinter einem Ohr eines Nutzers tragbares BTE-Hörgerät.
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Optional, in einer weiteren Ausführungsform der Erfindung, umfasst das Hörsystem 2 ein nicht ausdrücklich dargestelltes zweites Hörgerät zur Versorgung des zweiten Ohrs des Nutzers, das hinsichtlich seines Aufbaus insbesondere dem in 1 dargestellten Hörgerät 4 entspricht.
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Das Hörgerät 4 umfasst innerhalb eines Gehäuses 5 zwei Mikrofone 6 als akustoelektrische Eingangswandler sowie einen Hörer 8 (Receiver) als elektro-akustischen Ausgangswandler. Das Hörgerät 4 umfasst weiterhin eine Batterie 10 und eine Signalverarbeitung in Form eines Signalprozessors 12. Vorzugsweise umfasst der Signalprozessor 12 sowohl eine programmierbare Untereinheit (zum Beispiel einen Mikroprozessor) als auch eine nicht-programmierbare Untereinheit (zum Beispiel einen ASIC).
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Der Signalprozessor 12 wird aus der Batterie 10 mit einer elektrischen Versorgungsspannung U versorgt.
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Im Normalbetrieb des Hörgeräts 4 nehmen die Mikrofone 6 jeweils einen Luftschall aus der Umgebung des Hörgeräts 4 auf. Die Mikrofone 6 wandeln den Schall jeweils in ein (Eingangs-)Audiosignal I1 bzw. I2 um, das Information über den aufgenommenen Schall enthält. Die Eingangs-Audiosignale I1, I2 werden innerhalb des Hörgeräts 4 dem Signalprozessor 12 zugeführt, der diese Eingangs-Audiosignale 11, 12, zur Unterstützung des Hörvermögens des Nutzers modifiziert.
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Der Signalprozessor 12 gibt ein Ausgangs-Audiosignal O, das Information über den verarbeiteten und somit modifizierten Schall enthält, an den Hörer 8 aus.
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Der Hörer 8 wandelt das Ausgangs-Schallsignal O in einen modifizierten Luftschall um. Dieser modifizierte Luftschall wird über einen Schallkanal 14, der den Hörer 8 mit einer Spitze 16 des Gehäuses 5 verbindet, sowie über einen (nicht explizit gezeigten) flexiblen Schallschlauch, der die Spitze 16 mit einem in den Gehörgang des Nutzers eingesetzten Ohrstück verbindet, in den Gehörgang des Nutzers übertragen.
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Der Aufbau der Signalverarbeitung ist in 2 in näherem Detail dargestellt. Hieraus ist ersichtlich, dass die Signalverarbeitung des Hörsystems 2 in zwei funktionale Bestandteile gegliedert ist, nämlich in eine Signalaufbereitungseinheit 18 und eine Signalanalyseeinheit 20. Die Signalaufbereitungseinheit 18 dient zur Erzeugung des Ausgangs-Audiosignals O aus den Eingangs-Audiosignalen I1, I2 der Mikrofone 6 oder hieraus aus durch eine Vorverarbeitung abgeleiteten, mithin vorverarbeiteten Audiosignalen I1', I2'. Im erstgenannten Fall werden die Eingangs-Audiosignale I1, I2 der Mikrofone 6 der Signalaufbereitungseinheit 18 unmittelbar zugeführt. Im letztgenannten Fall, der beispielhaft in 2 dargestellt ist, werden die Eingangs-Audiosignale I1, I2 der Mikrofone 6 zunächst einer Vorverarbeitungseinheit 22 zugeführt, die hieraus dann die vorverarbeiteten Audiosignale I1', I2 ableitet und der Signalaufbereitungseinheit 18 zuführt.
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In der Vorverarbeitungseinheit 22 werden die Eingangs-Audiosignale I1, I2 zur Bildung der vorverarbeiteten Audiosignale I1', I2 vorzugsweise einander zeitverzögert überlagert, so dass die beiden vorverarbeiteten Audiosignale I1', 12 einem Cardioid-Signal bzw. einem Anti-Cardioid-Signal entsprechen.
