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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein Steuergerät zum Ermitteln der Kippkritikalität eines Fahrzeugs, insbesondere eines Kraftfahrzeugs, wie einen Personenkraftwagen oder einen Lastkraftwagen.
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Es ist bekannt, dass Fahrzeuge z.B. bei Kurvenfahrten Gefahr laufen können, umzukippen (beispielsweise zur Seite zu kippen bzw. um Ihre Längsachse zu kippen). Elektronische Stabilitätssysteme, die z.B. auf die Bremsen des Fahrzeugs zugreifen können, sind dazu ausgelegt, derartige Kippbewegungen zu antizipieren und zu vermeiden. Hierfür benötigen sie eine Einschätzung hinsichtlich der Kippkritikalität, also der Gefahr, dass das Fahrzeug eine entsprechende Kippbewegung ausführen wird.
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Es ist im Stand der Technik bekannt, dass mittels verschiedener Fahrzeuggrößen die Kippkritikalität (oder auch Kippgefahr) geschätzt werden kann. Beispielhaft wird auf die
DE 10 2016 217 613 A1 verwiesen.
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Aus Sicherheitsgründen besteht das allgemeine Bedürfnis, die Kippgefahr eines Fahrzeugs so weitreichend wie möglich auszuräumen. Aus Fahrersicht besteht jedoch oftmals das Bedürfnis, das Fahrzeug so dynamisch wie möglich bewegen zu können. Eingriffe von fahrerautonomen Systemen, wie ein elektronisches Stabilitätsprogramm oder allgemein einer elektronischen Stabilitätskontrolle (ESC, auch als Fahrdynamikregelung bezeichnet), sollten daher so weit wie möglich begrenzt werden. Auch Maßnahmen zum vorübergehenden Herabsetzen einer zulässigen maximalen Geschwindigkeit oder eines zulässigen Lenkwinkels, wodurch die Kippgefahr jeweils begrenzt wird, können aus Fahrersicht unerwünscht sein und zu einer Verringerung der Fahrdynamik führen.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, die Kippgefahr eines Fahrzeugs mit einer ausreichenden Sicherheit zu begrenzen, ohne aber eine Fahrdynamik unnötig zu beschränken. Diese Aufgabe wird durch die Gegenstände der beigefügten unabhängigen Ansprüche gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben. Sämtliche einleitenden Erläuterungen und Merkmale können auch auf die vorliegende Lösung zutreffen bzw. bei dieser vorgesehen sein, sofern nicht anders angegeben oder ersichtlich.
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Der Erfindung liegt der Gedanke zugrunde, die Kippgefahr eines Fahrzeugs möglichst genau abzuschätzen. Durch eine entsprechend erhöhte Genauigkeit kann mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit gewährleistet werden, dass die Fahrdynamik z.B. durch Eingriff einer Fahrdynamikregelung nur dann beschränkt wird, wenn dies tatsächlich erforderlich ist (d.h., wenn ein Verkippen des Fahrzeugs tatsächlich droht). Insbesondere wird auf diese Weise die Gefahr von Fehldetektionen hinsichtlich einer Kippgefahr begrenzt und wird somit die Wahrscheinlichkeit eines unnötigen Eingriffs einer Fahrdynamikregelung reduziert.
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Der Zielkonflikt zwischen einer ausreichenden Fahrsicherheit durch zuverlässiges Vermeiden einer Fahrzeugverkippung und einer gleichzeitig gewünschten hohen Fahrdynamik wird hierdurch zufriedenstellend gelöst.
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Im Detail schlägt die Erfindung ein Verfahren zum Ermitteln der Kippkritikalität eines Fahrzeugs vor, mit
- - Ermitteln einer ersten Kippkritikalität (oder Durchführen einer ersten Kippkritikalitätsschätzung);
- - Ermitteln einer zweiten Kippkritikalität (oder Durchführen einer zweiten Kippkritikalitätsschätzung);
- - Ermitteln einer resultierenden Kippkritikalität basierend auf einem Vergleich der ersten und zweiten Kippkritikalität (bzw. deren Schätzungen).
