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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Abbremsen eines zweispurigen Fahrzeuges und eine Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens.
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Um beim Bremsen das Ansprechverhalten der Lenkung und die Spurstabilität zu verbessern, werden Fahrwerke oftmals so ausgelegt, dass hierbei der Vorspurwinkel in Richtung einer Pflugstellung zunimmt.
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Stand der Technik
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Aus der
DE 10 2015 208 741 A1 ist ein Verfahren bekannt, mit welchem zur Einsparung des Energieverbrauchs eines Fahrzeuges, ein Spurwinkel an beiden Rädern einer Achse eines zweispurigen Fahrzeuges einstellbar ist.
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Aus der
DE 100 18 532 A1 ist weiterhin bekannt, den Spurwinkel zur Anpassung an die jeweilige Situation während der Fahrt mit Hilfe eines Motors aktiv zu verstellen. Bei Auftreten einer kritischen Bremssituation verstellen Einstelleinrichtungen die Spurstangen der jeweiligen Räder selbsttätig in Richtung Vorspur. Dazu wird das Fahrverhalten in einer Steuereinrichtung ausgewertet, welche die Einstelleinrichtungen der Spurstangen mit entsprechenden Stellsignalen versorgt.
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Der Hintergrund der Erfindung liegt darin, dass ein grundsätzliches Bestreben bei Fahrzeugen darin liegt, den Bremsweg zu minimieren. Insbesondere bei einer Notbremsung können wenige Zentimeter über einen Zusammenstoß von Fahrzeugen entscheiden. Mit einer weiteren Verkürzung zur mechanischen Bremse und der ABS-Funktion kann somit ein Vorteil erzielt werden. Bremssysteme bei welchen der Vorspurwinkel verstellt wird, sind bereits bekannt. Solche Systeme müssen mit zusätzlichen Komponenten ausgerüstet, werden, um eine solche Einstellung des Vorspurwinkels zu ermöglichen. Die Kosten für solche zusätzlichen Komponenten übersteigen in der Regel den Nutzen eines solchen Systems, so dass sich solche Bremssysteme bislang wenig durchgesetzt haben.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Verfahren zum Abbremsen eines Fahrzeuges anzugeben, mit welchem auf wirtschaftliche Weise eine Verkürzung des Bremsweges erzielt werden kann.
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Offenbarung der Erfindung
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Die Aufgabe wird durch ein Verfahren zum Abbremsen eines zweispurigen Fahrzeuges mit den Merkmalen nach Anspruch 1 und einer Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens nach Anspruch 7 gelöst. Die jeweils rückbezogenen abhängigen Ansprüche geben vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung wieder.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zum Abbremsen eines zweispurigen Fahrzeuges mit wenigstens jeweils einem auf jeder Spur angeordneten, separat ansteuerbaren und separat antreibbaren Radmodul. Das Verfahren umfasst dabei einen ersten Schritt, bei welchem ein Bremsvorgabewert detektiert wird, einen zweiten Schritt, bei welchem ein positiver Vorspurwinkel der wenigstens zwei Radmodule, anhand des Bremsvorgabewertes berechnet wird, für den Fall, dass der Bremsvorgabewert einen vorgegeben Schwellwert überschreitet, und einen dritten Schritt, bei welchem der berechnete positive Vorspurwinkel an dem jeweils wenigstens einem Radmodul einer jeden Spur eingestellt wird.
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Der Vorspurwinkel ist dabei positiv, wenn der in Fahrzeug-Fahrtrichtung betrachtet vordere Teil des Rades der Fahrzeuglängsachse zugekehrt ist, andernfalls ist der Vorspurwinkel negativ. Als zweispurige Fahrzeuge gelten jene, deren Räder bei Geradeausfahrt in zwei Spuren nebeneinander angeordnet sind. Ein separat ansteuerbares Radmodul ist dabei ein Radmodul, welches unabhängig von anderen Rädern bzw. Radmodulen bezüglich eines Lenkwinkels lenkbar ist. Dementsprechend kann das Radmodul unabhängig von den anderen Rädern bzw. Radmodulen angetrieben werden. Der Bremsvorgabewert im Sinne der Erfindung gibt dabei einen Wert für die beabsichtige Bremsverzögerung an. Wenn dieser Bremsvorgabewert einen Schwellwert überschreitet, der beispielsweise im Bereich einer Notbremsung ist, wird das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt.
