-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Bestimmen eines kollektiven Manövers von wenigstens zwei Fahrzeugen. Die Erfindung betrifft ferner ein Computerprogrammprodukt, ein Computer-lesbares Medium, ein Steuergerät, und ein Fahrzeug umfassend das Steuergerät zum Bestimmen eines kollektiven Manövers von wenigstens zwei Fahrzeugen.
-
Autonom fahrende Fahrzeuge können eine Bewegungsvorhersage nutzen, um Bewegungen von anderen Fahrzeugen und weiterer Verkehrsteilnehmer abzuschätzen. Beispielsweise kann ein aktuell ausgeführtes oder ein zukünftiges Manöver eines Fahrzeugs abgeschätzt werden. Die Menge der möglichen Manöver eines Fahrzeugs wird häufig manuell durch einen Hersteller des Fahrzeugs ermittelt und dem Fahrzeug bereitgestellt.
-
Es ist daher eine Aufgabe der Erfindung, ein Bestimmen eines kollektiven Manövers von Fahrzeugen effizient zu verbessern Insbesondere ist es eine Aufgabe der Erfindung ein kollektives Manöver eines ersten Fahrzeugs relativ zu wenigstens einem weiteren Fahrzeug effizient zu ermitteln.
-
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche. Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen.
-
Gemäß einem ersten Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Verfahren zum Bestimmen eines kollektiven Manövers von wenigstens zwei Fahrzeugen. Das kollektive Manöver umfasst vorzugsweise gemeinsame Manöver von wenigstens zwei Fahrzeugen. Allgemein kann das Verfahren zwei oder mehr Fahrzeuge zueinander in Relation setzen und ein kollektives Manöver für diese Fahrzeuge bestimmen. Ein Fahrzeug kann beispielsweise ein Egofahrzeug oder ein von einer Sensorik des Egofahrzeugs erfassbares Fahrzeug sein. Das Verfahren kann ein oder mehrere kollektive Manöver für Kombinationen von Fahrzeugen bestimmen, bei denen das Egofahrzeug Teil des kollektiven Manövers ist oder das Egofahrzeug kein Teil des kollektiven Manövers ist, z.B. wenn das Egofahrzeug ein kollektives Manöver für wenigstens zwei Fahrzeuge im einem Umfeld des Egofahrzeugs bestimmt. Das Egofahrzeug ist vorzugsweise ein autonom fahrendes Fahrzeug, insbesondere ein autonom fahrendes Kraftfahrzeug. Das kollektive Manöver kann ein Fahrmanöver des Egofahrzeugs umfassen. Das Verfahren umfasst ein Empfangen eines Zustands eines ersten Fahrzeugs, z.B. eines Egofahrzeugs oder eines anderen Fahrzeugs, und eines Zustands wenigstens eines weiteren Fahrzeugs in einem Umfeld des Egofahrzeugs. Das Umfeld kann einen Straßenabschnitt des Egofahrzeugs umfassen, der von einer Sensorik des Egofahrzeugs erfassbar ist. Der Zustand kann beispielswiese eine Position und/oder eine Geschwindigkeit umfassen. Der Zustand des ersten Fahrzeug und/oder des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs kann von einem oder mehreren Sensoren des Egofahrzeugs, im Folgenden aus Sensorik des Egofahrzeugs genannt, und/oder mit der Sensorik verbundenen Steuergeräten des Egofahrzeugs empfangen werden. Das Verfahren umfasst ferner ein Ermitteln einer aktuellen Formation für das erste Fahrzeug und das wenigstens eine weitere Fahrzeug basierend auf dem empfangenen Zustand des ersten Fahrzeugs und dem empfangenen Zustand des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs in dem Umfeld des Egofahrzeugs, wobei die aktuelle Formation eine relative Ordnung des ersten Fahrzeugs und des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs bezüglich einer Fahrbahn, insbesondere einer oder mehrerer Fahrspuren einer Fahrbahn, umfasst. Weiterhin umfasst das Verfahren ein Ermitteln einer Menge von kollektiven Manövern, insbesondere eine Menge von möglichen, kollektiven Manövern, basierend auf der aktuellen Formation, wobei ein kollektives Manöver der Menge von kollektiven Manövern eine Folge von Formationen von der aktuellen Formation zu einer Endformation umfasst.
-
Das Verfahren umfasst ferner ein Berechnen mindestens einer Trajektorie für das erste Fahrzeug und mindestens einer Trajektorie für das wenigstens eine weitere Fahrzeug für ein kollektives Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern. Die Trajektorien werden vorzugsweise so berechnet, dass das kollektive Manöver mittels der berechneten Trajektorien möglich ist, d.h. durch die Fahrzeuge des kollektiven Manövers gefahren werden können. Schließlich umfasst das Verfahren ein Bestimmen des kollektiven Manövers basierend auf den berechneten Trajektorien für das kollektive Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern und einer durch eine Sensorik des Egofahrzeugs erfassten Bewegung des ersten Fahrzeugs und des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs.
-
Vorteilhafterweise kann durch das Ermitteln einer Menge von möglichen kollektiven Manövern für wenigstens zwei Fahrzeuge dynamisch auf ein Verkehrsszenario reagieren werden, bei der beispielsweise ein oder mehrere, weitere Fahrzeuge und/oder ein oder mehrere Hindernisobjekte, z.B. ein stehendes oder parkendes Fahrzeug, im Umfeld des Egofahrzeugs bei dem Manöver berücksichtigt werden müssen. Das Egofahrzeug kann sich somit flexibel an neue Verkehrsszenarien anpassen, ohne dass diese neuen Verkehrsszenarien auf dem Egofahrzeug vorab hinterlegt sein müssen. Ferner kann durch das Ermitteln von einer Folge von Formationen für jedes Manöver ein effizientes Berechnen des Manövers sichergestellt werden. Wird das Verfahren beispielsweise in einer Schrittweite von einer Sekunde ausgeführt, kann das Egofahrzeug in jedem Zeitschritt aus der Menge der kollektiven Manöver ein kollektives Manöver auswählen, das in Abhängigkeit einer erfassten Bewegung weiterer Fahrzeuge, bestimmt wird. Somit kann das Egofahrzeug stets ein optimales, kollektives Manöver ausführen, um beispielweise ein vorgegebenes Ziel zu erreichen.
-
Gemäß einer vorteilhaften Ausgestaltung kann das erste Fahrzeug das Egofahrzeug sein, und/oder der Zustand der ersten Fahrzeugs und/oder der Zustand des wenigstens einen Fahrzeugs eine vorzugsweise spurgenaue Position des jeweiligen Fahrzeugs umfassen. Hiermit kann ein kollektives Manöver für das Egofahrzeug effizient bestimmt werden. Ferner können ein präziseres Erfassen einer aktuellen Verkehrssituation und damit ein präziseres Erfassen einer aktuellen Formation erfolgen.
