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Die Erfindung betrifft ein System und Verfahren zum autonomen Kalibrieren einer Steuereinheit für die Radsteuerung eines Kraftfahrzeugs, insbesondere eines Motorrades.
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Die Radsteuerung bei einem Kraftfahrzeug wie beispielsweise bei einem Motorrad überwacht die Geschwindigkeit der Räder und den Nickwinkel (engl.: pitch angle) um die y-Achse, um das Vorderrad wieder auf den Boden zu bringen, wenn es in Situationen mit starker Beschleunigung den Bodenkontakt verliert und abhebt. Hierzu wird die Kraftstoffzufuhr durch Betätigen der Drosselklappen reduziert und damit das Drehmoment des Rades geändert, wodurch sich der Nickwinkel des Motorrades verringert. Durch diese Radsteuerung wird die Sicherheit bei starken Beschleunigungen erheblich verbessert, da beim Abheben des Vorderrades ein Traktionsverlust auftritt, der das Gleichgewicht des Motorrades und damit die Manövrierfähigkeit erheblich beeinträchtigen kann. Bekannte Radsteuerungen bestehen aus Raddrehzahlsensoren, einem Nickwinkel-Sensor, einem Beschleunigungsmesser und einer Steuerungseinrichtung.
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Eine Steuerungs- und Regelungseinrichtung für eine Radsteuerung basiert üblicherweise auf einem PID-Regler, Nachschlagetabellen, Karten und/oder künstlichen neuronalen Netzen. Die Steuerungslogik benötigt darüber hinaus einen „Supervisor“, beispielsweise einen Ingenieur, um die Parameter der Radsteuerung zu kalibrieren, da eine autonome Kalibrierung der Radsteuerung nicht möglich ist. Dies erfordert einen hohen Zeitaufwand, der wiederum mit entsprechenden Kosten verbunden ist.
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Darüber hinaus sind Optimierungslogiken bekannt, um die Parameter einer Steuerung automatisch zu kalibrieren. Aktuelle Optimierungslogiken basieren üblicherweise auf mathematischen iterativen Methoden, die darauf abzielen, die Abweichung zwischen modellierten und realen Ausgabewerten zu verringern. Diese Berechnungsverfahren stoßen aber an ihre Grenzen, wenn mehrere Zielvorgaben oder Kenngrößen gleichzeitig optimiert werden sollen, die zudem noch wechselseitig voneinander abhängig sind, da in diesem Fall eine mathematische Formalisierung aufgrund der hohen Komplexität der Problemstellung nur unzureichend möglich ist.
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Die WO 02/ 003 716 A1 offenbart einen Algorithmus zur Optimierung mehrerer Ziele auf dem Gebiet der Telekommunikation, bei dem mehrere erste Lösungen erzeugt werden, eine dieser Lösungen ausgewählt und die ausgewählte erste Lösung wiederholt mit Konfigurationsparametern modifiziert wird, um eine zweite Lösung zu erzeugen.
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Die
DE 100 17 278 A1 beschreibt ein Steuergerät für die hydraulische Bremsverstärkung, das sich bei Abstellen des Motors, nach Verstreichen einer bestimmten Zeit oder Zurücklegen einer bestimmten Strecke seit der letzten Kalibrierung oder bei Erreichen einer bestimmten Anzahl von Bremspedal-Betätigungen automatisch selbst kalibriert. Das Gerät erfasst hierzu die von den daran angeschlossenen Sensoren erfassten Werte, vergleicht diese mit zugeordneten Soll-Werten und schreibt die Differenz oder davon abhängige Werte in ein EEPROM, um sie mit hinterlegten Sollwerten zu vergleichen.
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Die
EP 2 320 332 A1 beschreibt ein Verfahren zum Erzeugen einer Menge von Lösungen für ein Routenplanungsproblem mit mehreren Zielen zum Zwecke der Routenplanung. Das Verfahren umfasst das iterative Anwenden einer PC-Methode (engl.: Probability Collective), wobei jede Iteration eine Stichprobe aus einer Wahrscheinlichkeitsverteilung umfasst, die definiert ist über eine Reihe von Entscheidungsvariablen, die sich auf das Routenplanungsproblem beziehen.