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Jegliche hierin erwähnte Kippkritikalität kann als ein entsprechender Kritikalitätswert, ein Kritikalitätsniveau oder eine Kritikalitätsstufe oder -klasse ausgedrückt werden. Das Ermitteln einer Kippkritikalität kann also umfassen, dass ein entsprechender Wert bzw. ein solches Niveau ermittelt wird. Hierfür können gemäß nachstehend erläuterter Kippkritikalitätsfunktionen Schätzgrößen verwendet und darauf basierend der entsprechende Wert berechnet werden.
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Das Verfahren kann allgemein fahrerautonom und bevorzugt computergestützt ausgeführt werden. Es kann vollständig automatisch und/oder mittels eines nachstehend erläuterten Steuergeräts ausgeführt werden. Das Verfahren kann ferner den Schritt umfassen, dass Schätzgrößen erfasst, ermittelt oder erhalten werden (vorzugsweise wiederum fahrerautonom) und diese dann zum Ermitteln der ersten und zweiten Kippkritikalität verwendet werden. Vorzugsweise unterscheiden sich diese Schätzgrößen dabei voneinander, d.h. für das Ermitteln der ersten Kippkritikalität werden zumindest teilweise andere Schätzgrößen verwendet als für das Ermitteln der zweiten Kippkritikalität.
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Die resultierende Kippkritikalität kann verwendet werden, um zu entscheiden, ob eine Fahrdynamikregelung eingreifen soll oder nicht. Sie kann beispielsweise einem Fahrdynamiksteuergerät zugeführt werden oder aber kann von dem nachstehend erläuterten Steuergerät selbst entsprechend ausgewertet werden. Die resultierende Kippkritikalität kann als die erste oder die zweite Kippkritikalität festgelegt werden, wenn diese nicht oder nur in einem akzeptablen Maß voneinander abweichen. Liegt hingegen eine Abweichung außerhalb eines zulässigen Spektrums vor, kann z.B. die größere Kippkritikalität verwendet werden. Allgemein kann auch eine Mittelwertbildung aus erster und zweiter Kippkritikalität erfolgen.
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Durch das redundante Ermitteln der Kippkritikalität wird die Erfassungsgenauigkeit erhöht und wird die Gefahr von Fehldetektion vermieden.
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In diesem Zusammenhang kann ferner vorgesehen sein, dass die erste und die zweite Kippkritikalität basierend auf derselben Schätzgröße ermittelt werden oder aber auf denselben Schätzgrößen, falls eine Mehrzahl von Schätzgrößen zum Ermitteln der Kippkritikalitäten verwendet wird, wobei das Ermitteln der ersten und der zweiten Kippkritikalität jedoch zu anderen Zeitpunkten stattfindet. Insbesondere kann die zweite Kippkritikalität später als die erste Kippkritikalität ermittelt werden und vorzugsweise um mehrere Sekunden später, z.B. bis zu 10 Sekunden oder bis zu 30 Sekunden später. Anders ausgedrückt können also vorzugsweise kurz hintereinander Ermittlungen der ersten und zweiten Kippkritikalität z.B. mit denselben Schätzalgorithmen, denselben Schätzverfahren oder mit gemeinsamen nachstehend erläuterten Kippkritikalitätsfunktionen durchgeführt werden. Ergeben sich dann voneinander abweichende Werte, weist dies auf eine etwaige Fehldetektion bzw. Fehlschätzung hin, z.B. auf ein fehlerhaftes Messen von zumindest einer der Schätzgrößen. Dann kann eine erneute (dritte) Ermittlung der Kippkritikalität durchgeführt werden oder aber kann die kritischere Kippkritikalität als resultierende Kippkritikalität verwendet werden. Als kritischere Kippkritikalität wird hierin allgemein eine Kippkritikalität bezeichnet, die auf ein größeres Risiko des Kippens des Fahrzeugs (also auf eine größere Kippgefahr) hindeutet und z.B. einen entsprechenden (in der Regel größeren) Wert aufweist.
