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Die Erfindung betrifft ein Messgerät für die Prozessmesstechnik.
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Die
DE 11 20018 001 589 T5 offenbart ein Caching-Verfahren für kognitive Anwendungen in einem Datenübertragungsnetzwerk.
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Die
US 2018/0328767 A1 zeigt ein Signalverarbeitungsverfahren, das basierend auf einem Schätzalgorithmus Eingangswerten Ausgangswerte zuweist.
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In der Prozessmesstechnik werden zur Messung von Prozessgrößen oder Materialeigenschaften, beispielsweise zur Füllstandsmessung, zur Dichtemessung etc., häufig radiometrische und/oder mikrowellenbasierte Messgeräte verwendet, die radiometrische Sensoren zur Strahlungsmessung und/oder Mikrowellensensoren umfassen.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein solches Messgerät zur Verfügung zu stellen, das auch bei komplexen radiometrischen Messproblemen und/oder mikrowellenbasierten Messproblemen ein zuverlässiges Bestimmen von Werten einer Anzahl von zu messenden Größen ermöglicht.
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Die Erfindung löst diese Aufgabe durch ein Messgerät zur Verwendung in der Prozessmesstechnik nach Anspruch 1.
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Das Messgerät weist eine Anzahl n von Sensoren auf, wobei n eine natürliche Zahl größer Null ist. Die Anzahl n kann beispielsweise in einem Bereich zwischen eins und 12 liegen.
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Ein jeweiliger Sensor der Anzahl n von Sensoren ist dazu ausgebildet, seine zugehörigen Sensordaten zu erzeugen, so dass insgesamt eine Anzahl n von Sensordaten mittels der Anzahl n von Sensoren erzeugt wird. Die Sensordaten sind beispielsweise jeweils Daten in digitaler Darstellung, beispielsweise mit einer Auflösung zwischen 8 Bit und 64 Bit. Die digitalen Sensordaten werden beispielsweise fortlaufend mit einer vorgegebenen zeitlichen Wiederholrate erzeugt. Beispielsweise werden alle 100 ms die Daten sämtlicher n Sensoren zeitgleich bzw. mit bekannter zeitlicher Beziehung zueinander erzeugt.
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Das Messgerät weist weiter eine Lerneinheit auf, wobei die Lerneinheit dazu ausgebildet ist, basierend auf Trainingsdaten Werte einer Anzahl d von Parametern einer Hypothesenfunktion zu berechnen.
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Das Messgerät weist weiter eine erste Messgrößenberechnungseinheit auf, die dazu ausgebildet ist, eine Anzahl m von ersten Messgrößenwerten in Abhängigkeit von der Anzahl n von Sensordaten basierend auf der Hypothesenfunktion und den zuvor berechneten Werten der Anzahl d von Parametern der Hypothesenfunktion zu berechnen. Insbesondere approximiert die Hypothesenfunktion h eine Messfunktion f. Die Sensordaten können auch zeitlich versetzt sein. Die Anzahl m ist eine natürliche Zahl größer Null und kann beispielsweise in einem Bereich zwischen eins und 4 liegen. Die Anzahl d ist eine natürliche Zahl größer Null und kann beispielsweise in einem Bereich zwischen eins und 500 liegen. Die Messgrößenwerte stellen beispielsweise eine entsprechende Anzahl von zu messenden Prozessgrößen dar.
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Das Messgerät weist weiter eine zweite Messgrößenberechnungseinheit auf, die dazu ausgebildet ist, eine Anzahl m' von zweiten Messgrößenwerten in Abhängigkeit von der Anzahl n von Sensordaten basierend auf einer Modellfunktion g zu berechnen. Die Anzahlen m und m' können identisch oder unterschiedlich sein. Typisch gilt m ≥ m'.
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Das Messgerät weist weiter eine Statuseinheit auf, die das Berechnen der ersten Messgrößenwerte basierend auf den zweiten Messgrößenwerten überprüft.
