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Die Erfindung betrifft ein Verfahren sowie ein Radarsystem zur Bestimmung des Bewegungsvektors eines Fahrzeugs, d.h. der Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit eines Fahrzeugs entlang dieser Bewegungsrichtung.
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Aus dem Stand der Technik sind Radarsysteme bekannt, die basierend auf dem Dopplereffekt eine Geschwindigkeitskomponente des erfassten, bewegten Objekts bestimmen können. Wird beispielsweise ein in radialer Richtung auf den Radarsensor zufahrendes Objekt erfasst, entspricht die erfasste Geschwindigkeitskomponente der tatsächlichen Geschwindigkeit des Objekts. Bewegt sich jedoch das erfasste Objekt nicht in radialer Richtung auf das Objekt zu, sondern beispielsweise quer zu einer Radialrichtung des Radarsensors, kann lediglich die radiale Geschwindigkeitskomponente erfasst werden, die aber nicht der tatsächlichen Geschwindigkeit des Objekts entspricht. Damit wird ein zumindest hinsichtlich des Betrags falscher Bewegungsvektor detektiert.
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Aus der
DE 10 2010 015 723 A1 ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Erfassen einer Bewegung eines Straßenfahrzeugs bekannt. Ferner beschreibt
US 4 369 444 A ein Messsystem zur Bestimmung einer vertikalen Geschwindigkeit anhand einer Doppelverschiebung, wobei eine Mehrwegausbreitung des reflektierten Signals erfolgt.
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Ausgehend hiervon ist es Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Bestimmung der Bewegungsrichtung eines Objekts bzw. der Geschwindigkeit des Objekts entlang dieser Bewegungsrichtung anzugeben, das auch bei einer von der radialen Richtung abweichenden Bewegung des Objekts eine exakte Bestimmung der Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit entlang dieser Bewegungsrichtung ermöglicht.
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Die Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des unabhängigen Patentanspruchs 1 gelöst. Bevorzugte Ausführungsformen sind Gegenstand der Unteransprüche. Ein Radarsystem ist Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 15 und ein Fahrzeug mit einem solchen Radarsystem ist Gegenstand des Patentanspruchs 16.
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Gemäß einem ersten Aspekt bezieht sich die Erfindung auf ein Verfahren zur Bestimmung des Bewegungsvektors eines Objekts, das sich im Umgebungsbereich eines Fahrzeugs befindet. Das Verfahren umfasst dabei folgende Schritte:
- Zunächst werden Umgebungsinformationen bereitgestellt, die Informationen zu Umgebungsobjekten im Umgebungsbereich des Fahrzeugs enthalten. Derartige Umgebungsobjekte können beispielsweise Häuser, Bordsteinkanten, Leitplanken etc. sein. Die Umgebungsinformationen können als Daten in einer Speichereinheit abgespeichert sein, beispielsweise in Form zumindest einer Karte oder zumindest eines Umfeldmodells. Alternativ oder zusätzlich ist es möglich, die Umgebungsinformationen durch dafür geeignete Sensoren zu gewinnen, beispielsweise durch Radarsensoren, Kameras, Lidar-Sensoren etc. Auch beliebige Kombinationen von derartigen Daten bzw. Informationen sind grundsätzlich denkbar, beispielsweise Kartendaten, die durch Sensorinformationen ergänzt werden.
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In einem weiteren Schritt werden mehrere an dem Objekt rückreflektierte Radarsignalanteile an zumindest einem Radarsensor des Fahrzeugs empfangen. Diese rückreflektierten Radarsignalanteile resultieren aus Radarsignalen, die durch den Radarsensor emittiert wurden, um basierend auf den rückreflektierten Radarsignalanteilen ein oder mehrere Objekte in der Umgebung des Radarsensors bzw. des Fahrzeugs erfassen zu können.
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In einem weiteren Schritt wird ein Strahlverfolgungsverfahren basierend auf den Umgebungsinformationen durchgeführt. Ein derartiges Strahlverfolgungsverfahren ist auch unter dem Begriff Ray-Tracing bekannt. Das Strahlverfolgungsverfahren beruht beispielsweise auf einem Algorithmus, bei dem zur Verdeckungsberechnung, also zur Ermittlung der Sichtbarkeit von Objekten von einem bestimmten Punkt im Raum aus virtuelle Strahlengänge berechnet werden, die angeben, wie sich am Ort des Radarsensors ausgesandte Strahlen in dem durch die Umgebungsinformationen definierten Raum ausbreiten.
