-
Die Erfindung bezieht sich auf ein computerimplementiertes Verfahren zum Betreiben von Sicherheitssystemen eines Fahrzeuges. Ferner bezieht sich die Erfindung auf ein Steuergerät und ein Computerprogrammprodukt zum Auslösen von Sicherheitssystemen. Außerdem bezieht sich die Erfindung auf ein Insassenschutzsystem.
-
Insassenschutzsysteme sind aus dem Stand der Technik bekannt. Bei einem Unfall verbleibt wenig Zeit, den Zustand eines Fahrzeuginnenraums zu bewerten. Die Kenntnis des Zustandes des Fahrzeuginnenraums ist aber notwendig, um korrekte Sicherheitsmaßnahmen einzuleiten.
-
Hier setzt die Erfindung an. Der Erfindung hat die Aufgabe zugrunde gelegen, Insassenschutzsysteme zu verbessern, insbesondere hinsichtlich des Einleitens von Sicherheitsmaßnahmen.
-
Das erfindungsgemäße computerimplementierte Verfahren ermöglicht das Betreiben von Sicherheitssystemen eines Fahrzeuges. Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass ein Unfallszenario für das Fahrzeug ausgewählt wird. In einem weiteren Verfahrensschritt werden Auswirkungen des Unfallszenarios auf Insassen des Fahrzeuges analysiert. In Abhängigkeit der Auswirkungen werden wenigstens Positionen und Körperhaltungen der Insassen zum Zeitpunkt des Unfalls simuliert. In Abhängigkeit dieser Simulation werden die Sicherheitssysteme bestimmt, welche ausgelöst in dem Unfallszenario die Insassen schützen. Das Unfallszenario und die bestimmten Sicherheitssysteme werden in einem Speicher des Fahrzeuges gespeichert, um bei dem Unfallszenario den Speicher zu lesen und die gespeicherten Sicherheitssysteme auszulösen.
-
Auf Grundlage der Simulationen leitet man ab, welche Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind, um die Insassen zu schützen. Da die Daten im Fahrzeug gespeichert sind, wird bei einem Unfall keine Rechenzeit mehr benötigt, um ein Insassenmodell zu bestimmen. Über einen sehr kurzen Zeitraum betrachtet werden sich die Position und die Körperhaltung eines Insassen nicht wesentlich ändern. Damit ist es möglich zu prädizieren, in welchem Bereich des Innenraums sich ein Insasse überhaupt befinden kann. Diese Prädiktion muss erfindungsgemäß nicht in Echtzeit berechnet werden, da zukünftige Position und Körperhaltung bereits simuliert und im Fahrzeug gespeichert sind. Erfindungsgemäß wird vorteilhafterweise auf die gespeicherten Daten zurückgegriffen. Damit wird die Sicherheit beim Fahren erhöht. Eine Vielzahl unterschiedlicher Unfallszenarien ist damit automatisch simulierbar. Die Daten, die als Input dienen, können zeitlich bereits einige Millisekunden zurückliegen, abhängig von der Qualität der Simulation. Aufgrund der Simulation kommt es bei größeren Zeitspannen zu mehr als einer Möglichkeit, wo sich zum Beispiel ein Kopf befinden kann. In solchen Fällen werden erfindungsgemäß beispielsweise zwei Airbags ausgelöst, die beide Möglichkeiten abdecken.
-
Fahrzeuge sind insbesondere Straßenfahrzeuge. Vorzugsweise sind die Fahrzeuge automatisiert betreibbar. Im Rahmen der Erfindung liegen auch selbstfahrende Fahrzeuge.
-
Typische Unfallszenarien sind beispielsweise Aufprälle des Fahrzeuges mit anderen Fahrzeugen oder Objekten, zum Beispiel Infrastrukturelementen, Gebäuden oder Personen. Seitenaufprälle, Frontaufprälle oder Heckaufprälle sind Unfallszenarien. Bevorzugt werden die Unfallszenarien aus einer Datenbank umfassend reale stattgefundene Unfälle ausgewählt.