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Die Lerneinheit, die Anzahl von Sensoren, die erste und zweite Messgrößenberechnungseinheit und die Statuseinheit können räumlich zusammen oder räumlich getrennt voneinander vorgesehen sein. Beispielsweise können die Anzahl von Sensoren, die erste und zweite Messgrößenberechnungseinheit und die Statuseinheit am Ort der Messaufgabe, d.h. im Feld, angeordnet sein und die Lerneinheit kann davon räumlich getrennt angeordnet sein. Die Lerneinheit kann beispielsweise mittels eines leistungsfähigen Rechners realisiert sein, der basierend auf den Trainingsdaten die Anzahl d von Parametern berechnet, wobei die Anzahl d von Parametern anschließend der ersten Messgrößenberechnungseinheit zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise indem die Anzahl d von Parametern über ein Datennetzwerk von der Lerneinheit zu der ersten Messgrößenberechnungseinheit übertragen werden. Selbstverständlich können die Lerneinheit und die erste und die zweite Messgrößenberechnungseinheit, und gegebenenfalls auch die Anzahl n von Sensoren, in ein gemeinsames physisches Gerät integriert sein.
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Gemäß einer Ausführungsform ist die Anzahl m von ersten Messgrößenwerten ausgewählt aus der Menge von Messgrößenwerten bestehend aus: Messgrößenwerten eines Füllstands, Messgrößenwerten von Positionen und/oder Dicken einzelner Materialschichten, Messgrößenwerten einer Dichte, Messgrößenwerten einer Fördermenge, insbesondere einer Gesamtfördermasse, Messgrößenwerten eines Durchsatzes, insbesondere eines Massenstroms, Messgrößenwerten einer Feuchte, Messgrößenwerten eines Trockensubstanzgehalts, Messgrößenwerten eines Zuckergehalts, Messgrößenwerten einer Konzentration und einer Materialzusammensetzung, insbesondere von Gehaltsgrößen.
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Gemäß einer Ausführungsform ist die Anzahl n von Sensoren ausgewählt aus der Menge von Sensoren bestehend aus: mindestens einem radiometrischen Sensor, insbesondere einem radiometrischen Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form einer Zählrate oder Strahlungsintensitätsdaten zu erzeugen, und/oder einem radiometrischen Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Informationen über radiometrische Spektren zu erzeugen, mindestens einem Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Temperaturdaten zu erzeugen, mindestens einem Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Beschleunigungsdaten zu erzeugen, mindestens einem Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Geschwindigkeitsdaten zu erzeugen, mindestens einem Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Positionsdaten zu erzeugen, mindestens einem Sensor, insbesondere in Form eines Ultraschallsensors oder Lasersensors, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Information über ein Beladungshöhenprofil zu erzeugen, mindestens einem Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Feuchtigkeitsdaten zu erzeugen, mindestens einem Mikrowellensensor, mindestens einem Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Leitfähigkeitsdaten zu erzeugen, und mindestens einem Sensor, der dazu ausgebildet ist, Sensordaten in Form von Druckdaten zu erzeugen.
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Bei komplexen Messproblemen sind die Zusammenhänge zwischen Sensordaten und Messgrößenwerten nicht immer analytisch exakt beschreibbar. Daher muss dieser Zusammenhang bisher durch geeignete physikalische und mathematische Modelle approximiert werden. Häufig ist jedoch das Messmodell unbekannt oder zu einfach approximiert, es ist kein geeignetes Modell zur Sensorfusion bekannt und/oder das Messmodell ist zu kompliziert. Insgesamt leidet daher die Qualität der im Messsystem berechneten Messgrößenwerte bzw. Prozesswerte.
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Erfindungsgemäß wird diese Problematik dadurch gelöst, dass das Messgerät Zusammenhänge zwischen Sensordaten und Messgrößenwerten mit Methoden der künstlichen Intelligenz (Kl), wie zum Beispiel „Machine Learning“ oder „Deep Learning“, automatisiert, selbst-lernend und ohne explizite Kenntnis einer analytischen Messgleichung basierend auf Trainingsdaten herstellt.