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Alternativ kann vorgesehen sein, dass die erste und die zweite Kippkritikalität basierend auf zumindest teilweise verschiedenen Schätzgrößen ermittelt werden. Die Schätzgrößen können Messgrößen sein, die z.B. sensorisch erfasst werden oder aber basierend auf gemessenen Werten ermittelt werden. Die Bezugnahme auf ein Schätzen ist im Zusammenhang mit jeglichen hierin geschilderten Schätzgrößen also derart zu verstehen, dass diese nicht zwingend selbst geschätzt werden, sondern vielmehr für ein Abschätzen der Kippkritikalität verwendet werden. Die Schätzgrößen selbst können aber auch gemessen werden (d.h. nicht selbst geschätzt werden).
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Auf diese Weise wird die Gefahr reduziert, dass einzelne Schätzgrößen fehlerhaft erfasst werden oder aber fehlerhaft interpretiert werden und/oder Ausreißer der Schätzgrößen zu einer Fehldetektion führen.
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Anders ausgedrückt kann also eine redundante Abschätzung der Kippkritikalität basierend auf verschiedenartigen Schätzgrößen bzw. Schätzparametern stattfinden. Stimmen die darauf basierend ermittelten Kippkritikalitäten miteinander überein oder weichen lediglich in einem akzeptablen Maß voneinander ab, kann die resultierende Kippkritikalität z.B. basierend auf einem Mittelwert dieser Kippkritikalitäten oder als die erste oder zweite Kippkritikalität festgelegt werden. Andernfalls wird bevorzugt die kritischere Kippkritikalität verwendet.
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Insbesondere kann vorgesehen sein, dass die erste und die zweite Kippkritikalität zumindest auf Basis der folgenden Fahrzeuggrößen ermittelt werden:
- - einer Aufbaumasse des Fahrzeugs;
- - wenigstens einer Schwerpunktkoordinate des Fahrzeugs;
wobei sich die bei der ersten Kippkritikalität zum Ermitteln dieser Fahrzeuggrößen verwendeten Schätzgrößen von denjenigen der zweiten Kippkritikalität zumindest teilweise (also in wenigstens einem Fall) unterscheiden.
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Anders ausgedrückt können also Schätzgrößen z.B. basierend auf sensorischen Erfassungen des Fahrzeugverhaltens oder von Fahrzeugbetätigungen ermittelt werden. Diese können dann verwendet werden, um die genannten Fahrzeuggrößen z.B. als übergeordnete Fahrzeuggrößen zu bestimmen. Diese Fahrzeuggrößen können dann verwendet werden, um die Kippkritikalität zu ermitteln. Hierzu kann auf an sich bekannte Algorithmen zurückgegriffen werden. Allerdings sieht diese Weiterbildung vor, dass sich die Schätzgrößen, auf deren Basis die Fahrzeuggrößen ermittelt werden, bei der ersten und bei der zweiten Kippkritikalität voneinander unterscheiden. Somit wird erneut die Kippkritikalität basierend auf unterschiedlichen Parametern geschätzt und folglich basierend auf unterschiedlichen Verfahren oder Wegen ermitteln. Es handelt sich dann um eine mehrfache Ermittlung der Kippkritikalität basierend auf unterschiedlichen Schätzverfahren bzw. auf voneinander unabhängigen Schätzverfahren, da verschiedenartige Schätzgrößen verwendet werden und die Ergebnisse der ersten und zweiten Kippkritikalitätsermittlung allgemein einander nicht beeinflussen.
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Unter der Aufbaumasse kann in an sich bekannter Weise die Masse oberhalb der Fahrzeugachsen und oberhalb der Feder-Dämpfer-Struktur des Fahrzeugs verstanden werden. Es kann sich also um jegliche von der Fahrzeugkarosserie umfasste oder daran angebrachte Massen handeln, mit Ausnahme der erwähnten Achsen, Räder, Feder-Dämpfersysteme sowie daran unmittelbar montierter weiterer Komponenten, wie z.B. Bremsscheiben und Bremsbacken.