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Die
DE 601 00 285 T2 beschreibt ein Verfahren zur Steuerung einer Maschine mit einem Steuermodul, das mit evolutionären Algorithmen mit einer ersten Generation von Chromosomen und einer nachfolgenden Generation von Chromosomen basierend auf Signalen der Maschine gesteuert wird.
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Die
AT 512 251 A2 beschreibt einen nichtlinearen Regler für ein nichtlineares System, wobei ein Parameterset des Reglers mittels eines evolutionären Algorithmus bestimmt wird. Bei jedem Evolutionsschritt wird eine Vielzahl von Parametersets, die jeweils eine mögliche Lösung der Optimierung darstellen, ermittelt. Für jedes Parameterset werden zumindest zwei Qualitätswerte ermittelt, die durch einen evolutionären Algorithmus optimiert werden.
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Die der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe besteht nun darin, ein Verfahren und ein System zur autonomen Kalibrierung einer Steuereinheit für die Radsteuerung eines Kraftfahrzeugs zu schaffen, das sich durch eine hohe Zuverlässigkeit und Genauigkeit auszeichnet und sich einfach implementieren lässt.
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Gemäß der vorliegenden Erfindung wird ein Verfahren und System vorgeschlagen, durch das eine automatische Kalibrierung einer Steuereinheit für die Radsteuerung eines Kraftfahrzeugs ermöglicht wird, um hierdurch die Grundlage für eine zuverlässige und genaue Funktionsweise des Rades und damit des Kraftfahrzeugs zu schaffen.
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Diese Aufgabe wird hinsichtlich eines Verfahrens durch die Merkmale des Patentanspruchs 1, und hinsichtlich eines Systems durch die Merkmale des Patentanspruchs 4 erfindungsgemäß gelöst. Die weiteren Ansprüche betreffen bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung.
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Gemäß einem ersten Aspekt stellt die Erfindung ein Verfahren zum Kalibrieren einer Steuereinheit zur Radsteuerung eines Kraftfahrzeugs, insbesondere eines Motorrades, bereit. Das Verfahren umfasst die folgenden Verfahrensschritte:
- - Initialisieren einer Population von zufällig ausgewählten Chromosomen mit einem genetischen Code für einen memetischen Algorithmus;
- - Überführen des genetischen Codes eines Chromosoms in einen Parametersatz;
- - Bewerten der Qualität des vorliegenden Parametersatzes mittels einer Fitnessfunktion, wobei dem Parametersatz ein Fitnessergebnis zugeordnet wird;
- - Rücküberführen des Parametersatzes wieder in den genetischen Code eines Chromosoms;
- - Überprüfen, ob der Algorithmus beendet werden kann;
- - Beenden des Algorithmus, falls zumindest ein definiertes Abschluss-Kriterium zutrifft; oder
- - Weiterführen des Algorithmus, falls ein definiertes Abschluss-Kriterium nicht zutrifft, wobei die Chromosomen mit genetischen Operatoren zu Kinder-Chromosomen mittels einer Überkreuzung rekombiniert oder mittels einer Mutation zu modifizierten Chromosomen modifiziert werden;
- - Verbessern der Kinder-Chromosomen und/oder der modifizierten Chromosomen mittels lokaler Suchtechniken;
- - Erzeugen einer neuen Population mit einem Satz von Chromosomen der vorherigen Generation mit dem besten Fitness-Ergebnis und/oder einem Satz von Kinder-Chromosomen und/oder einem Satz von modifizierten Chromosomen.
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Der genetische Code eines Chromosoms stellt eine Zeichenkette und/oder reale Ziffern und/oder eine Baumstruktur dar. Ein Parametersatz besteht aus Messwerten und/oder Schätzwerten für ausgewählte Parameter der Steuereinheit. Die Fitnessfunktion weist eine lineare Kombination von Merkmalen auf:
mit F: Belohnungsfunktion, w
i: Gewichte, fi: Eigenschaften.