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Anschließend wird zumindest ein mehrfach reflektierter Radarsignalanteil bestimmt, der aufgrund einer Reflexion an dem Objekt und zumindest einer weiteren Reflektion des Radarsignals an einem Umgebungsobjekt an dem Radarsensor des Fahrzeugs empfangen wurde. Diese Bestimmung des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils erfolgt unter Nutzung der Informationen, die mittels des Strahlverfolgungsverfahrens ermittelt wurden.
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Im Folgenden wird der Ausbreitungsweg des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils basierend auf den Umgebungsinformationen ermittelt. Insbesondere wird die Ausbreitungsrichtung (d.h. die Lage in einer Ebene bzw. im 3D-Raum) des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils in dem geradlinigen Teilabschnitt des Ausbreitungswegs ermittelt, der zwischen dem Objekt und dem Umgebungsobjekt, an dem die weitere Reflexion auftritt, verläuft.
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Zuletzt wird der Bewegungsvektor des Objekts basierend auf dem zumindest einen mehrfach reflektierten Radarsignalanteil und dem Ausbreitungsweg des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils ermittelt.
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Der wesentliche Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, dass es unter Zuhilfenahme der Umgebungsinformationen und den durch das Strahlverfolgungsverfahren ermittelten Informationen möglich wird, Mehrfachreflexionen zu erkennen und deren Ausbreitungsweg nachzuvollziehen, so dass die in den Mehrfachreflexionen enthaltenen Informationen dazu verwendet werden können, den Bewegungsvektor des Objekts mit einer höheren Genauigkeit bestimmen zu können.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird der Bewegungsvektor des Objekts durch Bestimmung des zwischen Objekt und Umgebungsobjekt verlaufenden Teilabschnitts des Ausbreitungsweges und Auswertung von Dopplerinformationen des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils bestimmt. Insbesondere werden die im mehrfach reflektierten Radarsignalanteil enthaltenen Dopplerinformationen herangezogen, um zumindest eine weitere Geschwindigkeitsinformation des Objekts und damit den Betrag des Geschwindigkeitsvektors zu erhalten. Die Richtung des Geschwindigkeitsvektors wird aus dem ermittelten Ausbreitungsweg, insbesondere dem geradlinigen Teilabschnitt des Ausbreitungswegs, der zwischen dem Objekt und dem Umgebungsobjekt, an dem die weitere Reflexion auftritt, verläuft, erhalten.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird zur Bestimmung des Bewegungsvektors zudem ein am Objekt reflektierter Radarsignalanteil verwendet, der ohne Mehrfachreflexion an dem Radarsensor des Fahrzeugs empfangen wurde. Dieser direkt reflektierte Radarsignalanteil liefert eine weitere Information hinsichtlich Betrag und Richtung des Bewegungsvektors des Objekts, so dass durch die Kombination von Informationen, die aus dem zumindest einen mehrfach reflektierten Radarsignalanteil und dem direkt reflektierten Radarsignalanteil erhalten wurden, der Geschwindigkeitsvektor des Objekts mit Betrag und Richtung bestimmbar ist.
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Alternativ kann die Bestimmung des Bewegungsvektors basierend auf zumindest zwei mehrfach reflektierten Radarsignalanteilen erfolgen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel werden basierend auf den durch die Durchführung des Strahlverfolgungsverfahrens erhaltenen Informationen Radarsignalanteile als Geisterinformationen erkannt und einem real existierenden Objekt zugeordnet. Dadurch ist es möglich, detektierte Geisterobjekte, die aus mehrfach reflektierten, empfangenen Radarsignalanteilen resultieren, nicht zu verwerfen, sondern aufgrund der Informationen aus dem Strahlverfolgungsverfahren einem real existierenden Objekt zuzuweisen, das örtlich an einer anderen Position vorhanden ist. Dabei können zur Erkennung von Geisterobjekten beispielsweise auch aus dem Stand der Technik bekannte, weitere Algorithmen unterstützend angewendet werden.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel erfolgt die Zuordnung der mehrfach reflektierten Radarsignalanteile zu einem real existierenden Objekt durch geometrische Auswertung zumindest eines Strahlengangs, der an zumindest einem Umgebungsobjekt reflektiert wurde. So wird beispielsweise bei der Zuordnung geprüft, ob ein rückreflektierter Radarsignalanteil an einem Ort im Erfassungsbereich des Radarsensors liegt, der von einem Umgebungsobjekt verschattet ist. In Falle einer Verschattung wird basierend auf den aus dem Strahlverfolgungsverfahren erhaltenen Informationen ein Strahlengang ermittelt, der aufgrund einer Reflexion an dem die Verschattung hervorrufenden Umgebungsobjekt auftritt und basierend darauf die Zuordnung zu einem real existierenden Objekt vorgenommen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel