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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Funktionsüberwachung einer Erdverbindung eines direkt geerdeten oder eines widerstandsgeerdeten Stromversorgungssystems.
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Um den Anforderungen an die Betriebs-, Brand- und Unfallsicherheit eines Stromversorgungssystems zu genügen, werden in bekannter Weise elektrische Schutzeinrichtungen wie beispielsweise Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) in direkt (widerstandslos) geerdeten Stromversorgungssystemen, Isolationsüberwachungsgeräte in ungeerdeten Stromversorgungssystemen oder überwachte Erdungswiderstände (Neutral Grounding Resistor – NGR) in widerstandsgeerdeten (High-Resistance Grounding – HRG-Systeme, Low-Resistance Grounding – LRG-Systeme) eingesetzt. Die meisten Schutzeinrichtungen können ihre Schutzfunktion in vollem Umfang nur erfüllen, wenn auch entsprechend der Netzform des installierten Stromversorgungssystems alle vorgesehenen Erdverbindungen des Stromversorgungssystems funktionsgerecht ausgeführt sind.
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Insbesondere in widerstandsgeerdeten Stromversorgungssystemen, in denen der (Neutralpunkt-)Erdungswiderstand bei Auftreten eines Erdschluss-Fehlers den Fehlerstrom begrenzen soll, ist die zuverlässige Einhaltung des spezifizierten Widerstandswertes im Sinne der elektrischen Sicherheit äußerst bedeutsam. Eine Nicht-Einhaltung des geforderten Widerstandswertes ist mit erheblichen Gefahren für Personen und Sachen verbunden.
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Ebenso wichtig ist in widerstandslos geerdeten Stromversorgungssystemen die Einhaltung des Widerstandswertes „Null-Ohm” (der Teilwiderstand des Erders sei hier und in den nachfolgenden Betrachtungen vernachlässigt). Ein Defekt der widerstandslosen Erdverbindung, beispielsweise durch eine Leitungsunterbrechung oder eine Erhöhung eines Übergangswiderstands, kann auch hier zu gefährlichen Systemzuständen führen.
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Die elektrische Sicherheit des Stromversorgungssystems ist daher nur gewährleistet, wenn auch die Qualität der Erdverbindung sichergestellt ist. Eine Überwachung der Erdverbindung gewinnt daher zunehmend an Bedeutung und wird in manchen Applikationen bereits gefordert.
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Zwar werden elektrische Anlagen nach einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften regelmäßig einer Prüfung unterzogen, dem Stand der Technik gemäß aber werden die Erdverbindungen eines Stromversorgungssystems in der Regel nicht überwacht, da der technische Aufwand einer Prüfung aller Erdverbindungen sehr groß ist. Zudem können Überwachungslücken durch zu lange Prüfintervalle entstehen.
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Des Weiteren kann es sich als störend für den Netzbetrieb erweisen, dass im Falle einer Überprüfung der Erdverbindung je nach Anwendungsfall der Prüfstrom bis zu 25 A beträgt, um eine fehlerhafte Verbindungsstelle erkennen zu können.
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In Einzelanlagen mit besonderen Anforderungen hingegen können spezielle Überwachungsgeräte zur Anwendung gelangen, bei denen ein Strom gegen Erde gemessen und daraus auf den Erdungswiderstand geschlossen wird. Aufgrund des üblicherweise nur geringen maximal zulässigen Stroms können in diesem Fall nur relativ hochohmige Fehler erkannt werden.
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Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass eine ständige Überwachung der Erdverbindung eines Stromversorgungssystems im Sinne der elektrischen Sicherheit dringend geboten erscheint.
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Der vorliegenden Erfindung liegt somit die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zu schaffen, die eine Funktionsüberwachung einer Erdverbindung eines Stromversorgungssystems in wirtschaftlicher Weise ermöglichen.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren zur Funktionsüberwachung einer Erdverbindung eines direkt geerdeten oder eines widerstandsgeerdeten Stromversorgungssystems, wobei basierend auf einem Verfahren der Zeitbereichsreflektometrie eine Überwachung eines Widerstandswertes der Erdverbindung durch Auswerten eines zeitlichen Verlaufs eines reflektierten Messsignals erfolgt.