-
Auswirkungen von Unfallszenarien auf Insassen sind beispielsweise Einquetschungen, Aufschläge eines Körperteils eines Insassen auf ein Fahrzeugteil, Positionsveränderungen aufgrund Änderung der Beschleunigung des Fahrzeuges und der Trägheit des Insassen oder Veränderungen der Körperhaltung, beispielsweise eine Bewegung eines Kopfes in Richtung Armaturenbrett.
-
Insassen sind Fahrzeugführer und weitere Personen in einer Fahrgastzelle, zum Beispiel Beifahrer, Mitfahrer und/oder Fahrgäste mit einem bestimmten Beförderungsziel.
-
Sicherheitssysteme sind beispielsweise Systeme, die aktiv in die Einhaltung eines Sicherheitserfordernisses eingreifen, zum Beispiel Notbrems-Assistenten, durch die ein Sicherheitsabstand eingehalten wird. Antiblockiersysteme und elektronische Stabilitätsprogramme sind ebenfalls aktive Sicherheitssysteme. Sicherheitssysteme umfassen auch passive Sicherheitssysteme wie zum Beispiel Rückhaltesysteme, beispielsweise Airbags oder Gurtstraffer.
-
Position und Körperhaltung werden beispielsweise mit Simulationsalgorithmen simuliert. Beispielsweise ist Model.Connect™ ein Simulationsmodul. Vorteilhafterweise werden Subsysteme getrennt simuliert. Subsysteme sind beispielsweise Beschleunigungsvorgang des Fahrzeuges und Insassen oder bei mehreren Insassen die einzelnen Insassen. Während der Simulation tauschen die einzelnen Subsysteme Daten untereinander aus. Diese Art der Simulation ist auch als co-simulation bekannt. In die Simulation fließen insbesondere Body-Pose-Modelle ein.
-
Die Simulation ist bevorzugt eine Gesamtsimulation des Unfallszenarios. Das heißt, es wird nicht nur der Innenraum des Fahrzeuges und die Insassen zum Zeitpunkt eines Aufpralls, auch Crash genannt, simuliert, sondern auch schon zu einem früheren Zeitpunkt, um auch Pre-Crash Szenarios abzubilden. Damit wird die Sicherheit um einen weiteren Faktor erhöht.
-
Nach einem weiteren Aspekt der Erfindung werden die Anzahl der Insassen und die Art der Insassen, insbesondere hinsichtlich Alter und/oder Beeinträchtigungen, simuliert. Damit wird erreicht, Sicherheitssysteme speziell an Kinder oder behinderte Insassen adaptiert auszulösen.
-
Das erfindungsgemäße Steuergerät löst Sicherheitssysteme aus. Das Steuergerät umfasst eine erste Schnittstelle. Mittels der ersten Schnittstelle werden Daten wenigstens eines in einem Innenraum eines Fahrzeuges anordenbaren Sensors erhalten. Ferner umfasst das Steuergerät eine zweite Schnittstelle. Mittels der zweiten Schnittstelle werden Daten wenigstens eines an einer Außenhaut des Fahrzeuges anordenbaren Umfelderfassungssensors erhalten. Außerdem umfasst das Steuergerät eine Auswerteeinrichtung. Die Auswerteeinrichtung prädiziert in Abhängigkeit der Daten ein Unfallszenario. Das Steuergerät ist datenübertragend mit einem Speicher des Fahrzeuges, in dem nach dem erfindungsgemäßen Verfahren Unfallszenarien und bestimmte Sicherheitssysteme gespeichert sind, verbunden. Des Weiteren umfasst das Steuergerät eine dritte Schnittstelle. Mittels der dritten Schnittstelle werden in Abhängigkeit eines Vergleichs des prädizierten Unfallszenarios mit den in dem Speicher gespeicherten Unfallszenarien die bestimmten Sicherheitssysteme ausgelöst.