werden Informationen über die Reflexionsgüte der Umgebungsobjekte bereitgestellt. Insbesondere können die Umgebungsinformationen derartige Informationen enthalten. Die Bestimmung des Bewegungsvektors des Objekts erfolgt basierend auf der Reflexionsgüte der in der Umgebung des Fahrzeugs befindlichen Umgebungsobjekte. Die Reflexionsgüte ist dabei ein Maß für die Reflektivität des jeweiligen Umgebungsobjekts. Durch das Berücksichtigen der Reflexionsgüte lassen sich schlecht bzw. unzureichend reflektierende Umgebungsobjekte erkennen und ggf. aus der weiteren Verarbeitung ausschließen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel bleiben mehrfach reflektierte Radarsignalanteile, die aus Reflexionen an Umgebungsobjekten mit einer Reflexionsgüte unterhalb eines Schwellwerts resultieren, bei der Bestimmung des Bewegungsvektors des Objekts unberücksichtigt. Dies kann insbesondere dann vorteilhaft sein, wenn mehrere mehrfach reflektierte Radarsignalanteile zur Verfügung stehen und daher eine Selektion von mehrfach reflektierten Radarsignalanteilen vorgenommen werden kann.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird, falls mehr als zwei rückreflektierte Radarsignalanteile aus unterschiedlichen Empfangsrichtungen empfangen werden, der Bewegungsvektor des Objekts basierend auf einem Optimierungsverfahren ermittelt. Das Optimierungsverfahren kann insbesondere derart ausgestaltet sein, dass basierend auf den rückreflektierten Radarsignalanteilen oder einer Auswahl derselben (beispielsweise basierend auf deren Reflexionsgüte oder deren Strahlgang) mehrere Bewegungsvektoren und Wahrscheinlichkeitswerte zu den jeweiligen Bewegungsvektoren berechnet werden und derjenige Bewegungsvektor als Bewegungsvektor des Objekts selektiert wird, dessen Wahrscheinlichkeitswert am größten ist.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird unter Berücksichtigung von zumindest zwei Mehrfachreflexionen der Bewegungsvektor eines Objekts, das außerhalb des direkten Erfassungsbereichs des Radarsensors liegt, erfasst. Dabei bedeutet „außerhalb des direkten Erfassungsbereich des Radarsensors“, dass zwischen dem Radarsensor und dem Objekt keine direkte Sichtverbindung besteht und damit keine direkt reflektierten Radarsignalanteile am Radarsensor empfangen werden können. Jedoch ist es durch das aufgezeigte Verfahren nicht nur möglich, das Objekt grundsätzlich zu detektieren, sondern zudem dessen Lage und Bewegungsrichtung bzw. Bewegungsgeschwindigkeit entlang dieser Bewegungsrichtung zu bestimmen, und zwar unter Berücksichtigung der Informationen, die durch das Strahlverfolgungsverfahren erhalten wurden.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel werden zur Bestimmung des Bewegungsvektors eines Objekts rückreflektierte Radarsignalanteile an zumindest zwei Radarsensoren des Fahrzeugs, die zumindest bereichsweise unterschiedliche Erfassungsbereiche aufweisen, empfangen und ausgewertet. Die Radarsensoren können dabei jeweils direkt reflektierte Radarsignalanteile und mehrfach reflektierte Radarsignalanteile aus unterschiedlichen Richtungen empfangen, wodurch sich eine genauere Bestimmung des Bewegungsvektors des Objekts erreichen lässt.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird die Auswertung der rückreflektierten Radarsignalanteile oder davon abgeleiteter Radarinformationen an einer zentralen Rechnereinheit vollzogen oder es erfolgt ein Informationsaustausch zwischen den Rechnereinheiten, die den jeweiligen Radarsensoren zugeordnet sind. Damit kann eine Rechnereinheit basierend auf den von den Radarsensoren bereitgestellten Informationen ein Gesamtradarbild erstellen und basierend auf erkannten Mehrfachreflexionen den Bewegungsvektor eines erfassten, bewegten Objekts bestimmen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel werden die Umgebungsinformationen als Karteninformationen, als Umfeldmodell oder durch zumindest einen weiteren Sensor, der zur Umgebungserfassung ausgebildet ist, bereitgestellt.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel sind die Umgebungsinformationen dreidimensionale Informationen und es wird ein dreidimensional erfassender Radarsensor verwendet. Zudem wird ein dreidimensionaler Bewegungsvektor des Objekts basierend auf den dreidimensionalen Umgebungsinformationen und den vom dreidimensional erfassenden Radarsensor bereitgestellten Informationen bestimmt. Dadurch lassen sich vorteilhafterweise Bewegungen des Objekts oder von Objektteilen (beispielsweise das Öffnen des Kofferraumdeckels) im dreidimensionalen Raum erkennen und auswerten.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel umfasst das Bestimmen des Bewegungsvektors des Objekts die Auswertung von Mikro-Doppler-Modulationen der rückreflektierten Radarsignalanteile. Dadurch lassen sich die Grundbewegung des Objekts überlagernde Mikro-Bewegungen, beispielsweise Arm- oder Beinbewegungen eines Fahrradfahrers oder die Schritte bzw. Gesten eines Fußgängers, erfassen und auswerten.