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Vorzugsweise liegt ein positiver Vorspurwinkel im Bereich zwischen 1° bis 10° bezogen auf die Fahrzeuglängsachse. Besonders bevorzugt liegt der positive Vorspurwinkel zwischen 1° bis 5°. Die größte Bremswirkung wird dabei bei einem positiven Vorspurwinkel von 5° erzielt.
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Durch die Erfindung ist es somit möglich ohne einen zusätzlichen konstruktiven Aufwand einen positiven Vorspurwinkel während eines Bremsvorganges einzustellen, so dass eine Verkürzung des Bremsweges erzielt werden kann. Dadurch kann auf wirtschaftliche Weise der Bremsweg eines solchen Fahrzeuges, im Vergleich zu einem rein mechanischen Bremsvorgang, verkürzt werden.
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In einer bevorzugten Ausführung der Erfindung wird der positive Vorspurwinkel an zwei Radmodulen auf einer einzigen Fahrzeugachse eingestellt. Die Fahrzeugachse wird dabei durch die beide Spuren bildenden Radmodule gebildet, wobei die Fahrzeugachse orthogonal zu der Fahrzeuglängsachse verläuft. An beiden Radmodulen wird dabei der gleiche positive Vorspurwinkel eingestellt. Dadurch gleichen sich die Querkräfte, die durch den positiven Vorspurwinkel erzeugt werden, gegenseitig aus, so dass eine stabile Bremsung möglich ist. Zusätzlich sind lediglich an einer einzigen Fahrzeugachse Radmodule notwendig, so dass das Verfahren wirtschaftlich durchführbar ist. Besonders bevorzugt wird der positive Vorspurwinkel an einer in Fahrtrichtung vorderen Fahrzeugachse eingestellt. Dadurch wird die durch die Bremsverzögerung höhere Last auf der vorderen Fahrzeugachse für eine effektivere Bremsung genutzt.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführung der Erfindung wird der positive Vorspurwinkel an den Radmodulen aller Fahrzeugachsen eingestellt. Dies hat den Vorteil, dass eine zusätzliche Bremsverzögerung erzielt werden kann, so dass der Bremsweg weiter reduziert wird.
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Vorzugsweise wird an jeder Fahrzeugachse ein unterschiedlicher positiver Vorspurwinkel eingestellt. Dies bedeutet, dass sich der positive Vorspurwinkel an einer vorderen Fahrzeugachse zu dem positiven Vorspurwinkel an einer hinteren Fahrzeugachse unterscheidet. Dadurch können die positiven Vorspurwinkel besser auf die verschiedenen Anforderungen der Fahrzeugachsen angepasst werden. Zudem können verschiedene Bremsszenarien eingestellt werden.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird als vorgegebener Schwellwert der Wert verwendet, bei welchem eine ABS-Bremsung ausgelöst wird. Bei einem solchen Schwellwert kann davon ausgegangen werden, dass eine zusätzliche Bremswegverkürzung notwendig ist. Dieser Schwellwert ist somit ein vorteilhafter Wert zur Bestimmung, ob eine zusätzliche Bremswegverkürzung notwendig ist.
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Bei einer vorteilhaften Weiterbildung wird der Bremsvorgabewert anhand eines Bremspedalweges und/oder einer Bremspedalbetätigungsgeschwindigkeit detektiert. Anhand des Bremspedalweges kann abgeschätzt werden, wie hoch eine gewünschte Bremsverzögerung sein soll. Ab einem bestimmten Bremspedalweg kann somit von einer Notfallbremsung ausgegangen werden. Somit kann in einem solchen Fall der Bremsweg durch das erfindungsgemäße Verfahren zusätzlich verkürzt werden. Besonders bevorzugt liegt der Schwellwert bei einer Betätigung des gesamten Bremspedalweges. Bei einem solchen Bremspedalweg kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass eine maximal mögliche Bremsverzögerung erzielt werden soll, so dass in einem solchen Fall eine zusätzliche Verkürzung des Bremsweges einen Vorteil bietet. Ebenso kann bei einer hohen Bremsbedalbetätigungsgeschwindigkeit davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Notfallbremsung handelt.