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Dies erhöht die Messgenauigkeit durch Reduzierung systematischer Fehler. Die Qualität und Genauigkeit der berechneten Messgrößenwerte wird erhöht, da das Messgerät mit Hilfe der Trainingsdaten die Gesamtheit aller Prozesseinflüsse erlernt. Dies beinhaltet neben den bekannten Einflüssen insbesondere auch unbekannte Störeinflüsse, deren Existenz beispielsweise bei der Inbetriebnahme nicht bekannt ist. Daher kann das Messgerät sogar mehr Expertenwissen enthalten, als ein menschlicher Operator und Prozessexperte im Feld. Dies führt zu einer signifikanten Verbesserung der Messgrößenwertgenauigkeit.
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Weiter sind bislang unlösbare Messaufgaben lösbar. Im Gegensatz zu klassischen Messsystemen in der Prozessmesstechnik muss erfindungsgemäß kein explizites Messmodell im Vorfeld bekannt sein. Vielmehr erstellt das Messgerät das Messmodell mittels künstlicher Intelligenz selbst. Der zu messende physikalische Prozess kann somit als Black-Box behandelt werden, deren innere Logik unbekannt ist und vom Messgerät selbst gelernt und organisiert wird. Dadurch können erfindungsgemäß auch Messaufgaben für neuartige, bisher fremde oder unlösbare physikalische Prozesse gelöst werden. Dies bietet einen erheblichen Vorteil, da neue Märkte und Problemfelder ohne Expertenwissen oder mit nur rudimentärem Fachwissen in der jeweiligen Domäne erschlossen werden können. Das erfindungsgemäße Messgerät eignet sich das Expertenwissen selbst an.
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Weiter benötigt das erfindungsgemäße Messgerät einen geringeren Speicherbedarf verglichen mit herkömmlichen Lösungen ähnlicher Leistungsfähigkeit. Vergleicht man die Menge an Informationen, die während der erfindungsgemäßen Lernphase verarbeitet und erlernt werden, mit der Anzahl der Modellparameter, so ist der Speicherbedarf des erfindungsgemäßen Messgeräts vergleichsweise gering. Würde man ähnliche Messleistungen mit herkömmlichen Messgeräten erreichen wollen (sofern dies überhaupt möglich ist), wären umfangreiche Kalibriertabellen notwendig, welche jegliche Speicherbegrenzungen von Embedded Systemen übersteigen würden.
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Weiter ermöglicht das erfindungsgemäße Messgerät geringere Zykluszeiten und höhere Aktualisierungsraten. Die in dem erfindungsgemäßen Messgerät durchgeführten Rechenschritte zur Verarbeitung der Sensordaten in die Messgrößenwerte während des Messvorgangs basieren größtenteils auf Methoden der Linearen Algebra, konkret aus Matrix-Vektor-Multiplikationen. Diese Operationen werden auf entsprechender Hardware deutlich performanter ausgeführt als klassische prozedurale mathematische Algorithmen der Prozessmesstechnik. Dies führt zu kürzeren Zykluszeiten des Messsystems und somit kundenseitig zu höheren Aktualisierungsraten im Prozessleitsystem.
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Weiter ermöglicht das erfindungsgemäße Messgerät kürzere Auslegungszeiten. Da erfindungsgemäß nur wenig Expertenwissen aus der jeweiligen Fachdomäne notwendig ist, können individuelle Kundenlösungen für neuartige Messaufgaben schneller erarbeitet werden. Die zugehörigen Messsysteme können deutlich einfacher ausgelegt und individualisiert werden. Dies spart Zeit und verringert Kosten.
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Weiter ermöglicht das erfindungsgemäße Messgerät eine einfachere Bedienung. Eine Kalibrierung des erfindungsgemäßen Messgeräts ist sehr einfach. Anstatt wie bei klassischen Messgeräten komplexe, messapplikationsspezifische Kalibrierparameter zu bestimmen, müssen erfindungsgemäß lediglich Trainingsdaten aufgezeichnet werden. Das Messgerät kalibriert sich dann mittels der Lerneinheit selbst. Für den Bediener wird dadurch der Kalibrierprozess messapplikationsübergreifend vereinheitlicht und deutlich vereinfacht.
