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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Detektieren von einer VR-Krankheit. Im Folgenden steht die Abkürzung VR für virtuelle Realität. Demgemäß ist vorgesehen:
- - ein Verfahren zum Detektieren von einer VR-Krankheit eines in einer virtuellen Realität befindlichen Menschen mit den folgenden Schritten: Anzeigen einer virtuellen Realität auf einem VR-Anzeigemittel, insbesondere einer VR-Brille; Überwachen einer elektrodermalen Aktivität, nachfolgend auch mit EDA bezeichnet, eines Betrachters der angezeigten VR anhand von EDA-Daten, indem Veränderungen eines tonischen Anteils und eines phasischen Anteils der elektrodermalen Aktivität registriert werden; Überwachen einer Körpertemperatur des Betrachters der angezeigten VR; Detektieren von einer VR-Krankheit aufgrund der Veränderungen des tonischen Anteils, des phasischen Anteils, der Körpertemperatur sowie aufgrund einer Auswertung zurückliegender EDA-Daten des Betrachters der angezeigten VR mittels künstlicher Intelligenz.
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VR-Krankheit, auch Virtuelle-Realitäts-Krankheit (engl. Virtual Reality Sickness) ist eine Form von Übelkeit, die mit dem Eintauchen in eine computergenerierte Umgebung auftritt. Sie kann während des VR-Erlebnisses entstehen, typischerweise beim Spielen eines Computerspiels mit einer VR-Brille, setzt sich jedoch häufig anschließend eine Zeitlang fort. Gängige Symptome sind Unwohlsein, Kopfschmerz, Übelkeit, Müdigkeit, Apathie. Bewegungsinstabilität und Stolpern können auftreten. Auch Erbrechen wurde beobachtet.
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Selbst wenn sich die Symptome ähneln, unterscheidet sich die VR-Krankheit von der Seekrankheit und auch von der Simulatorkrankheit wie zum Beispiel in Flugsimulatoren: Bei Letzteren ist der Mensch physisch in Bewegung, er erhält zusätzlich zur visuellen eine körperliche Veränderung präsentiert. Im Gegensatz dazu tritt die VR-Krankheit während oder nach rein visueller und akustischer Stimulation im virtuellen Raum auf, also ohne von außen induzierte Bewegung.
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Die VR-Krankheit entsteht dann, wenn die körperliche Selbstwahrnehmung (Propriozeption) von dem, was der visuelle Cortex wahrnimmt, abweicht. Diese Abweichung interpretiert das Gleichgewichtsorgan als fundamentale Störung und erzeugt eine physische Abwehrhaltung. Dieser Effekt tritt selten bei 2D-Immersion, etwa bei Computerspielen am Flachbildschirm, auf, häufig dagegen beim Einsatz von VR-Brillen.
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Eine VR-Brille, VR-Headset, auch VR-Helm genannt, ist eine Art eines Head-Mounted Displays, welches den Nutzern Einblick in die virtuelle Realität verschafft. Sie kommen meist bei Computer- und Simulationsspielen zum Einsatz und sollen den Spielern ein möglichst realistisches Spielgefühl (Immersion) vermitteln. Dies soll durch 3D-Bilddaten, die dem Spieler simulieren, in einer Welt zu sein, sowie einer Halterung, die dafür sorgt, dass sich bei einer Kopfbewegung auch das Headset einschließlich der Displayfläche für die virtuelle Realität mitbewegt und der Benutzer sich so um 360 Grad umsehen kann, erreicht werden. Neben Computerspielen werden Virtual-Reality-Brillen auch verwendet, um 360-Grad-Videos abzuspielen und als Simulationen und digitale Werkzeuge in der Industrie, Wissenschaft und Kunst.
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VR-Anzeigemittel sind sämtliche Anzeigemittel, die dem Benutzer das Eintauchen in eine virtuelle Realität ermöglichen. Hierzu zählen unter anderem VR-Brillen, VR-Helme und VR-Headsets.
