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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Notfallassistenzsystems für ein Kraftfahrzeug. Ferner betrifft die Erfindung ein Notfallassistenzsystem und ein Kraftfahrzeug.
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Im Bereich der aktiven Sicherheit eines Kraftfahrzeugs sind Fahrerassistenzsysteme bekannt, welche in der Lage sind, Fahraufgaben des Fahrers eines Kraftfahrzeugs wahrzunehmen und teilautomatisierte oder teilautonome Fahrfunktionen auszuführen.
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Allerdings sind diese Fahrassistenzsysteme nicht auf einen teilweisen oder gesamten Ausfall des Fahrers des Kraftfahrzeugs ausgelegt. Ein derartiger Fahrerausfall kann beispielsweise durch eine Übermüdung oder ein plötzlich einsetzendes gesundheitliches Problem des Fahrers bedingt sein. Übermüdung führt oftmals zu einem Sekundenschlaf und damit verbundenem kurzfristigen Verlust der Fahrzeugkontrolle. Unter einem gesundheitlichen Problem wird ein körperliches Unvermögen des Fahrers zum Führen des Kraftfahrzeugs verstanden und kann beispielsweise durch einen plötzlichen Herzinfarkt hervorgerufen werden. Derartige Situationen führen oftmals zu Unfällen, insbesondere wenn das Fahrzeug sich mit einer hohen Geschwindigkeit auf einer Autobahn oder einer autobahnähnlichen Straße bewegt.
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Ein Fahrassistenzsystem ist beispielhaft aus der
DE 10 2012 014 717 A1 bekannt. Während des Betriebes des Fahrzeuges erfolgt eine Überwachung des Zustandes eines Fahrers, wobei eine Erfassung und Auswertung einer physiologischen Zustandsgröße durchgeführt wird und in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung mittels eines Notfallassistenten eine geeignete Maßnahme zur Sicherung des Fahrzeuges und damit des Fahrers eingeleitet wird.
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Nachteilig bei derartigen Fahrassistenzsystemen kann es sein, dass bei erkannten Fahrereingriffen, wie beispielsweise das Ergreifen des Lenkrades oder der Kontakt des Fahrers mit dem Fahrpedal, der Notfallassistent unterdrückt beziehungsweise vollständig abgebrochen wird. Bei einem vorliegenden gesundheitlichen Problem des Fahrers in einer akuten Notfallsituation kann es jedoch vorkommen, dass der Fahrer unbewusste Eingriffe am Fahrzeug vornimmt. Beispielsweise kann es bei einer vorliegenden Ohnmacht mit einem Verkrampfen des Fahrers passieren, dass der Fahrer unbewusst auf das Lenkrad zusammensackt oder das Lenkrad unbewusst ergreift. Weiterhin kann es passieren, dass der Fahrer unbewusst mit dem Fuß das Fahrpedal berührt. Es kann folglich vorkommen, dass derartige unbewusste Bewegungen fälschlicherweise von einem Fahrassistenzsystem missinterpretiert werden und eine akute Notfallsituation und eine einhergehende Fahrunfähigkeit des Fahrers nicht als solche erkannt werden.
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Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die voranstehend beschriebenen Nachteile zumindest teilweise zu beheben. Insbesondere ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, in einfacher Weise ein Verfahren zum Betrieb eines Notfallassistenzsystem für ein Kraftfahrzeug sowie ein Notfallassistenzsystem bereitzustellen, durch die eine Erkennung einer akuten Fahrunfähigkeit des Fahrers eines Kraftfahrzeuges verbessert werden kann.
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Voranstehende Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1, durch ein Notfallassistenzsystem mit den Merkmalen des Anspruchs 10, sowie durch ein Kraftfahrzeug mit den Merkmalen des Anspruchs 11. Weitere Merkmale und Details der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen, der Beschreibung und den Zeichnungen. Dabei gelten Merkmale und Details, die im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Verfahren beschrieben sind, selbstverständlich auch im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Notfallassistenzsystem sowie dem erfindungsgemäßen Kraftfahrzeug und jeweils umgekehrt, sodass bezüglich der Offenbarung zu den einzelnen Erfindungsaspekten stets wechselseitig Bezug genommen wird beziehungsweise werden kann.