-
Gemäß einer weiteren, vorteilhaften Ausgestaltung kann das Verfahren weiterhin ein Bestimmen eines Zustands eines oder mehrerer Hindernisobjekte in dem Umfeld des Egofahrzeugs umfassen. Ferner kann das Ermitteln der aktuellen Formation basierend auf dem Zustand des ersten Fahrzeugs, z.B. des Egofahrzeugs, dem Zustand des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs und/oder dem Zustand der Hindernisobjekteerfolgen, und die aktuelle Formation eine relative Ordnung des ersten Fahrzeugs, z.B. des Egofahrzeugs, des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs, und der Hindernisobjekte bezüglich einer Fahrbahn umfassen. Hiermit kann eine Formation, die eine Verkehrssituation mit einem oder mehreren Hindernisobjekten umfasst, effizient ermittelt werden.
-
Gemäß einer weiteren, vorteilhaften Ausgestaltung kann die Folge von Formationen von der aktuellen Formation zu der Endformation eine vorgegebene Menge an paarweisen, lateralen Beziehungen zwischen dem ersten Fahrzeug und dem wenigstens einen oder mehrerer weiterer Fahrzeuge und/oder eine vorgegebene Passierreihenfolge des ersten Fahrzeugs und des wenigstens einen oder mehrerer weiterer Fahrzeuge spezifizieren, und/oder kann ein kollektives Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern eine Trajektorie des ersten Fahrzeugs und eine Trajektorie des wenigstens einen oder mehrerer weiterer Fahrzeuge umfassen, und/oder kann die Trajektorie des ersten Fahrzeugs und die Trajektorie des wenigstens einen oder mehrerer weiterer Fahrzeuge bezüglich der aktuellen Formation und einer gleichen Endformation homotop sein. Homotop bedeutet dabei, dass die Trajektorien aller, bei einem Manöver beteiligten Fahrzeuge mit der aktuellen Formation als Startformation und der gleichen Endformation eine kontinuierliche Transformation erlauben, ohne dass es zu einer Kollision mit einem Hindernisobjekt und/oder zu einer Kollision zweier Fahrzeuge kommt. Hiermit kann ein kollektives Manöver effizient berechnet werden.
-
Gemäß einer weiteren, vorteilhaften Ausgestaltung kann die relative Ordnung der aktuellen Formation spurgenau sein, und/oder kann die aktuelle Formation und die Endformation wenigstens einen Bereich umfassen, der frei von Fahrzeugen und/oder einem Hindernisobjekt ist. Hiermit kann das Manöver durch das Egofahrzeug präzise erfasst und effizient berechnet werden.
-
Gemäß einer weiteren, vorteilhaften Ausgestaltung kann das Ermitteln einer Menge von kollektiven Manövern ein Erzeugen einer Baumdatenstruktur für Formationen umfassen, wobei die aktuelle Formation ein Wurzelelement der Baumdatenstruktur ist. Ferner kann das Ermitteln einer Menge von kollektiven Manövern ein Berechnen einer weiteren Formation durch ein Verändern der relativen Ordnung des ersten Fahrzeugs, z.B. des Egofahrzeugs, und/oder des wenigstens einen oder mehrerer weiterer Fahrzeuge der Startformation unter Verwendung einer vorgegebenen Menge von diskreten Bewegungsaktionen, ein Hinzufügen der weiteren Formation zu der Baumdatenstruktur, und ein Prüfen ob die weitere Formation eine Endformation ist, umfassen. Falls die weitere Formation eine Endformation ist, kann die Folge von Formationen von der aktuellen Formation bis zu der Endformation als ein kollektives Manöver zu der Menge von kollektiven Manövern hinzugefügt und damit ein kollektives Manöver für die Menge von kollektiven Manövern ermittelt werden. Hiermit kann ein kollektives Manöver unter Berücksichtigung des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs und/oder eines oder mehrerer Hindernisobjekte effizient berechnet bzw. ermittelt werden.
-
Gemäß einer weiteren, vorteilhaften Ausgestaltung kann das Ermitteln einer Menge von Manövern weiterhin, falls die weitere Formation keine Endformation ist, ein Berechnen einer weiteren Formation durch ein Verändern der relativen Ordnung des Egofahrzeugs und/oder des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs der aktuellen Formation oder der hinzugefügten, weiteren Formation unter Verwendung einer vorgegebenen Menge von diskreten Bewegungsaktionen umfassen. Das Ermitteln einer Menge von Manövern kann ferner ein Hinzufügen der weiteren Formation zu der Baumdatenstruktur, ein Prüfen ob die weitere Formation eine Endformation ist, und ein Fortführen des Ermittelns einer Menge von Manövern in Abhängigkeit eines Ergebnisses des Prüfens, ob die weitere Formation eine Endformation ist, umfassen, wobei das Ermitteln der Menge von Manöver solange fortgeführt wird, bis die weiteren Formationen vollständig bezüglich der vorgegebenen Menge von diskreten Bewegungen berechnet sind. Hiermit kann eine vollständige Menge von möglichen Manövern des Egofahrzeugs effizient berechnet bzw. ermittelt werden.
-
Gemäß einer weiteren, vorteilhaften Ausgestaltung kann die Trajektorie für ein Manöver aus der Menge von Manövern bezüglich wenigstens eines fahrzeugspezifischen Parameters und/oder bezüglich wenigstens eines manöverspezifischen Parameters kostenoptimal sein. Hiermit kann eine effiziente Trajektorie für jedes mögliche Manöver des Egofahrzeugs berechnet werden.
-
Gemäß einem weiteren Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Computerprogrammprodukt zum Bestimmen eines Manövers eines Egofahrzeugs umfassend Instruktionen, die bei der Ausführung des Computerprogrammprodukts durch einen Computer oder ein Steuergerät, den Computer oder das Steuergerät dazu veranlassen, das oben beschriebene Verfahren auszuführen.
-
Gemäß einem weiteren Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Computer-lesbares Medium, welches Instruktion umfasst, die, wenn ausgeführt auf einem Computer oder einem Steuergerät, das oben beschriebene Verfahren ausführen.
-
Gemäß einem weiteren Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Steuergerät zum Bestimmen eines Manövers eines Egofahrzeugs, wobei das Steuergerät Mittel zur Ausführung des oben beschriebenen Verfahrens umfasst.
-
Gemäß einem weiteren Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Fahrzeug umfassend das oben beschriebene Steuergerät zum Bestimmen eines Manövers eines Egofahrzeugs.