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In einer weiteren Ausbildung stellt eine oder mehrere der folgenden Bedingungen ein Abschluss-Kriterium da: das Fitness-Ergebnis hat einen Zielwert erreicht, der dadurch definiert wird, dass die Abweichung unter einem Schwellenwert liegt, und/oder die Chromosomen der Population nähern sich an und die Population erreicht einen Konvergenzwert, und/oder eine gegebene maximale Anzahl von Iterationen wurde erreicht
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In einer Weiterentwicklung ist vorgesehen, dass bei einer Überkreuzung (engl.: crossover) Eltern-Chromosomen aus der Population genommen und Teile ihres genetischen Codes rekombiniert werden, um ein Kinder-Chromosom zu bilden, und bei einer Mutation die Chromosomen wiederum aus der Population stammen und Teile ihres genetischen Codes zufällig modifiziert werden, um ein modifiziertes Chromosom zu bilden.
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Gemäß einem zweiten Aspekt stellt die Erfindung ein System zum Kalibrieren einer Steuereinheit zur Radsteuerung eines Kraftfahrzeugs, insbesondere eines Motorrades, bereit. Das System umfasst ein Initialisierungsmodul, ausgebildet zum Initialisieren einer Population von zufällig ausgewählten Chromosomen mit einem genetischen Code für einen memetischen Algorithmus; ein Dekodiermodul, ausgebildet zum Überführen des genetischen Codes eines Chromosoms in einen Parametersatz; ein Fitnessbewertungsmodul, ausgebildet zum Bewerten der Qualität des vorliegenden Parametersatzes mittels einer Fitnessfunktion, wobei dem Parametersatz ein Fitnessergebnis zugeordnet wird; ein Kodiermodul, ausgebildet zum Rücküberführen des Parametersatzes wieder in den genetischen Code eines Chromosoms; ein Abschlussmodul, ausgebildet zum Überprüfen, ob der Algorithmus beendet werden kann, und zum Beenden des Algorithmus, falls zumindest ein definiertes Abschluss-Kriterium zutrifft oder zum Weiterführen des Algorithmus, falls ein definiertes Abschluss-Kriterium nicht zutrifft; ein Operatorenmodul, ausgebildet, die Chromosomen mit genetischen Operatoren zu Kinder-Chromosomen mittels einer Überkreuzung zu rekombinieren oder mittels einer Mutation zu modifizierten Chromosomen zu modifizieren; ein Verfeinerungsmodul zum Verbessern der Kinder-Chromosomen und/oder der modifizierten Chromosomen mittels lokaler Suchtechniken; und ein Populationsmodul zum Erzeugen einer neuen Population mit einem Satz von Chromosomen der vorherigen Generation mit dem besten Fitness-Ergebnis und/oder einem Satz von Kinder-Chromosomen und/oder einem Satz von modifizierten Chromosomen. Der genetische Code eines Chromosoms stellt eine Zeichenkette und/oder reale Ziffern und/oder eine Baumstruktur dar. Ein Parametersatz besteht aus Messwerten und/oder Schätzwerten für ausgewählte Parameter der Steuereinheit. Die Fitnessfunktion weist eine lineare Kombination von Merkmalen auf:
mit F: Belohnungsfunktion, w
i: Gewichte, fi: Eigenschaften.
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In einer weiteren Ausgestaltung ist vorgesehen, dass eine oder mehrere der folgenden Bedingungen ein Abschluss-Kriterium darstellen: das Fitness-Ergebnis hat einen Zielwert erreicht, der dadurch definiert wird, dass die Abweichung unter einem Schwellenwert liegt, und/oder die Chromosomen der Population nähern sich an und die Population erreicht einen Konvergenzwert, und/oder eine gegebene maximale Anzahl von Iterationen wurde erreicht
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In einer Weiterentwicklung ist vorgesehen, dass bei einer Überkreuzung (engl.: crossover) Eltern-Chromosomen aus der Population genommen und Teile ihres genetischen Codes rekombiniert werden, um ein Kinder-Chromosom zu bilden, und bei einer Mutation die Chromosomen wiederum aus der Population stammen und Teile ihres genetischen Codes zufällig modifiziert werden, um ein modifiziertes Chromosom zu bilden.