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Gemäß einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung ein Radarsystem für ein Fahrzeug. Das Fahrzeug umfasst dabei:
- - zumindest einen Radarsensor zum Senden von Radarsignalen und zum Empfangen von mehreren an einem Objekt rückreflektierten Radarsignalanteilen;
- - eine Rechnereinheit zur Durchführung eines Strahlverfolgungsverfahrens basierend auf bereitgestellten Umgebungsinformationen, die Informationen zu Umgebungsobjekten im Umgebungsbereich des Fahrzeugs enthalten, wobei die Rechnereinheit ferner zur Bestimmung zumindest eines mehrfach reflektierten Radarsignalanteils, der aufgrund einer Reflexion an dem Objekt und zumindest einer weiteren Reflexion des Radarsignals an einem Umgebungsobjekt an dem Radarsensor des Fahrzeugs empfangen wurde, ausgebildet ist;
- - eine Rechnereinheit, die zum Bestimmen des Ausbreitungsweges des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils basierend auf den Umgebungsinformationen ausgebildet ist; und
- - eine Rechnereinheit, die zum Bestimmen des Bewegungsvektors des Objekts basierend auf dem zumindest einen mehrfach reflektierten Radarsignalanteil und dem Ausbreitungsweg des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils ausgebildet ist.
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Zuletzt umfasst die Erfindung ein Fahrzeug mit einem vorbeschriebenen Radarsystem.
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Unter „Objekt“ im Sinne der vorliegenden Erfindung werden jegliche Gegenstände bzw. Bereiche verstanden, die eine zwei- oder dreidimensionale Bewegung vollziehen können und an denen ein Radarsignal reflektiert werden kann.
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Unter „Umgebungsinformationen“ im Sinne der vorliegenden Erfindung werden Informationen verstanden, die Objekte im Umgebungsbereich um das Fahrzeug herum betreffen, beispielsweise Randsteine, Gebäude, Leitplanken etc. Diese können durch zumindest eine Karte, ein Umfeldmodell (beispielsweise als Draufsichtdarstellung der Umgebung), durch Informationen eines oder mehrerer Sensoren (Kamera, Radarsensor, Lidar) oder durch jegliche Kombinationen dieser Informationen bzw. Informationsquellen bereitgestellt werden.
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Die Ausdrücke „näherungsweise“, „im Wesentlichen“ oder „etwa“ bedeuten im Sinne der Erfindung Abweichungen vom jeweils exakten Wert um +/- 10%, bevorzugt um +/- 5% und/oder Abweichungen in Form von für die Funktion unbedeutenden Änderungen.
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Weiterbildungen, Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten der Erfindung ergeben sich auch aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen und aus den Figuren. Dabei sind alle beschriebenen und/oder bildlich dargestellten Merkmale für sich oder in beliebiger Kombination grundsätzlich Gegenstand der Erfindung, unabhängig von ihrer Zusammenfassung in den Ansprüchen oder deren Rückbeziehung. Auch wird der Inhalt der Ansprüche zu einem Bestandteil der Beschreibung gemacht.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand der Figuren an Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 beispielhaft und schematisch ein mit einem Radarsensor ausgestattetes Fahrzeug, das einen direkt reflektierten Radarsignalanteil und einen mehrfach reflektierten Radarsignalanteil eines Objekts empfängt;
- 2 beispielhaft und schematisch ein mit einem Radarsensor ausgestattetes Fahrzeug, das zwei mehrfach reflektierte Radarsignalanteile eines außerhalb des direkten Empfangsbereichs des Radarsensors befindlichen Objekts empfängt;
- 3 beispielhaft und schematisch ein mit mehreren Radarsensoren ausgestattetes Fahrzeug, das einen direkt reflektierten Radarsignalanteil und zwei mehrfach reflektierte Radarsignalanteile eines Objekts empfängt;
- 4 beispielhaft ein schematisches Diagramm, das die Verfahrensschritte zur Bestimmung des Bewegungsvektors eines Objekts veranschaulicht.