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Die elektrodermale Aktivität (EDA; englisch Galvanic skin response, GSR, Skin Conductance Response, SCR, oder Electrodermal response, EDR) ist eine kurzzeitige Veränderung des elektrischen Leitungswiderstandes der Haut, bewirkt durch die typische Erhöhung des Sympathikotonus bei emotional-affektiven Reaktionen. Dabei kommt es zu einer erhöhten Schweißsekretion, entsprechend zu einer Zunahme der Hautleitfähigkeit.
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Die EDA dient als Oberbegriff für tonische oder phasische Phänomene der Haut. Die tonischen Anteile entsprechen dem Leitwertniveau („level“). Sie ändern sich nur langsam. Das Leitwertniveau als solches ergibt sich aus der Füllung der Schweißdrüsengänge, der Durchfeuchtung des Corneums und den Permeabilitätsveränderungen der Schweißdrüsengänge.
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Das tonische Leitwertniveau der meisten Menschen liegt zwischen 0 und 10 µS/cm2. Allerdings können individuell auch Werte bis zu 100 µS/cm2 auftreten. Daher ist die Verwendung von Änderungen der tonischen Anteile oder die Berücksichtigung des individuellen Leitwertniveaus eines Menschen vorteilhaft. Die tonischen Anteile werden überlagert von kurzfristigen elektrodermalen Amplitudenanstiegen unter Ruhebedingungen, den sog. Spontanfluktuationen. Diese geben Aufschluss über die physiologische Aktivierung. Hierbei treten individuelle Schwankungen auf.
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Die Erfassung von Spontanfluktuationen kann vorteilhaft sein, wenn keine klar abgrenzbaren Reize bekannt sind bzw. wenn die Reize relativ schwach sind.
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Es ist vorteilhaft, Artefakte von Fluktuationen abzugrenzen, die durch Reize wie Bewegen, Sprechen, Husten, Räuspern, tiefes Einatmen oder dergleichen ausgelöst werden. Die Definition einer Fluktuation erfolgt über die Bestimmung eines sogenannten Amplitudenkriteriums. Bei Überschreitung einer vorher bestimmten Amplitude liegt demnach eine Spontanfluktuation vor. Dabei kann es sich um einen absoluten Wert handeln, wie z. B. 0,01 µS, oder um eine Angabe in Prozent von der Grundlinie wie z. B. 0,1%.
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Die phasischen Anteile ändern sich im Sekundenbereich. Phasische Reaktionen treten typischerweise als Reaktionen auf einzelne Reize auf. Bei den phasischen Niveauverschiebungen ist es vorteilhaft, aufgrund der kleinen Messwerte eine Verstärkung zu nutzen, um die Amplituden bestimmen zu können. Phasische Änderungen unterscheiden sich von tonischen Spontanfluktuationen dadurch, dass diese innerhalb eines vorbestimmten Zeitfensters nach einem Reiz auftreten. Phasische Fluktuationen sind also reizbedingte Änderungen.
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Mit Hilfe von Messungen der elektrodermalen Aktivität lassen sich psychophysiologische Zusammenhänge objektivieren, da jede physiologische Erregung, wie sie mit Emotionen oder Stress einhergeht, die Hautleitfähigkeit verändert.
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Die Körpertemperatur ist die Temperatur eines menschlichen Körpers. Von dem Begriff ist die Temperatur des Körperinneren sowie die Oberflächentemperatur der Haut umfasst.
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Ein Sensor, auch als Detektor, (Messgrößen- oder Mess-)Aufnehmer oder (Mess-)Fühler bezeichnet, ist ein technisches Bauteil, das bestimmte physikalische, chemische Eigenschaften oder Zustände, z. B. Temperatur, Feuchtigkeit, Druck, Geschwindigkeit, Helligkeit, Beschleunigung, pH-Wert, Ionenstärke, elektrochemisches Potential und/oder die stoffliche Beschaffenheit seiner Umgebung qualitativ oder als Messgröße quantitativ erfassen kann. Diese Größen werden mittels physikalischer oder chemischer Effekte erfasst und als Sensordaten in ein weiterverarbeitbares elektrisches Signal umgeformt.
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Intelligenter Algorithmus bedeutet, dass der Algorithmus Mittel der künstlichen Intelligenz, also der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem Maschinenlernen, umfasst. Ein intelligenter Algorithmus ist zum Beispiel ein künstliches neuronales Netzwerk.
