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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Elektromaschine, insbesondere Antriebsmaschine eines Kraftfahrzeugs, die einen in einem Gehäuse drehbar gelagerten Rotor und einen gehäusefesten Stator aufweist, wobei der Stator eine mehrphasige Antriebswicklung aufweist, wobei die Phasen der Antriebswicklung in Abhängigkeit von einem Soll-Drehmoment und einem Drehwinkel des Rotors bestromt werden, und wobei der Drehwinkel des Rotors in Abhängigkeit von einer in die Antriebswicklung induzierten elektromotorischen Gegenkraft ermittelt wird.
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Weiterhin betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zum Betreiben einer Elektromaschine, insbesondere Antriebsmaschine eines Kraftfahrzeugs, die einen in einem Gehäuse drehbar gelagerten Rotor und einen gehäusefesten Stator aufweist, wobei der Stator eine mehrphasige Antriebswicklung aufweist.
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Außerdem betrifft die Erfindung eine Antriebseinrichtung für ein Kraftfahrzeug mit der oben beschriebenen Elektromaschine.
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Stand der Technik
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Verfahren der eingangs genannten Art sind aus dem Stand der Technik bereits bekannt. Zum Betreiben einer Elektromaschine, insbesondere einer als permanenterregte Synchronmaschine ausgebildeten Elektromaschine ist es von hoher Bedeutung, den aktuellen Drehwinkel des Rotors zu kennen, um die Phasen in Abhängigkeit von dem vorliegenden Drehwinkel optimal für die Erzeugung eines Drehmoments zu bestromen. Zum Erfassen des Drehwinkels ist es bekannt, Positionssensoren auf Basis physikalischer Effekte, wie beispielsweise Hall-Sensoren, GMR-, AMR- oder TMR-Sensoren einzusetzen, welche den Drehwinkel des Rotors erfassen. Für die Sensoren ist jedoch ein zusätzlicher Bauraum notwendig. Darüber hinaus reagieren derartige Sensoren relativ empfindlich auf Lagetoleranzen zwischen dem Sensor und einem an dem Rotor angeordneten Signalgeber, beispielsweise in Form eines Sensormagneten. Liegt beispielsweise ein großes Lagerspiel vor, wie bei hydrodynamischen Gleitlagern, so können solche Sensoren den Drehwinkel häufig nicht ausreichend genau bestimmen.
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Außerdem sind Verfahren bekannt, bei welchen der Drehwinkel ohne einen solchen Sensor ermittelt wird. Dabei werden insbesondere sogenannte Back-EMF basierte Verfahren, also Verfahren, welche sich die in die Antriebswicklung induzierte elektromotorische Gegenkraft zur Bestimmung des Drehwinkels zu Nutze machen, eingesetzt, wobei zwischen berechneter und gemessener Gegenkraft unterschieden wird. Bei der berechneten induzierten elektromotorischen Gegenkraft wird aus bekannten, angelegten elektrischen Spannungen an den Phasen und den daraus resultierenden und gemessenen Motorströmen in den Phasen mittels eines mathematischen Modells der Elektromaschine die induzierte elektromotorische Gegenkraft, das heißt die elektrische Spannung, die zumindest ein rotierender Permanentmagnet des Rotors in die Phasen induziert, berechnet. Im zweiten Fall, das heißt bei Verfahren, bei welchen die induzierte elektromotorische Gegenkraft gemessen wird, ist es bekannt, jeweils eine Phase der Antriebswicklung für eine vorgebbare Zeitdauer stromlos zu schalten beziehungsweise auszuschalten. Dann wird die in diese Phase induzierte Spannung zwischen einem Sternpunkt der Antriebswicklung und der Klemme dieser Phase gemessen und deren Nulldurchgang bestimmt. Ausgehend davon wird eine Information über den Drehwinkel bestimmt. Voraussetzung zur Durchführung dieses Verfahrens ist es allerdings, dass der Sternpunkt der Maschine nach außen geführt ist, oder dass der Sternpunkt in der Elektronik mittels eines Widerstandsnetzwerkes nachgebildet ist. Letzteres verursacht einen erhöhten Aufwand in der Elektronik und nimmt auch auf einer Leiterplatte des Steuergeräts oder der Leistungselektronik Raum in Anspruch. Dennoch ist dies das häufiger verwendete Verfahren.
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Offenbarung der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 hat den Vorteil, dass auf ein Nachbilden oder Herausführen des Sternpunkts der Antriebswicklung verzichtet wird und durch eine einfache Maßnahme dennoch der Drehwinkel des Rotors in vorteilhafter Weise bestimmt wird. Erfindungsgemäß ist hierzu vorgesehen, dass zum Ermitteln des Drehwinkels für eine vorgegebene Zeitdauer alle Phasen der Antriebswicklung stromlos geschaltet und anschließend die in den Phasen innerhalb der Zeitdauer durch die elektromotorische Gegenkraft induzierten Spannungen gemessen werden, und dass der Drehwinkel in Abhängigkeit der gemessenen Spannungen bestimmt wird. Hierdurch ist es möglich, auch die Elektromaschine bereits bei sehr niedrigen Drehzahlen geregelt zu betreiben und damit das Potential der Elektromaschine weiter auszuschöpfen. Die erzielbare Beschleunigung der Elektromaschine ist dabei insgesamt höher als bei konventionellen Antriebsverfah ren.