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1 zeigt beispielhaft und schematisch ein Szenario, bei dem ein Radarsensor 3 eines Fahrzeugs 2 ein Objekt 1 erfasst. Das Objekt 1 ist im gezeigten Ausführungsbeispiel selbst ein Fahrzeug, kann aber jedes beliebige Objekt sein. Das Objekt 1 ist ein bewegtes Objekt, das sich beispielsweise schräg von vorne auf das Fahrzeug 2 zubewegt. Der Radarsensor 3 des Fahrzeugs 2 ist im gezeigten Ausführungsbeispiel frontseitig angeordnet und weist einen Erfassungsbereich EB auf.
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Weiterhin ist im gezeigten Ausführungsbeispiel rechts neben dem Fahrzeug 2 ein Umgebungsobjekt 4 vorgesehen, das im gezeigten Ausführungsbeispiel beispielsweise ein Haus ist.
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Bei der Abstrahlung von Radarsignalen durch den Radarsensor 3 werden diese Radarsignale zum einen direkt in Richtung des Objekts 1 abgestrahlt und dort reflektiert, so dass ein direkt reflektierter Radarsignalanteil 6 (d.h. ein Radarsignalanteil der keine Mehrfachreflexion an zumindest einem weiteren Umgebungsobjekt erfährt) am Radarsensor 3 empfangen und ausgewertet werden kann. Zum anderen können Mehrfachreflexionen auftreten, wie dies beispielsweise in 1 dargestellt ist. Dabei wird das vom Radarsensor 3 abgestrahlte Radarsignal an dem Umgebungsobjekt 4 zunächst reflektiert und trifft nach dieser Reflexion erst das Objekt 1. An diesem Objekt erfolgt eine erneute Reflexion, so dass mehrfach reflektierte Radarsignalanteile an dem Radarsensor 3 empfangen und ausgewertet werden können.
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Um erkennen zu können, dass es sich um mehrfach reflektierte Radarsignalanteile handelt, werden Umgebungsinformationen verwendet, die durch eine Karte, ein Umfeldmodell, einen oder mehrere Sensoren oder jeglicher Kombinationen hiervon bereitgestellt werden. Die Umgebungsinformationen beinhalten insbesondere Informationen über die Größe, Lage bzw. Ausrichtung von Umgebungsobjekten 4, die sich im Umfeld des Fahrzeugs 2 bzw. des Objekts 1 befinden. Derartige Umgebungsobjekte können beispielsweise Häuser, parkende Autos, Leitplanken etc. sein.
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Anhand der Umgebungsinformationen ist es möglich, basierend auf einem Strahlverfolgungsverfahren Strahlengänge des Radarsignals zu berechnen, die sich vom Radarsensor 3 des Fahrzeugs 2 aus in die Umgebung ausbreiten. Ein derartiges Strahlverfolgungsverfahren ist auch als sog. „Ray-Tracing“ bekannt. Durch die Umgebungsinformationen ist es insbesondere möglich, Strahlengänge des Radarsignals zu berechnen, die durch Mehrfachreflexionen an zumindest einem Umgebungsobjekt 4 auftreten.
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In 1 ist beispielhaft ein der Ausbreitungsweg eines direkt reflektierten Radarsignalanteils 6 und der Ausbreitungsweg 5 eines mehrfach reflektierten Radarsignalanteils gezeigt. Der direkt reflektierte Radarsignalanteil 6 verläuft dabei direkt, d.h. geradlinig zwischen dem Fahrzeug 2 und dem Objekt 1, wohingegen der Ausbreitungsweg 5 des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils aufgrund der zusätzlichen Reflexion an dem Umgebungsobjekt 4 abgewinkelt ist.