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Der Grundgedanke der vorliegenden Erfindung beruht in vorteilhafter Weise darauf, mittels eines Verfahrens der Zeitbereichsreflektometrie ein auf der Erdverbindung reflektiertes Messsignal im Hinblick auf eine Amplitudenänderung zu überwachen. Jede Anschlussstelle eines Widerstands – sofern die Erdverbindung an dieser Stelle nicht mit einem Gesamtwiderstand abgeschlossen ist, der dem Leitungswellenwiderstand entspricht – und jeder Defekt auf der Erdverbindung stellen eine Diskontinuität des Leitungswellenwiderstands, also eine Impedanzfehlanpassung dar, sodass ein eingespeister Messimpuls an dem Ort der Anschluss- oder Fehlerstelle reflektiert wird. Das empfangene, reflektierte Messsignal erlaubt eine Aussage über die Größe der Impedanzfehlanpassung, damit über den Wert des (Erdungs-)Widerstands und damit auch über den elektrischen Zustand und die elektrische Sicherheit der Erdverbindung.
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Verschlechtert sich beispielsweise aufgrund von Alterungserscheinungen der Widerstandswert eines Erdungswiderstandes der Erdverbindung oder treten Defekte auf der Erdverbindung auf, so äußert sich dies in dem Verlauf des empfangenen reflektierten Messsignals und das Reflexionsprofil ändert sich. Diese Änderungen im Amplitudenverlauf können zur Funktionsüberwachung der Erdverbindung eines direkt geerdeten oder eines widerstandsgeerdeten Stromversorgungssystems ausgewertet werden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt die gleichzeitige Überwachung mehrerer miteinander verbundener Erdverbindungen, wobei das empfangene Reflexionsprofil ein Abbild aller Impedanzfehlanpassungen darstellt, die an Anschlussstellen und möglichen Fehlerorten der Erdverbindung auftreten.
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Das Verfahren stellt damit eine sehr kostengünstige, energiearme und genaue Maßnahme zur Steigerung der elektrischen Sicherheit in Stromversorgungssystemen dar.
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In vorteilhafter Ausgestaltung umfasst das Verfahren die wiederholt durchgeführten Verfahrensschritte: (a) Erzeugen eines Zeitbereichsreflektometrie-Messimpulses und Einspeisen des Messimpulses in die zu überwachende Erdverbindung, (b) Empfangen des reflektierten Messsignals bestehend aus einer Folge von reflektierten Messimpulsen als zeitliche Abbildung aller Reflexionsorte auf der Erdverbindung, (c) Signalisieren, dass eine Änderung des Widerstandswertes der Erdverbindung vorliegt, falls die Auswertung des zeitlichen Verlaufs des reflektierten Messsignals ergibt, dass im Vergleich zu einer vorhergehend empfangenen Folge von reflektierten Messimpulsen ein reflektierter Messimpuls neu hinzugekommen ist und/oder eine Amplitudenänderung an einem bekannten Reflexionsort vorliegt.
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Zunächst wird ein nach einem Verfahren der Zeitbereichsreflektometrie erzeugtes Messsignal in die zu überwachende Erdverbindung des Stromversorgungsystems eingespeist, wobei gegebenenfalls unter Berücksichtigung möglicher auftretender Störsignale eine geeignete Einspeisestelle ermittelt wird. Aufgrund der auf der Erdverbindung auftretenden Impedanzfehlanpassungen wird eine Folge von reflektierten Messimpulsen empfangen, die eine zeitliche Abbildung aller bekannten und unbekannten Reflexionsorte (Reflexionsprofil) auf der zu überwachenden Erdverbindung darstellt.
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Da in Kenntnis der Systemparameter des Stromversorgungssystems die Laufzeiten der Messsignale bekannt sind – die Daten über physikalische Kenngrößen, die Leitungseigenschaften beschreiben, sowie die Leitungslängen liegen vor –, kann eine Zuordnung der empfangenen reflektierten Messimpulse zu bekannten Reflexionsorten erfolgen. Diese Zuordnung kann manuell mit Hilfe einer Anzeigeeinrichtung (Display) oder automatisch mit Hilfe von Trigger-Ereignissen (Überschreiten von vorgebbarem Amplitudenschwellwerten in bestimmten Laufzeitfenstern) vorgenommen werden. Möglich ist auch eine automatisierte Zuordnung im fehlerfreien Zustand der elektrischen Anlage auf Basis eines Kalibriervorgangs und der Vorgabe von zulässigen Amplitudenwerten und Laufzeitfenstern.
