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Technisches Gebiet
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In vielen Fertigungsmaschinen, Werkzeugmaschinen sowie in Prüfeinrichtungen sollen die zwischen Werkzeug und Werkstück auftretenden Kräfte durch spezielle, meist mehrachsige Kraft-Momentensensoren erfasst werden. Dabei ergibt sich häufig das Problem die Kraftwirkungen zwischen Werkzeug und Werkstück (Nutzsignale) von Störkräften (Störsignale) zu unterscheiden. Störsignale werden dabei insbesondere durch beschleunigte Bewegungen verursacht, die auf die dem mehrachsigen Kraft-Momentensensor anhängenden Masse einwirken und aufgrund der Massenträgheit eine Störkraft erzeugen, welche vom Kraft-Momentensensor von den zwischen Werkzeug und Werkstück auftretenden Kräften nicht ohne weiteres unterscheidbar ist. Weiterhin können Richtungsänderungen der auf den mehrachsigen Kraft-Momentensensor einwirkenden Schwerkraft zu Messfehlern führen. Um Nutz- und Störsignale voneinander unterscheidbar zu machen werden in der Technik verschiedene Sensoren angeboten, z.B. Beschleunigungssensoren, Drehratensensoren, Neigungssensoren und Körperschallsensoren, welche die relevanten Störgrößen erfassen und die gemessenen Werte in Echtzeit an eine Auswerteeinheit übergeben, die befähigt ist, das von Kraft-Momentensensor gelieferte Rohsignal auf der Basis der von den Störgrößensensoren gelieferten Messwerte von störgrößenbedingten Einflüssen zu bereinigen.
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Hintergrund der Erfindung
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Beschleunigte Bewegungen der Maschinenachsen, Vibrationen der Maschinenaggregate, angeregte Eigenschwingungen des Maschinenkörpers oder des Maschinenfundaments, Verkippungen des Maschinenkörpers aufgrund von Gewichtsverlagerungen und vieles mehr verursachen Kraftwirkungen am Kraft-Momentensensor, generieren Störkräfte, die von den Kraftwirkungen zwischen Werkzeug und Werkstück unterschieden werden müssen. Störgrößensensoren liefern dabei Kompensationswerte, mit Hilfe derer in einer gemeinsamen Auswerteeinheit Nutz- und Störsignale voneinander getrennt werden können.
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Dabei wird die Aufgabe der Störsignalkompensation umso komplexer, desto mehr Kraftkomponenten vom Kraft-Momentensensor erfasst werden sollen. Wenn ein sechsachsiger Kraft-Momentensensor beispielsweise die Kraftkomponenten Fx, Fy, Fz, sowie die Momente Mx, My und Mz erfassen soll, müssen von den Störgrößensensoren die Beschleunigungen entlang der drei Raumachsen gemessen werden, dazu die Drehratenänderung um die drei Hauptachsen und die Neigung des Kraft-Momentensensors zur Schwerkraftrichtung in wiederum drei Achsen. All diese Sensoren müssen dieselbe Abtastrate und mindestens dieselbe Empfindlichkeit gegenüber den Störkräften und -momenten besitzen wie der Kraft-Momentensensor selbst. Die Störgrößenabtastung muss darüber hinaus absolut synchron zur Messwertabtastung erfolgen und eine geringe Nullpunktdrift besitzen. Weiterhin sollten die Eigenfrequenz und die Eigendämpfung der Störgrößensensoren größer oder gleich der Eigenfrequenz und Eigendämpfung des zu kompensierenden Kraft-Momentensensors sein. Ein sensorisches System, welches all diese Eigenschaften auf sich vereint, kann, sofern es überhaupt mit handelsüblichen Komponenten realisiert werden kann, den Preis des Kraft-Momentensensors um ein Mehrfaches übersteigen und große Probleme bei der Integration in die Zielmaschine verursachen. Die Aufgabe der Erfindung ist es daher ein Verfahren und ein System zur Störgrößenerfassung zu schaffen, welches die Forderung nach einer synchronen Erfassung der von Beschleunigungen, Schwingungen, Neigungen und Vibrationen verursachten Störsignale in der erforderlichen Genauigkeit und Zuverlässigkeit erfüllt und mit vertretbarem Aufwand in die Zielmaschine integrierbar ist.