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Vorteilhafterweise wird der Bremsvorgabewert von einem Fahrzeugführungssystem des autonom fahrenden Fahrzeuges vorgegeben. Das Fahrzeugführungssystem gibt dabei einen Bremsvorgabewert aus, mit welchem eine Bremsung eingeleitet wird. Vorzugsweise kann von dem Fahrzeugführungssystem auch eine Bremsvorgabewert ausgegeben werden, bei dem eine Notfallbremsung durchgeführt wird. Dadurch ist es auch bei einem autonom fahrenden Fahrzeug möglich eine Notfallbremsung auszulösen.
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Die Erfindung umfasst zusätzlich eine Vorrichtung zum Durchführen des erfindungsgemäßen Verfahrens. Die Vorrichtung umfasst dabei wenigstens ein für jede Spur separat ansteuerbares und separat antreibbares Radmodul mit einem Lenkungsaktuator, ein Fahrzeugsteuergerät, über welches ein Bremsvorgabewert detektierbar ist, und ein Lenkungssteuergerät, über welches ein positiver Vorspurwinkel der Lenkungsaktuatoren der wenigstens zwei Radmodule berechenbar ist. Mit einer solchen Vorrichtung können die zu dem Verfahren genannten Vorteile erzielt werden.
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Darüber hinaus umfasst die Erfindung ein Fahrzeug mit einer solchen Vorrichtung. Mit einem solchen Fahrzeug können die zuvor genannten Vorteile erzielt werden.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. Es zeigt:
- 1 Ausführungsbeispiel eines Fahrzeuges mit einer Vorrichtung während eines Bremsvorganges gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel,
- 2 Ausführungsbeispiel eines Fahrzeuges mit einer Vorrichtung während eines Bremsvorganges gemäß einem zweiten Ausführungsbeispiel,
- 3 Ausführungsbeispiel eines Radmoduls zum Durchführen des erfindungsgemäßen Verfahrens, und
- 4 Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Abbremsen eines zweispurigen Fahrzeuges.
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1 zeigt ein Ausführungsbeispiel eines Fahrzeuges 10 mit einer Vorrichtung 14 während eines Bremsvorganges gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel. Die Vorrichtung 14 weist vier separat ansteuerbare und separat antreibbare Radmodule 18 auf. Jedes Radmodul 18 ist über einen Lenkungsaktuator 22 lenkbar. Die Radmodule 18 weisen in diesem Ausführungsbeispiel einen Einschlagbereich von 180° auf. Dies bedeutet, dass die Radmodule 18 in jede Lenkrichtung um 90° zu einer Fahrzeuglängsachse 26 einschlagbar sind. Zwei Radmodule 18, welche orthogonal zu der Fahrzeuglängsachse 26 angeordnet sind, bilden dabei eine Fahrzeugachse 30 des Fahrzeuges 10. In dem gezeigten Ausführungsbeispiel sind somit zwei Fahrzeugachsen 30 angeordnet. Jedes dieser zwei auf einer Fahrzeugachse 30 angeordneten Radmodule 18 bildet dabei eine Spur des zweispurigen Fahrzeuges 10.
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Die Vorrichtung 14 umfasst zusätzlich ein Fahrzeugsteuergerät 34, über welches ein Bremsvorgabewert detektierbar ist. Dieser Bremsvorgabewert wird dabei beispielsweise über einen Bremspedalweg, eine Bremspedalbetätigungsgeschwindigkeit oder von einem Fahrzeugführungssystem des autonom fahrenden Fahrzeuges 10 detektiert. Das bedeutet, dass beispielsweise in Abhängigkeit des Bremspedalweges ein unterschiedlicher Bremsvorgabewert erzeugt wird. Dieser Bremsvorgabewert wird an ein Lenkungssteuergerät 38 übermittelt. Das Lenkungssteuergerät 38 berechnet auf Basis dieses Bremsvorgabewertes einen positiven Vorspurwinkel Φ für die Lenkungsaktuatoren 22 der Radmodule18. Dieser positive Vorspurwinkel Φ wird während des Bremsvorganges an die Lenkungsaktuatoren 22 übermittelt, so dass die Lenkungsaktuatoren 22 diesen positiven Vorspurwinkel Φ an dem jeweiligen Radmodul 18 einstellen. Der positive Vorspurwinkel Φ an den Radmodulen 18 einer Fahrzeugachse 30 erzeugt dabei eine Art Pflugstellung bezüglich einer Fahrtrichtung 42 des Fahrzeuges 10.