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Ergibt die Auswertung des zeitlichen Verlaufs des reflektierten Messsignals, dass im Vergleich zu einer vorhergehend empfangenen Folge von reflektierten Messimpulsen ein reflektierter Messimpuls neu hinzugekommen ist, entspricht das einer (weiteren) Diskontinuität des Leitungswellenwiderstands auf der Erdverbindung, die in einem direkt (widerstandslos) geerdetem Stromversorgungssystem auf einen Defekt in Form einer Leitungsunterbrechung der Erdverbindung hindeutet.
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Ergibt die vergleichende Auswertung, dass eine Amplitudenänderung an einem bekannten Reflexionsort vorliegt, kann von einer Änderung des an diesem Ort installierten Erdungswiderstands ausgegangen werden.
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Weiteren Ausgestaltungen gemäß kann die Erzeugung und Einspeisung des Messsignals sowie die Auswertung des reflektierten Messsignals nach verschiedenen Verfahren erfolgen, die alle auf dem Prinzip der Zeitbereichsreflektometrie beruhen.
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Im einfachsten Fall kann ein Einzelimpuls als Messimpuls erzeugt und eingespeist werden. Der Einzelimpuls ist dabei vorzugsweise ein steilflankiger Impuls in Form eines Rechteckimpulses, wobei der reflektierte Messimpuls unmittelbar oder mittels Korrelationsberechnung zur Erkennung einer Amplitudenänderung herangezogen werden kann. Zur Störquellenortung mittels Laufzeitmessung ist diese Variante der Zeitbereichsreflektometrie als TDR-Verfahren (Time Domain Reflectometry) bekannt.
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Als weniger störanfällig erweist es sich, wenn bevorzugt ein Spreizcode als Messimpuls mit spektraler Spreizung verwendet wird und die Auswertung des reflektierten Messsignals in einer Korrelationsberechnung des bekannten Spreizcodes mit dem empfangenen reflektierten Messsignal erfolgt (STDR – Sequence Time Domain Reflectometry) oder wenn ein Spreizcode als Messimpuls mit spektraler Spreizung verwendet wird, wobei der Spreizcode ein sinusförmiges Trägersignal moduliert und die Auswertung des reflektierten Messsignals in einer Korrelationsberechnung des bekannten Spreizcodes mit dem empfangenen reflektierten Messsignal erfolgt (SSTDR – Spread Spectrum Time Domain Reflectometry).
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Beide letztgenannten Verfahren verwenden als Messimpuls ein als Spreizcode bezeichnetes Signal mit Frequenzspreizung, um in Verbindung mit einer Korrelationsberechnung Störeinflüssen auf der Erdverbindung besser begegnen zu können. Zudem kommen diese Verfahren im Vergleich zu dem TDR-Verfahren mit einer geringeren Leistung aus.
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In dem SSTDR-Verfahren findet durch die Multiplikation des Spreizcodes mit einem sinusförmigen Trägersignal (Modulation des Trägersignals) zusätzlich eine Frequenzverschiebung des gespreizten Spektrums in einen für die Übertragung des Messsignals geeigneten Frequenzbereich statt.
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Als Spreizcode werden vorzugsweise eine Pseudo-Zufallssequenz oder zwei zeitlich abwechselnd gesendete Sequenzen eines komplementären Codes (Complementary Code) verwendet.
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Diese Sequenzen zeichnen sich durch ihre guten Korrelationseigenschaften aus, wobei insbesondere die Sequenzen eines Komplementärcodes eine Autokorrelationsfunktion aufweisen, deren Werte außerhalb des zentralen Wertes (Nullverschiebung) exakt Null sind.
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Die Aufgabe wird weiterhin gelöst durch eine Vorrichtung zur Funktionsüberwachung einer Erdverbindung eines direkt geerdeten oder eines widerstandsgeerdeten Stromversorgungssystems, mit einer ein Verfahren der Zeitbereichsreflektometrie ausführenden Einrichtung zur Überwachung eines Widerstandswertes der Erdverbindung durch Auswerten eines zeitlichen Verlaufs eines reflektierten Messsignals.