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Vorzugsweise wird der Drehwinkel regelmäßig ermittelt, insbesondere in Abhängigkeit von der aktuellen Drehzahl und/oder von einer vorgegebenen Zeitdauer.
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Weiterhin ist bevorzugt vorgesehen, dass in einem Zeitraum zwischen dem Messen zweier Drehwinkeln zumindest ein Drehwinkel in Abhängigkeit von zumindest der aktuellen Drehgeschwindigkeit des Rotors geschätzt wird. Es erfolgt somit ein Prädizieren des Drehwinkels insbesondere durch Extrapolation in Abhängigkeit von der Drehgeschwindigkeit des Rotors, um eine höhere Auflösung des Drehwinkelsignals zu ermöglichen. Die Abschätzung des Drehwinkels zwischen zwei Messpunkten kann auch anhand weiterer Informationen, wie der aktuellen Beschleunigung des Rotors ermittelt werden. Denkbar sind auch Beobachteransätze für die Prädiktion.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung werden die gemessenen Spannungen mittels einer Park-Transformation in ein statorfestes Koordinatensystem umgerechnet, um einen Spannungsträger oder -vektor zu bestimmen. Insbesondere werden die in drei Phasen gemessenen Spannungen in zwei Spannungen beziehungsweise zwei Komponenten im statorfesten Koordinatensystem (αβ-System) umgerechnet und definieren so den Spannungszeiger oder -vektor. Dieser Zeiger der induzierten Spannung, die auch als Polradspannung bezeichnet wird, steht senkrecht auf dem Rotor.
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Bevorzugt mithilfe einer Arcustangens-Operation wird der Spannungszeiger ermittelt. Durch vorteilhafte Subtraktion von 90° erhält man schließlich den gesuchten Drehwinkel.
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Bevorzugt wird die elektromotorische Gegenkraft ab Erreichen oder Überschreiten einer vorgegebenen Drehzahl des Rotors berechnet. Dadurch ergibt sich der Vorteil, dass das Abschalten der Phasen ab Überschreiten der vorgegebenen Drehzahl unterbleibt und nur bei niedrigen Drehzahlen erfolgt, was zu Vorteilen bezüglich des erreichten Drehmoments sowie der Drehmomentwelligkeit führt. Außerdem wird dadurch eine Geräuschentwicklung reduziert. Unterhalb der vorgegebenen Drehzahl wird durch das erfindungsgemäße Verfahren erreicht, dass der Drehwinkel aufgrund des vorteilhaften Vorgehens auch bei niedriger induzierter Spannung sicher erfassbar ist, um eine zuverlässige Drehwinkel-Information aus den verfügbaren Informationen zu extrahieren.
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Insbesondere wird das Berechnen der elektromotorischen Gegenkraft mithilfe des ermittelten Drehwinkels initialisiert. Hierdurch wird ein reibungsloses Umschalten von der Messung der elektromotorischen Gegenkraft zur Berechnung der induzierten elektromotorischen Gegenkraft gewährleistet.
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Besonders bevorzugt wird bei Unterschreiten der vorgegebenen Drehzahl die induzierte elektromotorische Gegenkraft wieder, wie vorstehend beschrieben, gemessen.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 9 zeichnet sich durch ein Steuergerät aus, das speziell dazu hergerichtet ist, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das erfindungsgemäße Verfahren durchzuführen. Es ergeben sich hierdurch die bereits genannten Vorteile.
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Die erfindungsgemäße Antriebseinrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 10 zeichnet sich durch die erfindungsgemäße Vorrichtung aus. Es ergeben sich die bereits genannten Vorteile.
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Weitere Vorteile und bevorzugte Merkmale und Merkmalskombinationen ergeben sich insbesondere aus dem zuvor Beschriebenen sowie aus den Ansprüchen. Im Folgenden soll die Erfindung anhand der Zeichnung näher erläutert werden. Dazu zeigt
- 1 ein Kraftfahrzeug in einer vereinfachten Darstellung und
- 2 ein Flussidagramm zur Erläuterung eines vorteilhaften Verfahrens zum Betreiben einer Elektromaschine des Kraftfahrzeugs.
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1 zeigt in einer vereinfachten Darstellung ein Kraftfahrzeug 1, das als Antriebsmaschine 2, die mit Antriebsrädern 3 des Kraftfahrzeugs direkt oder durch ein Getriebe koppelbar oder gekoppelt ist, eine Elektromaschine 4 aufweist. Die Elektromaschine 4 wird durch ein Steuergerät 5 betrieben, das eine Leistungselektronik 6 umfasst, um die von einem elektrischen Energiespeicher 7 bereitgestellte Energie dazu zu nutzen, die vorliegend drei Phasen einer Antriebswicklung 8 der Elektromaschine 4 zu bestromen, um ein Drehmoment zu erzeugen.
