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Die Erfindung betrifft eine Prozessoreinheit, ein Fahrerassistenzsystem, ein Verfahren und ein Computerprogrammprodukt zum autonomen Betrieb eines Fahrzeugs, insbesondere eines landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugs.
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Es sind Fahrerassistenzsysteme für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge bzw. Maschinen bekannt. Diese Fahrerassistenzsysteme sollen insbesondere als vollautomatisierte oder teilautomatisierte Lenkhilfe den Fahrer entlasten oder gänzlich ersetzen. Diese Systeme können zur Realisierung eines autonomen Betriebs GPS-basierte Systeme oder optische Systeme sein, die Genauigkeiten von wenigen Zentimetern ermöglichen.
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Ein Fahrer eines landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugs muss sich typischerweise für die Dauer eines ganzen Tages auf einen Arbeitsgang konzentrieren. Daneben muss der Fahrer üblicherweise neben dem Steuern des Fahrzeugs gleichzeitig die Funktion von Anbaugeräten des Fahrzeugs überwachen. Dies kann dazu führen, dass es zu Fehlbedienungen kommt, dass die Maschinen nicht optimal effizient genutzt werden und dass die Arbeitsleistung und die Arbeitsqualität leiden. Teure GPS Systeme sind für kleinere oder mittlere Landwirtschaftsbetriebe oftmals nicht rentabel oder nutzlos in Gebieten mit schlechter Signalabdeckung. Optische Assistenzsysteme sind bisher sehr eingeschränkt in Ihrer Funktion und können oft nur sehr einfache Anwendungen umsetzen.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, eine weiterentwickelte Technologie bereitzustellen, die den Fahrer entlastet und ihm mehr Komfort bei verschiedenen Anwendungen, insbesondere der Landwirtschaft, bietet.
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Die Aufgabe wird gelöst durch die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche. Vorteilhafte Ausführungsformen sind Gegenstand der Unteransprüche, der folgenden Beschreibung sowie der Figuren.
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Eine erfindungsgemäße Prozessoreinheit zum autonomen Betrieb eines Fahrzeugs umfasst eine Schnittstelle, wobei die Prozessoreinheit dazu eingerichtet ist, mittels der Schnittstelle auf eine durch eine Sensorik generierte Umfelderfassung des Fahrzeugs zuzugreifen, eine oder mehrere Spurlinien in der Umfelderfassung zu erkennen, eine Spurlinie aus den erkannten Spurlinien auszuwählen, eine Soll-Trajektorie basierend auf der ausgewählten Spurlinie zu berechnen, und das Fahrzeug basierend auf der berechneten Soll-Trajektorie derart zu steuern, dass ein in Längsrichtung und/oder in Querrichtung des Fahrzeugs frei wählbarer Regelpunkt autonom der ausgewählten Spurlinie folgt.
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Gemäß der vorliegenden Erfindung wird eine Technologie vorgeschlagen, die Spurlinien, insbesondere Mähkanten in einem Feld erfasst, entsprechende Sensordaten über das um das Fahrzeug liegende Umfeld verarbeitet sowie die richtige Spur auswählt und dann die Lenkung sowie weitere Betriebsparameter des Fahrzeugs entsprechend ansteuert.
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Insbesondere werden gemäß der vorliegenden Erfindung mehrere Verfahrensschritte vorgeschlagen, nämlich die Erkennung der Spurlinien, die Auswahl der richtigen Spurlinie, die Berechnung einer Soll-Trajektorie anhand der ausgewählten Spurlinie und die Ansteuerung des Fahrzeugs. Die vorliegende Erfindung ermöglicht, den Fahrer zu entlasten und ihm mehr Komfort bei verschiedenen Anwendungen zu bieten. Das landwirtschaftliche Nutzfahrzeug kann dadurch effizienter genutzt werden. Die Schlagkraft wird höher, die Arbeitsleistung und Arbeitsqualität verbessern sich deutlich und der Kraftstoffverbrauch sinkt.