-
Weitere Merkmale der Erfindung ergeben sich aus den Ansprüchen, den Figuren und der Figurenbeschreibung. Alle vorstehend in der Beschreibung genannten Merkmale und Merkmalkombinationen sowie die nachfolgend in der Figurenbeschreibung genannten und/oder in den Figuren allein gezeigten Merkmale und Merkmalskombinationen sind nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder aber in Alleinstellung verwendbar.
-
Die Erfindung beruht auf den nachfolgend dargelegten Überlegungen:
-
Ein Vorhersagen einer Bewegung von Fahrzeugen in einem Umfeld eines autonom fahrenden Fahrzeugs, im Folgenden auch Egofahrzeug genannt, ist eine Vorbedingung für ein sicheres, vorausschauendes und kooperatives Fahren von autonom fahrenden Fahrzeugen. Um eine kooperative Fahrstrategie zu bestimmen, kann es nützlich sein, dass ein autonom fahrendes Fahrzeug eine beabsichtigte Bewegung von umgebenden Fahrzeugen in seiner eigenen Bewegungsplanung verwendet. Jedoch können beabsichtigte Bewegungen nicht direkt gemessen werden. Folglich ist es notwendig, eine Abschätzung von Bewegungen und/oder Manövern von Fahrzeugen durch ein autonom fahrendes Fahrzeug in Verkehrsszenarien vorzunehmen, bei denen eine oder mehrere Abhängigkeiten zwischen dem autonom fahrenden Fahrzeug und weiteren, unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern, z.B. Fahrzeuge und/oder Hindernisobjekte, vorliegen.
-
Die Vorhersage bzw. Abschätzung einer Bewegung ist häufig mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Aus diesem Grund kann es schwierig sein, eine einzige, akkurate, und deterministische Vorhersage zu erhalten, auf Basis dieser ein autonom fahrendes Fahrzeug seine eigene Bewegungsplanung ausrichten kann. Speziell in Verkehrsszenarien, in denen Verkehrsteilnehmer eng miteinander verknüpft sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Bewegungen der Verkehrsteilnehmer unabhängig voneinander sind. Dies kann dazu führen, dass die Vorhersage der Bewegung der Verkehrsteilnehmer und das Planen der Bewegung des autonom fahrenden Fahrzeugs nicht getrennt betrachtet und gelöst werden können. Vielmehr sind die Vorhersage der Bewegung und das Planen der Bewegung zusammenhängend zu lösen. Im Folgenden werden hierfür Manöver auf Basis von Formationen definiert, die eine relative Bewegung von mehreren Fahrzeugen in einem Verkehrsszenario beschreiben.
-
Ein Verknüpfen von Entscheidungen für oder gegen ein Manöver kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass Bedingungen festgelegt werden, die eine Kollision in einem Verkehrsszenarios vermeiden sollen. Unter der Annahme, dass sich Fahrzeuge in einer Verkehrssituation kooperativ verhalten, können Trajektorien für ein gegebenes Manöver geplant werden, um ein menschliches Verhalten in dem Verkehrsszenario abzubilden. Mittels der geplanten Trajektorien kann ein Vergleich des Manövers mit Beobachtungen einer aktuellen Bewegung durchgeführt und, bei einer Abweichung der geplanten Trajektorien von der aktuellen Bewegung, eine Änderung des Manövers ausgeführt werden. Durch Anwendung von Bayesscher Statistik kann eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über mögliche Manöver abgeleitet werden. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung kann schließlich dazu verwendet werden, ein bestimmtes Manöver durch das Egofahrzeug auszuwählen und zu fahren.
-
Im Folgenden wird anhand der beigefügten Zeichnungen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung beschrieben. Daraus ergeben sich weitere Details, bevorzugte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung. Im Einzelnen zeigen schematisch
- 1 ein Verfahren zum Bestimmen eines Manövers eines Egofahrzeugs,
- 2 ein beispielhaftes Verkehrsszenario und eine aus dem Verkehrsszenario abgeleitete Formation,
- 3 eine iterativ erweiterte Baumdatenstruktur zum Identifizieren von Manövern des Verkehrsszenarios aus 2,
- 4 eine longitudinale Optimierung des Verkehrsszenarios aus 2,
- 5 eine lateral Optimierung des Verkehrsszenarios aus 2,
- 6 kostenoptimale Trajektorien für das Verkehrsszenario aus 2, und
- 7 Wahrscheinlichkeiten für mögliche Manöver des Egofahrzeugs in dem Verkehrsszenario aus 2.
-
Im Detail zeigt 1 ein Verfahren 100 zum Bestimmen eines Manövers eines Egofahrzeugs, insbesondere eines Fahrmanövers des Egofahrzeugs relativ zu einer Bewegung von wenigstens einem weiteren Fahrzeug. Das Manöver des Egofahrzeugs ist dabei kollisionsfrei, d.h. eine Kollision mit einem oder mehreren, weiteren Fahrzeugen und/oder Hindernisobjekten wird vermieden. Das Manöver kann beispielsweise ein Überholen und/oder ein Ausweichen eines Hindernisobjekts und/oder eines anderen Fahrzeugs umfassen. Das Manöver kann ein Durchfahren einer Kreuzung, ein Durchfahren eines Kreisverkehrs, und/oder ein Einfahren in eine Vorfahrtsstraße sein. Das wenigstens eine weitere Fahrzeug kann beispielsweise ein Fahrzeug sein, das manuell von einem Fahrer gesteuert wird oder ein autonom fahrendes Fahrzeug sein. Eine Kommunikation zwischen dem Egofahrzeug und dem bzw. den weiteren Fahrzeugen ist nicht notwendig. Das wenigstens eine weitere Fahrzeug kann beispielsweise ein Fahrzeug sein, das auf einer Fahrspur in entgegengesetzter Richtung zu der Fahrspur des Egofahrzeugs fährt und/oder auf einer Fahrspur einer Vorfahrtstraße fährt, auf die das Egofahrzeug beabsichtigt einzufahren. Allgemein ist das wenigstens eine weitere Fahrzeug ein Fahrzeug in einem Umfeld des Egofahrzeugs, dessen Bewegungen einen Einfluss auf das Manöver des Egofahrzeugs haben.
-
Das Verfahren 100 kann zunächst einen Zustand des Egofahrzeugs und einen Zustand des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs in dem Umfeld, vorzugsweise in dem nahen Umfeld, des Egofahrzeugs bestimmen 102. Der Zustand des Egofahrzeugs kann eine Position des Egofahrzeugs und/oder eine Geschwindigkeit des Egofahrzeugs umfassen. Der Zustand des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs kann eine Position des wenigstens einen Fahrzeugs und/oder eine Geschwindigkeit des wenigsten einen Fahrzeugs umfassen. Vorzugsweise umfasst die Position des Egofahrzeugs und des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs eine longitudinale Position und eine laterale Position des jeweiligen Fahrzeugs entlang eines Straßenverlaufs bzw. eines Straßenabschnitts. Die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs, z.B. des Egofahrzeugs und/oder des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs, kann eine longitudinale Geschwindigkeit und eine laterale Geschwindigkeit umfassen.