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Gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung wird die Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Betreiben eines Notfallassistenzsystems für ein Kraftfahrzeug mittels einer Steuervorrichtung, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
- - Erfassung eines physiologischen Zustandes eines Fahrers des Kraftfahrzeuges mittels einer Erfassungseinheit;
- - Auswertung des physiologischen Zustandes des Fahrers zur Erkennung einer Notfallsituation mittels einer Auswerteeinheit;
- - Aktivierung des Notfallassistenzsystems in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung mittels einer Aktivierungseinheit;
In Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung und vor der Aktivierung des Notfallassistenzsystems erfolgt mittels einer Verstelleinheit eine Verstellung wenigstens einer Fahrzeugkomponente zur Beeinflussung des physiologischen Zustands des Fahrers.
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Durch das erfindungsgemäße Erfassen eines physiologischen Zustandes eines Fahrers des Kraftfahrzeuges und einer entsprechenden Auswertung der erfassten Daten beziehungsweise des erfassten physiologischen Zustandes, kann der Zustand des Fahrers kontinuierlich überwacht werden. Aufgrund der Auswertung des erfassten physiologischen Zustandes kann auf eine wahrscheinlich auftretende Fahrunfähigkeit des Fahrers beziehungsweise eine Notfallsituation geschlossen werden. Mittels einer Notfallsituation wird im Rahmen der Anmeldung eine mit großer Wahrscheinlichkeit unfallauslösende Situation bezeichnet. Diese kann beispielsweise aufgrund von gesundheitlichen Problemen des Fahrers, wie beispielsweise akute Herz- oder Kreislaufprobleme, oder einer Müdigkeit mit Sekundenschlaf entstehen.
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Wenn in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung auf eine Notfallsituation geschlossen werden kann, wird vorzugsweise das Notfallassistenzsystem mittels einer Aktivierungseinheit aktiviert. Das Kraftfahrzeug kann mittels des Notfallassistenzsystems in einen sicheren Zustand überführt und eine Unfallgefahr signifikant reduziert werden.
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Im Rahmen der Anmeldung wird mittels der Fahrzeugkomponente jene Fahrzeugkomponente umfasst, welche einen direkten Bezug zu dem Fahrer aufweist. Mit anderen Worten werden hierbei den Fahrer beeinflussende beziehungsweise fahrerbezogene Fahrzeugkomponenten bezeichnet, wie beispielsweise der Fahrersitz oder eine Kopflehne oder ein Sitzgurt. Insbesondere kann der Fahrer mit der Fahrzeugkomponente während des Betriebes des Kraftfahrzeuges in einem direkten Kontakt stehen. Eine weitere fahrerbezogene Fahrzeugkomponente kann das/die Fahrzeugverhalten/-reaktion sein. Der Fahrer betätigt das Fahrpedal konstant, d. h., es stellt sich eine konstante Geschwindigkeit ein. Wird eine Fahrunfähigkeit vermutet, könnte die Antriebsleistung kontinuierlich reduziert werden. Ist der Fahrer noch fahrfähig, wird er den Leistungsverlust kompensieren. Wird der Leistungsverlust nicht kompensiert, kann von einem bewusstlosen Fahrer ausgegangen werden. Für den Fall, dass der Fahrer bewusstlos ist, fallen die Hände vom Lenkrad, der Gasfuß liegt konstant auf dem Fahrpedal. Die Hände von Lenkrad suggerieren eine Fahrunfähigkeit, sodass die Motorleistung reduziert wird. Erfolgt keine Fahrerreaktion wird ein Notfallsystem ausgelöst.
