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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur geberlosen Regelung permanentmagneterregter Synchronmaschinen im Automobilbereich.
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In den letzten drei Jahrzehnten entstanden die verschiedensten Verfahren in Bezug auf geberlose Regelung bei permanentmagneterregten Synchronmaschinen (PSM). Diese Verfahren lassen sich in zwei verschiedene Kategorien unterteilen: die modellbasierten Ansätze und die injektionsbasierten-/anisotropiebasierten Ansätze. Bei den injektionsbasierten-/anisotropiebasierten Ansätzen wird versucht, über eine spezielle elektromagnetische Eigenschaft die magnetische Unsymmetrie des Rotors, auch Anisotropie genannt, auszunutzen, um den Rotorwinkel zu bestimmen. Dabei muss ein Stromsignal oder Spannungssignal mit einer bestimmten Form über den Pulswechselrichter bei kleinen Drehzahlen um den Stillstand herum injiziert werden, um diese Eigenschaft in diesem Bereich ausnutzen zu können. Bei einer höheren Drehzahl ist eine Injektion dieser Signale nur bedingt notwendig, da bei einer höheren Drehzahl die Schätzung des Winkels oder der Drehzahl über die induzierte Spannung der PSM erfolgen kann.
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In den Dissertationen von Dirk Paulus, „Beliebige Injektion für permanent erregte Synchronmaschinen“, Lehrstuhl für elektrische Antriebssysteme und Leistungselektronik, Technische Universität München, 2015 und Peter Landsmann, „Sensorless Control of Synchronous Machines by Linear Approximation of Oversampled Current“, Lehrstuhl für elektrische Antriebssysteme und Leistungselektronik, Technische Universität München, 2014, handelt es sich um injektionsbasierte-/anisotropiebasierte Ansätze aktueller Forschung. Dabei wird im Allgemeinen versucht, über die Stromgradienten, die durch das Anlegen eines pulsweitenmodulierten (PWN) - Spannungsmusters aus dem Pulswechselrichter entstehen, den Rotorwinkel zu bestimmen. Die Stromgradienten werden entweder durch eine Überabtastung der Ströme oder durch gezielte Strommessungen während eines PWN-Spannungsmusters bestimmt. Da bei kleinen Drehzahlen und im Stillstand kaum eine Strombewegung vorhanden ist, muss hier zusätzlich, wie vorher beschrieben, ein beliebiges Spannungspulsmuster injiziert werden, damit eine größere Stromänderung stattfinden kann. Bei diesem Verfahren kann ein beliebiges Spannungsmuster vorgegeben werden und deshalb wird dieses Verfahren als beliebige Injektion bezeichnet. Mithilfe der bestimmten Stromgradienten, mit Kenntnisse der jeweiligen Spannung und mithilfe eines elektromagnetischen Modells des E-Motors kann so der Rotorwinkel bestimmt werden.
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In den Papern von Lu An and Kay Hameyer, „Rotor Position and Speed Estimation of Interior Permanent Magnet Synchronous Motor using Unscented Kalman Filter“, IEEE-Paper, Hangzhou, China, 2014; und von Cheol Moon, Kee Hyun Nam, Mun Kyu Jung, Chang Ho Chae, and Young Ahn Kwon, „Sensorless Speed Control of Permanent Magnet Synchronous Motor Using Unscented Kalman Filter“, IEEE-Paper, Akita, Japan, 2012 gibt es schon ähnliche modellbasierte Ansätze mit einem Unscented-Kalman-Filter für PSM's. Hierbei wurden nur elektrische Maschinen mit konstanten Parametern betrachtet, die nicht so weit in die magnetische Sättigung getrieben werden, wie dies bei hochausgenutzten PSM's im Automobilbereich geschieht.
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Die elektrischen Maschinen im Automobilbereich werden stark in die magnetische Sättigung getrieben, um die Leistungsdichte zu steigern. Aufgrund dessen hängen die magnetischen Eigenschaften bzw. deren Induktivitäten der elektrischen Maschine sehr stark vom Maschinenstrom ab.
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Es ist demgemäß die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zur geberlosen Regelung permanentmagneterregter, synchroner E-Motoren zu schaffen, das mathematisch komplexer beschrieben wird und einen neuen modellbasierten Ansatz liefert.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren zur geberlosen Regelung permanentmagneterregter, synchroner E-Motoren gelöst, das die Merkmale des Anspruchs 1 umfasst.