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In diesem Sinne wird gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung eine Prozessoreinheit zum autonomen Betrieb eines Fahrzeugs bereitgestellt. Die Prozessoreinheit kann ein Element eines elektronischen Steuergeräts des Fahrzeugs bilden. Die Prozessoreinheit kann weiterhin ein Element eines Fahrerassistenzsystems des Fahrzeugs bilden. Die Prozessoreinheit umfasst eine Schnittstelle. Die Schnittstelle ist insbesondere eine Kommunikations-Schnittstelle, welche den Austausch von Daten ermöglicht, und zwar einen Austausch von Daten zwischen der Prozessoreinheit einerseits und einer Sensorik andererseits. Weiterhin kann die Prozessoreinheit über die Schnittstelle Befehle an Aktuatoren des Fahrzeugs übermitteln, beispielsweise an einen Lenk-Aktuator oder an den Antrieb des Fahrzeugs. Die Prozessoreinheit ist insbesondere dazu eingerichtet, mittels der Schnittstelle auf eine von der Sensorik generierte Umfelderfassung des Fahrzeugs zuzugreifen, eine oder mehrere Spurlinien in der Umfelderfassung zu erkennen, eine Spurlinie aus den mehreren Spurlinien auszuwählen, eine Soll-Trajektorie anhand der ausgewählten Spurlinie zu berechnen, und das Fahrzeug basierend auf der berechneten Soll-Trajektorie derart zu steuern, dass ein in Längsrichtung und/oder in Querrichtung des Fahrzeugs frei wählbarer Regelpunkt autonom der ausgewählten Spurlinie folgt. Unter einem Folgen der Spurlinie ist insbesondere ein Fahren des Fahrzeugs auf oder neben der Spurlinie zu verstehen.
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Bei dem frei wählbaren Regelpunkt handelt es sich um einen im Wesentlichen an einem beliebigen Punkt relativ zur Längs- und/oder Querrichtung des Fahrzeugs befindlichen Punkt, der frei parametrierbar ist. Mit anderen Worten wird in der Prozessoreinheit eine Regelfunktion hinterlegt, die die Trajektorie des Fahrzeugs ausgehend von einem beliebigen Punkt in einem Fahrzeugkoordinatensystem regelt. Der Regelpunkt kann sich beispielsweise in der Mitte der Hinterachse, im Schwerpunkt oder an einem Anbaugerät des Fahrzeugs befinden. Mit anderen Worten kann der Regelpunkt longitudinal und/oder lateral zu einer Längsachse bzw. Querachse des Fahrzeugs versetzt angeordnet bzw. festgelegt sein. Folglich ist die Prozessoreinheit insbesondere dazu eingerichtet, ein an das Fahrzeug angebautes Anbaugerät basierend auf der ausgewählten Spurlinie und dessen Verlauf in der Umfelderfassung zu steuern.
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Mittels des Regelpunktes wird in Abhängigkeit der erkannten und ausgewählten Spurlinie die Soll-Trajektorie des Fahrzeugs berechnet. Anders gesagt wird der Regelpunkt in eine Ausgangstransformation integriert, sodass das Fahrzeug basierend auf der berechneten Soll-Trajektorie derart gesteuert wird, dass der Regelpunkt der ausgewählten Spurlinie autonom folgt. Am Beispiel eines Mähfahrzeugs könnte der Regelpunkt an einer Seitenflanke des Mähwerks festgelegt werden, wobei die Soll-Trajektorie des Fahrzeugs mit der Position des Regelpunkts berechnet wird, sodass das Mähwerk des Fahrzeugs, wenn das Fahrzeug entlang der Soll-Trajektorie bewegt wird, der Spurlinie folgt, also entlang der Spurlinie oder parallel dazu geführt wird. Vorteilhaft ist dabei, dass die den Regelpunkt umfassende Ausgangstransformation direkt in einem Regler formuliert ist, sodass zusätzliche Rechenschritte entfallen. Der Regler ist vorzugsweise ein modellprädiktiver Regler (MPC).