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Da das Kl-ermittelte Messmodell jedoch nicht hart-kodiert bzw. a priori festgelegt vorliegt, kann formal nicht bewiesen werden, dass ein solches Messsystem in jeder Situation und für jede beliebige Kombination an Eingangswerten auch stets die korrekten Messgrößenwerte liefert. Dies stellt insbesondere bei sicherheitskritischen Anwendungen in der Prozessmesstechnik ein Problem dar, insbesondere auch mit Blick auf Software- und Gerätezulassungen.
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Erfindungsgemäß wird dieses Problem dadurch gelöst, dass das KI-Messsystem - insbesondere in Form der ersten Messgrößenberechnungseinheit in Verbindung mit der Lerneinheit - mit einer zweiten Messgrößenberechnungseinheit kombiniert wird, wobei die zweite Messgrößenberechnungseinheit auf einem vereinfachten, mathematisch-analytischen Messmodell beruht, das durch die Modellfunktion g repräsentiert wird. Mittels der zweiten Messgrößenberechnungseinheit können nun die mittels der ersten Messgrößenberechnungseinheit berechneten Messgrößenwerte plausibilisiert bzw. kontrolliert werden.
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Die Erfindung ermöglicht es, die Robustheit und Vorhersagbarkeit von durch künstliche Intelligenz berechneten Messgrößenwerten bei sicherheitskritischen Anwendungen in der radiometrischen und mikrowellentechnischen Prozessmesstechnik zu verbessern.
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Das erfindungsgemäße Messgerät ist robuster gegenüber Störbedingungen und Grenzfällen. So werden beispielsweise Grenzfälle, die eine KI-basierte Berechnung der ersten Messgrößenwerte möglicherweise verfälschen, detektiert und gegebenenfalls die verfälschten ersten Messgrößenwerte sogar geeignet korrigiert. So vereint das erfindungsgemäße Messgerät die KI-basierte Messgrößenwertgenauigkeit und die Robustheit der mathematisch-analytischen Messgrößenwertberechnung.
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Das erfindungsgemäße Messgerät verhält sich verglichen mit rein Kl-basierten Messgeräten deterministischer, da die Berechnung der ersten Messgrößenwerte in einen bekannten aber dynamischen Toleranzkorridor um die basierend auf einem mathematisch-analytischen Modell berechneten zweiten Messgrößenwerte gezwungen wird. Da die mathematisch-analytische Berechnung hart-kodiert vorliegen kann, kann formal bewiesen werden, wie dieser Messgrößenwert-Toleranzkorridor zustande kommt. Dies erhöht die Zulassungsfähigkeit des Messgeräts deutlich, so dass das erfindungsgemäße Messgerät für sicherheitskritische Anwendungen der radiometrischen und mikrowellentechnischen Prozessmesstechnik den Einsatz von Kl-Methoden signifikant sicherer macht.
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Gemäß einer Ausführungsform wird die Modellfunktion während eines Kalibriervorgangs des Messgeräts bestimmt.
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Gemäß einer Ausführungsform wird die Modellfunktion mittels linearer Regression und/oder nicht-linearem Parameter-Fitting bestimmt.
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Gemäß einer Ausführungsform weist das Messgerät eine Fusionseinheit auf, die dazu ausgebildet ist, eine Anzahl m von Fusions-Messgrößenwerten in Abhängigkeit von den ersten Messgrößenwerten und den zweiten Messgrößenwerten zu berechnen.
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Gemäß einer Ausführungsform ist die Statuseinheit dazu ausgebildet, einen Alarm zu erzeugen, wenn die ersten Messgrößenwerte nach vorgegebenen Kriterien zu stark von den zweiten Messgrößenwerten abweichen.
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Gemäß einer Ausführungsform weist die Fusionseinheit ein Kalman-Filter auf, das zum Berechnen der Anzahl m von Fusions-Messgrößenwerten die ersten Messgrößenwerte und die zweiten Messgrößenwerte miteinander verschmilzt.