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Die Erfindung hat hierbei den Vorteil, dass in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung und vor der Aktivierung des Notfallassistenzsystems eine Verstellung wenigstens einer Fahrzeugkomponente zur Beeinflussung des physiologischen Zustands des Fahrers erfolgt. Dabei ist zu verstehen, dass die Verstellung der Fahrzeugkomponente zeitlich gesehen vor der Aktivierung des Notfallassistenzsystems erfolgt. Mit anderen Worten wird die Verstellung der Fahrzeugkomponente als eine reversible Maßnahme durchgeführt, um die Erkennung einer Notfallsituation zu verbessern. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass, sollte der Fahrer noch in einem fahrfähigen Zustand sein, der Fahrer durch die Verstellung der Fahrzeugkomponente motiviert wird, anders beziehungsweise deutlicher in die Fahrzeugführung einzugreifen. Eine Missinterpretation einer vorliegenden Notfallsituation kann daher verhindert werden. Beispielsweise kann, im Fall einer erfassten und ausgewerteten Müdigkeit des Fahrers durch eine Verstellung des Sitzes, der Fahrer aufgeweckt beziehungsweise in einen aufmerksamen, wachen Zustand versetzt werden. Eine Aktivierung des Notfallassistenzsystems muss daher nicht zwangsweise erfolgen, wenn der Fahrer wieder aktiv in die Fahrzeugsteuerung eingreift. In einem anderen Fall, in dem der Fahrer durch die beispielhafte Verstellung des Sitzes nicht in einen erneuten fahrfähigen Zustand überführt werden kann, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass eine Notfallsituation vorliegt. Dementsprechend wird die Aktivierung des Notfallassistenzsystems eingeleitet. Die erfindungsgemäße Verstellung der Fahrzeugkomponente kann demnach signifikant die Detektion der Fahrunfähigkeit des Fahrers verbessern.
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In einer bevorzugten Ausführungsform ist vorgesehen, dass zur Verstellung der Fahrzeugkomponente eine Verstellung der Position eines Fahrersitzes und/oder einer Sitzneigung und/oder einer Kopflehne des Fahrersitzes und/oder eines Gurtes des Fahrersitzes und/oder eine Aktivierung einer Heizung oder Belüftung des Fahrersitzes und/oder eine Aktivierung einer Vibration im Fahrersitz und/oder eine Verstellung eines Lenkrades des Kraftfahrzeuges erfolgt. Beispielsweise kann der Fahrersitz nach vorne oder hinten sowie nach oben oder unten relativ zum Fahrzeug verschoben werden. Dabei kann vorzugsweise erreicht werden, durch die Sitzverstellung den Fahrer von dem Lenkrad und/oder dem Fahrpedal fortzubewegen. Sollte der Fahrer noch fahrfähig sein, kann der Fahrer durch die Veränderung der Sitzposition motiviert werden, anders oder deutlicher in die Fahrzeugführung einzugreifen. Vorteilhafterweise kann jegliche Fahrzeugkomponente verstellt werden, welche eine Beeinflussung eines physiologischen Zustandes des Fahrers erzeugt. Ebenso ist es denkbar, dass minimale Bremsrucke erfolgen, sodass der Fahrer in einen aufmerksamen Zustand versetzt wird. Beispielsweise hat die Verstellung des Lenkrades beziehungsweise des Fahrersitzes den Vorteil, dass der Fahrer von der aktiven Steuerung der Richtung und Geschwindigkeit des Kraftfahrzeuges wegbewegt wird. Es kann daher in einer Notfallsituation ein versehentlicher falscher Eingriff des fahrunfähigen Fahrers in die Steuerung des Kraftfahrzeuges verhindert werden. Tritt eine Notfallsituation ein, kann ferner die Motorleistung reduziert werden. Erfolgt keine Fahrerreaktion wird ein Notfallsystem ausgelöst.
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Vorzugsweise ist es denkbar, dass wenigstens zwei verschiedene Fahrzeugkomponenten gleichzeitig oder in einem zeitlichen Abstand voneinander verstellt werden. Mittels der Verstellung von zwei oder mehr Fahrzeugkomponenten kann eine Reaktion des Fahrers noch wahrscheinlicher ermöglicht und der Fahrer generell noch stärker motiviert werden, aktiver und deutlicher in die Fahrzeugführung einzugreifen. Dadurch kann eine vorliegende Fahrunfähigkeit des Fahrers noch besser und zweifelsfreier erkannt werden. Insbesondere kann die Sitzposition des Fahrers durch eine Verstellung des Fahrersitzes und der Sitzneigung beeinflusst werden. Der zeitliche Abstand zur Verstellung der Fahrzeugkomponenten kann beispielhaft wenige Sekunden betragen.