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Das Fahrzeug kann mittels der Prozessoreinheit gesteuert werden. Unter „gesteuert“ oder „steuern“ kann insbesondere verstanden werden, dass das Fahrzeug autonom betrieben werden kann, d.h. es kann insbesondere automatisch gelenkt, beschleunigt und abgebremst werden, einschließlich aller dazu notwendigen Steuerungen von Aktuatoren insbesondere des Antriebsstrangs, der Lenkung und Signalgebung des Fahrzeugs. Die Steuerung des Fahrzeugs mittels der Prozessoreinheit kann automatisch oder durch einen Nutzer des Fahrzeugs mittels eines Bedienelements aktiviert werden, wenn das Fahrzeug entlang einer Spurlinie fährt. Insbesondere wird das Fahrzeug derart gesteuert, dass der Regelpunkt entlang, auf oder neben der Spurlinie geführt wird.
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Eine Spurlinie kann beispielsweise einen Schwad oder eine Mähkante oder eine Schnittkante auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche, z.B. einem Feld, umfassen. Weiterhin kann die Spurlinie eine Fahrspur, eine Pflanzreihe z.B. eines angebauten Produkts, eine Baumreihe, einen Bordstein, eine Gebäudefassade oder einen Arbeitsweg umfassen. So kann die Prozessoreinheit dazu eingerichtet sein, nicht nur Schwade und Mähkanten als Spurlinien zu erkennen und das Fahrzeug anzuweisen ihnen zu folgen, sondern mit einfachem Applikationsaufwand können auch andere Anwendungen in der Landwirtschaft, im Kommunalbereich oder auch im Baumaschinengeschäft erfolgreich automatisiert werden.
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Die Sensorik ist dazu eingerichtet, eine Umfelderfassung zu generieren. Beispielsweise kann die von der Sensorik generierte Umfelderfassung mehrere zeitlich nacheinander aufgenommene Kamera-Bilder umfassen, welche das Umfeld des Fahrzeugs abbilden. Anhand der Kamera-Bilder können darauffolgend Spurlinien erkannt werden. Die Prozessoreinheit kann eine auf das relevante Anwendungsgebiet des Fahrzeugs bezogene Spurlinie auswählen und anhand des Verlaufs der Spurlinie unter Berücksichtigung der Position des Regelpunkts eine Soll-Trajektorie berechnen. Mithin kann die Prozessoreinheit das Fahrzeug basierend auf der berechneten Soll-Trajektorie derart steuern, dass der Regelpunkt auf oder mit seitlichem Abstand parallel zu der ausgewählten Spurlinie geführt wird.
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Die Sensorik ist dazu eingerichtet, ein lokales Umfeld des Fahrzeugs zu erfassen. Die Sensorik kann zur Erfassung des Umfelds des Fahrzeugs beispielsweise wenigstens eine Kamera, einen Radar-Sensor und/oder einen Laser-basierten Sensor umfassen. Beispielsweise kann das Umfeld ein Feld oder ein Teil eines Felds sein, wobei das Feld oder der Teil des Felds von dem Fahrzeug insbesondere landwirtschaftlich bearbeitet werden kann. Die bei der Erfassung des Umfelds entstehenden Aufnahmen bzw. Frames ergeben die Umfelderfassung. So kann es sich bei der Umfelderfassung beispielsweise um Bilder handeln, wenn die Sensorik eine Kamera oder ein Kamerasystem aufweist. Weiterhin kann es sich bei der Umfelderfassung um Frames handeln, wenn beispielsweise ein Radar oder ein Lidar eingesetzt wird. Die Aufnahmen, insbesondere die Bilder oder Frames, decken jeweils einen begrenzten, also lokalen Bereich um das Fahrzeug herum ab.