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Die Signalaufbereitungseinheit 18 umfasst eine Anzahl von Signalaufbereitungsprozessen 24, die die Eingangs-Audiosignale I bzw. - im Beispiel gemäß 2 - die internen Audiosignale I1', 12 sukzessive verarbeiten und dabei modifizieren, um das Ausgangs-Audiosignal O zu erzeugen, und somit den Hörverlust des Nutzers zu kompensieren.
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Die Signalaufbereitungsprozesse 24 sind wahlweise in beliebiger Kombination in Form von (nicht-programmierbaren) Hardware-Schaltkreisen und/oder in Form von Software-Modulen (Firmware) in dem Signalprozessor 12 implementiert. Beispielsweise ist mindestens einer der Signalaufbereitungsprozesse 24 durch einen Hardware-Schaltkreis, mindestens ein weiterer der Signalaufbereitungsprozesse 24 durch ein Software-Modul und wiederum ein weiterer der Signalaufbereitungsprozesse 24 durch eine Kombination von Hardware- und Software-Bestandteilen gebildet. Die Signalaufbereitungsprozesse 24 umfassen beispielsweise
- - einen Prozess zur Störgeräusch- und/oder Rückkopplung-Unterdrückung,
- - einen Prozess zur dynamischen Kompression und
- - einen Prozess zur frequenzabhängigen Verstärkung basierend auf Audiogramm-Daten,
- - etc.
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Mindestens einem dieser Signalaufbereitungsprozesse 24 (in der Regel allen Signalaufbereitungsprozessen 24 oder zumindest den meisten Signalaufbereitungsprozessen 24) ist dabei jeweils mindestens ein Signalaufbereitungsparameter P zugeordnet. Bei dem oder jedem Signalaufbereitungsparameter P handelt es sich um eine eindimensionale Variable (Binärvariable, natürliche Zahl, Fließkommazahl, etc.) oder eine mehrdimensionale Variable (Array, Funktion, etc.), deren Wert die Funktionsweise des jeweils zugeordneten Signalauftragsprozesses 24 parametriert (d. h. beeinflusst). Signalaufbereitungsparameter P können hierbei den jeweils zugeordneten Signalaufbereitungsprozess 24 an- oder ausschalten, die Wirkung des jeweils zugeordneten Signalaufbereitungsprozessen 24 kontinuierlich oder stufenweise verstärken oder abschwächen, Zeitkonstanten für den jeweiligen Signalaufbereitungsprozess 24 definieren, etc.
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Beispielsweise umfassen die Signalaufbereitungsparameter P
- • die vorstehend genannten Audiogrammdaten oder hieraus abgeleitete frequenzspezifische Verstärkungsfaktoren für einen Prozess zur frequenzabhängigen Verstärkung,
- • eine Kennlinie für einen Prozess zur dynamischen Kompression,
- • eine Steuergröße zur kontinuierlichen Einstellung der Stärke eines Prozesses zur Störgeräusch- bzw. Rückkopplungsunterdrückung,
- • etc.
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Jedenfalls ein Teil der Signalaufbereitungsparameter P wird den Signalaufbereitungsprozessen 24 aus einer Parametrierungseinheit 26 zur Verfügung gestellt.