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Weiterhin ist vorteilhafterweise vorgesehen, dass die Verstellung der Fahrzeugkomponenten wiederholt in regelmäßigen oder unregelmäßigen, zeitlichen Abständen durchgeführt wird. Beispielsweise kann eine Verstellung des Fahrersitzes auch auf Probe erfolgen, um weitere Indizien für eine Fahrunfähigkeit des Fahrers zu erhalten. Dies kann insbesondere auch unabhängig von dem Erfassen und Auswerten des physiologischen Zustandes des Fahrers zum Erkennen einer Notfallsituation erfolgen. Sollte beispielsweise eine auftretende Müdigkeit des Fahrers vorliegen, welche mit einer dementsprechenden verminderten Fahrfähigkeit einhergeht, kann durch ein wiederholtes Verstellen der Fahrzeugkomponenten, der Fahrer kontinuierlich motiviert werden, aufmerksamer in die Fahrzeugführung einzugreifen. Vorzugsweise können die regelmäßigen oder unregelmäßigen Zeitabstände ein Zeitintervall von wenigen Sekunden bis Minuten umfassen.
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Besonders bevorzugt ist vorgesehen, dass anschließend an die Verstellung der Fahrzeugkomponenten wiederholt der physiologische Zustand des Fahrers erfasst und ausgewertet wird, um eine Fahrunfähigkeit des Fahrers zu erkennen. Daher können die Verfahrensschritte kontinuierlich in oben beschriebener Reihenfolge wiederholt werden. Es ist demnach ein permanentes Erfassen und Auswerten sowie eine Verstellung einer Fahrzeugkomponente möglich. Beispielsweise kann nach der ersten Durchführung des Erfassens, Auswertens und der Verstellung der Fahrzeugkomponente eine erste Wiederholung des Erfassens, Auswertens durchgeführt werden, um eine Fahrunfähigkeit des Fahrers mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu erkennen. Die Wiederholung des Erfassens und Auswertens kann dabei beliebig oft durchgeführt werden.
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Weiterhin ist es denkbar, dass die Erfassung des physiologischen Zustandes des Fahrers mittels eines Kamerasystems und/oder Sensoren zur Ermittlung eines Fahrerkontaktes zum Lenkrad und/oder den Fahrpedalen und/oder Sensoren zur Ermittlung eines Bewegungsprofils oder Verhaltensweise des Fahrers und/oder Sensoren zur Ermittlung einer Herzfrequenz des Fahrers erfolgt. Insbesondere kann das Kamerasystem mehrere Kameras umfassen, welche beispielsweise im Innenraum des Kraftfahrzeuges angeordnet sind. Mittels eines Kamerasystems kann beispielhaft erfasst werden, ob das Augenlid des Fahrers, insbesondere über einen vorbestimmten Zeitraum, geschlossen ist und eine Müdigkeit des Fahrers vorliegt. Weiterhin kann mittels des Kamerasystems eine Lidbewegung beziehungsweise eine Häufigkeit der Lidbewegung erfasst werden, um Rückschlüsse auf eine Fahrunfähigkeit des Fahrers zu ziehen. Weiterhin können optische und/oder Bewegungssensoren vorgesehen sein, um zu ermitteln, ob der Fahrer aufgrund einer Fahrunfähigkeit den Kontakt zu dem Lenkrad und/oder den Fahrpedalen verloren hat. Ebenso ist denkbar, dass über eine kapazitive Messung der Abstand der Hände zum Lenkrad bestimmt wird. Hierzu können ein oder mehrere kapazitive Sensoren vorgesehen sein. Demnach können Rückschlüsse gezogen werden, ob sich der Fahrer aufgrund eines gesundheitlichen Problems nicht mehr bewegen kann oder eingeschlafen ist. Besonders bevorzugt können die Sensoren zur Ermittlung einer Herzfrequenz auch als Pulsmesseinheit ausgebildet sein. Ebenso kann die Ermittlung einer Herzfrequenz über sogenannte Wearables (z. B. Smartwatches oder andere derartig spezialisierte Geräte) erfolgen, die mit dem Fahrzeug datenkommunizierend verbunden sind. Das voranstehend beschriebene Kamerasystem kann dabei beliebig mit einem oder mehreren Sensoren kombiniert werden. Insgesamt lässt sich mittels der voranstehend beschriebenen Sensoren der physiologische Zustand des Fahrers zuverlässiger und präziser bestimmen.