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Das Verfahren zur geberlosen Regelung permanentmagneterregter, synchroner E-Motoren im Automobilbereich zeichnet sich dadurch aus, dass eine Beschreibung eines Systems in einem ruhenden aß-Koordinatensystem durchgeführt wird. Das System umfasst ein elektromagnetisches Modell und ein mechanisches Modell eines E-Motors mit Antriebstrang. Für das Model werden differentielle Induktivitäten, die jeweils von den Strömen des E-Motors abhängig sind, in Form von Look-Up-Tabellen hinterlegt. Die Look-Up-Tabellen können für die Berechnung abgerufen werden. Auf Basis des elektromagnetischen und mechanischen Modells werden die Drehzahl und der Winkel des E-Motors durch einen Kalman-Filter geschätzt, wobei dies hauptsächlich über das mechanische Modell geschieht. Über das elektrische Modell kann ein inneres Drehmoment für die Drehmomentgleichung geliefert werden, um daraus eine Drehzahländerung oder Winkeländerung zu bestimmen.
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Bevor auf die technische Lösung des Schätzproblems durch den Kalman-Filter näher eingegangen werden kann, muss kurz das mathematische Modell einer hochausgenutzten PSM mit starken Sättigungseigenschaften vorgestellt werden. Dies ist wichtig, da das Modell für den Unscented-Kalman-Filter fundamental ist und ohne eine genaue Kenntnis des Modells hätte der Filter eine schlechte Performance. Zunächst werden PSM's elektromagnetisch vorrangig im rotierenden dq-Koordinatensystem beschrieben. Um diese Beschreibung anwenden zu können, muss der elektrische Rotorlagewinkel bekannt sein. Deshalb findet die Systembeschreibung nicht im dq-Koordinatensystem sondern im ruhenden aß-Koordinatensystem statt, da der Rotorlagewinkel über den Kalman-Filter geschätzt werden soll. Dies wird durch die mathematische Rücktransformation erreicht. Durch diese Rücktransformation kommt die Winkelinformation ins elektromagnetische Modell. Dabei ist das hier gezeigte Modell ein Grundwellenmodell der PSM. Dieses Modell kann natürlich beliebig erweitert werden, z.B. durch Berücksichtigung beliebiger Oberwellen der Maschine. Man kann auch thermische Abhängigkeiten, z.B. beim Widerstand, wenn die Temperatur bekannt ist, mit berücksichtigen.
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Zusätzlich zum elektromagnetischen Modell wird noch das mechanische Modell des Motors bzw. des Antriebstranges benötigt. Dieses mechanische Modell kann beliebig komplex sein; von einer einfachen starren Kopplung verschiedener Massenträgheiten bis zu komplexen Massenschwingern. Das hier gezeigte Modell ist eine einfache starre Kopplung der mechanischen Größen. Mithilfe des mechanischen Modells entsteht ein vollständiges Zustandsraummodell der Form
das der Kalman-Filter benötigt. Dieses gesamte Zustandsraummodell in elektrischen Größen lautet
und die Konstanten L
11 etc. sind wie folgt definiert:
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Dabei sind alle differentiellen Induktivitäten Ldd, Ldq, Lqd, Lqq jeweils von den Maschinenströmen abhängig und werden in Form von Look-Up-Tabellen hinterlegt, um diese bei der Berechnung im Kalman-Filter abrufen zu können. Die differentiellen Induktivitäten können natürlich auch zusätzlich temperatur- oder vom Rotorwinkel φ abhängig sein.
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Auf Basis dieses Gesamtmodells werden die Drehzahl/Winkel später durch das Kalman-Filter geschätzt. Dies geschieht vormerklich hauptsächlich über das mechanische Teilmodell. Das elektrische Teilmodell liefert lediglich das innere Drehmoment für die Drehmomentgleichung, um daraus die Drehzahländerung/Winkeländerung heraus bestimmen zu können. Ein beliebiges Lastmoment wird dabei auch mitgeschätzt. Näheres zur Modellierung einer hochausgenutzten PSM können aus der Dissertation entnommen werden.
