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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Eichen von Wasserstofftankstellen.
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Stand 01.08.2020 werden in Deutschland ca. 80 Wasserstofftankstellen betrieben, welche gasförmigen Wasserstoff an Kunden in landgebundenen Straßenfahrzeugen abgeben. Dieser Wasserstoff wird in Wasserstofftanks der Tankstelle gespeichert, auf 850 bar verdichtet und im Überströmverfahren mit -30°C bis -40°C an Fahrzeuge von Endkunden abgegeben. Die abgegebene Wasserstoffmenge wird mit einer als Coriolis-Massendurchflussmengenmesser ausgebildeten Abgabemengenmesseinrichtung in der Tankanlage gemessen. Diese Tankanlagen sind nach Mess- und Eichgesetz eichpflichtig.
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Die Eichpflichtigkeit ergibt sich aus dem „Gesetz über das Inverkehrbringen und das Bereitstellen von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie Fertigverpackungen (Mess- und Eichgesetz - MessEG)“, sowie der „Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt sowie über Ihrer Verwendung und Eichung (Mess- und Eichverordnung - MessEV)“. Die dazu notwendigen Fehlergrenzen ergeben sich aus den aktuell gültigen Normen und Bestimmungen, zum Zeitpunkt dieser Patentanmeldung ist die OIML R 139 Dokumente 1, 2 und 3, jeweils in Ihrer Fassung von 2018 als Grundlage empfohlen.
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Die Eichung der Abgabemenge von Wasserstoff an einer Wasserstofftankstelle muss aus verfahrenstechnischen Gründen vor Ort mit einem mobilen Eichnormal durchgeführt werden.
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Aus dem Stand der Technik ist ein Eichnormal auf stationärer, gravimetrischer Basis bekannt, welches in einem rundum verschlossenen Fahrzeuganhänger zum Schutz vor Witterungseinflüssen bei der Messung aufgebaut ist. Nach der Verbringung dieses Anhängers zu der betreffenden Anlage wird an der Tankstelle der Wasserstoff mit sehr hohem Druck in einen Tank umgefüllt, welcher wiederum auf einer hochgenauen Waage auf dem Anhänger witterungsgeschützt gelagert wird. Mittels Differenzmessverfahren wird die abgefüllte Menge an Wasserstoff durch Ablesen der Waage und rechnerisch als Differenz der Ablesewerte des Gesamtgewichtes des Tanks zwischen Beginn und Ende der Betankung bestimmt. Dabei sind stationäre Phasen zur Messwertberuhigung abzuwarten.
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Dieses System hat diverse Nachteile und ist mit mehreren Schwierigkeiten verbunden:
- • Die Masse des Wasserstoffs selbst und die abgegebene Menge an das Waagensystem ist gering (< 5kg) im Verhältnis zum Tanksystem (> 130kg). Da immer das Gesamtsystem erfasst und gewogen werden muss, ist der relative Anteil des eigentlich zu eichendem Medium sehr klein. Entsprechend hochwertig ist das Waagesystem auszuführen und vor Beginn der Messung zu prüfen bzw. zu nivellieren.
- • Der Wasserstoff wird zudem in einem Druckbehälter verfüllt, der außerhalb der Kontrolle des Anlagenbetreibers liegt. Eine entsprechende Überwachung des Druckbehälters nach Betriebssicherheitsverordnung beruht auf Aussagen des Eichnormallieferanten.
- • Da der Wasserstoff bei der Betankung stark gekühlt ist, kann sich auskondensierende Luftfeuchtigkeit in Form von Kondensat oder Eis auf dem Behälter niederlegen und die Wägung verändern.
- • Das System selber kann bei nicht ausreichender Erstjustierung bzw. unausgewogenen Aufbau seine Ergebnisse verfälschen, was zu einer Wiederholung der Gesamtmessung führt.
- • Das System ist bauformbedingt empfindlich gegenüber externen Witterungseigenschaften wie zum Beispiel Wind, welche das System in Schwingungen versetzen und das Ergebnis beeinflussen. Dies ist selbst bei geschlossenem Fahrzeuganhänger möglich, da der gesamte Anhänger auf Grund seiner Größe in Schwingung geraten kann.
- • Das System ist auch empfindlich gegenüber äußeren mechanischen Schwingungseinflüssen wie z.B. durch angrenzenden Schwerlastverkehr, was die stationäre Beruhigungsphase verlängert oder die Messwerte schwingen lassen.