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Des Weiteren umfassen die Signalaufbereitungsprozesse
24 einen - in
2 näher dargestellten - ersten adaptiven Beamformer
28, der dazu eingerichtet ist, die Eingangs-Audiosignale
I1,
I2 (oder, wie in
2 dargestellt, die vorverarbeiteten Audiosignale
I1',
I2') nach Maßgabe einer variablen (ersten) Richtcharakteristik richtungsabhängig zu dämpfen und auf diese Weise ein erstes gerichtetes Audiosignal
R1 zu erzeugen. Der Beamformer
28 erzeugt das Audiosignal
R1, indem er die beiden zugeführten Audiosignale
I1',
I2' (im Beispiel gemäß
2 also ein Cardioid-Signal und ein Anti-Cardioid-Signal) einander gewichtet mit einem ersten Wichtungsfaktor
a1 überlagert:
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Der Wichtungsfaktor a1 bestimmt dabei eine Notch-Richtung, in der - relativ zum Kopf des Nutzers gesehen - die richtungsabhängige Dämpfung des Beamformers 28 ein (lokales) Maximum aufweist. Der Wichtungsfaktor a1 stellt somit ein Maß für die Notch-Richtung des Beamformers 28 dar und wird daher im Folgenden begrifflich mit dieser Notch-Richtung gleichgesetzt. Zur Adaption der Richtcharakteristik werden in einem Adaptionsschritt der Wichtungsfaktor a1 durch den Beamformer 28 in einem Regelverfahren derart variiert, dass der Energieinhalt des gerichteten Audiosignals R1 minimiert wird (diese Selbstregelung des Beamformers 28 ist in 2 schematisch durch Rückführung des Audiosignals R1 an den Beamformer 28 dargestellt). Durch die beschriebene Energieminimierung wird erreicht, dass Störgeräusche aus einem Raumbereich hinter dem Kopf des Nutzers bestmöglich unterdrückt werden. Das von dem Beamformer 28 ausgegebene gerichtete Audiosignal R1 wird von den weiteren Signalverarbeitungsprozessen 24 weiterverarbeitet, wodurch das Ausgabe-Audiosignal O erzeugt wird. Der Beamformer 28 ist vorzugsweise durch ein Software-Modul gebildet.
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Als Signalaufbereitungsparameter P wird dem Beamformer 28 eine erste Adaptionsgeschwindigkeit v1 variabel vorgegeben. Diese Adaptionsgeschwindigkeit v1 wird in der Signalanalyseeinheit 20 durch eine als Adaptivitätssteuerung 30 bezeichnete Funktionseinheit bestimmt, die vorzugsweise software-technisch implementiert ist.
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In der in 2 dargestellten Ausführungsform umfasst die Adaptivitätssteuerung 30 einen zweiten adaptiven Beamformer 32 und ein Auswertemodul 34.
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Der zweite adaptive Beamformer 32 entspricht hinsichtlich Aufbau und Funktion vorzugweise dem ersten adaptiven Beamformer 28. Der zweite adaptive Beamformer 32 ist somit auf die vorstehend beschriebene Weise dazu eingerichtet, die Eingangs-Audiosignale I1, I2 (oder, wie in 2 dargestellt, die vorverarbeiteten Audiosignale I1', I2') nach Maßgabe einer (zweiten) variablen Richtcharakteristik richtungsabhängig zu dämpfen und auf diese Weise ein zweites gerichtetes Signal R2 zu erzeugen. Die Richtcharakteristik des Beamformers 32 weist vorzugsweise eine Notch-Richtung auf, die durch einen variablen Wichtungsfaktor a2 charakterisiert ist. Der Wichtungsfaktor a2 (und damit die Notch-Richtung) werden durch den Beamformer 32 mit einer Adaptionsgeschwindigkeit v2 derart variiert, dass der Energieinhalt des gerichteten Audiosignals R2 minimiert wird.
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Im Gegensatz zu dem Beamformer 28 dient der Beamformer 32 nicht zur Erzeugung des an den Nutzer ausgegebenen Ausgangs-Audiosignals O, sondern nur zur Analyse der den Eingangssignalen 11, 12 zugrundeliegenden Geräuschkulisse. Das Audiosignal R2 wird daher nicht weiterverarbeitet, sondern nur zum Zweck der Selbstregelung an den Beamformer 32 zurückgeführt. Stattdessen gibt der Beamformer 32 als Analyseergebnis den die Notch-Richtung (und damit mittelbar die Anordnung der dominantesten Geräuschquellen in der Umgebung des Nutzers) anzeigenden Wichtungsfaktor a2 an das Auswertemodul 34 aus.