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Darstellung der Erfindung
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Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass eine erfindungsgemäße Kraftmesseinrichtung über einen Störgrößensensor verfügt, welches in weiten Teilen eine technologische Kopie des mehrachsigen Kraft-Momentensensors darstellt, jedoch vollständig von den Einwirkungen der zwischen Werkzeug und Werkstück wirkenden Kräfte und Momente entkoppelt ist. Die Erfassung der Störsignale erfolgt dabei über die Erfassung der auf eine Ersatzmasse einwirkenden Kräfte, welche mit dem beweglichen Teil des Störgrößensensors fest verbunden ist und somit einen Teil desselben bildet. Das Verhältnis zwischen Ersatzmasse Ms und der Steifigkeit Cs des Störgrößensensors ist dabei so gewählt, dass sie dem Verhältnis der anhängenden beweglichen Masse Mk und der Steifigkeit Ck des Kraft-Momentensensors entlang derselben Raumachse möglichst genau entspricht. Dies führt dazu, dass die Eigenfrequenz des Störgrößensensors annähernd der Eigenfrequenz des mehrachsigen Kraft-Momentensensors im unbelasteten Zustand in gleicher Lastrichtung entspricht. Läge die Eigenfrequenz des Störgrößensensors unter der Eigenfrequenz des Kraft-Momentensensors würde die Eigenfrequenz des Störgrößensensors den Frequenzbereich der Kraftmesseinrichtung limitieren. Würde man die Steifigkeit des Störgrößensensors im Verhältnis zur anhängenden Ersatzmasse erhöhen, zum Beispiel mit dem Ziel die Eigenfrequenz des Störgrößensensors zu erhöhen, würde dies bei Verwendung einer ansonsten identischen Technologie dazu führen, dass die Empfindlichkeit des Störgrößensensors gegenüber dem Kraft-Momentensensor geringer ausfiele, wodurch kleine und kleinste Störwirkungen nicht in gleicher Genauigkeit erfasst und dementsprechend auch nicht zur Störgrößenkompensation herangezogen werden könnten.
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Wirkt auf den Kraft-Momentensensor ein Kraftimpuls ein, beginnt dieses in seiner Eigenfrequenz zu schwingen. Die Ausschwingzeit wird dabei bestimmt durch die wiederum richtungsabhängige Eigendämpfung des Kraft-Momentensensors. Der Dämpfungsfaktor der Eigendämpfung des Störgrößensensors sollte dabei in derselben Richtung idealerweise dem des Kraft-Momentensensors entsprechen um auch hier eine möglichst genaue Störgrößenerfassung in der Ausschwingphase einer durch einen äußeren Impuls angeregten Schwingung zu erreichen.
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Ganz generell gilt also: desto ähnlicher der Störgrößensensor dem Kraft-Momentensensor ist, desto ähnlicher ist auch das Verhalten des Störgrößensensors gegenüber Störgrößen und desto aussagekräftiger ist das durch Differenzbildung von der Auswerteeinheit gelieferte Nutzsignal. Diese Überlegung schließt dabei die gesamte Messkette ein, einschließlich der Verkabelung, der Messverstärker und der D/A-Wandler. Idealerweise befindet sich der Störgrößensensor dabei auch in größtmöglicher örtlicher Nähe zur mehrachsigen Kraft-Momentensensor und ist vorzugsweise in dessen Zentrum angeordnet. Weiterhin ist der unbewegliche Teil des Störgrößensensors möglichst steif mit dem unbeweglichen Teil des mehrachsigen Kraft-Momentensensors verbunden.
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Entsprechend einer vorteilhaften Ausführungsform ist der Störgrößensensor temperiert und wird in seiner Gesamtheit auf dem gleichen Temperaturniveau gehalten, wie der mehrachsige Kraft-Momentensensor. Dies erfolgt vorzugsweise durch eine Durchströmung des mehrachsigen Kraft-Momentensensors und des Störgrößensensors mit demselben Kühlmedium in einem gemeinsamen Temperierkreislauf.