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Dabei ermittelt das Steuergerät 5 laufend den aktuellen Drehwinkel eines Rotors der Elektromaschine 4. Dazu führt das Steuergerät 5 das in 2 gezeigte Verfahren durch.
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2 zeigt dabei ein Flussdiagramm, anhand dessen das vorteilhafte Verfahren erläutert werden soll.
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In einem Schritt S1 wird das Kraftfahrzeug in Betrieb genommen. Im Schritt S2 wird eine Drehwinkelüberwachung aktiviert.
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Im Schritt S3 erfolgt eine Abfrage, welche die aktuelle Drehzahl der Elektromaschine 4 erfasst. Liegt die Drehzahl unterhalb eines Grenzwertes nG(n < nG), so wird der Drehwinkel gemessen. Ist die Drehzahl n größer oder gleich dem Grenzwert nG, so wird in einem Schritt S4 der Drehwinkel mittels eines herkömmlichen Verfahrens berechnet. Insbesondere wird dabei aus den im Betrieb bekannten angelegten elektrischen Spannungen und gemessener Motorströme der Elektromaschine 4 mittels eines mathematischen Modells der Elektromaschine 4 die induzierte elektromotorische Gegenkraft (BEMF) berechnet, in Abhängigkeit derer in einem Schritt S5 der Drehwinkel bestimmt wird.
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Liegt die aktuelle Drehzahl n unterhalb der Grenzdrehzahl nG, so wird die Elektromaschine 4 in einem Schritt S6 regelmäßig komplett stromlos geschaltet, das heißt alle Phasen der Antriebswicklung 8 werden stromlos geschaltet beziehungsweise die den jeweiligen Phasen zugeordneten Schalter, welcher ansonsten die jeweilige Phase mit dem Energiespeicher 7 verbinden, geöffnet. Nachdem der Strom abgeklungen ist, werden alle drei Phasenspannungen gemessen.
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In einem darauffolgenden Schritt S7 werden die drei Spannungen mittels der sogenannten Park-Transformation in zwei Spannungen beziehungsweise zwei Komponenten im statorfesten Koordinatensystem (αβ-System) umgerechnet und definieren so einen Spannungszeiger oder -vektor. Dieser Zeiger der induzierten Spannung, auch als Polradspannung bezeichnet, steht dann senkrecht auf dem Rotor der Elektromaschine 4.
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Im darauffolgenden Schritt S8 wird der Winkel des Zeigers mit der α-Achse mittels einer Arcustangens-Operation ermittelt und im darauffolgenden Schritt S9 wird durch Subtraktion von 90° der gesuchte Drehwinkel erhalten und im Schritt S10 ausgegeben. Zwischen den Zeitpunkten, an denen der Elektromotor abgeschaltet und der Drehwinkel ermittelt wird, wird der Drehwinkel vorteilhafterweise durch Extrapolation in einem Schritt S11 ebenfalls regelmäßig prädiziert, beispielsweise anhand der aktuellen Geschwindigkeit oder zusätzlich auch anhand weiterer Ableitungen, wie der Beschleunigung. Denkbar sind aber auch Beobachteransätze für die Prädiktion.
Sobald die Elektromaschine die Drehzahl nG erreicht, ab der aus der berechneten induzierten elektromotorischen Gegenspannung eine zuverlässige Winkelinformation abgeleitet werden kann, wird auf dieses Verfahren umgeschaltet. Mithilfe des aus der gemessenen induzierten elektromotorischen Gegenkraft ermittelten Drehwinkels wird das Motormodell, das zur Berechnung der induzierten elektromotorischen Gegenkraft verwendet wird, initialisiert, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
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Das vorteilhafte Verfahren eignet sich insbesondere für Anwendungen, in denen hauptsächlich Verfahren mit berechneter induzierter elektromotorischer Gegenkraft zur Winkelbestimmung eingesetzt werden sollen. Durch das vorgeschlagene Verfahren wird die Elektromaschine 4 bereits bei sehr kleinen Drehzahlen betrieben. Im niedrigen Drehzahlbereich kann zwar das volle Drehmoment der Elektromaschine 4 nicht ganz erreicht werden, weil die Antriebswicklung 8 regelmäßig stromlos geschaltet wird, dennoch ist die damit erzielbar Beschleunigung der Elektromaschine 4 höher als bei konventionellen Verfahren. Darüber hinaus ist die akkurate Prädiktion des Drehwinkels nicht so kritisch wie bei herkömmlichen Verfahren mit gemessener induzierter elektromotorischer Gegenkraft, bei denen das Zeitfenster, in dem eine Phase stromlos geschaltet wird, einen Nulldurchgang der induzierten Spannung enthalten muss.