Das Radarsystem des Fahrzeugs 2 würde, ohne Beachtung der Umgebungsinformationen, davon ausgehen, dass es sich bei dem Radarsignalanteil der aufgrund der Mehrfachreflexion empfangen wird, um ein Geisterobjekt GO handelt. Dieses Geisterobjekt GO würde sich, wie in 1 angedeutet, auf der geradlinigen Verlängerung des Teilabschnitts 5.2 des Ausbreitungswegs 5 des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils befinden, wobei der Abstand des Geisterobjekts GO zum Fahrzeug 2 der Länge des Ausbreitungswegs 5 des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils entspricht.
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Basierend auf den Umgebungsinformationen und den durch das Strahlverfolgungsverfahren berechneten Strahlengängen bzw. ggf. unterstützt durch ein Verfahren zur Unterdrückung von Geisterobjekten GO kann das Radarsystem des Fahrzeugs 2 das zunächst erkannte Geisterobjekt GO dem Objekt 1 zuordnen und erkennen, dass der empfangene Radarsignalanteil, der aus der Richtung des Teilabschnitts 5.2 des Ausbreitungswegs 5 empfangen wurde, aufgrund einer Mehrfachreflexion, die durch das Strahlverfolgungsverfahren ermittelt wurde, dem Objekt 1 zuzuordnen ist.
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Wie zuvor bereits erläutert, kann aus der Dopplerinformation des direkt am Objekt 1 reflektierten Radarsignalanteils 6 lediglich eine Geschwindigkeitsinformation ermittelt werden, die angibt, mit welcher Geschwindigkeit sich das Objekt 1 und das Fahrzeug 2 relativ zueinander entlang der direkten Verbindungslinie zwischen Objekt 1 und Fahrzeug 2 bewegen. Eine Ermittlung der Geschwindigkeit, mit der sich das Objekt 1 in Richtung des Bewegungsvektors BV bewegt, ist nicht möglich.
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Durch die Berücksichtigung des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils und der Dopplerinformation, die in dem mehrfach reflektierten Radarsignalanteil enthalten ist, wird eine weitere Geschwindigkeitsinformation des Objekts 1 aus einer anderen Richtung erhalten, so dass die Bewegungsrichtung BR des Objekts 1 und die Geschwindigkeit des Objekts 1 in dieser Bewegungsrichtung BR, d.h. der Bewegungsvektor nach Betrag und Richtung bestimmbar ist.
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Mehr im Detail umfasst der mehrfach reflektierte Radarsignalanteil eine Dopplerinformation, die aufgrund der Bewegung des Objekts 1 gegenüber dem Umgebungsobjekt 4 resultiert. In anderen Worten gibt die Dopplerinformation des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils an, mit welcher Geschwindigkeit sich das Objekt 1 gegenüber dem Umgebungsobjekt 4 bewegt, und zwar in Richtung des Teilabschnitts 5.1 des Ausbreitungswegs 5 des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils.
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Für den Fall, dass zumindest zwei mehrfach reflektierte Radarsignalanteile, deren Ausbreitungswege 5 am ersten Teilabschnitt 5.1 in unterschiedliche Richtungen verlaufen, oder zumindest ein direkt reflektierter Radarsignalanteil 6 und zumindest ein mehrfach reflektierter Radarsignalanteil empfangen wurden, kann aus diesen Informationen der Bewegungsvektor BV ermittelt werden.
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Für den Fall, dass eine Überbestimmung gegeben ist, d.h. mehr als zwei mehrfach reflektierte Radarsignalanteile bzw. ein direkt reflektierter Radarsignalanteil und zwei oder mehr mehrfach reflektierte Radarsignalanteile empfangen wurden, kann ein Optimierungsverfahren durchgeführt werden, basierend auf dem die höchstwahrscheinliche Bewegungsrichtung bzw. die höchstwahrscheinliche Geschwindigkeit des Objekts 1 in dieser Bewegungsrichtung berechnet werden.
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Vorzugsweise sind den Umgebungsobjekten 4 Reflexionsgüteinformationen zugeordnet. Diese Reflexionsgüteinformationen geben vorzugsweise an, welche Reflexionsgüte das jeweilige Umgebungsobjekt 4 aufweist, d.h. wie stark das Radarsignal am jeweiligen Umgebungsobjekt 4 reflektiert wird bzw. wie stark das Radarsignal am jeweiligen Umgebungsobjekt 4 gestreut wird. Für den Fall, dass eine Überbestimmung gegeben ist, kann ein Schwellwert festgelegt werden und es können beispielsweise diejenigen Umgebungsobjekte 4 bei der Bestimmung des Bewegungsvektors BV des Objekts 1 unberücksichtigt bleiben, die eine Reflexionsgüte unterhalb dieses Schwellwerts aufweisen.