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Entsprechend einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform werden die Eigenschwingungen des Kraft-Momentensensors und des Störgrößensensors im Bereich der Eigenfrequenz durch einen Schwingungstilger beruhigt. Dabei wird an den beweglichen Teil der Kraft-Momentensensor bzw. an die Ersatzmasse des Störgrößensensors eine sogenannte Tilgermasse elastisch angekoppelt. Zusätzliche dämpfende Elemente erhöhen dabei den Dämpfungsfaktor und führen zu einem schnelleren Ausschwingen der Kraft-Momentensensor und des Störgrößensensors nach Abklingen der Anregung. Auch hier ist eine hohe Ähnlichkeit im Schwingungsverhalten von Störgrößensensor und Kraft-Momentensensor vorteilhaft.
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Der Wechsel von Werkstücken, Spannmitteln und Werkzeugen kann zu erheblichen Unterschieden bei der dem Kraft-Momentensensor anhängenden Masse und deren Schwerpunkt führen und in Folge dessen zu einem variablen Schwingungsverhalten. Demgegenüber arbeitet der Störgrößensensor im Wesentlichen immer unter den gleichen Bedingungen. Insbesondere die anhängende Masse und der Massenschwerpunkt verändern sich nicht. Daher ist die Signalreaktion des Störgrößensensors wesentlich besser vorhersagbar als die des Kraft-Momentensensors. Diese Vorhersagbarkeit kann dazu genutzt werden aus der Signalreaktion des Störgrößensensors mittels geeigneter Algorithmen auf die tatsächlichen Kraftwirkungen zurückzuschließen, sodass Eigenschwingungen von fremderregten Schwingungen unterschieden werden können. Dies könnte es ermöglichen zuverlässige Messungen auch nahe der Eigenfrequenz oder sogar darüber hinaus zu ermöglichen. Ein gut arbeitender Algorithmus kann also die oben beschriebene Ähnlichkeitsanforderung zwischen Störgrößensensor und Kraft-Momentensensor in Bezug auf die Eigenfrequenz und den Dämpfungsfaktor deutlich entschärfen. Dies würde insbesondere einen empfindlicheren Störgrößensensor ermöglichen, der eine präzisere Störgrößenkompensation im Bereich der unteren Empfindlichkeitsgrenze des Kraft-Momentensensors zuließe.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kraft-Momentensensor
- 2
- Störgrößensensor
- 3
- Werkzeug
- 4
- Werkstück
- 5
- Grundplatte
- 6
- Ersatzmasse (Ms)
- 7
- Auswerteeinheit
- 8
- Aufspannplatte
- 9
- Motorspindel
- 10
- Spindelstock
- 11.1
- Tilgermasse (Kraft-Momentensensor)
- 11.2
- Tilgermasse (Störgrößensensor)
- 12
- Elastomer
- 13
- Erstes unbewegliches Teil
- 14.1
- Zweites bewegliches Teil (Kraft-Momentensensor)
- 14.2
- Zweites bewegliches Teil (Störgrößensensor)
- 15.1
- Rohrartige Verformungszone (Kraft-Momentensensor)
- 15.2
- Rohrartige Verformungszone (Störgrößensensor)
- 16
- Temperierkreislauf
- 17.1
- Messverstärker (Kraft-Momentensensor)
- 17.2
- Messverstärker (Störgrößensensor)
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Figurenbeschreibung
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1 zeigt beispielhaft eine Portalfräsmaschine, welche mit einer erfindungsgemäßen Kraftmesseinrichtung ausgerüstet ist. Die Aufspannplatte 8 steht dabei auf einer Kombination aus mehreren Kraft-Momentensensoren 1 welche im Verbund wirken und gemeinsam über einen mehrkanaligen Messverstärker 17.1 an eine Auswerteeinheit 7 angeschlossen sind. Die zwischen Werkzeug 3 und Werkstück 4 wirksamen Kräfte und Momente werden von den Kraft-Momentensensoren erfasst, welche auf einer gemeinsamen Grundplatte 5 angeordnet