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Gemäß einer Ausführungsform weist die Fusionseinheit ein Partikel-Filter auf, das zum Berechnen der Anzahl m von Fusions-Messgrößenwerten die ersten Messgrößenwerte und die zweiten Messgrößenwerte miteinander verschmilzt.
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Gemäß einer Ausführungsform ist die Fusionseinheit dazu ausgebildet, zum Berechnen der Anzahl m von Fusions-Messgrößenwerten einen gewichteten Mittelwert aus den ersten Messgrößenwerten und den zweiten Messgrößenwerten zu bilden.
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Gemäß einer Ausführungsform ist die Lerneinheit dazu ausgebildet, aus den Trainingsdaten Trainings-Sensordaten und zugehörige Sollwerte der Anzahl m von ersten Messgrößenwerten zu extrahieren, wobei die Messgrößenberechnungseinheit dazu ausgebildet ist, Trainings-Werte der Anzahl m von ersten Messgrößenwerten in Abhängigkeit von den Trainings-Sensordaten zu berechnen, und wobei die Lerneinheit dazu ausgebildet ist, basierend auf den Sollwerten der Anzahl m von ersten Messgrößenwerten und den Trainings-Werten der Anzahl m von ersten Messgrößenwerten die Werte der Anzahl d von Parametern zu berechnen.
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Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnungen detailliert beschrieben. Hierbei zeigt:
- 1 hoch schematisch ein Blockschaltbild eines erfindungsgemäßen Messgeräts und
- 2 hoch schematisch ein Blockschaltbild des in 1 gezeigten Messgeräts in einer Lernbetriebsart.
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1 zeigt hoch schematisch ein Blockschaltbild eines erfindungsgemäßen Messgeräts 1.
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Das Messgerät 1 weist eine Anzahl n von Sensoren 2_1 bis 2_n auf, wobei ein jeweiliger Sensor 2_i der Anzahl n von Sensoren 2_1 bis 2_n dazu ausgebildet ist, zugehörige Sensordaten xi zu erzeugen, so dass insgesamt eine Anzahl n von Sensordaten x1, ..., xn mittels der Anzahl n von Sensoren 2_1 bis 2_n erzeugt wird.
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Das Messgerät 1 weist weiter eine erste Messgrößenberechnungseinheit 4 auf, die dazu ausgebildet ist, eine Anzahl m von ersten Messgrößenwerten ŷ1, ..., ŷm in Abhängigkeit von der Anzahl n von Sensordaten x1, ..., xn basierend auf Werten einer Anzahl d von Parametern θ1,..., θd einer Hypothesenfunktion hθ zu berechnen.
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Bezugnehmend auf
2 weist das Messgerät 1 eine Lerneinheit 5 auf, wobei die Lerneinheit 5 dazu ausgebildet ist, basierend auf Trainingsdaten
die Werte der Anzahl d von Parametern θ
1, ..., θ
d zu berechnen.
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Das erfindungsgemäße Messgerät 1 rechnet Eingangsgrößen in Form der Sensordaten x1, ...,xn, die auch zeitversetzt sein können, in Ausgangsgrößen in Form der Prozessmessgrößen bzw. ersten Messgrößenwerte ŷ1, ..., ŷm um.
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Die Umrechnung hängt von den Modellparametern θ1,..., θd ab, welche zunächst unbekannt sind und mittels der Lerneinheit 5 mittels so genanntem Machine Learning erlernt werden. Dabei werden aufgezeichnete Trainingsdaten, auch Lerndaten genannt, verwendet, die aus realen aufgezeichneten Daten während des Betriebs und/oder aus Simulationsdaten gebildet sein können.
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Machine Learning bedeutet, dass das Messgerät künstlich Wissen aus Erfahrung erzeugt. Das Messgerät lernt aus Beispielen und kann diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern. Das bedeutet, es werden nicht einfach die Beispiele auswendig gelernt, sondern das Messgerät erkennt Muster und Gesetzmäßigkeiten in den Trainingsdaten. So kann es auch unbekannte Daten beurteilen (Lerntransfer).