-
Ein Steuergerät bereitet die Daten von Sensoren als Eingangssignale auf, verarbeitet diese mittels einer Auswerteeinrichtung, beispielsweise einem Prozessor, und stellt Logik- und/oder Leistungspegel als Regel- oder Steuersignale bereit. Mittels der bestimmten Signale werden über die dritte Schnittstelle Fahrzeugaktuatoren für Sicherheitssysteme geregelt und gesteuert. Das Steuergerät ist signaltechnisch mit den Sensoren über die erste und zweite Schnittstelle verbunden. Die erste und/oder die zweite Schnittstelle sind beispielsweise jeweils ein Bauteil. Der Datenaustausch erfolgt kabelgebunden oder kabellos, zum Beispiel über Funktechnologie. Das Steuergerät ist bevorzugt in ein Bordnetz des Fahrzeuges integriert. Das Steuergerät ist insbesondere ein elektronisches Steuergerät für automatisierte Fahrfunktionen, im Englischen Domain ECU, insbesondere ADAS/AD Domain ECU, genannt.
-
Der in dem Innenraum des Fahrzeuges anordenbare Sensor ist beispielsweise eine Lichtlaufzeitkamera, auch time of flight camera, abgekürzt TOF-CAM, genannt, ein Radar oder ein Lidar. Der Umfelderfassungssensor ist beispielsweise eine Kamera, ein Radar, ein Lidar und/oder ein Schallsensor. Die Sensoren sind für automotive Anwendungen konfiguriert.
-
Die Auswerteeinrichtung des Steuergeräts ist beispielsweise als ein System-on-a-Chip realisiert mit modularem Hardwarekonzept, das heißt alle oder zumindest ein großer Teil der Funktionen sind auf einem Chip integriert und können modular erweitert werden. Der Chip ist in ein Steuergerät integrierbar.
-
Das erfindungsgemäße Insassenschutzsystem umfasst wenigstens einen in einem Innenraum eines Fahrzeuges anordenbaren Sensor. Ferner umfasst das Insassenschutzsystem wenigstens einen an einer Außenhaut des Fahrzeuges anordenbaren Umfelderfassungssensor. Außerdem umfasst das Insassenschutzsystem ein erfindungsgemäßes Steuergerät. Des Weiteren umfasst das Insassenschutzsystem einen Speicher, in dem nach dem erfindungsgemäßen Verfahren Unfallszenarien und bestimmte Sicherheitssysteme gespeichert sind. Das Insassenschutzsystem umfasst auch wenigstens ein mit dem Steuergerät verbundenes Rückhaltesystem.
-
Ein Insassenschutzsystem ist ein Sensorsystem zur Lokalisation und/oder Klassifikation, vorzugsweise dreidimensionalen Erkennung, von Insassen. Das Insassenschutzsystem liefert insbesondere Daten für sicherheitsrelevante Aspekte, zum Beispiel mit welcher Kraft Airbags und/oder Gurtstraffer ausgelöst werden sollen in Abhängigkeit einer Position, Größe oder eines Alters eines Insassen. Das Insassenschutzsystem bestimmt auch den Einsatz weiterer adaptiver Sicherheitsfunktionen. Mit dem erfindungsgemäßen Steuergerät kann das Insassenschutzsystem Sicherheitsmaßnahmen schnell einleiten, ohne diese vorab berechnen zu müssen.
-
Vorzugsweise ist der in dem Innenraum anordenbare Sensor ein Sensor einer 2D-Kamera oder einer 3D-Kamera, insbesondere einer Lichtlaufzeitkamera. Mit der Lichtlaufzeitkamera, im Englischen time-of-flight (TOF) camera genannt, wird ein Tiefenbild eines Kopfes über pixelweise Messung der Lichtlaufzeit erhalten. Der Sensor kann auch ein Lidar- oder Radar- Sensor sein.
-
Das erfindungsgemäße Computerprogrammprodukt löst Sicherheitssysteme aus. Das Computerprogrammprodukt umfasst Befehle. Die Befehle bewirken, dass das erfindungsgemäße Steuergerät bei einem prädizierten Unfallszenario einen Speicher eines Fahrzeuges, in dem nach dem erfindungsgemäßen Verfahren Unfallszenarien und bestimmte Sicherheitssysteme gespeichert sind, liest und in Abhängigkeit des Unfallszenarios die bestimmten Sicherheitssysteme auslöst, wenn das Computerprogramm auf dem Steuergerät läuft.