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In dem Auswertemodul 34 wird in der Ausführungsform gemäß 2 die Zeitstabilität (oder - umgekehrt ausgedrückt - die zeitliche Veränderlichkeit) des Wichtungsfaktors a2 und somit der Geräuschkulisse ausgewertet, beispielsweise indem ein gleitender quadratischer zeitlicher Mittelwert über die erste zeitliche Ableitung des Wichtungsfaktors a2 gebildet wird. In Abhängigkeit von dieser Größe variiert das Auswertemodul 34 die Adaptionsgeschwindigkeit v1 für den ersten adaptiven Beamformer 28. In einer einfachen aber zweckmäßigen Ausführungsvariante variiert das Auswertemodul 34 die Adaptionsgeschwindigkeit v1 dabei binär zwischen einem vergleichsweise niedrigem Grundwert und einem demgegenüber erhöhten Wert. Das Auswertemodul 34 setzt die Adaptionsgeschwindigkeit v1 dabei auf den Grundwert, wenn und solange der vorstehend beschriebene Mittelwert einen vorgegebenen Schwellwert nicht überschreitet (was anzeigt, dass die Geräuschkulisse nicht oder nur schwach veränderlich) ist. Der erste Beamformer 28 adaptiert somit in diesem Fall nur langsam, wodurch Artefakte infolge der Adaption weitgehend vermieden werden. Andernfalls, also wenn und solange aufgrund einer signifikanten Änderung der Geräuschkulisse und des Wichtungsfaktors a2 der Mittelwert den Schwellwert überschreitet, wird die Adaptionsgeschwindigkeit v1 relativ zu dem Grundwert erhöht, so dass sich der erste adaptive Beamformer 28 schnell (insbesondere ohne wahrnehmbare Verzögerung) an die geänderte Hörsituation anpassen kann.
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Um die Geräuschkulisse mit hoher Präzision zu analysieren, ist der zweite adaptive Beamformer 32 schnell-adaptierend ausgebildet. Die Adaptionsgeschwindigkeit v2 ist dabei (vorzugsweise als Konstante) derart gewählt, dass sie die variable Adaptionsgeschwindigkeit v1 des ersten adaptiven Beamformers 28 zu keinem Zeitpunkt unterschreitet (v2 ≥ v1).
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Zusätzlich oder alternativ zu der Adaptionsgeschwindigkeit v1 ist vorzugsweise auch eine Richtstärke s des ersten adaptiven Beamformers 28 variierbar. Die Variation der Richtstärke s wird dabei beispielsweise dadurch realisiert, dass die gewichtete Summe gemäß Gig. 1 in unterschiedlich starkem Maß mit einem aus den Eingangs-Audiosignalen I1, I2 abgeleiteten omnidirektionalen Audiosignal A gemischt wird (das dem Beamformer 28 gemäß 2 optional als zusätzliche Eingangsgröße zugeführt wird). Die Richtstärke s wird dabei durch das Auswertemodul 34 gegenüber einem vorgegebenen Grundwert reduziert, wenn und solange - insbesondere anhand der vorstehend beschriebenen Schwellwertüberschreitung - eine starke Veränderlichkeit der Geräuschkulisse festgestellt wird.
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Wie aus 2 ferner entnehmbar ist, enthält die Signalanalyseeinheit 20 neben der Adaptivitätssteuerung 30 und vorzugsweise neben anderen, hier nicht explizit dargestellten Funktionen zur Schallanalyse optional einen Klassifikator 36, der in an sich üblicher Weise durch Analyse der Eingangs-Audiosignale I1, I2 (oder, wie in 2 dargestellt, der vorverarbeiteten Audiosignale I1', I2') die aktuelle Hörsituation in Hinblick auf ihre Ähnlichkeit mit einer Mehrzahl von typischen Hörsituationsklassen (wie z.B. „Sprache“, „Sprache mit Hintergrundgeräusch“ oder „Musik“) analysiert und ein entsprechendes Klassifizierungssignal K ausgibt.