-
Die Position, z.B. eine longitudinale Position und/oder eine laterale Position, kann bezüglich eines Frenet-Koordinatensystems ermittelt werden. Weiterhin kann die Position des Egofahrzeugs und des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs spurgenau bestimmt werden. Dazu kann das Bestimmen 102 des Zustands ein Empfangen spurgenauer Kartendaten z.B. von einem Server oder von einem in dem Egofahrzeug integrierten, lokalen Datenspeicher umfassen. Um eine Position eines Fahrzeugs, z.B. des Egofahrzeugs und des wenigstens einen, weiteren Fahrzeugs, bezüglich einer Fahrspur zu bestimmen, kann eine, das Fahrzeug umgebende Box mit einer vorgegebenen Länge und einer vorgegebenen Breite bestimmt werden. Die vorgegebene Länge der Box und die vorgegebene Breite der Box können beispielsweise in Abhängigkeit der Länge und der Breite eines Fahrzeugs bestimmt werden. Die Box kann unter Verwendung der Position des Fahrzeugs auf die spurgenaue Karte abgebildet werden, um die spurgenaue Position des Fahrzeugs zu bestimmen. Vorzugsweise wird die das Fahrzeug umgebende Box relativ zu einer Linie, z.B. zu einer Mittellinie, oder eines anderen Objekts der Fahrbahn ausgerichtet. Hiermit kann eine spurgenaue Abbildung des Fahrzeugs vereinfacht werden.
-
Zusätzlich oder alternativ kann das Verfahren 100 einen Zustand eines oder mehrerer Hindernisobjekte ermitteln. Das Hindernisobjekt kann sich in dem Umfeld des Egofahrzeugs befinden und hat einen Einfluss auf das Manöver des Egofahrzeugs, d.h. ein Nichtbeachten des bzw. der Hindernisobjekte könnte zu einer Kollision führen. Folglich muss das bzw. die Hindernisobjekte bei dem Manöver des Egofahrzeugs berücksichtigt werden. Analog zum Bestimmen des Zustand seines Fahrzeug kann eine Position und optional eine Geschwindigkeit des Hindernisobjekts bestimmt werden. Vorzugsweise ist das Hindernisobjekt ein statisches Objekt, d.h. die Geschwindigkeit des Hindernisobjekts ist null. Weiterhin kann eine das Hindernisobjekt umgebende Box ermittelt werden und spurgenau auf die spurgenaue Karte abgebildet werden. Somit können ein oder mehrere Hindernisobjekte beim Bestimmen eines Manövers des Egofahrzeugs berücksichtigt werden. Das Manöver des Egofahrzeugs kann somit an komplexere Verkehrssituationen, die ein oder mehrere Hindernisobjekte umfassen, angepasst werden.
-
Das Verfahren 100 kann ferner eine Formation für das Egofahrzeugs und das wenigstens eine weitere Fahrzeug basierend auf dem bestimmten Zustand des Egofahrzeugs und dem bestimmten Zustand des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs in dem Umfeld des Egofahrzeugs ermitteln 104. Eine Formation beschreibt dabei eine relative Ordnung von Objekten, z.B. des Egofahrzeugs und dem wenigstens einen, weiteren Fahrzeug, bezüglich eines Straßenabschnitts bzw. einer Fahrbahnabschnitts in einem Verkehrsszenario. Mittels einer Formation kann ein Manöver für eine Verkehrssituation einfach beschrieben werden. Ein Objekt kann ein Fahrzeug, z.B. das Egofahrzeug und/oder das wenigstens eine weitere Fahrzeug, und/oder ein Hindernisobjekt sein. Jede Formation kann Informationen über eine zwei-dimensionale, relative Position der Objekte der Verkehrssituation umfassen. Genaue Entfernungen und/oder Längen zwischen den Objekten können bei einer Formation vernachlässig werden, um ein Ermitteln von Formationen zu vereinfachen.
-
Um eine Formation zu ermitteln, kann für einen Straßenabschnitt, vorzugsweise für einen Straßenabschnitt ohne Kreuzungen, in dem Umfeld des Egofahrzeugs ein lokales, den Straßenabschnitt umfassendes Frenet-Koordinatensystem definiert werden. Unter Verwendung des lokalen Frenet-Koordinatensystems kann die zwei-dimensionale Position eines oder mehrerer Fahrzeuge, z.B. des Egofahrzeugs und des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs, und die zwei-dimensionale Position eines oder mehrerer Hindernisobjekte, sofern vorhanden, auf diesem Straßenabschnitt bestimmt werden und eine Projektion der bestimmten Positionen in die longitudinale Dimension ausgeführt werden. Hinsichtlich der longitudinalen Dimension können das bzw. die Fahrzeuge und das bzw. die Hindernisobjekte sortiert werden. Vorzugsweise werden das bzw. die Fahrzeuge und das bzw. die Hindernisobjekte in aufsteigender Reihenfolge bezüglich der longitudinalen Position auf dem Straßenabschnitt sortiert. Die sortierte Reihenfolge von Fahrzeugen und/oder Hindernisobjekten kann für eine weitere Berechnung gespeichert werden. Die sortierte Reihenfolge kann ferner um eine zweite Dimension erweitert werden, in dem jedem Fahrzeug bzw. Hindernisobjekt eine Spur zugewiesen wird. Das Zuweisen der Spur kann mittels der spurgenauen Karte und der Abbildung der Fahrzeuge und/oder Hindernisobjekte mittels Boxen auf die spurgenaue Karte, wie oben beschrieben, erfolgen.
-
Ein beispielhaftes Verkehrsszenario 200 und eine aus dem Verkehrsszenario abgeleitete Formation zeigt 2. Das Verkehrsszenario 200 umfasst ein Egofahrzeug 202, Fahrzeug A in 2, ein stehendes Fahrzeug 204 als Hindernisobjekt, Fahrzeug B in 2, und ein weiteres Fahrzeug 206, Fahrzeug C in 2, das dem Egofahrzeug 202 entgegenkommt. Alternativ kann in dem Verkehrsszenario 200 das Egofahrzeug auch Fahrzeug B oder Fahrzeug C. Im Folgenden wird jedoch davon ausgegangen, dass Fahrzeug A in 2 das Egofahrzeug 202 ist. Die Fahrbahn bzw. die Straße umfasst zwei Spuren. Auf einer ersten Spur befinden sich das Egofahrzeug 202 und das stehende Fahrzeug 204. Auf einer zweiten Spur befindet sich das weitere Fahrzeug 206. Ebenfalls in 2 gezeigt sind die, die Fahrzeuge 202, 204, und 206 umgebende Boxen 208, 210, 212, mit denen die Fahrzeuge 202, 204, 206 auf die spurgenaue Karte abgebildet werden. Die longitudinale Position des Egofahrzeugs 202 ist sA, die longitudinale Position des stehenden Fahrzeugs 204 ist sB, und die longitudinale Position des weiteren Fahrzeugs 206 ist sC. Wie oben beschrieben kann eine sortierte Reihenfolge der Fahrzeuge 202, 204, und 206 bezüglich der jeweiligen longitudinalen Position erstellt und mit Informationen zur jeweiligen Spur verknüpft werden. Die Formation 214 umfasst somit eine spurgenaue Position der Fahrzeuge relativ zueinander.