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Da das Modell feststeht, kann nun das allgemeine Funktionsprinzip des Unscented-Kalman-Filters erläutert werden. Zunächst ist der Unscented-Kalman-Filter ein allgemeiner stochastischer, zeitdiskreter Zustandsschätzer/Filter für nichtlineare Systeme. Dabei werden Messrauschen, z.B. das der realen Stromsensorik, und unbekannte Modellungenauigkeiten als normalverteilte, stochastische Zufallsprozesse modelliert. Das Rauschen wird hier als additives, weißes, gaußverteiltes Rauschen angenommen. Genauere Information zu diesem Filter und dessen genauer algorithmischer Funktionsweise können aus dem Buch von Jan Richter, „Modellbildung, Parameteridentifikation und Regelung hochausgenutzter Synchronmaschinen.“ Dissertation, Elektrotechnisches Institut, Karlsruher Institut für Technologie, 2016, entnommen werden.
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Anhand der beigefügten Zeichnungen werden nun die Erfindung und ihre Vorteile durch Ausführungsbeispiele näher erläutert, ohne dadurch die Erfindung auf eines der gezeigten Ausführungsbeispiele zu beschränken. Dabei zeigen:
- 1 das Funktionsprinzip eines Kalman-Filters;
- 2 die Ströme in der Drehmomentregelung;
- 3 das Drehmoment in der Drehmomentregelung;
- 4 die Drehzahl in der Drehmomentregelung;
- 5 die absolute Differenz zwischen der geschätzten und realen mechanischen Drehzahl in der Drehmomentregelung;
- 6 die absolute Differenz zwischen dem geschätzten und realen elektrischen Winkel in der Drehmomentregelung;
- 7 den realen und geschätzten Lastmomentverlauf in der Drehmomentregelung;
- 8 den verrauschten und gefilterten Strom Iα in der Drehmomentregelung;
- 9 den verrauschten und gefilterten Strom Iβ in der Drehmomentregelung;
- 10 eine vergrößerte Ansicht des verrauschten und gefilterten Stroms Iα in der Drehmomentregelung; und
- 11 eine vergrößerte Ansicht des verrauschten und gefilterten Stroms Iβ in der Drehmomentregelung.
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Für gleiche oder gleich wirkende Elemente der Erfindung werden identische Bezugszeichen verwendet. Ferner werden der Übersicht halber nur Bezugszeichen in den einzelnen Figuren dargestellt, die für die Beschreibung der jeweiligen Figur erforderlich sind. Die Figuren stellen lediglich Ausführungsbeispiele der Erfindung dar, ohne jedoch die Erfindung auf die dargestellten Ausführungsbeispiele zu beschränken.
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Das allgemeine Funktionsprinzip eines Kalman-Filters soll nun anhand der 1 kurz zum Verständnis erläutert werden. Zunächst findet eine einmalige Initialisierung 2 für die erste Berechnung durch einen Initialisierungsalgorithmus statt. Dieser Algorithmus ist nicht Teil dieser Erfindung, wird aber für die Funktionsweise des Unscented-Kalman-Filters vorausgesetzt. Dann findet eine Prädiktion 4 mit dem nicht linearen Modell der PSM auf Basis alter geschätzter Größen und der alten Steuerspannung, die durch einen Pulswechselrichter am E-Motor (nicht dargestellt) anliegt, statt. Hierbei erfolgt die Zeitdiskretisierung des nichtlinearen Modells durch ein Runge-Kutta-Verfahren 4ter Ordnung, um maximale Genauigkeit zu erhalten. Natürlich kann hier ein beliebiges Einschritt-/Mehrschrittsimulationsverfahren verwendet werden. Die alte Steuerspannung kann durch eine Messung 6 der Spannung am E-Motor direkt erfasst oder durch ein entsprechendes Pulswechselrichtermodell geschätzt werden. In einer Korrektur 8 kommen dann die verrauschten Ströme zum Einsatz. Dort werden die prädizierten Ströme mit den gemessenen Strömen verglichen und anhand dessen Vergleichsergebnis werden die prädizierten Größen entsprechend korrigiert. Die korrigierten Größen sind dann die Ausgangsgrößen (Ströme, Winkel, Drehzahl und Lastmoment) für die Regelung. Die korrigierten Größen werden für die nächste Prädiktion 4 bei der nächsten Berechnung abgespeichert. Dieses beschriebene Vorgehen wird bei jeder Berechnung durchgeführt.