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Vorzugsweise kann vorgesehen sein, dass die Auswertung mittels eines Soll-Istwert Abgleichs erfolgt, wobei der Istwert basierend auf den erfassten Messsignalen hinsichtlich des physiologischen Zustandes des Fahrers ermittelt wird und der Sollwert eine, insbesondere fahrerspezifische, definierbare Größe darstellt. Der Istwert beschreibt daher mit anderen Worten den aktuellen physiologischen Zustand des Fahrers. Der Istwert kann dabei einen gemessenen physiologischen Zustand des Fahrers, wie beispielsweise halb geschlossene Augen oder einen seitlich geneigten Kopf mit Bezug auf die Kopflehne oder eine schwache Griffkraft am Lenkrad, darstellen. Der Sollwert beschreibt eine Art kritischen Grenzwert, welcher nicht überschritten beziehungsweise erreicht werden darf, wie beispielsweise vollständig geschlossene Augen oder eine fehlende Griffkraft beziehungsweise einen nicht vorhandenen Kontakt zum Lenkrad. Der Istwert wird vorzugsweise in der Auswerteeinheit mit dem Sollwert verglichen. Der Vergleich zwischen Istwert und Sollwert kann beispielsweise über eine Differenzbildung erfolgen. Der gewonnene Vergleichswert kann innerhalb der Auswerteeinheit verwendet werden, um eine Notfallsituation zu erkennen und in Abhängigkeit von dem Ergebnis beziehungsweise dem Erkennen der Notfallsituation das Notfallassistenzsystem zu aktivieren.
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In einer weiteren Ausführungsform ist es denkbar, dass die Aktivierung des Notfallassistenzsystems eingeleitet wird, wenn eine Abweichung zwischen Sollwert und Istwert, welche insbesondere mittels einer Differenzbildung ermittelt wird, eine vorbestimmte Größe überschreitet. Beispielsweise kann mittels Sensoren die Griffkraft des Fahrers am Lenkrad oder die Trittkraft des Fahrers am Fahrpedal in Newton bestimmt werden. Der Istwert kann dabei die aktuell erfasste Griffkraft oder Trittkraft des Fahrers darstellen. Der Sollwert als kritischer Grenzwert kann beispielhaft eine Griffkraft oder Trittkraft der Größe Null Newton darstellen. Dies bezeichnet den Fall, in dem der Fahrer den Kontakt zu dem Lenkrad beziehungsweise Fahrpedal aufgrund eines gesundheitlichen Problems verloren hat. Insbesondere kann eine Abweichung zwischen dem Sollwert und Istwert beispielsweise wenige Newton betragen. Wenn der Fahrer nur noch mit einer geringen Griffkraft das Lenkrad festhält, ist beispielsweise davon auszugehen, dass ein mögliches gesundheitliches Problem vorliegt. Insbesondere kann die Abweichung zwischen Sollwert und Istwert mit einer zeitlichen Abhängigkeit beschrieben werden.
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Besonders bevorzugt ist vorgesehen, dass zur Aktivierung des Notfallassistenzsystems eine Ausgabe eines, insbesondere akustischen, Warnsignals und/oder eine autonome Steuerung des Kraftfahrzeuges und/oder eine Überführung des Kraftfahrzeuges in einen sicheren Zustand erfolgt. Das Warnsignal kann weiterhin beispielsweise optisch oder haptisch erfolgen. Dem Fahrer kann demnach eine Warnung vor einer Notfallsituation angezeigt werden. Mittels der autonomen Steuerung des Kraftfahrzeugs fährt das Kraftfahrzeug selbständig, ohne eine Notwendigkeit des Eingreifens durch den Fahrer. Vorzugsweise wird mittels der Aktivierung des Notfallassistenzsystems die Steuerung des Kraftfahrzeuges zumindest teilweise, insbesondere vollständig übernommen. Die Überführung in einen sicheren Zustand des Kraftfahrzeuges kann beispielsweise die Steuerung des Kraftfahrzeuges an einen Seitenrand einer Straße oder die Steuerung des Fahrzeuges an einen sicheren Ort, wie beispielsweise einen Parkplatz, umfassen.