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Gemäß einem dritten Aspekt stellt die Erfindung ein System zum Kalibrieren einer autonomen Steuereinrichtung zur Radsteuerung eines Kraftfahrzeugs, umfassend eine Steuereinheit und ein System zum Kalibrieren der Steuereinheit gemäß dem zweiten Aspekt der Erfindung.
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Gemäß einem vierten Aspekt stellt die Erfindung ein Computerprogrammprodukt bereit, das einen ausführbaren Programmcode umfasst, der so konfiguriert ist, dass er bei seiner Ausführung das Verfahren gemäß dem ersten Aspekt ausführt.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand von in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispielen näher erläutert.
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Dabei zeigt:
- 1 ein Blockdiagram zur Erläuterung eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Systems;
- 2 ein Blockdiagramm eines Initialisierungsmoduls des erfindungsgemäßen Systems;
- 3 ein Blockdiagramm eines Dekodiermoduls des erfindungsgemäßen Systems;
- 4 ein Blockdiagramm eines Kodiermoduls des erfindungsgemäßen Systems;
- 5 ein Blockdiagramm eines Operatorenmoduls des erfindungsgemäßen Systems;
- 6 ein Blockdiagramm eines Populationsmoduls des erfindungsgemäßen Systems;
- 7 ein Blockdiagramm einer Steuereinrichtung gemäß einer Ausführungsform des dritten Aspekts der Erfindung;
- 8 ein Flussdiagramm zur Erläuterung der einzelnen Verfahrensschritte eines erfindungsgemäßen Verfahrens;
- 9 eine schematische Darstellung eines Computerprogrammprodukts gemäß einer Ausführungsform des vierten Aspekts der Erfindung.
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Zusätzliche Kennzeichen, Aspekte und Vorteile der Erfindung oder ihrer Ausführungsbeispiele werden durch die ausführliche Beschreibung in Verbindung mit den Ansprüchen ersichtlich.
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1 zeigt ein erfindungsgemäßes System 100 zum autonomen Kalibrieren von zumindest einem Parameter α, β, d einer Steuereinheit 550 für eine Radsteuerung eines Rades bei einem Kraftfahrzeug. Bei den Parametern α, β, d kann es sich um eine Radgeschwindigkeit und/oder eine Beschleunigung des Kraftfahrzeugs und/oder einen Nickwinkel eines Rades handeln. Das erfindungsgemäße System 100 beruht auf einem memetischen Algorithmus (MA) mit meta-heuristischen Suchfunktionen. Memetische Algorithmen basieren auf einem Populationsansatz, um mittels einer heuristischen Suche ein Optimierungsproblem zu lösen. Das System 100 umfasst verschiedene Module, die teilweise mit Prozessoren und Speichereinheiten versehen sind.
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Unter einem „Prozessor“ kann im Zusammenhang mit der Erfindung beispielsweise eine Maschine oder eine elektronische Schaltung verstanden werden. Bei einem Prozessor kann es sich insbesondere um einen Hauptprozessor (engl. Central Processing Unit, CPU), einen Mikroprozessor oder einen Mikrocontroller, beispielsweise eine anwendungsspezifische integrierte Schaltung oder einen digitalen Signalprozessor, möglicherweise in Kombination mit einer Speichereinheit zum Speichern von Programmbefehlen, etc. handeln. Auch kann unter einem Prozessor ein virtualisierter Prozessor, eine virtuelle Maschine oder eine Soft-CPU verstanden werden. Es kann sich beispielsweise auch um einen programmierbaren Prozessor handeln, der mit Konfigurationsschritten zur Ausführung des genannten erfindungsgemäßen Verfahrens ausgerüstet wird oder mit Konfigurationsschritten derart konfiguriert ist, dass der programmierbare Prozessor die erfindungsgemäßen Merkmale des Verfahrens, der Komponente, der Module, oder anderer Aspekte und/oder Teilaspekte der Erfindung realisiert.
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Unter einer „Speichereinheit“ oder „Speichermodul“ und dergleichen kann im Zusammenhang mit der Erfindung beispielsweise ein flüchtiger Speicher in Form eines Arbeitsspeichers (engl. Random-Access Memory, RAM) oder ein dauerhafter Speicher wie eine Festplatte oder ein Datenträger oder z. B. ein wechselbares Speichermodul verstanden werden. Es kann sich bei dem Speichermodul aber auch um eine cloudbasierte Speicherlösung handeln.