-
Wie in 2 beispielhaft gezeigt, kann die Formation 214 als eine Ansammlung von mehreren Zellen dargestellt werden. Jede Zelle der Formation 214 ist mit maximal einem Fahrzeug oder einem Hindernisobjekt belegt. Zwei Fahrzeuge oder Hindernisobjekte können nicht auf der gleichen, longitudinalen Spalte angeordnet sein, d.h. lateral angrenzende Zellen von einer belegten Zelle sind immer frei. Falls sich in dem betrachteten Straßenabschnitt des Verkehrsszenarios Fahrzeuge und/oder Hindernisobjekte überlappen, wird diese Information nicht weiter betrachtet. Eine Zuweisung erfolgt eindeutig zu einer Zelle ohne Berücksichtigung einer eventuellen Überlappung.
-
Um eine Formation zu ermitteln, kann für einen Straßenabschnitt mit einer Kreuzung in dem Umfeld des Egofahrzeugs ebenfalls ein lokales, den Straßenabschnitt und die Kreuzung umfassendes Frenet-Koordinatensystem definiert werden. Unter Verwendung der spurgenauen Karte können verschiedene Straßenabschnitte der Kreuzung extrahiert und eine Verknüpfung der Straßenabschnitte zu der Kreuzung abgeleitet werden. Dazu kann zunächst eine Formation für einen ersten Straßenabschnitt und eine Formation für einen zweiten Straßenabschnitt, der den ersten Straßenabschnitt kreuzt, unabhängig voneinander bestimmt werden. Falls eine Zelle der ersten Formation in der zweiten Formation ebenfalls vorhanden ist, dann wird diese Zelle als eine Kreuzungszelle markiert. Dies wird solange fortgeführt, bis alle Kreuzungszellen markiert sind. Eine Kreuzungszelle kann nicht durch ein Fahrzeug oder ein Hindernisobjekt belegt werden. Ist beispielsweise eine Kreuzungszelle zum Zeitpunkt des Bestimmens einer Formation durch ein Fahrzeug belegt, so kann das Fahrzeug, das die Zelle belegt, auf die nächste, nachfolgende, normale Zelle gesetzt werden. Dabei wird angenommen, dass bekannt ist, welche Kreuzungsausfahrt ein Fahrzeug nimmt.
-
Das Verfahren 100 kann eine Menge von kollektiven Manövern, ausgehend von der ermittelten, aktuellen Formation, im Folgenden auch Startformation genannt, ermitteln 106. Die aktuelle Formation umfasst mindestens eine Position des Egofahrzeugs und eine Position eines weiteren Fahrzeugs. Die Menge von kollektiven Manövern kann in jedem Zeitschritt, in dem das Verfahren 100 ausgeführt wird, neu berechnet werden. Ein Zeitschritt kann beispielsweise ein Bruchteil einer Sekunde, 1,0 Sekunde, 1,1 Sekunden, 1,2 Sekunden, ..., zwei Sekunden, drei Sekunden, usw. sein. Vorzugsweise ist der Zeitschritt möglichst klein in Abhängigkeit von Rechenzeit und/oder Informationsgewinn zu wählen, z.B. eine Sekunde. Die Menge von kollektiven Manövern umfasst mögliche, kollektive Manöver, vorzugsweise alle möglichen, kollektiven Manöver, in einem Zeitschritt. Ein kollektives Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern kann als Folge fortlaufender Formationen von der Startformation zu einer Endformation definiert werden. Jede Formation eines kollektiven Manövers erfüllt eine vorgegebene Menge von Bedingungen, die paarweise, laterale Beziehungen und/oder eine Passierreihenfolgen eines oder mehrere kritischer Bereiche des Verkehrsszenarios spezifizieren. Ein kritischer Bereich kann ein Bereich eines Straßenabschnitts sein, der während eines kollektiven Manövers von einem Fahrzeug nur zu einem bestimmten Zeitpunkt oder überhaupt nicht befahren werden darf. Ein kollektives Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern kann beispielsweise das Egofahrzeug und eines oder mehrere, weitereFahrzeuge und/oder Hindernisobjekte umfassen und eine Bewegung des Egofahrzeugs relativ zu wenigstens einem, weiteren Fahrzeug und/oder Hindernisobjekt sowie relativ zu anderen Fahrzeugen untereinander definieren.
-
Um die Menge von kollektiven Manövern zu ermitteln kann zunächst die aktuelle Formation eines gegebenen Verkehrsszenarios, wie oben in Schritt 104 des Verfahrens 100 beschrieben, ermittelt werden. Die Menge von kollektiven Manövern kann durch ein iteratives Erweitern einer Baumdatenstruktur erfolgen, wobei jeder Knoten der Baumdatenstruktur einer Formation entspricht. Durch das iterative Erweitern der Baumdatenstruktur können mögliche Manöver ausgehend von der aktuellen Formation gesucht werden. Ferner kann durch das iterative Erweitern der Baumdatenstruktur ein mögliches Manöver für das Egofahrzeug schnell gefunden werden, auch wenn die Baumdatenstruktur noch nicht vollständig erweitert wurde.
-
Als Wurzelelement der Baumdatenstruktur kann die aktuelle Formation verwendet werden. Im Detail können durch das iterative Erweitern der Baumdatenstruktur Endformationen und Zwischenformationen zwischen der aktuellen Formation als Startformation und der bzw. den Endformationen ermittelt werden. Eine Endformation kann eine Zwischenformation eines anderen Pfads von der aktuellen Formation zu einer weiteren Endformation sein. Dadurch können Manöver gefunden werden, die Teilmanöver eines anderen Manövers sind und die Anzahl der Manöver in der Menge von Manövern erhöht werden, aus denen das Egofahrzeug ein zu fahrendes Manöver auswählen bzw. bestimmen kann.