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Die Schwerpunktkoordinate kann in einem globalen Fahrzeugkoordinatensystem definiert sein. Es kann sich insbesondere um eine Höhenkoordinate entlang einer Fahrzeughöhenachse handeln (oder auch Fahrzeughochachse, die in der Regel einer vertikalen Raumachse entspricht) handeln. Ebenso kann aber auch eine Schwerpunktkoordinate in Fahrzeuglängsrichtung bzw. entlang einer Fahrzeuglängsachse ermittelt werden. Auch eine Schwerpunktkoordinate in Fahrzeugquerrichtung kann ermittelt werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform wird die erste und die zweite Kippkritikalität auch auf Basis der folgenden Fahrzeuggröße ermittelt:
- - einer Änderung des Beladungszustandes des Fahrzeugs.
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Auch in diesem Fall kann vorgesehen sein, dass sich die Schätzgrößen zum Ermitteln dieser Änderung des Beladungszustands (Beladungsänderung) bei der ersten und bei der zweiten Kippkritikalität voneinander unterscheiden.
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Darauf hinzuweisen ist, dass, wenn mehrere der vorstehend erwähnen Fahrzeuggrößen zum Ermitteln der Kippkritikalität verwendet werden, eine vorteilhafte Lösung bereits dann vorliegt, wenn lediglich eine der Fahrzeuggrößen basierend auf abweichenden Schätzgrößen ermittelt wird. Es kann aber auch vorgesehen sein, dass sämtliche der Fahrzeuggrößen basierend auf abweichenden Schätzgrößen ermittelt werden, also die bei der ersten und zweiten Kippkritikalität verwendeten Schätzgrößen zum Ermitteln sämtlicher Fahrzeuggrößen voneinander unterschiedlich sind, wenigstens aber bei einer der Fahrzeuggrößen voneinander abweichen.
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Konkret können zum Ermitteln der genannten Fahrzeuggrößen die folgenden Schätzgrößen verwendet werden:
- a) für die Aufbaumasse:
- - eine (gemessene) Einfederung der Höhenstandsensoren;
- - gemessene Vertikalbewegungen des Aufbaus, z.B. gemessen mittels Höhenstandsensoren oder (Vertikal-) Beschleunigungssensoren;
- - ein Beschleunigungs- und/oder Verzögerungsverhalten des Fahrzeugs, z.B. gemessen mittels Geschwindigkeitssensoren, wobei die Aufbaumasse dann rechnerisch aus dem beobachteten Verhalten ermittelbar ist;
- - eine Sitzbelegungserkennung, zum Beispiel gemessen mittels Sitzsensoren;
- - eine Gurtschlosserkennung, zum Beispiel gemessen mittels Gurtschlosssensoren;
- b) für die Schwerpunktkoordinate:
- - ein statisches Wankverhalten des Fahrzeugs bei einer Kurvenfahrt, zum Beispiel gemessen mittels Höhenstandsensoren oder Beschleunigungssensoren, wobei das statische Wankverhalten zum Beispiel bei einer Kurvenfahrt mit einer im Wesentlichen gleichbleibenden Lenkvorgabe des Fahrers vorliegt;
- - ein dynamisches Wankverhalten des Fahrzeugs bei einer Kurvenfahrt, zum Beispiel gemessen mittels Höhenstandsensoren oder Beschleunigungssensoren, wobei das dynamische Wankverhalten zum Beispiel bei einer Kurvenfahrt und bei sich ändernden Lenkvorgaben durch den Fahrer vorliegt;
- - ein Längsbeschleunigungsverhalten, welches zum Beispiel in Fahrzeuglängsrichtung vorliegt und/oder anhand von Radaufstandskräften ermittelt wird (und/oder anhand eines Beschleunigungssensors oder Federwegsensors. Über die von den Federwegsensoren ermittelte Einfederung kann, insbesondere bei geringer Vertikaldynamik des Rades, aufwandsarm auf die Radaufstandskraft geschlossen werden.);
- - ein Querbeschleunigungsverhalten oder Gierverhalten, welches zum Beispiel in Fahrzeugquerrichtung vorliegt und/oder anhand eines zum Beispiel per Beschleunigungssensor gemessenen Querbeschleunigungsverhaltens ermittelt wird. Alternativ kann ein Drehratensensor verwendet werden. Insbesondere kann ein Gierratensensor z.B. von einem ESC-System verwendet werden;
- c) für die Änderung des Beladungszustandes, sofern optional mitberücksichtigt:
- - eine Änderung des Einfederungsverhalten im Stand, zum Beispiel gemessen per Höhenstandsensor;
- - ein (zum Beispiel sensorisches mittels Tür- oder Klappenschlosssensoren) ermitteltes Öffnen und/oder Schließen von Fahrzeugtüren oder Fahrzeugklappen;
- - ein Signal einer Sitzbelegungserkennung, insbesondere eine Änderung hiervon;
- - eine ermittelte Betätigung eines Gurtschlosses;
- - eine per Bilderfassung ermittelte Beladung und/oder Entladung des Fahrzeugs, zum Beispiel per Innenraumkamera oder einer Kamera, die den Dachbereich erfasst und dort dann zum Beispiel das Anbringen und/oder Beladen und Entladen einer Dachbox oder von Dachträgern;
- - eine Änderung des Tankniveaus, zum Beispiel durch Erkennen eines Tankvorgangs oder aber durch Ermitteln eines geänderten Kraftstoffverbrauchs bei vergleichbaren Fahrbedingungen, was auf ein geändertes Ladeniveau hindeutet.