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Unter einem „Modul“ kann im Zusammenhang mit der Erfindung beispielsweise ein Prozessor und/oder eine Speichereinheit zum Speichern von Programmbefehlen verstanden werden. Beispielsweise ist ein Modul speziell dazu eingerichtet, die Programmbefehle derart auszuführen, damit der Prozessor und/oder die Speichereinheit Funktionen ausführt, um das erfindungsgemäße Verfahren oder einen Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens zu implementieren oder zu realisieren.
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Unter „Messwerten“ sind im Zusammenhang mit der Erfindung sowohl Rohdaten als auch bereits aufbereitete Daten aus Messergebnissen beispielsweise von Sensoren zu verstehen.
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Wie in 2 dargestellt, ist in einem Initialisierungsmodul 110 eine Population von zufällig initialisierten Chromosomen C1, C2, ..., Cn vorhanden, die dort erzeugt oder an das Initialisierungsmodul 110 übermittelt wurden. Die einzelnen Chromosomen C1, C2, ..., Cn weisen einen genetischen Code auf, der beispielsweise als Zeichenkette und/oder als reale Ziffern und/oder in einer Baumstruktur dargestellt wird. Ein Beispiel für eine Zeichenkette ist ein Spaltenvektor mit einer Anzahl m von Elementen C1(1), C1(2), ..., C1(m). In einer binären Darstellung haben die Elemente jeweils den Wert 0 oder 1. In die Population können auch bereits vorhandene Parametersätze αi, βi, di aufgenommen werden, wobei ein Parametersatz αi, βi, di aus Messwerten und/oder Schätzwerten für ausgewählte Parameter α, β, d der Steuereinheit 550 besteht.
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Beispielsweise kann ein Parametersatz α
i, β
i, d
i Werte in einer Formel 300 darstellen:
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Durch die Einbeziehung vorhandener Parametersätze αi, βi, di kann das Optimierungsergebnis des memetischen Algorithmus des erfindungsgemäßen Systems 100 verbessert werden.
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Wie in 3 dargestellt, wird in einem Dekodiermodul 120 (engl.: decoder module) die Zeichenkette eines Chromosoms Ci in einen Parametersatz αi, βi, di überführt. Dieser Schritt ist erforderlich, um in einem Fitnessbewertungsmodul 130 eine Bewertung der Population durchführen zu können.
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Mittels einer Fitnessfunktion 400 wird die Qualität des vorliegenden Parametersatzes bewertet. Die Fitnessfunktion 400 besteht aus gewichteten Merkmalen, die den Kriterien entsprechen, die für ein optimiertes Steuerungsverhalten der Steuereinheit erforderlich sind. Das Ziel des Algorithmus des erfindungsgemäßen Systems 100 ist es, Chromosomen zu erzeugen, die ein hohes Fitness-Ergebnis aufweisen. Ein solches Ergebnis entspricht einem Parametersatz, der zu einer guten Kalibrierung führt.
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Die Fitnessfunktion 400 kann beispielsweise eine lineare Kombination von Merkmalen aufweisen:
mit
F: Belohnungsfunktion
w
i: Gewichte
fi: Eigenschaften
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Die Eigenschaften entsprechen relevanten Kriterien zur Bewertung der Qualität eines Parametersatzes αi, βi, di. Bei den Eigenschaften fi kann es sich um die Abweichung zwischen modellierten und realen Ergebnissen der Steuereinheit, den Trend der Parameterwerte oder eine Hardwarebeschädigung handeln.
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Für jedes Chromosom Ci der Population wird mittels der Fitnessfunktion 400 ein Fitnessergebnis berechnet.
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Nachdem das Fitnessergebnis für den Parametersatz αi, βi, di berechnet worden ist, wird der Parametersatz αi, βi, di in einem Kodiermodul 140 (engl.: encoder module) wieder in die Chromosomen C1, C2, ..., Cn rücküberführt. Dies ist in 4 dargestellt. Die Chromosomen C1, C2, ..., Cn können dabei wiederum als Zeichenkette und/oder als reale Ziffern und/oder in einer Baumstruktur dargestellt werden.