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Eine Tendenz beschreibt, in welche Richtung sich ein Wert ändert, d.h. ob der Wert zunimmt, gleich bleibt oder abnimmt.
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Ein vollautomatisierter Prozess arbeitet ohne menschliche Unterstützung. Ein teilautomatisierter Prozess unterstützt einen verantwortlichen Menschen bei Tätigkeiten oder Entscheidungen.
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Bewegte Bilder bzw. Bewegungen in Bilddaten verursachen Reize auf Betrachter der Bilddaten. Bei einer anhaltenden Bewegung der angezeigten VR überlagern sich die Reize und führen zu einem Reizniveau.
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Die grundlegende Idee der Erfindung ist es, eine Körpertemperatur sowie eine elektrodermale Aktivität, im Folgenden auch kurz mit EDA bezeichnet, eines Betrachters der angezeigten VR während einer Anzeige der VR zu überwachen und eine VR-Krankheit aufgrund von Veränderungen eines tonischen Anteils und eines phasischen Anteils der elektrodermalen Aktivität, der Körpertemperatur sowie aufgrund einer Auswertung zurückliegender Daten zur elektrodermalen Aktivität des Betrachters der angezeigten VR mittels künstlicher Intelligenz zu detektieren.
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Dabei neigen Menschen unterschiedlich stark zu VR-Krankheit. Eine Neigung zur Entwicklung einer VR-Krankheit kann genetisch veranlagt, altersbedingt oder gewohnheitsbedingt sein. So neigen Menschen, die entsprechenden Reizen häufig exponiert sind, weniger zu VR-Krankheit.
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Dementsprechend ist vorgesehen, aus zurückliegenden EDA-Daten und Körpertemperaturdaten über die individuelle Entstehung von einer VR-Krankheit eines Betrachters der angezeigten VR bzw. über dessen Veranlagung zu VR-Krankheit zu lernen.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen ergeben sich aus den weiteren Unteransprüchen sowie aus der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Figuren der Zeichnung.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung wird ein VR-Krankheitsindex aufgrund von aktuellen und zurückliegenden EDA-Daten sowie aktuellen und zurückliegenden Körpertemperaturwerten des Betrachters der angezeigten VR ermittelt.
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Somit lässt sich das Verfahren zum Detektieren von einer VR-Krankheit auch für menschliche Bediener eines VR-Anzeigemittels einfach, schnell und übersichtlich auswerten.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung wird eine Tendenz des VR-Krankheitsindex ermittelt. Somit lässt sich darüber informieren, ob der VR-Krankheitsindex gerade ansteigt oder abfällt. Diese Information kann hilfreich für einen Bediener der VR, also ein Mensch, der das Anzeigen der VR steuert, sein.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung wird der Betrachter der angezeigten VR, dessen elektrodermale Aktivität überwacht wird, teilautomatisiert oder vollautomatisiert erkannt, um diesem zurückliegende Daten zuzuordnen.
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So kann beispielsweise vorgesehen sein, einen Betrachter der angezeigten VR aufgrund von biometrischen Merkmalen, beispielsweise anhand einer Iris-Erkennung, vollautomatisiert zu erkennen, wenn zu diesem bereits Daten gespeichert sind. Die Iris-Erkennung ist eine Methode der Biometrie zum Zweck der Authentifizierung oder Identifizierung von Personen. Dafür werden mit Bilder der Iris des Auges aufgenommen, mit algorithmischen Verfahren die charakteristischen Merkmale der jeweiligen Iris identifiziert, in einen Satz numerischer Werte umgerechnet und für die Wiedererkennung durch einen Klassifizierungsalgorithmus wie z. B. ein Neuronales Netz gespeichert bzw. mit einem oder mehreren bereits gespeicherten Templates verglichen.