-
Ausgehend von der aktuellen Formation als Wurzelelement kann eine neue Formation in Abhängigkeit einer Bewegung, insbesondere einer relativen Bewegung, eines oder mehrerer Fahrzeuge, z.B. einer Bewegung des Egofahrzeug und/oder einer Bewegung des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs, erzeugt werden. Allgemein kann eine relative Bewegung zwischen Fahrzeugen und/oder Hindernissen des Verkehrsszenarios, das durch die aktuelle Formation repräsentiert wird, durch eine vorgegebene Menge diskreter Aktionen A = {along,aleft,aright} beschrieben werden, aus dieser eine Aktion ausgewählt wird, um eine neue Formation zu erzeugen. Die vorgegebene Menge an diskreter Aktionen kann einen Suchraum begrenzen, in dem ein mögliches Manöver zu suchen ist. Eine Aktion auf der Menge von Aktionen beschreibt eine Veränderung bezüglich einer relativen Ordnung von Objekten, z.B. einer relativen Ordnung von Fahrzeugen und/oder Hindernissen, einer Formation. Eine Fahrzeug-Aktion-Paar (V,a) ∈ V × A kann eine Formation, z.B. die aktuelle Formation, in eine neue Formation transformieren.
-
Das Objekt, das bezüglich der longitudinalen Ordnung das nächste Objekt in Fahrtrichtung ist, wird unabhängig von der Fahrspur als das vorausliegende bzw. vorausfahrende Objekt im Folgenden bezeichnet. Die lateralen Aktionen aleft und aright repräsentieren einen Spurwechsel von der rechten Spur auf die linke Spur oder von der linken Spur auf die rechte Spur. Die longitudinale Aktion along kann zwei unterschiedliche Aktionen repräsentieren: erstens, das Passieren des vorausliegenden bzw. vorausfahrenden Objekts, wobei das Passieren in einem Wechsel der Position bezüglich der longitudinalen Ordnung einer Formation resultiert oder, zweitens, das Passieren einer Kreuzung und das Einordnen des Fahrzeugs in eine mit der Kreuzung verknüpften Spur.
-
Durch das Erweitern der Baumdatenstruktur können Formationen erzeugt werden, die mögliche Aktionen der Fahrzeuge ausgehend von der aktuellen Formation darstellen. Ist die Baumdatenstruktur vollständig mit allen möglichen Aktionen erweitert worden, liegen alle möglichen Formationen ausgehend von der aktuellen Formation vor. Um die Baumdatenstruktur effizienter zu erzeugen, können Abschneidebedingungen definiert werden, die einen oder mehrere Pfade der Baumdatenstruktur verwerfen bzw. nicht weiter betrachten und/oder eine Tiefe eines oder mehrerer Pfade der Baumdatenstruktur begrenzen. Mittels der Abschneidebedingungen können beispielsweise Schleifen bei dem Erzeugen von neuen Formationen verhindert werden. Ferner kann durch die Abschneidebedingungen ein unmögliches Verhalten und/oder ein unwahrscheinliches Verhalten eines Fahrzeugs ausgeschlossen, ein Einhalten von Verkehrsregeln durchgesetzt, und/oder allgemein gültige Verhaltensweisen eines Fahrers eines Fahrzeugs berücksichtigt werden. Die Abschneidebedinungen können zusätzlich Fahrdynamikparameter berücksichtigen.
-
Um Pfade der Baumdatenstruktur zu verwerfen und/oder zu begrenzen können beispielsweise folgende Abschneidebedingungen definiert werden:
- - Passieren auf der gleichen Spur: Passieren eines vorausliegendes Fahrzeugs oder Hindernisobjekts auf der gleichen Spur;
- - Unpassender Spurwechsel: Wechseln auf die Fahrspur des vorausliegenden Fahrzeugs, wenn es auf ein anderes Fahrzeug zufährt; Ausführen eines Spurwechsels auf eine nichtexistierende Fahrspur.
- - Rückwärtige, laterale Aktion: Wechseln auf eine Fahrspur, auf der früher in diesem Manöver gefahren wurde, ohne ein anderes Fahrzeug überholt zu haben.
- - Erneutes Überholen: Zwei Fahrzeuge passieren einander, die sich früher in dem Manöver bereits überholt haben.
- - Bereits bestehende, neue Formation: Eine neue Formation, die bereits besteht und die gleiche Elternformation hat.
-
Um eine neue Formation als Endformation zu bestimmen, können Bedingungen definiert werden, die eine Endformation erfüllen muss. Beispielsweise kann als Bedingung für eine Endformation festgelegt werden, dass alle Fahrzeuge mit unterschiedlichen Fahrtrichtungen einander passiert haben müssen, und/oder dass alle Fahrzeuge auf einer Fahrspur sind und dabei ihre korrekte Fahrtrichtung haben. Eine Endformation kann eine Zwischenformation für eine andere Endformation sein. Dies bedeutet, dass das Erweitern eines Pfades der Baumdatenstruktur bei einer Endformation weiter fortgeführt werden kann, bis wenigstens eine der Abschneidebedingungen ist und/oder alle Endbedingungen erfüllt sind. Ein Pfad von der aktuellen Formation zu einer Endformation ist ein Manöver, wie oben definiert. Ähnliche Manöver, d.h. Manöver, die zwar ähnliche Pfade aufweisen, aber deren Ergebnis bezüglich der jeweiligen Endformation ähnlich ist, können aus der Menge von Manövern entfernt werden, um die Anzahl der Manöver und damit die Komplexität der Berechnung weiter zu reduzieren.
-
3 zeigt eine iterativ erweiterte Baumdatenstruktur und durch die Erweiterung der Baumdatenstruktur abgeleiteten kollektiven Manöver für das beispielhafte Verkehrsszenario aus 2. Ausgehend von der Startformation F0 wurden drei mögliche Endformationen FT1, FT2, und FT3 bestimmt. Der Pfad von der Startformation F0 zu der Endformation FT1 spezifiziert ein erstes kollektives Manöver M1, der Pfad von der Startformation F0 zu der Endformation FT2 spezifiziert ein zweites kollektives Manöver M2, der Pfad von der Startformation F0 zu der Endformation FT3 spezifiziert ein drittes kollektives Manöver M3. In dem ersten kollektiven Manöver folgt das Fahrzeug A dem Fahrzeug B. In dem zweiten kollektiven Manöver überholt das Fahrzeug A das Fahrzeug B bevor das Fahrzeug C das Fahrzeug B passiert. In dem dritten kollektiven Manöver überholt das Fahrzeug A das Fahrzeug B, nachdem das Fahrzeug C das Fahrzeug B passiert hat.