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In einem Abschlussmodul 150 wird definiert, wann der Algorithmus beendet wird. Hierfür können mehrere Abschluss-Kriterien ausgewählt werden, beispielsweise, weil das Fitness-Ergebnis einen Zielwert erreicht hat, der dadurch definiert wird, dass die Abweichung unter einem Schwellenwert liegt. Ein anderes Kriterium kann sein, dass die Chromosomen C1, C2, ..., Cn der Population sich annähern und die Population somit einem Konvergenzwert erreicht. Ein weiteres Kriterium ist, dass eine gegebene maximale Anzahl von Iterationen erreicht wurde. Sind eines oder mehrere dieser Kriterien erreicht, so beendet das Abschluss-Modul 150 den Algorithmus.
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In dem Fall jedoch, dass ein Abschluss-Kriterium nicht erreicht ist, wird eine neue Population erzeugt. Hierzu ist ein Operatorenmodul 160 vorgesehen mit genetischen Operatoren. Wie in 5 dargestellt, rekombinieren die genetischen Operatoren die Chromosomen C1, C2, ..., Cn, indem sie Prozesse der natürlichen biologischen Selektion wie Mutation und Rekombination nachahmen. Bei einer Überkreuzung (engl.: crossover) werden Eltern-Chromosomen PCi aus der Population genommen und Teile ihres genetischen Codes wie beispielsweise die Elemente eines Spaltenvektors werden rekombiniert, um ein Kinder-Chromosom CCi zu bilden. Bei einer Mutation stammen die Chromosomen Ci wiederum aus der Population und Teile ihres genetischen Codes werden zufällig modifiziert, um ein modifiziertes Chromosom MCi zu bilden.
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Die derart geänderten Kinder-Chromosomen CCi und modifizierten Chromosomen MCi werden einem Verfeinerungs-Modul 170 zugeführt. Hier werden die Kinder-Chromosomen CCi und die modifizierten Chromosomen MCi mittels lokaler Suchtechniken verbessert. Hierdurch wird eine verbesserte Fitness erreicht, um eine vorzeitige Konvergenz des Algorithmus zu verhindern. Beispiele für lokale Suchtechniken sind heuristische Optimierungsverfahren wie ein Gradientenabstieg oder ein lokaler Bergsteigeralgorithmus.
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In einem Populationsmodul 180 wird eine neue Population erzeugt. Wie in 6 dargestellt, wird hierzu ein Chromosomensatz C1, C2, ..., Cn, der vorherigen Generation mit dem besten Fitness-Ergebnis ausgewählt. Außerdem wird ein Satz von Kinder-Chromosomen CC1, CC2, ..., CCn und von modifizierten Chromosomen MC1, MC2, ..., MCn ausgewählt, der durch die genetischen Operationen erzeugt wurde. Mit diesen beiden Chromosomensätzen wird eine neue Population erzeugt. Dabei gibt es verschiedene Regeln für die Akzeptanz der verschiedenen Chromosomen-Sätze in der neuen Generation. Eine Regel kann sich an einer Eliten-Strategie wie den besten Kinder-Chromosomen und den besten Eltern-Chromosomen orientieren.
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Die neue Population wird nun an das Initialisierungs-Modul 110 übermittelt und die verschiedenen Verfahrensschritte werden solange durchgeführt, bis der Algorithmus konvergiert. Das Ergebnis ist das Chromosom Ci mit dem besten Fitness-Ergebnis, das die Eigenschaften der Fitnessfunktion optimiert. Dieses Chromosom Ci entspricht dem Parametersatz, mit dem eine Steuereinheit für eine Radsteuerung optimal kalibriert werden kann.
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Wie in 7 dargestellt, ist in einer Weiterentwicklung vorgesehen, das System 100 mit dem memetischen Algorithmus mit der Steuereinheit 550 zur Radsteuerung zu verbinden. Hierdurch wird eine autonome Steuereinrichtung 500 zur Radsteuerung geschaffen, da die Steuereinrichtung 500 eine Steuergröße wie beispielsweise das real auftretende Raddrehmoment abschätzen kann und dadurch eine entsprechende Steuerung vornehmen kann.