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Nun soll mithilfe einer simulierten Drehmomentregelung gezeigt werden, wie gut der Unscented-Kalman-Filter den Winkel und die Drehzahl schätzt. Dabei werden in der Simulationen alle geschätzten Größen außer dem Lastmoment für die feldorientierte Regelung einer PSM verwendet. Der Regler ist ein Standard-PI-Regler und in der Simulation wurden so gut wie möglich ein Pulswechselrichter mit DC-Zwischenkreis und ein E-Motor als Regelstrecke nachgebildet.
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Der modellierte Motor enthält auch nur ein Grundschwingungsmodell. Während der Simulation werden die Ströme beispielhaft mit einem Messrauschen mit einer Standabweichung von σ=6 A verrauscht.
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Die Simulation findet unter idealen Bedingungen statt. Das bedeutet, dass es keine Parametervariationen der Modelle, z.B. durch Temperaturschwankungen oder andere Einflüsse, gibt, wie dies in der Realität der Fall ist.
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Allerdings können diese Einflüsse beim Unscented-Kalman-Filter durch Parameteranpassung oder durch Modellerweiterung berücksichtigt werden. Natürlich ist es auch möglich, gewisse Modellparameter online mit schätzen zu lassen, z.B. die Massenträgheit für das mechanische Modell. Oder man führt noch eine Sensitivitätsanalyse durch, um den Einfluss der Modellparametervariation auf den Unscented-Kalman-Filter zu untersuchen.
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In den 2 bis 11 sind die Ergebnisse der Simulation zu sehen. Die 2 zeigt die Verläufe des gemessenen Id-Stroms und des gemessenen Iq-Stroms als Funktion der Zeit. Dabei ist jeweils auch der Strom Idref und Iqref aufgetragen. 3 zeigt den gemessenen Verlauf des Drehmoments des E-Motors. Auch hier ist der Verlauf des Ziel-Drehmoments aufgetragen. 4 zeigt den Verlauf der gemessenen Drehzahl als Funktion der Zeit.
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Aus 5 und 6 erkennt man, dass der absolute Drehzahlunterschied bzw. Winkelunterschied sehr klein über den gesamt betrachten Simulationszeitraum bleibt. Es kommt erst zu einem größeren Fehler, als ein Lastmoment ab ca. 0,16 (siehe 5 oder 6) hinzugefügt wird. Der Fehler wird nach einem kleinen Einschwingverhalten nach einer gewissen Zeit wieder kleiner.
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Das Lastmoment in 7 wird leicht zeitverzögert gut mitgeschätzt wenn auch leicht verrauscht.
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In den 8 - 11 erkennt man gut die Filtereigenschaft des Unscented-Kalman-Filters, da der Filter das Rauschen gut aus den verrauschten Strömen Iα und Iβ herausfiltert.
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Zusammenfassend ist eine stabile Drehmomentregelung in der Simulation mit dem Unscented-Kalman-Filter möglich. Letztendlich wird bei dem Ansatz mit einem Unscented-Kalman-Filter versucht, über das mechanische Modell mithilfe des elektrischen Modells die gewünschten Größen (Winkel und Drehzahl) zu schätzen. Hierbei wird auch das reale Messrauschen mit berücksichtigt. Durch dieses Vorgehen werden im Vergleich zu den vorgestellten injektionsbasierten-/anisotropiebasierten Verfahren keine elektromagnetischen Designvorgaben für den E-Motor benötigt, da keine Anisotropie benötigt wird. Es wird auch keine spezielle Überabtastung der Ströme oder ein zusätzlicher Messsignalauswertungsaufwand in der Strommessung, wie in den injektionsbasierten-/anisotropiebasierten Verfahren, benötigt. Es wird nur eine genaue Modellierung des mechanischen Antriebstranges und ein elektromagnetisches Modell des Motors benötigt. Parametervariationen und Modellungenauigkeiten können bis zu einem gewissen Grad vom Unscented-Kalman-Filter berücksichtigt werden, aber dies beeinflusst auch wiederum die Genauigkeit der Schätzung.