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Das Klassifizierungssignal K wird einerseits der Parametrierungseinheit 26 zugeführt, die in an sich üblicher Weise in Abhängigkeit von dem Klassifizierungssignal K eine Auswahl zwischen verschiedenen Hörprogrammen, also verschiedenen, jeweils für eine der typischen Hörsituationsklassen optimierten Parametersätzen der Signalaufbereitungsparameter P trifft.
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Andererseits wird das Klassifizierungssignal K auch dem Auswertemodul 34 der Adaptivitätssteuerung 30 zugeführt und beeinflusst hier die Bestimmung der Adaptionsgeschwindigkeit v1 und/oder der Richtstärke s. Beispielsweise werden die Werte, zwischen denen die Adaptionsgeschwindigkeit v1 und/oder der Richtstärke s variiert wird, wiederum in Abhängigkeit von dem Klassifizierungssignal K verändert.
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In 3 ist eine alternative Ausführungsform des Hörsystems 2 dargestellt. Im Unterschied zu der Ausführungsform gemäß 2 ist dem Auswertemodul 34 in der Ausführung gemäß 3 zusätzlich zu dem Wichtungsfaktor a2 des Beamformers 32 auch der Wichtungsfaktor a1 des Beamformers 28 zugeführt. Das Auswertemodul 34 analysiert hier die Veränderlichkeit der den Eingangs-Audiosignalen I1, I2 und den Audiosignalen I1', I2' zugrundeliegenden Geräuschkulisse, indem sie die Wichtungsfaktoren a1 und a2 vergleicht. Eine große Abweichung des schnell veränderlichen Wichtungsfaktors a1 von dem im Grundzustand langsam veränderlichen Wichtungsfaktor a2 wird dabei als Indiz auf eine wesentliche Änderung der Geräuschkulisse angesehen. Entsprechend setzt das Auswertemodul 34 die Adaptionsgeschwindigkeit v1 hoch und/oder die Richtstärke s herab, wenn und solange der Unterschied der Wichtungsfaktoren a1 und a2 einen vorgegebenen Schwellwert überschreitet.
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In 4 ist eine weitere Ausführungsform des Hörsystems 2 dargestellt. Im Unterschied zu den Ausführungsformen gemäß 2 und 3 umfasst die Adaptivitätssteuerung 30 hier zusätzlich zu dem zweiten adaptiven Beamformer 28 mindestens einen weiteren adaptiven Beamformer 28, der ein weiteres gerichtetes Audiosignal R3 erzeugt und aufgrund einer Energieminimierung dieses Audiosignals R3 einen zugeordneten weiteren Wichtungsfaktor a3 (als Maß für eine veränderliche Notch-Richtung des Beamformers 38) variiert.
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Eine dem Beamformer 38 zugeordnete und vorzugsweise konstant vorgegebene Adaptionsgeschwindigkeit v3 hat in einer zweckmäßigen Ausführungsvariante einem Wert, der die Adaptionsgeschwindigkeit v2 unterschreitet und insbesondere exakt oder näherungsweise dem Grundwert der Adaptionsgeschwindigkeit v1 entspricht. In diesem Fall ist der weitere adaptive Beamformer 38 somit im Vergleich zu dem zweiten adaptiven Beamformer 32 langsam adaptierend ausgebildet, wobei beide Beamformer 32 und 38 den jeweiligen Wichtungsfaktor a2 bzw. a3 vorzugsweise unabhängig voneinander einstellen (eine Kopplung der Beamformer 32 und 38, wie sie in 4 anhand der Zuführung des Wichtungsfaktors a2 zu dem Beamformer 38 angedeutet ist, ist bei dieser Ausführungsvariante vorzugsweise nicht vorgesehen). Die Veränderlichkeit der den Eingangs-Audiosignalen 11, 12 und den vorverarbeiteten Audiosignalen I1', 12' zugrundeliegenden Geräuschkulisse wird hierbei von dem Auswertemodul 34 analog zu dem Ausführungsbeispiel gemäß 3 anhand der Abweichung der Wichtungsfaktoren a2 und a3 der Beamformer 32 und 38 bestimmt.