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Die Prozessoreinheit ist dazu eingerichtet, die Umfelderfassung auszuwerten. Die Umfelderfassung kann beispielsweise eine Aufnahme des lokalen Umfelds des Fahrzeugs sein. Insbesondere ist die Prozessoreinheit dazu eingerichtet, aus Aufnahmen oder Frames, die durch die Sensoreinheit generiert worden sind, Objekte zu extrahieren. Beispielsweise kann die Prozessoreinheit ein Bild einer Kamera der Sensoreinheit auswerten, und dabei sämtliche Spurlinien oder besonders relevante Spurlinien innerhalb des Bilds erkennen.
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Die Prozessoreinheit kann in ein Fahrerassistenzsystem des Fahrzeugs integriert sein oder mit dem Fahrerassistenzsystem kommunikativ verbunden sein. Die Prozessoreinheit kann dazu eingerichtet sein, einzuleiten, dass das Fahrzeug in einen sicheren Zustand überführt wird, wenn die Prozessoreinheit in der Umfelderfassung wenigstens ein potentielles Kollisionsobjekt im Bereich der Soll-Trajektorie und/oder der Spurlinie erkennt. Ein potentielles Kollisionsobjekt kann ein Gegenstand (ortsfest oder beweglich, z.B. ein Baum, ein Strommast, ein Pfahl oder ein anderes Fahrzeug), ein Mensch oder ein Tier sein, dass sich innerhalb des erfassten lokalen Umfelds des Fahrzeugs befindet. Unter „einzuleiten“ kann in diesem Zusammenhang insbesondere verstanden werden, dass die Prozessoreinheit einen Befehl an das Fahrerassistenzsystem des Fahrzeugs übermittelt, sodass das Fahrerassistenzsystem das Fahrzeug in den sicheren Zustand überführt. Beispielsweise kann das Fahrerassistenzsystem das Fahrzeug beim Überführen in den sicheren Zustand zum Stillstand bringen. Alternativ kann auch die Geschwindigkeit verringert werden, sodass eine Kollisionsgefahr signifikant verringert werden kann. Weiterhin kann eine optische oder akustische Warnung ausgegeben werden, insbesondere an den Nutzer des Fahrzeugs (z.B. über ein Display innerhalb des Fahrzeugs) und/oder an das lokale Umfeld des Fahrzeugs, z.B. durch ein Signalhorn, einen Lautsprecher oder durch eine Leuchteinrichtung des Fahrzeugs.
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Vorzugsweise ist die Prozessoreinheit dazu eingerichtet, das Fahrzeug basierend auf wenigstens einem der folgenden Parameter zu steuern, nämlich basierend auf einer Krümmung der ausgewählten Spurlinie, basierend auf einem Kursfehler des Fahrzeugs, basierend auf einer Differenz aus einem aus der Umfelderfassung ermittelten seitlichen Abstand der ausgewählten Spurlinie zu dem Fahrzeug einschließlich dessen Anbaugeräten und einem gewünschten Abstand der ausgewählten Spurlinie zu dem Fahrzeug einschließlich dessen Anbaugeräten, oder basierend auf einer Anordnung des Anbaugerätes relativ zum Fahrzeug. Das Anbaugerät kann beispielsweise auch in einem bestimmten Winkel relativ zum Fahrzeug angeordnet sein, wobei diese Anordnung durch die Ausgangstransformation berücksichtigt werden kann.
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In einer Ausführungsform ist die Prozessoreinheit dazu eingerichtet, das Fahrzeug basierend auf wenigstens einem der folgenden Parameter zu steuern, nämlich basierend auf einer Krümmung der ausgewählten Spurlinie, basierend auf einem Kursfehler des Fahrzeugs oder basierend auf einer Differenz aus einem aus der Umfelderfassung ermittelten seitlichen Abstand der ausgewählten Spurlinie zu dem Fahrzeug einschließlich dessen Anbaugeräten und einem gewünschten Abstand der ausgewählten Spurlinie zu dem Fahrzeug einschließlich dessen Anbaugeräten.