-
Das Verfahren 100 kann nach dem Ermitteln 106 der Menge von kollektiven Manövern, mindestens eine Trajektorie pro kollektives Manöver auf der Menge von kollektiven Manövern berechnen 108. Trajektorien eines kollektiven Manövers sind vorzugsweise homotop, d.h. eine Trajektorie des kollektiven Manövers kann in eine andere Trajektorie des kollektiven Manövers kontinuierlich transformiert werden unter Einhaltung der vorgegebenen, strukturellen Einschränkungen des Verkehrsszenarios. Vorzugsweise wird eine Trajektorie für jedes Objekt, z.B. jedes Fahrzeug und/oder jedes Hindernisobjekt, jedes kollektiven Manövers aus der Menge von kollektiven Manövern berechnet. Die berechneten Trajektorien eines kollektiven Manövers ermöglichen ein Vergleichen des kollektiven Manövers mit einem anderen kollektiven Manöver und mit Beobachtungen über tatsächlich gefahrene Trajektorien. In anderen Worten repräsentieren die berechneten Trajektorien ein kollektives Manöver. Um die Trajektorien des kollektiven Manövers zu erzeugen, kann ein Optimierungsproblem formuliert werden, welche eine Kostenfunktion unter vorgegebenen Bedingungen minimiert. Die berechneten Trajektorien sind vorzugsweise kostenminimale Trajektorien für das kollektive Manöver.
-
Die vorgegebenen Bedingungen können manöverabhängige und/oder manöverunabhängige Bedingungen umfassen. Manöverunabhängige Bedingungen können einen oder mehrere fahrdynamische Parameter umfassen, die beispielsweise in Abhängigkeit des bzw. der Fahrzeuge festgelegt werden können. Manöverabhängige Parameter können raumbezogene Parameter sein, z.B. auf welcher Seite zwei Fahrzeuge das jeweils andere Fahrzeug passieren und/oder welcher Sicherheitsabstand gegenüber einem oder mehreren Fahrzeugen und/oder Hindernisobjekten einzuhalten ist, und/oder zeitbasierte Parameter, z.B. in welcher Ordnung zwei oder mehr Fahrzeuge einen kritischen Bereich passieren. Für beide Arten von Parameter, raumbezogene Parameter und zeitbasierte Parameter, sind die Bedingungen so festzulegen, dass eine Kollision von zwei oder mehr Fahrzeugen und/oder eine Kollision eines Fahrzeugs mit einem Hindernisobjekt vermieden werden.
-
Aus der Folge von Formationen, die das Manöver definieren kann beispielsweise abgeleitet werden, ob und auf welcher Seite ein Fahrzeug ein Hindernisobjekt und/oder ein Fahrzeug passieren kann. Weiterhin kann aus der Folge von Formationen des Manövers abgeleitet werden, in welcher Reihenfolge das Passieren der Fahrzeuge bzw. in welcher Reihenfolge ein Passieren des Hindernisobjekts durch die Fahrzeuge erfolgt. Um die Rechenkomplexität zu reduzieren, kann das Optimierungsproblem in wenigstens zwei Teilprobleme aufgeteilt werden: ein Optimierungsproblem für eine Optimierung einer longitudinale Steuerung des Egofahrzeugs und ein Optimierungsproblem für eine Optimierung einer laterale Steuerung des Egofahrzeugs. Das Optimierungsproblem für die Optimierung der longitudinalen Steuerung stellt eine Passierreihenfolge sicher, während das Optimierungsproblem für die Optimierung der lateralen Steuerung stellt eine korrekte, paarweise Beziehung sicherstellt. Vorzugsweise wird zuerst die longitudinale Optimierung ausgeführt und die Ergebnisse der longitudinalen Optimierung als eine Eingabe für die laterale Optimierung verwendet. Dies hat den Vorteil, dass der lateralen Optimierung die longitudinalen Positionen der Fahrzeuge und/oder Hindernisobjekte bekannt sind.
-
Damit die Trajektorien des Manövers aus der Menge von Manövern ein allgemeines, menschliches Fahrverhalten abbilden, kann eine quadratische Kostenfunktion gewählt werden. Mittels der quadratischen Kostenfunktion können ein Beschleunigen, ein Abweichen von einer gewünschten Geschwindigkeit, und/oder ein Abweichen von einer lateralen Position in das Berechnen der Trajektorie bzw. der Trajektorien einfließen. Ferner können in der Kostenfunktion Kosten aller Fahrzeuge und/oder Hindernisse berücksichtigt werden.
-
4 zeigt eine longitudinale Optimierung des Verkehrsszenarios aus 2 und die ermittelten, kollektiven Manöver M1, M2, und M3 aus 3, und 5 eine lateral Optimierung des Verkehrsszenarios aus 2 und die ermittelten, kollektiven Manöver M1, M2, und M3 aus 3. Die kostenoptimalen bzw. die kostenminimalen Trajektorien für die ermittelten, kollektiven Manöver M1, M2, und M3 zeigt 6.
-
In 4 zeigt 402 die longitudinale Trajektorie des Egofahrzeugs 202, 404 die longitudinale Trajektorie des stehenden Fahrzeugs 204, und 406 die longitudinale Trajektorie des weiteren Fahrzeugs 206. Bereiche, die die longitudinale Trajektorie 402 des Egofahrzeugs nicht durchkreuzen darf, sind mit 408 gekennzeichnet. Bereiche, die die longitudinale Trajektorie 406 des weiteren Fahrzeugs 206 nicht durchkreuzen darf, sind mit 410 gekennzeichnet. Die Bereiche 408 und/oder 410 können dynamisch zwischen den Zeitschritten anpasst werden, um Bewegungen der Fahrzeuge, z.B. des Egofahrzeugs 202 und des weiteren Fahrzeugs 206, zu berücksichtigen.
-
In 5 ist die laterale Trajektorie des Egofahrzeugs 202 mit 510, die laterale Trajektorie des stehenden Fahrzeugs 204 mit 512, und die laterale Trajektorie des weiteren Fahrzeugs 206 mit 504 gekennzeichnet. Bereiche, die die laterale Trajektorie des Egofahrzeugs 202 und des weiteren Fahrzeugs 206 nicht durchkreuzen darf, sind mit 502, Bereiche, die die laterale Trajektorie des Egofahrzeugs nicht durchkreuzen darf, sind mit 508, und Bereiche, die die laterale Trajektorie des weiteren Fahrzeugs nicht durchkreuzen darf, mit 506 gekennzeichnet.
-
Werden die longitudinalen Trajektorien aus 4 und die lateralen Trajektorien aus 5 der jeweiligen Fahrzeuge und Manöver zusammengeführt, können die in 6 gezeigten Trajektorien für das Egofahrzeug 202, das stehenden Fahrzeug 204 und das weitere Fahrzeug 206 für die jeweiligen kollektiven Manöver M1, M2, und M3 abgeleitet werden. Die in 6 gezeigten Trajektorien können direkt von dem Egofahrzeug 202 gefahren werden.