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In dem in 1 gezeigten Ausführungsbeispiel wird bei allen Radmodulen 18 aller Fahrzeugachsen 30 ein positiver Vorspurwinkel Φ eingestellt. Dadurch wird die Bremsleistung bezüglich der Fahrtrichtung 42 zusätzlich verbessert. Darüber hinaus ist in dem in 1 gezeigten Ausführungsbeispiel ein positiver Vorspurwinkel Φ der vorderen Fahrzeugachse 30 verschieden zu dem positiven Vorspurwinkel Φ der hinteren Fahrzeugachse 30.
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In 2 ist ein Ausführungsbeispiel eines Fahrzeuges 10 mit der Vorrichtung 14 während eines Bremsvorganges gemäß einem zweiten Ausführungsbeispiel gezeigt. Dieses Ausführungsbeispiel unterscheidet sich zu dem Ausführungsbeispiel in 1 dadurch, dass in 2 während des Bremsvorganges lediglich bei den Radmodulen 18 der vorderen Fahrzeugachse 30 ein positiver Vorspurwinkel Φ eingestellt wird. Dadurch kann in einem nicht gezeigten Ausführungsbeispiel die hintere Fahrzeugachse ohne Radmodule 18 ausgebildet sein. Dies würde die Kosten für ein solches Fahrzeug 10 senken.
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3 zeigt ein Ausführungsbeispiel eines Radmoduls 18 zum Durchführen des erfindungsgemäßen Verfahrens 44 (siehe 4). Das Radmodul 18 weist dabei ein Rad 46 auf, welches über einen Radnabenmotor 50 angetrieben wird. Dieser Radnabenmotor 50 ist dabei separat ansteuerbar. In diesem Ausführungsbeispiel ist der Radnabenmotor 50 ein Elektromotor. Das Radmodul 18 weist zusätzlich den Lenkungsaktuator 22 auf, welcher mit einer Karosserie 54 des Fahrzeuges 10 verbunden ist. In dem Lenkungsaktuator 22 ist eine Radaufhängung 58 aufgenommen, welche den Lenkungsaktuator 22 mit einer Radnabe 62 des Radmoduls 18 verbindet, so dass das Rad 46 über den Lenkungsaktuator 22 lenkbar ist. Über diesen Lenkungsaktuator 22 ist das jeweilige Rad 46 separat und unabhängig von den anderen Rädern 46 des Fahrzeuges 10 lenkbar.
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4 zeigt ein Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens 44 zum Abbremsen eines zweispurigen Fahrzeuges 10. Das Verfahren umfasst dabei einen ersten Schritt 70, bei welchem ein Bremsvorgabewert detektiert wird. Falls der Bremsvorgabewert einen vorgegebenen Schwellwert überschreitet, wird ein zweiter Schritt 74 des Verfahrens 44 ausgeführt. In dem zweiten Schritt 74 wird ein positiver Vorspurwinkel Φ der zu verstellenden Radmodule 18 berechnet. Dieser berechnete positiver Vorspurwinkel Φ wird in einem dritten Schritt 78 an dem jeweiligen Radmodul 18 eingestellt.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Fahrzeug
- 14
- Vorrichtung
- 18
- Radmodul
- 22
- Lenkungsaktuator
- 26
- Fahrzeuglängsachse
- 30
- Fahrzeugachse
- 34
- Fahrzeugsteuergerät
- 38
- Lenkungssteuergerät
- 42
- Fahrtrichtung
- 44
- Verfahren
- 46
- Rad
- 50
- Radnabenmotor
- 54
- Karosserie
- 58
- Radaufhängung
- 62
- Radnabe
- 70
- erster Schritt
- 74
- zweiter Schritt
- 78
- dritter Schritt
- Φ
- positiver Vorspurwinkel
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102015208741 A1 [0003]
- DE 10018532 A1 [0004]