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Sämtliche Schätzgrößen können von einem hierin geschilderten Steuergerät erhalten oder ermitteln werden (z.B. auf Basis der vorstehend genannten möglichen Sensorsignale).
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform ist vorgesehen, dass dann, wenn die erste und zweite Kippkritikalität über eine zulässige Abweichungsgrenze hinaus voneinander abweichen, die resultierende Kippkritikalität als oder auf Basis derjenigen von erster und zweiter Kippkritikalität festgelegt wird, welche eine größere Kippgefahr definiert. Anders ausgedrückt kann also die kritischere und in der Regel größere von erster und zweiter Kippkritikalität verwendet werden. Die zulässige Abweichungsgrenze kann z.B. eine Abweichung von nicht mehr als 20 % oder nicht mehr als 5 % definieren.
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Eine vorteilhafte Weiterbildung sieht vor, dass für die erste und zweite Kippkritikalität jeweils ein Konfidenzintervall ermittelt wird und beim Vergleich (zum Ermitteln der resultierenden Kippkritikalität) ermittelt wird, ob die Konfidenzintervalle einander überlappen. Ist dies der Fall, kann eine ausreichende Übereinstimmung festgestellt werden. Die resultierende Kippkritikalität kann dann z.B. als Mittelwert von der ersten und zweiten Kippkritikalität oder als jegliche von der ersten und zweiten Kippkritikalität definiert werden. Überlappen die Konfidenzintervalle einander nicht, kann hingegen eine Abweichung über die zulässige Abweichungsgrenze hinaus festgestellt werden und kann dann in der vorstehenden Weise fortgesetzt werden.
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Die Erfindung betrifft auch ein (z.B. digital und/oder elektronisch betreibbares) Steuergerät, das dazu eingerichtet ist:
- - eine erste Kippkritikalität zu ermitteln;
- - eine zweite Kippkritikalität zu ermitteln; und
- - eine resultierende Kippkritikalität basierend auf einem Vergleich der ersten und zweiten Kippkritikalität zu ermitteln.
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Das Steuergerät kann wenigstens eine Prozessoreinrichtung (z.B. mit wenigstens einem Mikroprozessor) umfassen. Es kann auch wenigstens eine Speichereinrichtung zum Speichern digitaler Inhalte umfassen. Die Prozessoreinrichtung kann dazu eingerichtet sein, Algorithmen, Instruktionen und/oder Programmanweisungen auszuführen, die z.B. auf der Speichereinrichtung hinterlegt sind. Durch ein solches Ausführen kann das Steuergerät dann die hierin geschilderten Funktionen bereitstellen und insbesondere Ermittlungen ausführen.
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Zum Ermitteln der Kippkritikalitäten können bevorzugt je Kippkritikalität eigene Ermittlungsfunktionen bereitgestellt werden und/oder eigene Ermittlungssoftwaremodule.