-
Die Befehle sind beispielsweise als Softwarecodeabschnitte des Computerprogrammprodukts realisiert.
-
Die Erfindung wird an Ausführungsbeispiel der Figuren erläutert. Es zeigen:
- 1 ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Insassenschutzsystems und
- 2 ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
-
1 zeigt den Innenraum eines PKWs. In dem Innenraum ist ein Insasse 2 auf einem Sitz angeordnet. Der Innenraum wird von einem Sensor 11 überwacht. Der Sensor 11 ist beispielsweise eine TOF-CAM. Der Sensor 11 ist Teil eines Insassenschutzsystems 10. Das Insassenschutzsystem 10 umfasst ein Steuergerät 20 und eine Anordnung von Umfelderfassungssensoren, beispielsweise Kameras, Radargeräten, Lidargeräten und/oder Schallwandlern, angeordnet an einer Außenseite des PKWs.
-
Das Steuergerät 20 umfasst eine erste Schnittstelle 21, um Rohdaten, vorzugsweise Pixelrohdaten, des Sensors 11 an eine Auswerteeinrichtung 23 des Steuergeräts 20 zu übertragen. Ferner umfasst das Steuergerät 20 eine zweite Schnittstelle, um Rohdaten der Umfelderfassungssensoren zu erhalten. Die Auswerteeinrichtung 23 fusioniert die Rohdaten, um ein Unfallszenario zu prädizieren. Das Steuergerät ist datenübertragend mit einem Datenspeicher des PKWs verbunden. In dem Datenspeicher sind nach dem in 2 gezeigten Verfahren Unfallszenarien und bestimmte Sicherheitssysteme gespeichert. Die Auswerteeinrichtung 23 vergleicht das prädizierte Unfallszenario mit den gespeicherten Unfallszenarien und steuert bei einem erkannten drohenden Frontaufprall ein Rückhaltesystem 12 über eine dritte Schnittstelle 24 des Steuergeräts 20 an. Das Rückhaltesystem 12 ist in dem Speicher als auszulösendes Sicherheitssystem gespeichert, das bei dem erkannten Frontaufprall auszulösen ist basierend auf der erfindungsgemäßen Simulation von Unfallszenarien.
-
2 zeigt beispielhaft das erfindungsgemäße Verfahren. Die Verfahrensschritte werden auf einem Computer ausgeführt. Der Computer umfasst bevorzugt Mehrkernprozessoren umfassend Zentralprozessor- und/oder Graphikprozessoreinheiten, um Rechenkapazitäten für die Simulation bereitzustellen.
-
In einem ersten Verfahrensschritt V1 werden zunächst typische Unfallszenarios für ein Fahrzeug ausgewählt, zum Beispiel Seitenaufprälle des Fahrzeuges mit einem anderen Fahrzeug. In einem zweiten Verfahrensschritt V2 werden Auswirkungen des Unfallszenarios auf die Insassen 2 des Fahrzeuges bestimmt. In Abhängigkeit der Auswirkungen werden in einem nächsten Verfahrensschritt V3 wenigstens Positionen und Körperhaltungen der Insassen 2 zum Zeitpunkt des Unfalls simuliert. In Abhängigkeit dieser Simulation werden in einem weiteren Verfahrensschritt V4 die Sicherheitssysteme bestimmt, welche ausgelöst in dem Unfallszenario die Insassen 2 schützen. Beispielsweise werden in Abhängigkeit der Simulation Frontairbags als die auszulösenden Sicherheitssysteme bestimmt. Anschließend werden in einem weiteren Verfahrensschritt V5 das Unfallszenario und die dazugehörigen bestimmten Sicherheitssysteme in einem Speicher des Fahrzeuges gespeichert. Bei einem Unfall wird dann direkt auf diesen Speicher zugegriffen.
-
Bezugszeichenliste
-
- 2
- Insasse
- 10
- Insassenschutzsystem
- 11
- Sensor
- 12
- Rückhaltesystem
- 20
- Steuergerät
- 21
- erste Schnittstelle
- 22
- zweite Schnittstelle
- 23
- Auswerteeinrichtung
- 24
- dritte Schnittstelle
- V1-V5
- Verfahrensschritte