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Bevorzugt ist die Prozessoreinheit dazu eingerichtet, fahrzeugspezifische Beschränkungen, umfassend einen maximalen Lenkwinkel, eine Beschleunigung, eine Verzögerung, und/oder eine Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Insbesondere kann ein minimale und eine maximale Geschwindigkeit des Fahrzeugs vorgegeben werden. Unter fahrzeugspezifischen Beschränkungen sind fahrzeugabhängige Randbedingungen oder Grenzwerte zu verstehen, die den Betrieb des Fahrzeugs begrenzen. Anders gesagt sind fahrzeugspezifische Beschränkungen Stellgrößen- und Zustandsbeschränkungen des Fahrzeugs, die in die Ausgangstransformation integrierbar sind, um die Berechnung der Soll-Trajektorie zu optimieren bzw. zu vereinfachen.
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Ferner bevorzugt ist die Prozessoreinheit dazu eingerichtet ist, Totzeiten zu kompensieren. Dies erfolgt, indem berechnete Stellgrößen zeitlichen verschoben gestellt werden.
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Des Weiteren bevorzugt ist die Prozessoreinheit dazu eingerichtet, Aktuatordynamiken zu berücksichtigen.
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Ein erfindungsgemäßes Fahrerassistenzsystem zum autonomen Betrieb eines Fahrzeugs umfasst eine Sensorik zur Erfassung eines Umfelds des Fahrzeugs und eine Prozessoreinheit gemäß der vorher beschriebenen Art. Die Sensorik ist dazu eingerichtet, eine Umfelderfassung des Fahrzeugs zu generieren.
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Gemäß einem erfindungsgemäßen Verfahren zum autonomen Betrieb eines Fahrzeugs wird zunächst durch eine Sensorik eine Umfelderfassung generiert. Weiterhin werden mittels der Prozessoreinheit mehrere Spurlinien in der Umfelderfassung mittels einer Prozessoreinheit erkannt. Auch wenn nur eine Spurlinie im Messbereich der Sensorik liegt, wird diese von der Prozessoreinheit erkannt. Aus den mehreren Spurlinien wird eine Spurlinie ausgewählt, anhand dessen eine Soll-Trajektorie des Fahrzeugs mittels der Prozessoreinheit berechnet wird. Das Fahrzeug wird darauffolgend mittels der Prozessoreinheit basierend auf der berechneten Soll-Trajektorie derart gesteuert, dass ein in Längsrichtung und/oder Querrichtung des Fahrzeugs frei wählbarer Regelpunkt autonom der ausgewählten Spurlinie folgt. Anders gesagt wird der Regelpunkt auf oder seitlich neben der ausgewählten Spurlinie geführt.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung wird ferner analog ein Computerprogrammprodukt zum autonomen Betrieb eines Fahrzeugs bereitgestellt. Das Computerprogrammprodukt leitet, wenn es auf einer Prozessoreinheit ausgeführt wird, die Prozessoreinheit an, mittels einer Schnittstelle auf eine von einer Sensoreinheit generierte Umfelderfassung des Fahrzeugs zuzugreifen, mehrere Spurlinien in der Umfelderfassung zu erkennen, eine Spurlinie aus den mehreren Spurlinien auszuwählen, eine Soll-Trajektorie basierend auf der ausgewählten Spurlinie zu berechnen, und das Fahrzeug basierend auf der ausgewählten Spurlinie derart zu steuern, dass ein in Längsrichtung und/oder Querrichtung des Fahrzeugs frei wählbarer Regelpunkt autonom der ausgewählten Spurlinie folgt