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2 zeigt eine Situation bei der ein Objekt 1 erst durch die Mehrfachreflexionen erfassbar wird, da sich das Objekt 1 verschattet hinter einem Umgebungsobjekt 4a befindet und damit keine direkte Erfassung des Objekts 1 über den Radarsensor 3 über einen direkt reflektierten Radarsignalanteil möglich ist.
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Ein erster Ausbreitungsweg 5 eines mehrfach reflektierten Radarsignalanteils verläuft zwischen dem Fahrzeug 2 und dem Objekt 1 über die Reflexion am Umgebungsobjekt 4. Ein zweiter Ausbreitungsweg 5' verläuft zwischen dem Fahrzeug 2 und dem Objekt 1 über die Reflexion am Umgebungsobjekt 4b.
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Zunächst kann unter Berücksichtigung der Umgebungsinformationen und der mittels des Ray-Tracings berechneten Strahlengänge aus den mehrfach reflektierten Radarsignalanteilen das Objekt 1 erst erkannt und dessen örtliche Lage erst bestimmt werden. Zudem wird es durch die mehrfach reflektierten Radarsignalanteile auch möglich, den Bewegungsvektor BV des Objekts 1 zu bestimmen. Dabei werden die Doppler-Informationen der mehrfach reflektierten Radarsignalanteile ausgewertet. Unter Berücksichtigung der Ausrichtung des Strahlengangs des Ausbreitungswegs 5 zwischen Objekt 1 und Umgebungsobjekt 4 und der Ausrichtung des Strahlengangs des Ausbreitungswegs 5' zwischen Objekt 1 und Umgebungsobjekt 4b kann die Bewegungsrichtung des Objekts 1 berechnet werden.
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Wie zuvor bereits dargelegt, ist es möglich, dass mehr als zwei mehrfach reflektierte Radarsignalanteile zur Berechnung der Bewegungsrichtung des Objekts 1 herangezogen werden oder mehrfach reflektierte Radarsignalanteile unter Berücksichtigung von Reflexionsgüteinformationen bei der Bestimmung der Bewegungsrichtung des Objekts 1 ausgeschlossen werden, wenn die Reflexionsgüte unterhalb eines Schwellwerts liegt.
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3 zeigt ein Erfassungsszenario, in dem ein Fahrzeug 1 mit mehreren Radarsensoren 3, 3a ausgerüstet ist. Das Fahrzeug 1 weist insbesondere zumindest zwei Radarsensoren 3, 3a deren Erfassungsbereiche unterschiedlich sind bzw. sich lediglich bereichsweise überdecken.
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Durch die Radarsensoren 3, 3a können Radarsignale emittiert und reflektierte Radarsignalanteile empfangen werden. Diese reflektierten Radarsignalanteile können entweder direkt reflektierte Radarsignalanteile 6 sein oder mehrfach reflektierte Radarsignalanteile, die aufgrund von Reflexionen an Umgebungsobjekten 4, 4a empfangen werden.
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Die Erfassung von Objekten 1 in der Umgebung des Fahrzeugs 2 bzw. deren Bewegungsrichtung kann unter Berücksichtigung von Informationen erfolgen, die durch mehrere Radarsensoren 3, 3a bereitgestellt werden, Anders ausgedrückt werden erfasste Informationen mehrerer Radarsensoren 3, 3a herangezogen, um basierend auf diesen Gesamtinformationen die Objekte 1 bzw. deren Bewegungsrichtung zu erfassen. Hierbei kann die Auswertung der empfangenen Radarsignalanteile in einer zentralen Rechnereinheit des Fahrzeugs 1 vollzogen werden, die getrennt von den Radarsensoren 3, 3a vorgesehen ist oder ein Radarsensor 3 kann eine Rechnereinheit aufweisen, die Informationen von diesem Radarsensor selbst und zumindest eines weiteren Radarsensors 3a empfängt, um diese Informationen auszuwerten und die Lage und den Bewegungsvektor BV des Objekts 1 zu berechnen.
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Durch die Auswertung von Informationen, die von unterschiedlichen Radarsensoren 3, 3a empfangen wurden, werden vorteilhafterweise mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mehrere reflektierte Radarsignalanteile eines Objekts 1 aus unterschiedlichen Richtungen erhalten, so dass die Bestimmung des Bewegungsvektors BV mit einer höheren Genauigkeit erfolgen kann.