-
Das Verfahren 100 kann ferner das Manöver des Egofahrzeugs basierend auf der berechneten Trajektorie bzw. den berechneten Trajektorien für die kollektiven Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern und einer durch eine Sensorik des Egofahrzeugs erfassten Bewegung des wenigstens einen weiteren Fahrzeugs bestimmen 110. Es wird genau ein kollektives Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern in einem Zeitschritt bestimmt. In einem darauffolgenden Zeitschritt kann ein anderes kollektives Manöver bestimmt werden. Ein Wechseln des kollektiven Manövers zwischen zwei Zeitschritten ermöglicht das Abbilden eines Verhaltens eines menschlichen Fahrers, der kontinuierlich ein Verkehrsszenario bewertet und ein beabsichtigtes Manöver flexibel wechselt, wenn z.B. eine Änderung des Verkehrsszenarios eintritt oder eine Neubewertung des Verkehrsszenarios zu einem anderen Manöver führt.
-
Um das kollektive Manöver des Egofahrzeugs aus der Menge von kollektiven Manövern zu bestimmen, kann die Bewegung des Egofahrzeugs als ein stochastischer Prozess modelliert werden, der alle kollektive Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern umfasst, wobei in einem Zeitschritt nur ein kollektives Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern aktiv sein kann. Ferner kann eine Manöverwechselwahrscheinlichkeit definiert werden. Vorzugsweise liegt die Manöverwechselwahrscheinlichkeit zwischen zwei Zeitschritten für alle kollektiven Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern bei 10 %. Durch Anwendung bekannter Schätzverfahren kann das kollektive Manöver geschätzt werden. Beispielsweise kann als Schätzverfahren ein Kalman-Filter, z.B. ein interaktiver, multipler Modell, kurz IMM, Kalman-Filter, verwendet werden, um das kollektive Manöver bzw. die Zustände des kollektiven Manövers zu schätzen. Ferner kann durch ein Anwenden bekannter Bayesscher Statistikverfahren Wahrscheinlichkeiten für jedes kollektive Manöver basierend auf geschätzten Zuständen der kollektiven Manöver, aktuellen Messwerten einer tatsächlichen Bewegung des bzw. der Fahrzeuge des Verkehrsszenarios, und/oder der Manöverwechselwahrscheinlichkeit, eine Wahrscheinlichkeit für jedes kollektive Manöver aus der Menge von kollektiven Manövern bestimmt werden. Das kollektive Manöver mit der höchsten Wahrscheinlichkeit kann von dem Egofahrzeug ausgewählt und die berechnete Trajektorie des ausgewählten, kollektiven Manövers gefahren werden.
-
7 zeigt die berechneten Wahrscheinlichkeiten für die kollektiven Manöver M1, M2, und M3. Von den drei kollektiven Manövern M1, M2, und M3 hat das kollektive Manöver M3 die höchste Wahrscheinlichkeit. Das Egofahrzeug wird somit das kollektive Manöver M3 in dem Verkehrsszenario von 2 auswählen und die im dem kollektiven Manöver M3 berechnete Trajektorie des Egofahrzeugs in einem oder mehreren Zeitschritten fahren bis ein anderes kollektives Manöver eine höhere Wahrscheinlichkeit in einem folgenden Zeitschritt erhält.
-
Vorteilhafterweise kann durch eine formationsbasierte Repräsentation von kollektiven Manövern eine relative Bewegung von Fahrzeugen zueinander oder zwischen Fahrzeugen und Hindernisobjekten effizient bei dem Bestimmen eines kollektiven Manövers von Fahrzeugen berücksichtigt werden. Ein Auffinden von möglichen kollektiven Manövern kann durch die Verwendung von Formationen effizient automatisiert werden. Ein Egofahrzeug kann dadurch Verkehrssituationen präziser einschätzen, falls das kollektive Manöver das Egofahrzeug nicht umfasst. Und, die berechnete Trajektorie für das bestimmte, kollektive Manöver kann direkt von dem Egofahrzeug gefahren werden, falls das Egofahrzeug ein Fahrzeug des kollektiven Manövers ist. Das kollektive Manöver des Egofahrzeugs kann somit effizient hinsichtlich der benötigten Rechenressourcen für jeden Zeitschritt neu bestimmt werden. Ferner können von dem Egofahrzeug mögliche, kollektive Manöver selbst in Abhängigkeit eines aktuellen Verkehrsszenarios gefunden werden. Das Egofahrzeug 202 kann somit effizient und flexibel auf unterschiedliche und sich schnell ändernde Verkehrsszenarien ähnlich wie ein menschlicher Fahrer reagieren, in dem das Egofahrzeug 202 bei jedem Zeitschritt, in dem das Verfahren ausgeführt wird, eine neue Bewertung des Verkehrsszenarios vornimmt. Dabei kann das Egofahrzeug relative Bewegungen zwischen fahrenden Fahrzeugen und relative Bewegungen zu statischen Hindernisobjekten effizient berücksichtigen und schnell ein zu fahrendes, kollektives Manöver bestimmen.
-
Bezugszeichenliste
-
- 100
- Verfahren
- 102
- Empfangen eines Zustands
- 104
- Ermitteln einer aktuellen Formation
- 106
- Ermitteln einer Menge von Manövern
- 108
- Berechnen einer Trajektorie
- 110
- Bestimmen des Manövers des Egofahrzeugs
- 200
- Verkehrsszenario
- 202
- Egofahrzeug
- 204
- abgestelltes Fahrzeug
- 206
- weiteres Fahrzeug
- 208
- Box
- 210
- Box
- 212
- Box
- 214
- Formation
- 300
- Baumdatenstruktur möglicher Formationen und Manöver
- 400
- longitudinale Optimierung von Trajektorien
- 402
- Trajektorie des Egofahrzeugs
- 404
- Trajektorie des stehenden Fahrzeugs
- 406
- Trajektorie des weiteren Fahrzeugs
- 408
- Sperrbereich des Egofahrzeugs
- 410
- Sperrbereich des weiteren Fahrzeugs
- 500
- laterale Optimierung von Trajektorien
- 502
- Sperrbereich des Egofahrzeugs und des weiteren Fahrzeugs
- 504
- Trajektorie des weiteren Fahrzeugs
- 506
- Sperrbereich des weiteren Fahrzeugs
- 508
- Sperrbereich des Egofahrzeugs
- 510
- Trajektorie des Egofahrzeugs
- 512
- Trajektorie des stehenden Fahrzeugs
- 600
- kostenoptimale Trajektorien der Manöver
- 700
- Wahrscheinlichkeiten für die Manöver