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung wird ein Fahrzeug bereitgestellt, insbesondere ein Offroad-Fahrzeug. Das Fahrzeug kann eine erfindungsgemäße Prozessoreinheit umfassen. Alternativ oder zusätzlich kann das Fahrzeug ein erfindungsgemäßes Fahrerassistenzsystem umfassen. Unter einem Offroad-Fahrzeug kann ein Fahrzeug verstanden werden, dessen primäres Einsatzgebiet insbesondere eine landwirtschaftliche Nutzfläche, z.B. ein zu bearbeitendes / bestellendes Feld oder ein Waldgebiet, oder ein Bergbaugebiet (insbesondere Tagebau), oder eine industrielle Nutzfläche, z.B. innerhalb einer Fertigungsstätte oder einer Lagerhalle. Beispielsweise kann das Offroad-Fahrzeug ein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug bzw. eine landwirtschaftliche Zugmaschine wie Mähdrescher oder Traktor sein. An dem Mähdrescher kann wiederum ein Anbaugerät, wie beispielsweise ein Mähwerk angeordnet sein. Weiterhin kann es sich bei dem Fahrzeug um ein Flurförderzeug handeln, z.B. um einen Gabelstapler oder um einen Schlepper. Weiterhin kann das Fahrzeug auch ein Kommunalfahrzeug sein, z.B. eine Straßenkehrmaschine, ein Müllfahrzeug oder ein Schneeräum-Fahrzeug.
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Die Ausführungen zur Prozessoreinheit gelten gleichermaßen auch für das Fahrerassistenzsystem, für das Verfahren zum autonomen Betrieb des Fahrzeugs, für das Computerprogrammprodukt und für das Fahrzeug.
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Im Folgenden wird ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand der
- Figuren näher erläutert. Hierbei zeigt
- 1 eine stark vereinfachte Draufsicht auf ein Feld, auf welchem ein erfindungsgemäßes Fahrzeug autonom fährt,
- 2 Elemente eines Fahrassistenzsystems für das Fahrzeug nach 1, und
- 3 Schritte eines Verfahrens zum autonomen Betrieb des Fahrzeugs nach 1 basierend auf einer mittels des Fahrerassistenzsystems nach 2 ausgewählten Spurlinie sowie daraus berechneter Soll-Trajektorie.
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1 zeigt ein Fahrzeug 1 in Form einer landwirtschaftlichen Nutzmaschine, beispielsweise eines Traktors mit einem im Frontbereich des Fahrzeugs 1 starr angebauten Anbaugerät 2, beispielsweise in Form eines Mähwerks. Das Fahrzeug 1 ist zur Veranschaulichung eines autonomen Betriebs zu verschiedenen Zeitpunkten dargestellt. Anders gesagt zeigt 1 eine Bewegungsabfolge des Fahrzeugs 1.
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Das Anbaugerät 2 des Fahrzeugs 1 ist in dem gezeigten Ausführungsbeispiel dazu eingerichtet, ein Feld 10 zu bearbeiten, insbesondere darauf wachsendes Gras zu mähen. Dabei entsteht beispielsweise an einer Schnittkante zwischen gemähtem und ungemähtem Gras eine Spurlinie 6. Mithin entspricht die Schnittkante der Spurlinie 6, wobei vorliegend eine einzige gekrümmte Spurlinie 6 exemplarisch dargestellt ist. Das Fahrzeug 1 befindet sich seitlich beabstandet neben der Spurlinie 6, wobei die rechte Kante des Anbaugeräts 2 in jedem Zeitpunkt über der Spurlinie 6 positioniert und entlang der Spurlinie 6 geführt ist.