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Die Umgebungsinformationen können als zweidimensionale Informationen bereitgestellt werden und der zumindest eine Radarsensor 3 kann zur Erfassung von zweidimensionalen Radarinformationen ausgebildet sein (beispielsweise in einer horizontalen Ebene basierend auf Informationen hinsichtlich Azimutwinkel und radialem Abstand).
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Alternativ ist es möglich, dass die Umgebungsinformationen als dreidimensionale Informationen bereitgestellt werden und der zumindest eine Radarsensor 3 dreidimensionale Radarinformationen liefert. Dadurch können Bewegungsrichtungen von Objekten 1 nicht nur in der Horizontalen (x-y-Ebene) sondern auch im dreidimensionalen Raum bestimmt werden. Dies können beispielsweise Bewegungen eines Objekts 1 selbst im dreidimensionalen Raum (beispielsweise das Hinauffahren/Hinabfahren einer Rampe durch ein Fahrzeug) oder aber auch Bewegungen von Teilen eines Objekts 1 im dreidimensionalen Raum (beispielsweise das Öffnen eines Kofferraums bei einem Fahrzeug) sein.
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Vorzugsweise ist der zumindest eine Radarsensor 3 zur Erfassung und Auswertung von Mikro-Doppler-Effekten ausgebildet. Insbesondere kann der Radarsensor 3 dazu ausgebildet sein, Mikro-Doppler-Modulationen, die aufgrund von Mikro-Bewegungen, beispielsweise Arm- oder Beinbewegungen eines Fahrradfahrers oder die Schritte bzw. Gesten eines Fußgängers, in den rückreflektierten Radarsignalanteilen enthalten sind, zu erfassen und auszuwerten. Vorteilhafterweise kann dadurch eine Klassifikation von Verkehrsteilnehmern vorgenommen werden, beispielsweise gemäß den Klassen Fußgänger, Radfahrer, Kraftfahrzeug etc.
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Bevorzugt ist der Radarsensor 3 zur dreidimensionalen Erfassung von rückreflektierten Radarsignalanteilen ausgebildet. Dadurch können durch Mikro-Doppler-Effekte nicht nur zweidimensionale Bewegungen in einer horizontalen Ebene sondern auch dreidimensionale Bewegungen im Raum erkannt werden. Dies sind beispielsweise die Tretbewegung oder Armbewegung eines Radfahrers oder die Bewegung eines Fußgängers.
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4 veranschaulicht beispielhaft die Schritte eines Verfahrens zur Bestimmung des Bewegungsvektors BV eines Objekts 1.
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Dabei werden zunächst Umgebungsinformationen bereitgestellt (S10).
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Anschließend werden mehrere an dem Objekt rückreflektierte Radarsignalanteile an zumindest einem Radarsensor des Fahrzeugs empfangen (S11).
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Daraufhin erfolgt eine Durchführung eines Strahlverfolgungsverfahrens basierend auf den Umgebungsinformationen und es wird zumindest ein mehrfach reflektierter Radarsignalanteil bestimmt, der aufgrund einer Reflexion an dem Objekt und zumindest einer weiteren Reflexion des Radarsignals an einem Umgebungsobjekt an dem Radarsensor des Fahrzeugs empfangen wurde (S12).
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Anschließend wird der Ausbreitungsweg des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils basierend auf den Umgebungsinformationen bestimmt (S13).
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Zuletzt wird der Bewegungsvektor des Objekts basierend auf dem zumindest einen mehrfach reflektierten Radarsignalanteil und dem Ausbreitungsweg des mehrfach reflektierten Radarsignalanteils bestimmt (S14).
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Die Erfindung wurde voranstehend an Ausführungsbeispielen beschrieben. Es versteht sich, dass zahlreiche Änderungen sowie Abwandlungen möglich sind, ohne dass dadurch der durch die Patentansprüche definierte Schutzbereich verlassen wird.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Objekt
- 2
- Fahrzeug
- 3, 3a
- Radarsensor
- 4, 4a, 4b
- Umgebungsobjekt
- 5, 5'
- Ausbreitungsweg
- 5.1
- Teilabschnitt
- 5.2
- Teilabschnitt
- 6
- direkt reflektierter Strahl
- BV
- Bewegungsvektor
- EB
- Erfassungsbereich
- GO
- Geisterobjekt