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Gemäß einem zweiten Aspekt der Erfindung wird die Aufgabe gelöst durch ein Notfallassistenzsystem für ein Kraftfahrzeug, aufweisend eine Steuervorrichtung, welche eine Erfassungseinheit, eine Auswerteeinheit, eine Aktivierungseinheit, eine Verstelleinheit und eine Speichereinheit umfasst, wobei in der Speichereinheit ein Programm abgelegt ist, wodurch bei zumindest teilweiser Ausführung ein Verfahren nach einem der vorhergehenden Ausführungsformen ausführbar ist. Damit bringt das erfindungsgemäße Notfallassistenzsystem die gleichen Vorteile mit sich, wie sie ausführlich mit Bezug auf ein erfindungsgemäßes Verfahren beschrieben worden sind. Zudem kann das Notfallassistenzsystem geeignet sein, gemäß einem erfindungsgemäßen Verfahren betrieben zu werden. Auch ist in Ausführungsformen vorgesehen, dass die Steuervorrichtung eine Speichereinheit umfasst und in der Speichereinheit ein Programm abgelegt ist, welches bei zumindest teilweiser Ausführung in der Steuervorrichtung, insbesondere wenigstens einzelner Schritte, ein erfindungsgemäßes Verfahren mit Merkmalen oder Merkmalskombinationen gemäß dieser Darstellung durchführt.
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Gemäß einem dritten Aspekt der Erfindung wird die Aufgabe gelöst durch ein Kraftfahrzeug mit einem Notfallassistenzsystem, wobei das Notfallassistenzsystem nach der vorhergehenden Ausführungsform ausgebildet ist.
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Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung, in der, unter Bezugnahme auf die Zeichnungen, Ausführungsbeispiele der Erfindung im Einzelnen beschrieben sind. Dabei können die in den Ansprüchen und in der Beschreibung erwähnten Merkmale jeweils einzeln für sich oder in beliebiger Kombination erfindungswesentlich sein. Die Erläuterung der Ausführungsformen beschreibt die vorliegende Erfindung ausschließlich im Rahmen von Beispielen. Selbstverständlich können einzelne Merkmale der Ausführungsformen, sofern technisch sinnvoll, frei miteinander kombiniert werden, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen. Elemente mit gleicher Funktion und Wirkungsweise sind in den Figuren mit denselben Bezugszeichen versehen. Darin zeigen:
- 1 eine schematische Ansicht eines erfindungsgemäßen Verfahren nach einem ersten Ausführungsbeispiel;
- 2 eine schematische Ansicht eines erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs mit einem Notfallassistenzsystem nach einem weiteren Ausführungsbeispiel.
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1 zeigt eine schematische Ansicht eines erfindungsgemäßen Verfahrens nach einem ersten Ausführungsbeispiel. Dabei werden mehrere Verfahrensschritte gezeigt, welche jedoch in einer beliebigen Reihenfolge und mit beliebigen Wiederholungen, wenn technisch sinnvoll, durchgeführt werden können.
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Beispielhaft erfolgt zunächst eine Erfassung 30 eines physiologischen Zustandes eines Fahrers eines Kraftfahrzeuges. Die Erfassung 30 wird mittels einer Erfassungseinheit durchgeführt. Beispielsweise erfolgt die Erfassung des physiologischen Zustandes des Fahrers mittels eines Kamerasystems. Insbesondere kann das Kamerasystem mehrere Kameras umfassen, welche im Innenraum des Kraftfahrzeuges angeordnet sind. Mittels des Kamerasystems als Erfassungseinheit kann erfasst werden, ob das Augenlid des Fahrers, insbesondere über einen vorbestimmten Zeitraum, geschlossen ist und eine Müdigkeit des Fahrers vorliegt. Weiterhin kann mittels des Kamerasystems eine Lidbewegung beziehungsweise eine Häufigkeit der Lidbewegung erfasst werden, um Rückschlüsse auf eine Fahrunfähigkeit des Fahrers zu ziehen. Weiterhin kann erfasst werden, ob der Fahrer aufgrund einer Fahrunfähigkeit den Kontakt zu dem Lenkrad und/oder den Fahrpedalen verloren hat. Demnach können Rückschlüsse gezogen werden, ob sich der Fahrer aufgrund eines gesundheitlichen Problems nicht mehr bewegen kann oder eingeschlafen ist.