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In Umsetzung des erfindungsgemäßen Verfahrens nach Anspruch 1 weist die erfindungsgemäße Vorrichtung eine Einrichtung auf, die mittels eines Verfahrens der Zeitbereichsreflektometrie ein auf der Erdverbindung reflektiertes Messsignal im Hinblick auf eine Amplitudenänderung und eine der Amplitudenänderung zugrunde liegende Änderung eines Widerstandswertes der Erdverbindung überwacht.
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Die Vorrichtung zur Funktionsüberwachung der Erdverbindung weist in weiterer Ausgestaltung der Einrichtung zur Überwachung des Widerstandswertes der Erdverbindung die folgenden Einrichtungen auf, die die Verfahrensschritte des erfindungsgemäßen Verfahrens umsetzen: eine Einrichtung zur Erzeugung und Einspeisung eines Zeitbereichsreflektometrie-Messimpulses in die zu überwachende Erdverbindung, eine Einrichtung zum Empfang des aus einer Folge von reflektierten Messimpulsen bestehenden reflektierten Messsignals, eine Einrichtung zur Signalisierung, dass eine Änderung des Widerstandswertes der Erdverbindung vorliegt, falls die Auswertung des zeitlichen Verlaufs des reflektierten Messsignals ergibt, dass im Vergleich zu einer vorhergehend empfangenen Folge von reflektierten Messimpulsen ein reflektierter Messimpuls neu hinzugekommen ist und/oder eine Amplitudenänderung an einem bekannten Reflexionsort vorliegt.
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Die jeweiligen Einrichtungen sind dabei in bevorzugten Ausführungen so ausgestaltet, dass eines der Verfahren der Zeitbereichsreflektometrie (TDR-, STDR- oder SSTDR-Verfahren) ausgeführt wird.
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Weitere vorteilhafte Ausgestaltungsmerkmale ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung und der Zeichnung, die eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung an Hand eines Beispiels erläutert.
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Die Fig. zeigt in schematischer Darstellung einen Anwendungsfall des erfindungsgemäßen Verfahrens und der das Verfahren umsetzenden Vorrichtung 2 am Beispiel der Funktionsüberwachung einer Erdverbindung 4 in einem widerstandsgeerdeten Stromversorgungssystem 6. Das Stromversorgungssystem 6 umfasst aktive Leiter 8, an die Verbraucher 10 angeschlossen sind, wobei die Körper der Verbraucher 10 einzeln geerdet sind. Das widerstandsgeerdete Stromversorgungssystem 6 ist an seiner Einspeisestelle 12 über einen Erdungswiderstand 14 mit der separaten Erdverbindung 4 geerdet.
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Die Vorrichtung 2 zur Funktionsüberwachung der Erdverbindung 4 speist einen Messimpuls in die Erdverbindung 4 des Stromversorgungssystems 6 ein. Aufgrund der Impedanzfehlanpassung der Erdverbindung 4 durch den Erdungswiderstand 14 tritt eine Reflexion des Messimpulses an dem Ort des Erdungswiderstands 14 auf. Der Ort dieser Reflexion ist somit bekannt, was die Identifikation und Zuordnung des reflektierten Messimpulses in dem Reflexionsprofil ermöglicht.
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Zeigt die Auswertung des zeitlichen Verlaufs des reflektierten Messsignals eine Amplitudenänderung des betreffenden reflektierten Messimpulses, so kann auf einer Veränderung des Erdungswiderstands 14 geschlossen werden.
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Falls die Amplitudenänderung einen voreingestellten Grenzwert übersteigt, wird eine Warnmeldung ausgegeben und/oder es erfolgt eine Abschaltung eines betreffenden Teilsystems des Stromversorgungssystems. Die aus der Erkennung einer Amplitudenänderung gewonnene Information kann dann durch das Ausgeben einer Warnmeldung oder durch eine Systemabschaltung in das elektrische Sicherheitskonzept für die elektrische Anlage integriert werden.
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Darüber hinaus können in einem direkt (widerstandlos) geerdetem Stromversorgungssystem Störquellen, die ebenfalls eine Diskontinuität des Leitungswellenwiderstands der Erdverbindung darstellen – wie beispielsweise Leitungsbrüche – an unbekannten Stellen auf der Erdverbindung aufgrund der neu hinzukommenden Reflexionen lokalisiert werden.