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Das Steuergerät kann die Schätzgrößen erhalten und vorzugsweise auswerten, z.B. in der Form, dass daraus die vorstehend erwähnten Fahrzeuggrößen ermittelt werden. Anders ausgedrückt kann also das Steuergerät auch dazu eingerichtet sein, die hierin erläuterten Fahrzeuggrößen und darauf basierend dann die entsprechenden Kippkritikalitäten zu ermitteln. Das Steuergerät kann mit einem Kommunikationsbus des Fahrzeugs, insbesondere einem CAN-Bus, verbunden sein. Hierüber kann es dann die entsprechenden Schätzgrößen anfordern, erhalten oder auslesen.
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Das Steuergerät kann die resultierende Kippkritikalität ausgeben, z.B. an ein anderes Steuergerät und insbesondere an das Steuergerät einer Fahrdynamikregelung. Alternativ kann das Steuergerät selbst die resultierende Kippkritikalität verwenden, um eine Fahrdynamikregelung durchzuführen. Es kann sich also bei dem Steuergerät auch um ein Steuergerät für die Fahrdynamikregelung oder allgemein ein ESC-Steuergerät handeln.
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Das Steuergerät kann jegliches hierin geschilderte Verfahren ausführen. Insbesondere kann es jegliches weitere Merkmal, jegliche weitere Funktionalität oder auch jegliche weitere Funktion und/oder Softwaremodul umfassen, um sämtliche hierin geschilderten Verfahrensmaßnahmen auszuführen und/oder Betriebszustände bereitzustellen. Sämtliche im Zusammenhang mit dem Verfahren erläuterten Weiterbildungen und Varianten können auch auf das Steuergerät und insbesondere auf die gleichartigen Steuergerätemerkmale zutreffen bzw. bei diesen vorgesehen sein.
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Gemäß einer Weiterbildung umfasst das Steuergerät die bereits erwähnte wenigstens eine Prozessoreinrichtung. Diese kann dazu eingerichtet sein, zum Ermitteln der ersten Kippkritikalität eine erste Kippkritikalitätsfunktion auszuführen und zum Ermitteln der zweiten Kippkritikalität eine zweite Kippkritikalitätsfunktion. Die Funktionen können von einem gemeinsamen Softwaremodul umfasst sein oder aber von eigenständigen Softwaremodulen, die z.B. gleichzeitig oder nacheinander von dem Steuergerät ausgeführt werden. Zum Ermitteln der resultierenden Kippkritikalität kann dann eine weitere Funktion oder ein weiteres Softwaremodul bereitgestellt sein.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand der nachstehenden schematischen Figuren erläutert.
- 1 zeigt ein Fahrzeug mit einem Steuergerät gemäß einer erfindungsgemäßen Ausführungsform, wobei das Steuergerät ein Verfahren gemäß einem erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel ausführt;
- 2 zeigt eine schematische Darstellung der Funktionen, die von dem Steuergerät aus 1 ausgeführt werden;
- 3 zeigt ein Ablaufschema des erfindungsgemäßen Verfahrens gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel.
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In 1 ist ein Fahrzeug 10 gezeigt, das ein Steuergerät 12 gemäß einem Ausführungsbeispiel der Erfindung umfasst. Das Steuergerät 12 ist an einen gestrichelt angedeuteten Fahrzeugbus 14 angeschlossen, der wiederum mit einem Sensor 16 verbunden ist. Die reale Anzahl von Fahrzeugsensoren 16 kann deutlich abweichen (d.h. deutlich mehr betragen). Beispiele für Sensoren 16 sind z.B. die vorstehend erwähnten Höhenstandssensoren, Sitzbelegungssensoren, Gurtschlosssensoren, Beschleunigungssensoren, Türschlosssensoren oder Tankniveausensoren.
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Gezeigt ist auch ein (virtuelles) Fahrzeugkoordinatensystem 18. In diesem Koordinatensystem kann die Lage eines Schwerpunkts S definiert sein, z.B. durch Angeben von dessen drei räumlichen Ortskoordinaten. Das Koordinatensystem 18 ist bevorzugt ein kartesisches Koordinatensystem und definiert in herkömmlicher Weise eine Fahrzeuglängsachse, eine Fahrzeughöhenachse und eine Fahrzeugquerachse (letztere steht senkrecht auf der Blattebene, während die Fahrzeughöhenachse in vertikaler Richtung verläuft).