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Nach der Erfassung 30 erfolgt eine Auswertung 31 des physiologischen Zustandes des Fahrers zur Erkennung einer Notfallsituation. Die Auswertung 31 wird mittels einer Auswerteeinheit durchgeführt. Dabei ist beispielhaft vorgesehen, dass die Auswertung 31 mittels eines Soll-Istwert Abgleichs erfolgt, wobei der Istwert basierend auf den erfassten Messsignalen hinsichtlich des physiologischen Zustandes des Fahrers bei der Erfassung 31 ermittelt wird, und der Sollwert eine, insbesondere fahrerspezifische, definierbare Größe darstellt. Der Istwert beschreibt daher mit anderen Worten den aktuellen physiologischen Zustand des Fahrers. Der Istwert kann dabei einen gemessenen physiologischen Zustand des Fahrers, wie beispielsweise halb geschlossene Augen oder einen seitlich geneigten Kopf mit Bezug auf die Kopflehne darstellen. Der Sollwert beschreibt eine Art kritischen Grenzwert, welcher nicht überschritten beziehungsweise erreicht werden darf, wie beispielsweise vollständig geschlossene Augen. Der Istwert wird in der Auswerteeinheit mit dem Sollwert verglichen. Der Vergleich zwischen Istwert und Sollwert kann beispielsweise über eine Differenzbildung erfolgen. Der gewonnene Vergleichswert kann innerhalb der Auswerteeinheit verwendet werden, um eine Notfallsituation beziehungsweise Fahrunfähigkeit des Fahrers zu erkennen.
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Nach der Auswertung 31 erfolgt in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung 31 und vor der Aktivierung 33 des Notfallassistenzsystems mittels einer Verstelleinheit eine Verstellung 32 von einer ersten und einer zweiten Fahrzeugkomponente 32a, 32b zur Beeinflussung des physiologischen Zustands des Fahrers. Für die Verstellung der ersten Fahrzeugkomponente 32a erfolgt eine Verstellung der Position eines Fahrersitzes. Beispielsweise kann der Fahrersitz nach vorne oder hinten sowie nach oben oder unten relativ zum Fahrzeug verschoben werden. Anschließend erfolgt für die Verstellung der zweiten Fahrzeugkomponente 32b eine Verstellung der Sitzneigung des Fahrersitzes.
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Durch die Verstellung 32 des Fahrersitzes kann vorteilhafterweise erreicht werden, den Fahrer von dem Lenkrad und/oder dem Fahrpedal fortzubewegen. Sollte der Fahrer noch fahrfähig sein, kann der Fahrer durch die Verstellung 32 des Fahrersitzes motiviert werden, anders oder deutlicher in die Fahrzeugführung einzugreifen. Andernfalls hat die Verstellung 32 des Fahrersitzes den Vorteil, dass der Fahrer von der aktiven Steuerung der Richtung und Geschwindigkeit des Kraftfahrzeuges wegbewegt wird. Es kann daher in einer Notfallsituation ein versehentlicher falscher Eingriff des fahrunfähigen Fahrers in die Steuerung des Kraftfahrzeuges verhindert werden.
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Die Verstellung 32 der ersten und zweiten Fahrzeugkomponente 32a, 32b erfolgt zeitlich gesehen nacheinander. Der zeitliche Abstand zur Verstellung 32 der Fahrzeugkomponenten kann beispielhaft wenige Sekunden betragen. Mittels der Verstellung 32 von zwei Fahrzeugkomponenten kann eine Reaktion des Fahrers noch wahrscheinlicher ermöglicht und der Fahrer generell noch stärker motiviert werden, aktiver und deutlicher in die Fahrzeugführung einzugreifen. Dadurch kann eine vorliegende Fahrunfähigkeit des Fahrers noch besser und zweifelsfreier erkannt werden.
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Anschließend auf die Verstellung 32 der ersten und zweiten Fahrzeugkomponente 32a, 32b erfolgt basierend auf dem Ergebnis der Auswertung 31 eine Aktivierung 33 des Notfallassistenzsystems. Die Aktivierung 33 erfolgt mittels einer Aktivierungseinheit. Wie in 1 dargestellt ist, können die Schritte 30 bis 32b nochmals wiederholt vor der Aktivierung 33 durchgeführt werden. Die erfindungsgemäße Verstellung 32 der Fahrzeugkomponenten kann dabei signifikant die Detektion der Fahrunfähigkeit des Fahrers und damit das Erkennen einer Notfallsituation zur notwendigen Aktivierung 33 des Notfallassistenzsystems verbessern.