- • Das brennbares Gas Wasserstoff wird nach der Messung kontrolliert in die Umwelt abgegeben. Dazu ist ein zusätzlicher temporärer Ausblasekamin auf der Anlage zu installieren. Diese ungenutzte Menge an Wasserstoff stellt neben dem wirtschaftlichen Verlust auch erhöhte Anforderungen an die Sicherheit dar, z.B. bezgl. der Definition von Explosionschutzzonen, Beurteilung von Gefahrenbereichen auf der Tankstelle und Überwachung durch entsprechende Gassensorik, welche den Aufwand erhöhen und weitere sicherheitsrelevante Betrachtungen im Vorfeld einer Eichung notwendig machen.
- • Das Ablassen des Wasserstoffes in die Luft kann nur langsam über lange Zeiträume erfolgen, um den Tank in seinem Betriebstemperaturbereich zu halten und damit eine mechanische Schädigung des Tanks zu vermeiden. Eine eventuelle Vorschädigung des Tanks kann nicht ausgeschlossen werden und stellt ein vermeidbares Risiko dar.
- • Realistisch ist auf Grund der Schwingungseigenschaften des Waagesystems eine meteorologische Abhängigkeit vorhanden und eine Eichung somit nur in den Monaten April bis September/ Oktober in Abhängigkeit von der Großwetterlage möglich. Durch zusätzliche Auf- und Abbauzeiten ergeben sich somit zeitliche Aufwände von mind. drei bis ca. vier Tage pro Anlage.
- • Dieser gesamtzeitliche Aufwand von mind. drei bis vier Tagen ist wirtschaftlich im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der zukünftigen Wasserstoffindustrie nicht darstellbar und vertretbar. Unter dem Gesichtspunkt der wachsenden Anzahl der Tankstellen lässt sich ein solcher Zeitaufwand mit der dazu nötigen Anzahl an gravimetrischen Eichnormale nicht darstellen. Aktuell wären bereits bei ca. 100 Tankstellen drei Eichnormale inklusive entsprechender Teams nötig, um alle gesetzlichen Fristen einhalten zu können.
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Der Erfindung liegt hiervon ausgehend die Aufgabe zugrunde, das Eichen von Wasserstofftankstellen zu vereinfachen.
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Diese Aufgabe lösen das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 2. Die rückbezogenen Ansprüche beinhalten teilweise vorteilhafte und teilweise für sich selbst erfinderische Weiterbildungen der Erfindung.
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Die Erfindung beruht auf der Grundüberlegung, eine Durchflussmeßvorrichtung, insbesondere eine Massendurchflussmessvorrcihtung als Eichnormal zu verwenden. Diese als Eichnormal verwendete Durchflussmessvorrichtung wird zwischen den Wasserstofftank der Tankstelle und den Wasserstoffbehälter im Fahrzeug gleichsam zwischengeschaltet.
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Vorteilhaft wird die Durchflussmeßvorrichtung in die vom Wasserstofftank der Tankstelle zum Einfüllstutzen am Fahrzeug geführte Zuleitung, die vorzugsweise als Schlauchleitung ausgebildet ist, integriert.
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In weiterer vorteilhafter Ausgestaltung ist die Durchflussmeßvorrichtung in die fahrzeugseitige Einfüllleitung zwischen Einfüllstutzen und Wasserstoffbehälter integriert. Das Fahrzeug wird damit gleichsam zum Eichfahrzeug.
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Die Durchflussmeßvorrichtung arbeitet vorzugsweise auf Basis einer kontinuierlichen Massendurchflußmessung. In weiterer vorteilhafter Ausgestaltung wird für das mobile und transportable Eichnormal eine kontinuierliche Massendurchflussmessvorrichtung, nämlich eine Coriolis-Durchflussmengenmessvorrichtung verwendet.
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Coriolis-Durchflussmengenmesser haben ein je nach Hersteller gebogenes Messrohr verbaut, durch welches das zu messende Medium strömt. Je nach Messrohreigenschaften, durchströmendem Medium und Massenfluss wird das Messrohr durch die Trägheit des Messmediums und der damit entsprechenden Radialbeschleunigung in Schwingungen versetzt. Diese Schwingungen überlagern die mediums- und mengenmesserabhängige stimulierte Eigenfrequenz des Messrohres, woraus die Ermittlung des Massensstromes (Masse pro Zeiteinheit) möglich wird. Über eine Elektronikeinheit werden zusätzliche notwendige Masse- und Temperaturkompensationen vorgenommen und als elektrisches Ausgangssignal bereitgestellt und weiterverarbeitet.