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In einer alternativen Ausführungsvariante sind die Adaptionsgeschwindigkeiten v2 und v3 der Beamformer 32 und 38 exakt oder näherungsweise gleich gewählt, so dass beide Beamformer 32 und 38 schnell adaptieren. In diesem Fall sind die Beamformer 26 und 38 vorzugsweise - wie in 4 angedeutet - untereinander gekoppelt, so dass eine unterschiedliche Einstellung der Wichtungsfaktoren a2 und a3 erzwungen wird. Durch diese Kopplung wird sichergestellt, dass sich die Beamformer 26 und 38 auf unterschiedliche dominante Geräuschquellen in der Umgebung des Nutzers einstellen. Die Veränderlichkeit der den Eingangs-Audiosignalen 11, 12 und den vorverarbeiteten Audiosignalen I1', 12' zugrundeliegenden Geräuschkulisse wird hierbei von dem Auswertemodul 34 in diesem Fall vorzugsweise analog zu dem Ausführungsbeispiel gemäß 2 anhand der Zeitstabilität der Wichtungsfaktoren a2 und a3 bestimmt. Die Adaptionsgeschwindigkeit v1 wird dabei insbesondere erhöht und/oder die Richtstärke s erniedrigt, wenn die Bedingung für die Erhöhung der Adaptionsgeschwindigkeit v1 bzw. Erniedrigung der Richtstärke s für mindestens einen der Wichtungsfaktoren a2 und a3 erfüllt ist.
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Der Klassifikator 36 ist optional auch bei den Ausführungsbeispielen gemäß 3 und 4 vorhanden und in diesen Figuren lediglich aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit nicht mit dargestellt.
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Vorzugsweise erfolgt die Signalverarbeitung in der Signalaufbereitungseinheit 18 frequenzaufgelöst in einer Mehrzahl von (z.B. 64) Frequenzkanälen. Die Eingangs-Audiosignale 11, 12 werden dabei, vorzugsweise noch vor der Zuführung zu der Vorverarbeitungseinheit 22, durch eine (in den 2 bis 4 nicht explizit dargestellte) Analyse-Filterbank jeweils in Frequenzanteile aufgeteilt, die in den Frequenzkanälen jeweils individuell aufbereitet und anschließend in einer (in den 2 bis 4 ebenfalls nicht explizit dargestellten) Synthese-Filterbank zu dem Ausgangs-Audiosignal O zusammengefasst werden.
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Der erste adaptive Beamformer 28 ist hierbei dazu eingerichtet, die in den Frequenzkanälen geführten Frequenzanteile der Eingangs-Audiosignale 11, 12 oder der vorverarbeiteten Audiosignale I1', 12' jeweils individuell richtungsabhängig zu dämpfen. Somit weisen auch die Richtcharakteristik des Beamformers 28 und die zugeordnete Notch-Richtung bzw. der Wichtungsfaktor a1 eine Frequenzabhängigkeit auf. Vorzugsweise sind der Wichtungsfaktor a1 und/oder die Richtstärke s hierbei jeweils als Vektor vorgegeben, der für jeden Frequenzkanal einen zugeordneten individuellen Wert aufweist. Des Weiteren wird die Richtcharakteristik des Beamformers 28 vorzugsweise auch für jeden Frequenzkanal individuell adaptiert. Somit ist auch die Adaptionsgeschwindigkeit v1 vorzugsweise als Vektor vorgegeben, der für jeden Frequenzkanal einen zugeordneten individuellen Wert aufweist.