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2 zeigt eine schematische Ansicht eines erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs 10 mit einem Notfallassistenzsystem 20 nach einem weiteren Ausführungsbeispiel. Das Notfallassistenzsystem 20 weist eine Steuervorrichtung 1, eine Erfassungseinheit 2, eine Auswerteeinheit 3, eine Aktivierungseinheit 4, eine Verstelleinheit 5 und eine Speichereinheit 6 auf. Beispielhaft sind die Auswerteeinheit 3, die Aktivierungseinheit 4 und die Speichereinheit 6 innerhalb der Steuervorrichtung 1 integriert. Die einzelnen Komponenten können aber auch unabhängig von der Steuervorrichtung 1 innerhalb des Kraftfahrzeuges 10 angeordnet sein. Vorteilhafterweise sind die Einheiten mit der Steuervorrichtung 1 über Kabel oder alternativ kabellos verbunden. Dadurch ist sichergestellt, dass eine Kommunikation zwischen den einzelnen Einheiten und der Steuervorrichtung 1, insbesondere bidirektional, erfolgen kann.
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In der Speichereinheit 6 ist ein Programm abgelegt, wodurch bei zumindest teilweiser Ausführung beispielsweise das Verfahren gemäß 1 ausgeführt werden kann. Das Verfahren ist im Detail in 1 beschrieben.
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Die Erfassungseinheit 2 ist beispielhaft als Kamerasystem ausgebildet und im oberen Fahrzeugbereich in der Nähe der Windschutzscheibe angeordnet. Dabei ist das Kamerasystem dafür geeignet, insbesondere den Kopfbereich des Fahrers des Kraftfahrzeuges 10 zu überwachen. Mittels des Kamerasystems als Erfassungseinheit 2 kann beispielsweise erfasst werden, ob das Augenlid des Fahrers, insbesondere über einen vorbestimmten Zeitraum, geschlossen ist und eine Müdigkeit des Fahrers vorliegt. Dadurch kann mittels der Erfassungseinheit 2 ein physiologischer Zustand des Fahrers erfasst werden. Herzfrequenz Der physiologische Zustand, beispielsweise die Herzfrequenz, des Fahrers kann über sogenannte Wearables, wie Smartwatches, bestimmte werden, die mit dem Fahrzeug datenkommunizierend verbunden sind.
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Nach der Erfassung des physiologischen Zustandes erfolgt mittels der Auswerteeinheit 3 eine Auswertung des physiologischen Zustandes des Fahrers zur Erkennung einer Notfallsituation beziehungsweise Fahrunfähigkeit des Fahrers.
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Nach der Auswertung erfolgt in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung 31 und vor der Aktivierung 33 des Notfallassistenzsystems mittels einer Verstelleinheit eine Verstellung 32 von einer ersten und einer zweiten Fahrzeugkomponente 32a, 32b zur Beeinflussung des physiologischen Zustands des Fahrers. Für die Verstellung der ersten Fahrzeugkomponente 32a erfolgt eine Verstellung der Position eines Fahrersitzes. Durch die Verstellung 32 des Fahrersitzes kann vorteilhafterweise erreicht werden, den Fahrer von dem Lenkrad und/oder dem Fahrpedal fortzubewegen. Sollte der Fahrer noch fahrfähig sein, kann der Fahrer durch die Verstellung des Fahrersitzes motiviert werden, anders oder deutlicher in die Fahrzeugführung einzugreifen. Andernfalls hat die Verstellung des Fahrersitzes den Vorteil, dass der Fahrer von der aktiven Steuerung der Richtung und Geschwindigkeit des Kraftfahrzeuges wegbewegt wird. Es kann daher in einer Notfallsituation ein versehentlicher falscher Eingriff des fahrunfähigen Fahrers in die Steuerung des Kraftfahrzeuges verhindert werden.
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Anschließend auf die Verstellung 32 der ersten und zweiten Fahrzeugkomponente 32a, 32b erfolgt basierend auf dem Ergebnis der Auswertung 31 eine Aktivierung 33 des Notfallassistenzsystems 20 mittels einer Aktivierungseinheit 4. Mittels des aktivierten Notfallassistenzsystems 20 kann das Kraftfahrzeug 10 in einen sicheren Zustand überführt werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Steuervorrichtung
- 2
- Erfassungseinheit
- 3
- Auswerteeinheit
- 4
- Aktivierungseinheit
- 5
- Verstelleinheit
- 6
- Speichereinheit
- 10
- Kraftfahrzeug
- 20
- Notfallassistenzsystem
- 30
- Erfassung
- 31
- Auswertung
- 32
- Verstellung
- 32a
- Verstellung Fahrzeugkomponente 1
- 32b
- Verstellung Fahrzeugkomponente 2
- 33
- Aktivierung
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102012014717 A1 [0004]