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Das Fahrzeug 1 umfasst ein näher in 2 dargestelltes Fahrassistenzsystem 9 zum autonomen Betrieb des Fahrzeugs 1. Das Fahrassistenzsystem 9 umfasst in dem gezeigten Ausführungsbeispiel eine Prozessoreinheit 3, eine Speichereinheit 11 sowie eine Schnittstelle 8 zur Kommunikation mit einer Sensorik 5. Die Sensorik 5 umfasst in dem gezeigten Ausführungsbeispiel ein digitales Kamerasystem, das vorliegend eine Kamera 12 zur Umfeldüberwachung des Fahrzeugs 1 umfasst. Die Kamera 12 ist im Frontbereich des Fahrzeugs 1 angeordnet, so dass sie ein Umfeld 13 des Fahrzeugs 1 abdeckt, das sich in einem Vorausbereich und beidseitig seitlich des Fahrzeugs 1 befindet. Das Kamerasystem kann je nach Anforderung auch weitere Bereiche des Umfeldes 13 abdecken. Auch weitere Überwachungsmethoden, beispielsweise basierend auf einem Radar- oder Lidar-System, sind denkbar.
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Auf der Speichereinheit 11 kann ein Computerprogrammprodukt gespeichert sein. Das Computerprogrammprodukt kann auf der Prozessoreinheit 3 ausgeführt werden, wozu die Prozessoreinheit 3 und die Speichereinheit 11 entsprechend kommunikativ miteinander verbunden sind. Wenn das Computerprogrammprodukt auf der Prozessoreinheit 3 ausgeführt wird, leitet es die Prozessoreinheit 3 an, die im Zusammenhang mit der in 3 beschriebenen Funktionen bzw. Verfahrensschritte auszuführen.
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Gemäß einem erfindungsgemäßen Verfahren zum autonomen Betrieb des Fahrzeugs 1 nach 3 wird in einem ersten Schritt 100 das Umfeld 13 des Fahrzeugs 1 durch die Sensorik 5 überwacht, wobei die Sensorik 5 in einem zweiten Verfahrensschritt 200 aus den detektierten Sensordaten eine Umfelderfassung des Fahrzeugs 1 generiert. Die Prozessoreinheit 3 ist dabei im Stande, in einem dritten Schritt 300 die Spurlinie 6 aus der Umfelderfassung zu erkennen. Werden mehrere Spurlinien 6 erkannt, ist die Prozessoreinheit 3 dazu eingerichtet, in einem vierten Verfahrensschritt 400 gegebenenfalls aus den erkannten Spurlinien eine relevante Spurlinie 6 auszuwählen. In diesem Fall ist die ausgewählte Spurlinie 6 gekrümmt, wobei die Prozessoreinheit 3 dazu eingerichtet ist, die Krümmung der Spurlinie 6 zu ermitteln. Mit anderen Worten kann die Prozessoreinheit 3 mehrere Spurlinien 6 in der Umfelderfassung erkennen und eine oder mehrere der Spurlinien 6 auswählen. Vorliegend erkennt die Prozessoreinheit 3 eine einzige Spurlinie 6 und wählt diese aus. Somit kann der vierte Verfahrensschritt 400, wonach eine Spurlinie 6 aus mehreren Spurlinien ausgewählt wird, da lediglich eine Spurlinie 6 von der Prozessoreinheit 3 erkannt wurde.