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Alternativ kann vorgesehen sein, einem menschlichen Entscheider verschiedene bekannte Betrachter der angezeigten VR vorzuschlagen. Dabei werden bei einer teilautomatisierten Erkennung von Betrachtern der angezeigten VR, vorhandene Informationen durch einen Computer berücksichtigt.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung wird ein Reizniveau aufgrund von einer Bewegung der angezeigten VR ermittelt und dem Reizniveau werden EDA-Daten zugeordnet. Das Reizniveau kann dabei anhand eines Reizniveauindex aufgrund von einer Bewegung der angezeigten VR beurteilt werden.
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Zweckmäßigerweise wird bei der Zuordnung eines Reizniveaus zu EDA-Daten eine Verzögerung zwischen der körperlichen Wahrnehmung eines Reizes und einer körperlichen Reaktion anhand der elektrodermalen Aktivität berücksichtigt.
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Dabei ist es auch zweckmäßig, wenn eine Steuerempfehlung zum Steuern der Anzeige der VR aufgrund eines aktuellen Reizniveaus der EDA-Daten sowie aufgrund eines durch Zuordnung ermittelten Zusammenhangs zwischen dem Reizniveau und den EDA-Daten ermittelt wird.
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Eine Steuerempfehlung zum Steuern der Anzeige der VR kann beispielsweise eine Empfehlung zum Unterbrechen der VR-Anzeige oder auch zum Reduzieren einer in den Bilddaten gesehenen Geschwindigkeit oder Beschleunigung sein.
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Es versteht sich, dass ein Bausatz zum Durchführen eines Verfahrens wie es vorstehend beschrieben wurde, welcher ein VR-Anzeigemittel, einen mobilen Sensor zum Überwachen von einer elektrodermalen Aktivität und einer Körpertemperatur, und eine Recheneinheit aufweist, wobei die Recheneinheit mit dem Sensor datenverbunden ist, um aktuelle EDA-Daten und Körpertemperatur-Daten zu erhalten und zu speichern, wobei die Recheneinheit ein künstliches Intelligenz-Modul aufweist oder mit einem künstlichen Intelligenz-Modul verbunden ist, um aktuelle und zurückliegende EDA-Daten und Körpertemperaturdaten hinsichtlich einer Detektion von einer VR-Krankheit auszuwerten, vorteilhaft ist.
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Die vorliegende Erfindung wird nachfolgend anhand der in den schematischen Figuren der Zeichnungen angegebenen Ausführungsbeispiele näher erläutert. Es zeigen dabei:
- 1 ein schematisches Blockdiagramm gemäß einer Ausführungsform der Erfindung;
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Die beiliegenden Zeichnungen sollen ein weiteres Verständnis der Ausführungsformen der Erfindung vermitteln. Sie veranschaulichen Ausführungsformen und dienen im Zusammenhang mit der Beschreibung der Erklärung von Prinzipien und Konzepten der Erfindung. Andere Ausführungsformen und viele der genannten Vorteile ergeben sich im Hinblick auf die Zeichnungen. Die Elemente der Zeichnungen sind nicht notwendigerweise maßstabsgetreu zueinander gezeigt.
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In den Figuren der Zeichnungen sind gleiche, funktionsgleiche und gleichwirkende Elemente, Merkmale und Komponenten - sofern nicht anders ausgeführt ist - jeweils mit denselben Bezugszeichen versehen.
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1 zeigt ein schematisches Blockdiagramm gemäß einer Ausführungsform der Erfindung. In dem Schritt SO wird eine virtuelle Realität auf einem VR-Anzeigemittel angezeigt. In dem Schritt S1 wird eine elektrodermale Aktivität eines Betrachters der angezeigten VR anhand von EDA-Daten überwacht, indem Veränderungen eines tonischen Anteils und eines phasischen Anteils der elektrodermalen Aktivität registriert werden.
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In dem Schritt S2 wird eine Körpertemperatur des Betrachters der angezeigten VR überwacht. In dem Schritt S3 wird eine VR-Krankheit aufgrund von Veränderungen des tonischen Anteils, des phasischen Anteils, der Körpertemperatur sowie aufgrund einer Auswertung zurückliegender EDA-Daten des Betrachters der angezeigten VR mittels künstlicher Intelligenz detektiert.
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Bezugszeichenliste
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- S0-S3
- Verfahrensschritte