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In der nachstehend geschilderten Weise erhält das Steuergerät 12 über den Kommunikationsbus 14 von dem wenigstens einen und bevorzugt von mehreren Fahrzeugsensoren 16 eine Mehrzahl von Schätzgrößen. Diese werden dazu verwendet, um eine resultierende Kippkritikalität KR zu ermitteln. Darauf basierend bewertet das Steuergerät 12 dann die Kippgefahr, beispielsweise durch Vergleichen der resultierenden Kippkritikalität KR mit einem zulässigen Grenzwert. Wird dieser Grenzwert überschritten, kann auf eine erhöhte Kippgefahr geschlossen werden und können dann z.B. die Fahrzeugbremsen 20, von denen eine beispielhaft in 1 gezeigt ist, geeignet angesteuert werden, beispielsweise um eine entgegen der Kipprichtung gerichtete Wankbewegung des Fahrzeugs 10 zu erzeugen. Derartige Kippvermeidungsbremsungen sind dem Fachmann geläufig.
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Alternativ könnte das Steuergerät 12 auch ein weiteres Steuergerät (Fahrdynamik-Steuergerät) ansteuern bzw. an dieses die ermittelte Kippkritikalität KR oder ein Warnsignal übermitteln, dass der erwähnte Grenzwert überschritten wurde.
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Der Vollständigkeit halber ist in 1 auch eine Prozessoreinrichtung 13 des Steuergeräts 12 markiert. Nicht gesondert gezeigt ist eine Speichereinrichtung des Steuergeräts 12, auf dem z.B. Programmanweisungen hinterlegt sind, die beim Ausführen durch die Prozessoreinrichtung 13 die hierin geschilderten Funktionalitäten bereitstellen und insbesondere mit denen die nachstehenden Kippkritikalitäts-Ermittlungsfunktionen F1, F2 ausführbar sind.
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In 2 ist schematisch eine Funktionsweise des Steuergeräts 12 gezeigt. Genauer gesagt sind zwei Kippkritikalitätsfunktionen (oder auch Kippkritikalitäts-Ermittlungsfunktionen) F1, F2 gezeigt. Diese können als eigenständige Softwaremodule definiert sein oder als Funktionen innerhalb eines gemeinsamen Softwaremoduls. Sie können gleichzeitig oder auch geringfügig versetzt und bevorzugt unmittelbar nacheinander ausgeführt werden. Die Funktionen F1, F2 erhalten als Eingangsgrößen jeweils drei Fahrzeuggrößen, nämlich eine ermittelte Aufbaumasse M des Fahrzeugs 10, wenigstens eine Schwerpunktkoordinate S des Fahrzeugs 10 und wenigstens eine Beladungsänderung B des Fahrzeugs 10. Letztere Fahrzeuggröße ist rein optional.
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Lediglich beispielhaft wurden vorliegend Werte dieser Fahrzeuggrößen M, S, B bereits ermittelt. Dies kann durch vorgelagerte entsprechende Fahrzeuggrößenermittlungsfunktionen erfolgen, welche in 2 nicht gesondert gezeigt sind und ebenfalls von dem Steuergerät 12 ausgeführt werden. Algorithmen zum Ermitteln dieser Fahrzeuggrößen M, S, B sind im Stand der Technik bekannt.
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Die Fahrzeuggrößen M, S, B werden jeweils anhand von verschiedenen Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 ermittelt, was ebenfalls im Stand der Technik bekannt ist. Gezeigt ist aber, dass zur Ermittlung dieser Fahrzeuggrößen M, S, B, die den Funktionen F1, F2 zugeführt werden, im gezeigten Fall unterschiedliche Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 verwendet wurden. Genauer gesagt wird bei beiden Funktionen F1, F2 lediglich die Beladungsänderung B basierend auf derselben Schätzgröße B1 ermittelt. Die Schwerpunktkoordinate S wird hingegen basierend auf abweichenden Schätzgrößen S1, S2 ermittelt. Die Aufbaumasse M wird bei der Funktion F2 basierend auf einer zusätzlichen Schätzgröße M2 ermittelt.