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In 8 sind die Verfahrensschritte zur Kalibrierung einer Steuereinheit zur Radsteuerung dargestellt.
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In einem Schritt S10 wird in einem Initialisierungsmodul 110 eine Population von zufällig ausgewählten Chromosomen C1, C2, ..., Cn für einen memetischen Algorithmus initialisiert.
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In einem Schritt S20 wird in einem Dekodiermodul 120 der genetische Code eines Chromosoms Ci in einen Parametersatz αi, βi, di überführt.
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In einem Schritt S30 wird in einem Fitnessbewertungsmodul 130 die Qualität des vorliegenden Parametersatzes αi, βi, di mittels einer Fitnessfunktion bewertet und ihm ein Fitnessergebnis zugeordnet.
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In einem Schritt S40 wird in einem Kodiermodul 140 der Parametersatz αi, βi, di wieder in den genetischen Code eines Chromosoms rücküberführt.
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In einem Schritt S50 wird in einem Abschlussmodul 150 überprüft, ob der Algorithmus beendet werden kann.
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In einem Schritt S60 wird der Algorithmus beendet, falls zumindest ein im Abschluss-Modul definiertes Kriterium zutrifft.
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In einem Schritt S70 wird der Algorithmus weitergeführt, falls ein im Abschluss-Modul definiertes Kriterium nicht zutrifft, und die Chromosomen C1, C2, ..., Cn werden mit genetischen Operatoren in einem Operatorenmodul 160 rekombiniert und/oder mutiert zu Kinder-Chromosomen CC1, CC2, ..., CCn und/oder modifizierten Chromosomen MC1, MC2,...,MCn
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In einem Schritt S80 werden die Kinder-Chromosomen CC1, CC2,...,CCn und/oder modifizierten Chromosomen MC1, MC2,...,MCn in einem Verfeinerungsmodul 170 mittels lokaler Suchtechniken verbessert.
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In einem Schritt S90 wird in einem Populationsmodul 180 eine neue Population erzeugt mit einem Satz von Chromosomen C1, C2, ..., Cn, der vorherigen Generation mit dem besten Fitness-Ergebnis, einem Satz von Kinder-Chromosomen CC1, CC2, ..., CCn und einem Satz von modifizierten Chromosomen MC1, MC2, ..., MCn.
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Dann wird die neue Population an das Initialisierungsmodul 110 übermittelt und die Schritte S10 - S50 werden mit der neuen Population durchgeführt.
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9 stellt schematisch ein Computerprogrammprodukt 900 dar, das einen ausführbaren Programmcode 950 umfasst, der konfiguriert ist, um das Verfahren gemäß dem ersten Aspekt der vorliegenden Erfindung auszuführen, wenn es ausgeführt wird.
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Mit dem Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung können Zeit und Kosten für die Kalibrierung und Prüfung einer Steuereinheit für eine Radsteuerung reduziert und die Sicherheit des Kraftfahrzeugs verbessert werden. Die Radsteuereinheit kann auf einem Prüfstand aber auch während der Fahrt autonom aktualisiert werden. Durch die Verwendung eines memetischen Algorithmus ist eine Anpassung und Kalibrierung der Parameter, die einen Einfluss auf eine oder mehrere Kenngrößen der Steuereinheit haben, autonom und automatisch ermöglicht.
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Bezugszeichenliste
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- 100
- System zur Kalibrierung einer Steuereinheit
- 110
- Initialisierungsmodul
- 120
- Dekodiermodul
- 130
- Fitnessbewertungsmodul
- 140
- Kodiermodul
- 150
- Abschlussmodul
- 160
- Operatormodul
- 170
- Verfeinerungsmodul
- 180
- Populationsmodul
- 300
- Formel
- 400
- Fitnessfunktion
- 550
- Steuereinheit
- 500
- autonome Steuereinrichtung
- 900
- Computerprogrammprodukt
- 950
- Programmcode