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Das Messgerät setzt bevorzugt Lerntechniken aus dem sogenannten Supervised Learning ein, bei dem das Messgerät eine Messfunktion aus gegebenen Paaren von Eingaben und Ausgaben lernt. Dabei werden während des Lernens beispielsweise basierend auf einer Referenzmessung oder einer Simulation die korrekten Messgrößenwerte zu einer Anzahl n von Sensordaten bereitgestellt.
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Formal approximiert das Messgerät also eine Messfunktion
welche n Eingangsgrößen bzw. Sensordaten x
1, ...,x
n auf m Ausgangsgrößen bzw. erste Messgrößenwerte ŷ
1, ..., y
m abbildet, durch eine geeignete Hypothesenfunktion
welche die n Sensordaten x
1, ..., x
n auf m Schätzwerte ŷ
t, ..., ŷ
m für die ŷ
1, ..., ŷ
m abbildet und abhängig von den Modellparametern θ := (θ
1, ..., θ
d) ist.
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Dabei wird unter jedem der d einzelnen Modellparameter θi eines der folgenden drei Dinge verstanden:
- - ein mathematisches Objekt, insbesondere
- - eine Zahl
- - ein Vektor
- - eine Funktion
- - ein parametrisiertes Stück Programmlogik oder Quellcode
- - ein von einem Code-Generator erzeugtes Stück Programmlogik oder Quellcode
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Die Modellparameter θ
1, ..., θ
d werden vom Lernalgorithmus aus Trainingsdaten erlernt. Genauer bestehen Trainingsdaten aus l (wobei l beispielsweise in einem Bereich zwischen 10
5 und 10
7 liegt, insbesondere gilt l = 10
6) Trainingspaaren (xt
(1),ŷs
(1)), ..., (xt
(l),ŷs
(l)), die z.B. jeweils die Dimension n + m haben und beispielsweise jeweils aus einem vollständigen Satz von Eingangsdaten bzw. Trainings-Sensordaten
plus zugehörigen Sollwerten
der Anzahl m von ersten Messgrößenwerten bestehen, wobei i = 1, ..., l. Die Sollwerte
werden auch als Trainings-Label bezeichnet.
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Basierend auf den Trainings-Sensordaten
berechnet die Messgrößenberechnungseinheit 4 die von den Parametern θ
1, ..., θ
d abhängigen Trainings-Werte
der Anzahl m von ersten Messgrößenwerten ŷ
1, ...,ŷ
m. Die Lerneinheit 5 ist dazu ausgebildet, für i = 1, ..., l basierend auf den Sollwerten
..., und den Trainings-Werten
die Werte der Parameter θ
1, ..., θ
d zu berechnen.
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Die Berechnung der Modellparameter θ
1,..., θ
d kann mehrmals iterativ durchgeführt werden. D.h. es wird mit zufälligen Startparametern θ
1, ..., θ
d begonnen. Diese werden dann iterativ verbessert, indem wiederholt alle
..., basierend auf den jeweils aktuellen θ
1,..., θ
d berechnet werden und daraus dann neue, verbesserte θ
1,..., θ
d, so lange, bis ein vorgebbares Gütemaß erreicht ist (zum Beispiel Minimum einer Kostenfunktion). Auch kann in jedem Iterationsschritt nur eine Teilmenge der insgesamt l Datensätze
eine sogenannte Mini-Batch, verwendet werden, um neue (θ
1, ..., θ
d) zu berechnen. D.h. es können mehrere Iterationen benötigt werden, um einmal die gesamten Trainingsdaten, eine sogenannte Trainings-Epoche, zu berücksichtigen.
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Der Lernalgorithmus wird beispielsweise einmalig bei Inbetriebnahme des Messgeräts oder wiederholt in Echtzeit während des Betriebs des Messgeräts durchgeführt, z.B. durch zusätzliche Referenzmessungen.
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Das Messgerät 1 weist weiter eine zweite Messgrößenberechnungseinheit 8 auf, die dazu ausgebildet ist, eine Anzahl m' von zweiten Messgrößenwerten ŷ1, ...,ỹm' in Abhängigkeit von der Anzahl n von Sensordaten x1, ...,xn basierend auf einer mathematisch-analytischen Modellfunktion g zu berechnen.