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Zur Messung der vom Wasserstofftank der Tankstelle abgegebenen Wasserstoffmenge ist eine Abgabemengenmesseinrichtung am Wasserstofftank ausgebildet. Hierfür wird ebenfalls Coriolis-Durchflussmengenmesser verwendet. Nach der Erfindung wird der Eichprozess folglich mit dem gleichen Messprinzip durchgeführt wie die Messung der Wasserstoffabgabemenge von der Tankstelle an den Kunden.
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Eine entsprechend hochgenaue Durchflußmessvorrichtung wird erfindungsgemäß als Messgerät wird in ein Messsystem integriert, welches in einem handelsüblichen PKW transportiert werden kann bzw. in einem handelsüblichen PKW installiert ist. Das Messgerät wird dazu unter Laborbedingungen ausgewählt und geprüft und zusammen mit der zuständigen Zertifizierungsstelle - in Deutschland zum Zeitpunkt der Patentanmeldung die Physikalisch Technischen Anstalt Braunschweig (PTB) - einem entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahren bezgl. der Fehlergrößen unterzogen und als Eichnormal zertifiziert. Während des Prozesses zur Auswahl und der Prüfung und Definition der Fehlergenauigkeit ist die Zertifizierungsstelle als unabhängige Anstalt involviert.
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Das Messsystem wiederum besteht einem entsprechenden Aufbau, welches in einem von Wasserstoff angetrieben Fahrzeug zu der zu eichenden Anlage transportiert werden kann. An der zu eichenden Anlage wird die Durchflußmessvorrichtung als Messsystem in Reihe bzw. in Serie zwischen die Zuleitung, nämlich den bestehenden Fahrzeug-Befüllschlauch der Anlage und dem Fahrzeugtank bzw. Wasserstoffbehälter zwischengeschaltet. Die eigentliche Eichung erfolgt dabei im Rahmen einer normalen Betankung. Der Wasserstoff aus der Anlage durchströmt zunächst die Durchflußmessvorrichtung, also das Eichnormal, bevor er regulär in einen Wasserstoffbehälter, den Fahrzeugtank eingefüllt wird. Bei Bedarf können weitere Fahrzeuge nach dem gleichen Prinzip im Anschluss betankt werden.
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Das Testprogramm der Zertifizierungsstelle ermöglicht somit der lokalen Eichbehörde, eine entsprechende eichkonforme Bewertung der Anlage durchzuführen.
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Der Aufbau des Messsystems erfolgt unter Berücksichtigung weiterer ingenieursmäßiger und normativer Prozesse wie z.B. Druckgeräterichtlinie, Explosionsschutzdirektiven, elektromagnetische Verträglichkeit und sind im Konfomitätsverfahren berücksichtigt, werden aber hier nicht im Detail erläutert.
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Die Vorteile gegenüber dem eingangs geschilderten Stand der Technik sind folgende:
- • Durch die Reihenschaltung des Messsystems in der Wassertstofftankstelle und des neuen Eichnormals ist ein direkter Abgleich und Vergleich beider Messsysteme möglich. Der Massenstrom in der gesamten Reihenschaltung muss an allen Stellen des Systems gleich sein.
- • Alle Bauteile, welche zur Messung verkoppelt werden, sind durch das Eichnormal bzw. das zu betankende Fahrzeug bereits vorhanden. Es müssen keine zusätzlichen Aufbauarbeiten von Fremdkomponenten vorgenommen werden.
- • Kondensat oder Eisbildung haben keinen Einfluss auf das Messsystem, da keine stationäre Massenmessung mehr erfolgt, sondern eine Durchflussmessung. Einflüsse am Mengenmesser selber können per Laborversuch definiert und korrigiert werden.
- • Der Aufbau des Systems selber ist auf Grund seiner kompakteren Bauform und seines Messprinzips weniger fehleranfällig und weniger störanfällig als die herkömmliche gravimetrische Methode.
- • Das Messssystem ist aufbaubedingt weniger empfindlich gegenüber externen Witterungseigenschaften, wie zum Beispiel Wind, welche das System in Schwingungen versetzen und das Ergebnis beeinflussen können.
- • Das Messsystem ist stabiler gegenüber äußeren Schwingungseinflüssen wie z.B. Schwerlastverkehr, da es keine stationären Beruhigungsphasen zur Messwerterfassung benötigt, sondern als kontinuierliche Messung einzelne Abweichungen über den Messzeitraum relativiert.