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Zusammengefasst unterscheiden sich also die gezeigten Funktionen F1, F2 dahingehend, dass die hiervon verwendeten Fahrzeuggrößen M, S, B, die zum Ermitteln jeweiliger Kippkritikalitäten K1, K2 verwendet werden, basierend auf unterschiedlichen Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 ermittelt wurden. Letztere können jeweils von Fahrzeugsensoren 16 erhalten werden.
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Die Funktionen F1, F2 ermitteln jeweils eine Kippkritikalität K1, K2. Anders ausgedrückt ermittelt die erste Funktion F1 eine erste Kippkritikalität K1 und die zweite Funktion F2 eine zweite Kippkritikalität K2. Es liegen im Ergebnis also zwei Kippkritikalitäten K1, K2 vor, die auf Basis unterschiedlicher Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 ermittelt wurden und im gezeigten Fall auf Basis von Fahrzeuggrößen M, S, B, die auf Basis entsprechender Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 ermittelt wurden. Die erste und die zweite Kippkritikalität K1, K2 werden einer Vergleichsfunktion V zugeführt. Diese vergleicht die Kippkritikalitäten K1, K2, die jeweils beispielhaft ein Kippgefahrniveau (also einen entsprechend quantifizierten Wert) angeben. Basierend auf diesem Vergleich wird die resultierende Kippkritikalität KR ermittelt und vom Steuergerät 12 z.B. zum Ansteuern von Fahrzeugbremsen 20 verwendet.
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Ergibt der Vergleich eine unzulässige Abweichung (z.B. über die vorstehend allgemein diskutierte Abweichungsgrenze hinaus), wird die kritischere Kippkritikalität K1, K2 als resultierende Kippkritikalität KR definiert. Ist hingegen die Abweichung akzeptabel oder stimmen die Kippkritikalitätswerte K1, K2 nahezu überein, kann z.B. ein Mittelwert der ersten und zweiten Kippkritikalität K1, K2 gebildet werden.
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In 3 ist ein Ablaufschema des vorstehend geschilderten Vorgehens gezeigt bzw. ein Ablaufschema eines Verfahrens gemäß einem Ausführungsbeispiel der Erfindung, das von dem Steuergerät 12 aus 1 ausführbar ist.
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Bei einer Maßnahme M1 werden von dem Steuergerät 12 verschiedene Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 erhalten, z.B. über den Kommunikationsbus 14 und insbesondere über eine Mehrzahl verschiedener Fahrzeugsensoren 16.
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Bei einer Maßnahme M2 werden basierend auf den erhaltenen Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 dann die Fahrzeuggrößen M, S, B ermittelt. Dabei werden verschiedene der Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 verwendet, in der Weise, dass zum Ermitteln einer ersten Kippkritikalität K1 wenigstens eine der Fahrzeuggrößen M, S, B basierend auf anderen Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 ermittelt wird als bei den Fahrzeuggrößen M, S, B, die zum Ermitteln einer zweiten Kippkritikalität K2 bestimmt werden.
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Bei einer Maßnahme M3 werden anhand der mittels verschiedenartiger Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1 ermittelten Fahrzeuggrößen M, S, B eine erste Kippkritikalität K1 und eine zweite Kippkritikalität K2 ermittelt. Es findet also eine redundante Kippkritikalitätsermittlung statt, jedoch auf Basis voneinander abweichender Schätzgrößen M1, M2, S1, S2, B1.
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Bei einer Maßnahme M4 wird ein Vergleich dieser Kippkritikalitäten K1 und K2 durchgeführt und die resultierende Kippkritikalität KR ermittelt.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Fahrzeug
- 12
- Steuergerät
- 13
- Prozessoreinrichtung
- 14
- Kommunikationsbus
- 16
- Sensor
- 18
- Fahrzeugkoordinatensystem
- 20
- Fahrzeugbremse
- M, S, B
- Fahrzeuggröße
- M1, M2, S1, S2, B1
- Schätzgröße
- F1, F2
- (Kippkritikalitäts-Ermittlungs-) Funktion
- K1
- erste Kippkritikalität
- K2
- zweite Kippkritikalität
- KR
- resultierende Kippkritikalität
- V
- Vergleichsfunktion
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102016217613 A1 [0003]