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Das Messgerät 1 weist weiter eine Statuseinheit 9 auf, die das Berechnen der ersten Messgrößenwerte ŷ1, ...,ŷm basierend auf den zweiten Messgrößenwerten ŷ1, ...,ỹm' überprüft, beispielsweise indem die mittels KI berechneten ersten Messgrößenwerte ŷ1, ..., ŷm mit den zweiten Messgrößenwerten ŷ1, ...,ỹm' verglichen werden.
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Die Statuseinheit 9 kann, falls die ersten Messgrößenwerte ŷ1, ...,ŷm als gültig klassifiziert werden, die ersten Messgrößenwerte ŷ1, ...,ŷm mit den zweiten Messgrößenwerten ŷ1, ..., ỹm' mittels Sensorfusion (z.B. Kalman-Filter, Partikel-Filter oder gewichteter Mittelwert) zu robusteren Messgrößenwerten verschmelzen.
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Erfindungsgemäß wird die Messfunktion ƒ: (x
1, ...,x
n) ↦(y
1, ..., y
m) zusätzlich noch durch die Modellfunktion
approximiert, die die n Sensordaten x
1, ...,x
n auf die m' zweiten Messgrößenwerte ŷ
1, ...,ỹ
m' als Näherungswerte der ŷ
1, ..., ŷ
m abbildet.
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Die zweiten Messgrößenwerte ŷ1, ...,ỹm' basieren auf einem mathematisch-analytischen Messmodell.
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Die Modellfunktion g wird beispielsweise während des Kalibrierprozesses bestimmt, beispielsweise mittels linearer Regression oder nicht-linearem Parameter-Fitting. In der Regel wird g ein deutlich einfacheres Modell sein als hθ und die zweiten Messgrößenwerte ỹ1, ...,ỹm' werden folglich eine deutlich geringere Genauigkeit aufweisen als die ersten Messgrößenwerte ŷ1, ..., ŷm, sind dafür jedoch typisch robuster und vorhersagbarer.
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Erfindungsgemäß kann eine Statusfunktion S
vorgesehen sein, welche die ersten Messgrößenwerte ŷ
t, ..., ŷ
m und die zweiten Messgrößenwerte ŷ
1, ...,ỹ
m' abbildet auf einen Status s, der als Güte- oder Fehlermaß für die ersten Messgrößenwerte ŷ
1, ...,ŷ
m dient. Der Status s wird beispielsweise dazu verwendet, einen Alarm auszulösen, sobald die ersten Messgrößenwerte ŷ
1, ..., ŷ
m und die zweiten Messgrößenwerte ỹ
1, ..., ỹ
m' nach gewissen, geeigneten Kriterien zu stark voneinander abweichen. Der Status s kann eine Zahl oder ein Vektor beliebiger Dimension sein. Insbesondere kann s = (s
1, ..., s
m) sein, wobei jeder Teilstatus s
i ein individuelles Güte- oder Fehlermaß für das zugehörige ŷ
i ist. In S können insbesondere Metriken, Ähnlichkeitsfunktionen, Schwellwerte und/oder statistische Modelle zum Einsatz kommen, um s zu berechnen.
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In einer möglichen Ausführungsform wird beispielsweise angenommen, dass der Differenzvektor
zwischen den ersten Messgrößenwerten ŷ
1, ..., ŷ
m und den zweiten Messgrößenwerten ỹ
1, ..., ỹ
m' multivariat normalverteilt ist. Während der Trainingsphase der KI-basierten Messgrößenermittlung werden dann der Mittelwertvektor µ
δ und die Stichprobenkovarianzmatrix Σ
δ bestimmt und die m-dimensionale Normalverteilung
an die Trainingsausgabewerte angepasst. Im Messbetrieb berechnet die Statusfunktion S dann den Statuswert s in Abhängigkeit vom Wert der Wahrscheinlichkeitsdichte des aktuellen Differenzvektors δ. Beispielsweise kann S als
definiert und als kontinuierlicher Alarmpegel interpretiert werden, der sich zwischen 0 und 1 bewegt und immer dann nahe 1 ist, wenn die ersten Messgrößenwerte ŷ
t, ..., ŷ
m und die zweiten Messgrößenwerte ŷ
1, ..., ỹ
m' zu stark voneinander abweichen.