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Um zu verhindern, dass ein von einer bestimmten Geräuschquelle stammendes Störgeräusch durch den Beamformer 28 infolge frequenzspezifisch unterschiedlicher Adaption der Richtcharakteristik wahrnehmbar verzerrt wird, ist die Adaptivitätssteuerung 30 vorzugsweise dazu eingerichtet, Frequenzkanäle, die wesentliche Frequenzanteile eines dominanten Störgeräuschs führen, hinsichtlich der Adaptionsgeschwindigkeit v1 und/oder der Richtstärke s zu koppeln. Die Adaptivitätssteuerung 30 gibt mit anderen Worten für diejenigen Frequenzkanäle, die wesentliche Frequenzanteile eines dominanten Störgeräuschs führen, die Adaptionsgeschwindigkeit v1 und/oder die Richtstärke s einheitlich (d.h. mit dem gleichen Wert) vor.
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Zu diesem Zweck sind vorzugsweise auch der zweite adaptive Beamformer 32 (und ggf. der dritte adaptive Beamformer 38) analog zu dem Beamformer 28 so aufgebaut, dass sie die in den Frequenzkanälen geführten Frequenzanteile der Eingangs-Audiosignale 11, 12 oder der vorverarbeiteten Audiosignale I1', 12' jeweils individuell richtungsabhängig dämpfen. Die Geräuschkulisse wird somit durch den zweiten adaptiven Beamformer 32 (und ggf. den dritten adaptiven Beamformer 38) frequenzaufgelöst analysiert.
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Um die spektrale Zusammensetzung eines oder mehrerer dominanter Störgeräusche zu ermitteln, wird das von dem zweiten adaptiven Beamformer 32 (und ggf. dem dritten adaptiven Beamformer 38) ausgegebene gerichtete Audiosignal R2 (bzw. R3 jeweils) in einem Invertierglied 40 invertiert und anschließend in einem Multiplizierglied 42 mit dem omnidirektionalen Audiosignal A multipliziert. Diese Signalverarbeitung ist in 5 beispielhaft für eine Ausführungsform der Adaptivitätssteuerung 30 gezeigt, die analog zu 4 sowohl den zweiten adaptiven Beamformer 32 als auch den dritten adaptiven Beamformer 38 umfasst. Durch die Multiplikation des omnidirektionalen Audiosignals A mit dem invertierten, gerichteten Audiosignal R2 (bzw. R3) entsteht ein Audiosignal R2' (bzw. R3'), in dem das dominante Störgeräusch, das zu den zweiten adaptiven Beamformer 32 (bzw. ggf. den dritten adaptiven Beamformer 38) selektiv herausgefiltert wurde, gerade selektiv verstärkt wird. Das Audiosignal R2' (bzw. ggf. R3') wird nun dem Auswertemodul 34 zugeführt, das die spektrale Zusammensetzung des Audiosignals R2' (bzw. ggf. R3') analysiert und einen dem jeweiligen Störgeräusch entsprechenden Stör-Frequenzbereich ermittelt. Die in diesem Stör-Frequenzbereich liegenden Frequenzkanäle werden dabei durch das Auswertemodul 34 bezüglich der Adaptivität des ersten adaptiven Beamformers 28 gekoppelt, indem das Auswertemodul 34 die diesen Frequenzkanälen entsprechenden Werte der Adaptionsgeschwindigkeit v1 und/oder der Richtstärke s einheitlich vorgibt: Beispielsweise werden die Adaptionsgeschwindigkeit v1 für alle gekoppelten Frequenzkanäle gegenüber dem Grundwert erhöht und/oder die Richtstärke s für alle gekoppelten Frequenzkanäle gegenüber dem Grundwert erniedrigt, wenn und solange sich (aus der von dem Auswertemodul 34 gemäß 2 bzw. 4 vorgenommenen Auswertung des Wichtungsfaktors a2 oder der Wichtungsfaktoren a2 und a3) ergibt, dass für mindestens einen der gekoppelten Frequenzkanäle die Bedingung für die Erhöhung der Adaptionsgeschwindigkeit v1 bzw. die Erniedrigung der Richtstärke s erfüllt ist.