- • Der zu messenden Wasserstoff wird direkt in Wasserstofffahrzeuge vertankt und nicht ungenutzt in die Umwelt entlassen. Dies reduziert den wirtschaftlichen Verlust und es entstehen keine Explosionschutzzonen oder zusätzliche Gefahrenbereichen auf der Tankstelle, was die Arbeitssicherheit im Rahmen der Eichung deutlich erhöht.
- • Während der Messung sind keine zusätzlichen Druckbehälter nötig, welche zusätzliches Gefahrenpotential bilden oder außerhalb der Kontrolle des Betreibers liegen.
- • Durch den Einbau der Messtechnik innerhalb eines vergleichsweise kleinen, geschlossenen Systems wird die meteorologische Abhängigkeit über ein Jahr betrachtet stark reduziert und weniger wetterabhängig. Die Auf- und Abbauzeiten reduzieren sich auf Grund der Transportabilität auf wenige Minuten und ergeben somit einen zeitlichen Aufwand von max. einem Tag pro Anlage und Eichung.
- • Dieser gesamtzeitliche Aufwand von max. einem Tag ist wesentlich wirtschaftlicher und lässt sich im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der zukünftigen Wasserstoffindustrie darstellen und vertreten, da er dem aktuellen Aufwand für die Eichung von Anlagen mit anderen Kraftstoffarten ähnelt.
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Anhand des nachfolgenden Ausführungsbeispiels ist die Erfindung weiter erläutert:
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Die einzige Zeichnungsfigur zeigt einen Wasserstofftank 1, der auf einer Wasserstofftankstelle steht, ein mit Wasserstoff zu betankendes Fahrzeug 2 und eine den Wasserstofftank 1 und das Fahrzeug 2 miteinander verbindende Zuleitung 3 für das in das Fahrzeug 2 einzubringende Wasserstoff-Gas. Im Fahrzeug 2 ist der den Fahrzeugtank bildende Wasserstoffbehälter 4 erkennbar. Der Wasserstoffbehälter 4 kann über eine zwischen einem Einfüllstutzen 5 und dem Wasserstoffbehälter 4 positionierte Einfülleitung 6 mit Kraftstoff, hier mit Wasserstoff befüllt werden. Zur Befüllung des Wasserstoffbehälters 4 mit Wasserstoff ist an dem dem Wasserstofftank 1 abgewandten Ende der Zuleitung 3 ein Zapfventil 7 ausgebildet. Das Zapfventil 7 wird am Einfüllstutzen 5 adaptiert, sodass das im Wasserstofftank 1 gelagerte Wasserstoffgas durch die Zuleitung 3 und die Einfüllleitung 6 in den Wasserstoffbehälter 4 des Fahrzeugs 2 einströmen kann.
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Zur Messung der vom Wasserstofftank 1 abgegebenen Wasserstoffmenge bzw. Wasserstoffmasse ist am Wasserstofftank 1 eine Abgabemengenmesseinrichtung 8 angeordnet. Die Abgabemengenmesseinrichtung 8 arbeitet nach dem Prinzip der kontinuierlichen Massendurchflussmessung. Im Ausführungsbeispiel ist die Abgabemengenmesseinrichtung 8 als Coriolis-Durchflussmengenmesser ausgebildet.
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In die Zuleitung 3 ist zwischen der Abgabemengenmesseinrichtung 8 und dem Zapfventil schließlich eine Durchflussmessvorrichtung 9 integriert und außerhalb des Fahrzeugs angeordnet. Die Durchflussmessvorrichtung 9 ist so gleichsam zwischen den Wasserstofftank 1 und den Wasserstoffbehälter 4 zwischengeschaltet. Auch die Durchflussmessvorrichtung 9 arbeitet analog der Abgabemengenmesseinrichtung 8 nach dem technischen Prinzip der kontinuierlichen Massendurchflussmessung. Im Ausführungsbeispiel ist auch die Durchflussmessvorrichtung 9 als Coriolis-Durchflussmengenmesser ausgebildet.
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Die Durchflussmessvorrichtung 9 ist in dem in der Zeichnungsfigur dargestellten Gesamtsystem als Eichnormal wirksam und dient zur Eichung der Abgabenmengenmesseinrichtung 8. Die Funktionsweise des als Coriolis-Durchflussmengenmessers ausgebildeten Eichnormals ist vorstehend bereits ausführlich mit zahlreichen Vorteilen beschrieben.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Wasserstofftank
- 2
- Fahrzeug
- 3
- Zuleitung
- 4
- Wasserstoffbehälter
- 5
- Einfüllstutzen
- 6
- Einfüllleitung
- 7
- Zapfventil
- 8
- Abgabenmengenmesseinrichtung
- 9
- Durchflussmessvorrichtung