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Der freie Design-Parameter α > 0 ermöglicht die Feinabstimmung des gewünschten Pegelanstiegs.
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Neben der Statusfunktion S umfasst die Erfindungslösung optional eine Fusionsfunktion F
welche die ersten Messgrößenwerte ŷ
1, ..., ŷ
m und die zweiten Messgrößenwerte ŷ
1, ..., ỹ
m' abbildet auf robustere Messgrößenwerte z
1, ..., z
m. In F können insbesondere Kaiman-Filter, Partikel-Filter, oder gewichtete Mittelwerte zum Einsatz kommen, sowie die z
1, ..., z
m auf gewisse gültige Wertebereiche begrenzt werden (Kappung/Deckelung).
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Das Messgerät 1 kann beispielsweise eine mehrphasige Gießspiegelmessung (Stahl plus Pulver) ermöglichen.
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Die Sensoren 2_1 bis 2_n können beispielsweise n Szintillatormodule als voneinander unabhängige Zählratendetektoren bilden, wobei n beispielsweise 10 sein kann. Als Messgrößenwerte werden zwei Füllstände (y1,y2) berechnet (Stahlfüllstand und Gießpulverhöhe), d.h. es ist m = 2.
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Als Kl-Modell kann ein künstliches neuronales Netz zum Einsatz kommen, dessen Gewichte als Modellparameter θ mittels Back-Propagation aus Trainingsdaten (z.B. Felddaten oder Simulationsdaten) erlernt werden. Die KI-Hypothesenfunktion hθ schiebt im Messbetrieb die individuellen Zählraten x1, ..., xn der einzelnen Szintillatormodule 2_1 bis 2_n durch das neuronale Netz und bildet sie auf dessen Ausgangswerte (ŷ1, ŷ2) ab.
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Somit liefert hθ sowohl einen genauen Stahlfüllstand als auch eine genaue Gießpulverhöhe, ist als Black-Box jedoch potentiell anfällig gegen statistische Ausreißer und Grenzfälle, die in der Trainings- und Testphase nicht erschöpfend berücksichtigt worden sind.
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Die Modellfunktion g hingegen berechnet die Summe
über die Zählraten aller Szintillatormodule und bildet diese Summenzählrate über eine klassische Kalibriertabelle mittels linearer Interpolation auf einen Stahlfühlstand ỹ
1 ab. Die Gießpulverhöhe ỹ
2, die von g bestimmt wird, ist konstant 0.
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Somit liefert g einen vorhersagbaren, groben aber robusten Stahlfüllstand, jedoch keine Information über die Gießpulverhöhe.
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Die Statusfunktion S ist definiert als
d.h. der Funktionswert von S ist ein Alarm-Pegel, der sich kontinuierlich zwischen 0 und 1 bewegt und dann nahe 1 ist, wenn die KI-Hypothesenfunktion h
θ einen Ausreißer für den Stahlfüllstand ŷ
1 liefert, welcher in signifikantem Widerspruch zum klassischen Stahlfüllstand ỹ
1 von g steht. Die Pulverhöhe ŷ
2 wird hier nicht ausgewertet, da g keine echte Aussage über die Gießpulverhöhe macht. Die Verteilungsparameter µ
δ1 und σ
δ1 für die Stahlfüllstandsdifferenz werden während der Trainingsphase der KI berechnet und es wird beispielsweise α = 0.08 gewählt, um einen gewünschten Pegelanstieg zu modellieren.
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Die Fusionsfunktion F ist definiert als
d.h. die ersten Messgrößenwerte ŷ
1, ŷ
2 werden in diesem Fall mit den Gewichten α
1 und α
2 versehen und mit den zweiten Messgrößenwerten ỹ
1, ỹ
2 verrechnet z.B. mit α
1 = 0.85 für den Stahlfüllstand und α
2 = 1.0 für die Gießpulverhöhe.