sind. Auf derselben Grundplatte 5 ist unter dem Aufspanntisch 8 im Zentrum der Kraft-Momentensensoren 1 ein Störgrößensensor 2 montiert. Auf diesem ist eine Ersatzmasse 6 montiert. Die nicht aus dem Kontakt zwischen Werkzeug 3 und Werkstück 4 resultierenden, z.B. durch Seitenbeschleunigungen, Vibrationen oder Neigung verursachten Kräfte wirken dabei in derselben Weise auf die Ersatzmasse 6 des Störgrößensensors ein, wie sie auf die an den Kraft-Monmentensensoren 1 anhängende Masse einwirken. Das Verhältnis zwischen Ersatzmasse Ms und der Steifigkeit Cs des Störgrößensensors ist dabei so gewählt, dass sie dem Verhältnis der anhängenden beweglichen Masse Mk und der Steifigkeit Ck des Kraft-Momentensensors entlang derselben Raumachse möglichst genau entspricht. Unterhalb des Aufspanntisches befindet sich eine Tilgermasse 11.1 die über ein Elastomer 12 mit dem Aufspanntisch fest verkoppelt ist. Tilgermasse 11.1 und Elastomer 12 bilden dabei einen Schwingungstilger, der die im Bereich der Eigenfrequenz des Aufspanntisches 8 auftretenden Störschwingungen reduziert und dämpft. Auch dem Störgrößensensor 2 hängt vorzugsweise ein Schwingungstilger mit einer Tilgermasse 11.2 und einem Elastomer 12 an um eine größtmögliche Ähnlichkeit des Signalverhaltens mit den Kraft-Momentensensoren zu erreichen.
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2 zeigt eine erfindungsgemäße Kraftmesseinrichtung mit integrierter Störgrößenkompensation, welche zwischen Spindelstock 10 und Motorspindel 9 angeordnet ist. Dieser Aufbau bietet grundsätzlich den Vorteil, dass die Umgebungsbedingungen gegenüber der in 1 beschriebenen Konfiguration, bei der die Kraft-Momentensensoren unterhalb des Tisches angeordnet sind, wesentlich stabiler sind. Die Masse der eingewechselten Werkzeuge ändert sich beispielsweise gewöhnlich weniger, als die der Spannmittel und Werkstücke bei verschiedenen Bearbeitungen. Der in 2 gezeigte Kraft-Momentensensor besteht aus einem ersten unbeweglichen Teil 13, welcher die Form eines Rings besitzt und fest an den Spindelstock 10 angeflanscht ist, sowie einem zweiten beweglichen Teil 14.1, an den die Motorspindel 9 angeflanscht ist. Zwischen den Teilen 1 und 2 befindet sich eine dünnwandige, rohrartige Verformungszone 15.1, welche auf Ihrer Innenseite mit (nicht dargestellten) Dehnmessstreifen versehen ist, welche die Verformungen der rohrartigen Verformungszone 14.1 erfassen und in elektrische Signale umwandeln. Weiterhin dargestellt ist die mittels eines Elastomers 12 mit dem beweglichen Teil 14.1 des Kraft-Momentensensors 1 verbundene Tilgermasse 11.1. Oberhalb des unbeweglichen Teils 13 ist der bewegliche Teil 14.2 des Störgrößensensors 2 angeordnet, welcher in gleicher Weise wie der Kraft-Momentensensor 1 über eine rohrartige Verformungszone 15.2 mit dem unbeweglichen Teil 13 verbunden ist. Die Verformungen der rohrartigen Verforungszone 15.2 werden auch hier über innenliegende Dehnmessstreifen erfasst. Über dem unbeweglichen Teil ist die Ersatzmasse 6 des Störgrößensensors angeordnet. Auch hier ist wieder ein Schwingungstilger in Form einer über ein Elastomer 12 angebundene Tilgermasse 11.2 realisiert. Weiterhin dargestellt ist ein Temperierkreislauf 16, welcher im Interesse einer höheren Messsicherheit und einer geringeren Nullpunktdrift ein thermisches Gleichgewicht zwischen den beiden beweglichen Teile 14.2 und und 14.1 des Störgrößensensors und des Kraft-Momentensensors sowie des gemeinsamen unbeweglichen Teils 13 herstellt.