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In einem fünften Verfahrensschritt 500 wird basierend auf der ausgewählten Spurlinie 6 mittels der Prozessoreinheit 3 eine Soll-Trajektorie 7 des Fahrzeugs 1 berechnet, anhand derer das Fahrzeug 1 bewegt wird. Auf der Prozessoreinheit 3 ist ein Regler mit einer Regelfunktion hinterlegt, der das Fahrzeug 1 ausgehend von einem Regelpunkt 8 am Fahrzeug 1 auf der zu fahrenden Soll-Trajektorie 7 stabilisiert. Der Regelpunkt kann an einem beliebigen Punkt des Fahrzeugs definiert werden. Anders gesagt ist der Regelpunkt 8 in Längsrichtung L und/oder Querrichtung Q des Fahrzeugs 1 frei wählbar. Im vorliegenden Ausführungsbeispiel liegt der Regelpunkt 8 an der rechten Kante des Anbaugeräts 2 und somit sowohl in Längsrichtung L als auch in Querrichtung Q versetzt
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Basierend auf der berechneten Soll-Trajektorie 7 kann das Fahrzeug 1 vom Regler in der Prozessoreinheit 3 in einem weiteren Verfahrensschritt 600 derart gesteuert werden, dass der Regelpunkt 8 entweder entlang Spurlinie 6 oder in einen beliebigen Abstand parallel zur Spurlinie 6 geführt wird. Vorliegend wird der Regelpunkt 8 entlang der Spurlinie 6 geführt. Mithin ist die Prozessoreinheit 3 dazu eingerichtet, das an das Fahrzeug 1 starr angebaute Anbaugerät 2 basierend auf der ausgewählten Spurlinie 6 und dessen Verlauf in der Umfelderfassung zu steuern. Dazu wird der Prozessoreinheit 3 der Antrieb sowie die Lenkung des Fahrzeugs 1 gesteuert, sodass das Fahrzeug im autonomen Betrieb den Regelpunkt 8 auf der Spurlinie 6 hält. Insbesondere ist die Prozessoreinheit 3 dazu eingerichtet, das Fahrzeug 1 basierend auf einer Krümmung der ausgewählten Spurlinie 6, einem Kursfehler des Fahrzeugs 1, einer Differenz aus einem aus der Umfelderfassung ermittelten seitlichen Abstand der ausgewählten Spurlinie 6 zu dem Fahrzeug 1 einschließlich dessen Anbaugeräten 2 und einem gewünschten Abstand der ausgewählten Spurlinie 6 zu dem Fahrzeug 1 einschließlich dessen Anbaugeräten 2 und/oder einer Anordnung des Anbaugerätes 2 relativ zum Fahrzeug 1 zu steuern. Dabei werden in der Prozessoreinheit 3 fahrzeugspezifische Beschränkungen berücksichtigt, wie beispielsweise ein maximaler Lenkwinkel, eine Beschleunigung, eine Verzögerung, und/oder eine Geschwindigkeit des Fahrzeugs 1. Diese Beschränkungen können als Stellgrößen oder Zustandsbeschränkungen in dem Regler integriert werden. Anders gesagt können in die Ausgangs-Transformation Stellgrößen- und Zustandsbeschränkungen des Fahrzeugs 1 aufgenommen und berücksichtigt werden.
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Die Prozessoreinheit 3 ist ferner dazu eingerichtet, Totzeiten sowie Aktuatordynamiken zu berücksichtigen. Außerdem ist die Prozessoreinheit 3 dazu eingerichtet, zu prüfen, ob die Umfelderfassung wenigstens ein potentielles Kollisionsobjekt abbildet, und das Fahrzeug 1 in einen sicheren Zustand zu überführen oder die Geschwindigkeit des Fahrzeugs 1 zu reduzieren oder eine optische oder akustische Warnung an den Nutzer des Fahrzeugs 1 oder an das Umfeld des Fahrzeugs 1 auszugeben, wenn die Umfelderfassung wenigstens ein potentielles Kollisionsobjekt im Bereich der Soll-Trajektorie 7 und/oder der Spurlinie 6 abbildet.
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Bezugszeichen
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- 1
- Fahrzeug
- 2
- Anbaugerät
- 3
- Prozessoreinheit
- 4
- Schnittstelle
- 5
- Sensorik
- 6
- Spurlinie
- 7
- Soll-Trajektorie
- 8
- Regelpunkt
- 9
- Fahrerassistenzsystem
- 10
- Feld
- 11
- Speichereinheit
- 12
- Kamera
- 13
- Umfeld des Fahrzeugs
- 14
- Kollisionsobjekt
- 100
- Erster Verfahrensschritt
- 200
- Zweiter Verfahrensschritt
- 300
- Dritter Verfahrensschritt
- 400
- Vierter Verfahrensschritt
- 500
- Fünfter Verfahrensschritt
- 600
- Sechster Verfahrensschritt
- L
- Längsrichtung
- Q
- Querrichtung