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6 zeigt eine weitere Ausführungsform des Hörsystems 2, in der dieses zusätzlich zu dem Hörgerät 4 (oder zwei Hörgeräten dieser Art zur Versorgung der beiden Ohren des Nutzers) eine Steuer-Software umfasst. Diese Steuer-Software ist nachfolgend als Hör-App 44 bezeichnet. Die Hör-App 44 ist in dem in 5 dargestellten Beispiel auf einem Smartphone 46 installiert. Das Smartphone 46 ist dabei selbst kein Teil des Hörsystems 2. Vielmehr wird das Smartphone 46 von der Hör-App 44 lediglich als Ressource für Speicherplatz und Rechenleistung genutzt.
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Das Hörgerät 4 und die Hör-App 46 tauschen im Betrieb des Hörsystems 2 Daten über eine drahtlose Datenübertragungsverbindung 48 aus. Die Datenübertragungsverbindung 48 beruht beispielsweise auf dem Bluetooth-Standard. Die Hör-App 44 greift hierbei auf einen Bluetooth-Transceiver des Smartphones 46 zu, um Daten von dem Hörgerät 4 zu empfangen und Daten an dieses zu senden. Das Hörgerät 4 umfasst seinerseits einen (nicht explizit dargestellten) Bluetooth-Transceiver, um Daten an die Hör-App 44 zu senden und Daten von dieser App zu empfangen.
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In der Ausführung gemäß 6 sind Teile der in den 2 bis 5 gezeigten Signalverarbeitung (z.B. die Adaptivitätssteuerung 30) nicht in dem Signalprozessor 12 des Hörgeräts 4 implementiert, sondern vielmehr in der Hör-App 44.
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Die Erfindung wird an den vorstehend beschriebenen Ausführungsbeispielen besonders deutlich, ist gleichwohl auf diese Ausführungsbeispiele aber nicht beschränkt. Vielmehr können weitere Ausführungsformen der Erfindung von dem Fachmann aus den Ansprüchen und der vorstehenden Beschreibung abgeleitet werden. Insbesondere können die anhand der verschiedenen Ausführungsbeispiele jeweils erläuterten Einzelmerkmale des Hörsystems und des zugehörigen Betriebsverfahrens im Rahmen der Ansprüche auch in anderer Weise miteinander kombiniert werden, ohne von der Erfindung abzuweichen.
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Bezugszeichenliste
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- 2
- Hörsystem
- 4
- Hörgerät
- 5
- Gehäuse
- 6
- Mikrofon
- 8
- Hörer
- 10
- Batterie
- 12
- Signalprozessor
- 14
- Schallkanal
- 16
- Spitze
- 18
- Signalaufbereitungseinheit
- 20
- Signalanalyseeinheit
- 22
- Vorverarbeitungseinheit
- 24
- Signalaufbereitungsprozess
- 26
- Parametrierungseinheit
- 28
- (erster adaptiver) Beamformer
- 30
- Adaptivitätssteuerung
- 32
- (zweiter adaptiver) Beamformer
- 34
- Auswertemodul
- 36
- Klassifikator
- 38
- (dritter adaptiver) Beamformer
- 40
- Invertierglied
- 42
- Multiplizierglied
- 44
- Hör-App
- 46
- Smartphone
- 48
- Datenübertragungsverbindung
- a1
- (erster) Wichtungsfaktor
- a2
- (zweiter) Wichtungsfaktor
- a3
- (dritter) Wichtungsfaktor
- s
- Richtstärke
- v1
- (erste) Adaptionsgeschwindigkeit
- v2
- (zweite) Adaptionsgeschwindigkeit
- v3
- (dritte) Adaptionsgeschwindigkeit
- A
- (omnidirektionales) Audiosignal
- 11, 12
- Eingangs-Audiosignal
- I1', 12'
- (interne) Audiosignal
- K
- Klassifizierungssignal
- O
- Ausgangs-Audiosignal
- P
- Signalaufbereitungsparameter
- R1
- (erstes gerichtetes) Audiosignal
- R2
- (zweites gerichtetes) Audiosignal
- R3
- (drittes gerichtetes) Audiosignal
- U
- Versorgungsspannung
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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