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Die Erfindung betrifft ein Fahrzeugsystem und ein Verfahren zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern eines Fahrzeugs. Derartige Systeme sind im Stand der Technik bekannt. Die Erfindung befasst sich mit der Problematik eines Übergangs von einer teil- oder vollautonomen Steuerung des Fahrzeugs zu einer manuellen Steuerung des Fahrzeugs durch den Fahrer. Derartige Übergaben der Steuerungsverantwortung an den Fahrer können beispielsweise durch auftretende oder sich ankündigende Systemprobleme der teilautonomen oder vollautonomen Steuerung des Fahrzeugs verursacht sein. Hierbei gilt es zunächst die Aufmerksamkeit des Fahrers zu erlangen, und ihn dann zu veranlassen, gezielt bestimmte Steuerungsaufgaben zu übernehmen. Übernahmeaufforderungen an den Fahrer aus einer automatisierten Steuerung eines Fahrzeugs die manuelle Steuerung des Fahrzeugs zu übernehmen, basieren bisher nur auf akustischen oder visuellen Signalen. Diese werden jedoch von bestimmten Personengruppen nur bedingt wahrgenommen (beispielsweise Schwerhörige oder Personen mit Rot-Grün Schwäche).
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Darüber hinaus ist aus der
DE 10 2012 200 248 A1 eine Warneinrichtung zum Warnen eines Fahrzeugführers bekannt, die einen Vibrationsgeber zum Erzeugen eines Vibrationssignals umfasst, der in Abhängigkeit von einem Auslösesignal eines Fahrerassistenzsystems als Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis, das eine Reaktion des Fahrers erfordert, ein Warnsignal erzeugt, bekannt. Dabei ist der Vibrationsgeber im Fahrersitz integriert, sodass der Fahrer das Vibrationssignal fühlen kann. Der Vibrationsgeber besteht weiterhin aus einer Kombination aus zwei gekapselten Vibrationsmotoren, wobei die zwei gekapselten Vibrationsmotoren in Abhängigkeit von Auslösesignal gleichzeitig ein Vibrationssignal erzeugen.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Fahrzeugsystem und ein Verfahren zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern eines Fahrzeugs anzugeben, das eine zuverlässige und sichere Übergabe einer Steuerungsverantwortung für das Fahrzeug von einem System zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern des Fahrzeugs an den Fahrer zur manuellen Steuerung des Fahrzeugs ermöglicht.
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Die Erfindung ergibt sich aus den Merkmalen der unabhängigen Ansprüche. Vorteilhafte Weiterbildungen und Ausgestaltungen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Fahrzeugsystem zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern eines Fahrzeugs umfassend ein System zur Aufmerksamkeitslenkung eines Fahrers des Fahrzeugs vor einer Übergabe von einer teilautonomen oder vollautonomen Steuerung des Fahrzeugs zu einer manuellen Steuerung des Fahrzeugs durch den Fahrer, wobei das System eine Steuereinheit zur Steuerung von Aktoren umfasst, welche potentielle und aktuelle mechanische Kontaktflächen zwischen Fahrer und Fahrzeug zur Übertragung haptischer und optischer Reize mechanisch ansteuern.
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Unter „potentiellen und aktuellen mechanischen Kontaktflächen zwischen Fahrer und Fahrzeug” werden vorliegend grundsätzlich alle mechanischen Kontaktflächen des Fahrzeugs verstanden, mit denen der Fahrer beim Aufenthalt im Fahrzeug in Berührung kommen kann. Vorteilhaft bildet eine der Kontaktflächen beispielsweise ein Bedienelement des Fahrzeugs oder eine Fußmatte des Fahrzeugs oder ein Lenkrad des Fahrzeugs oder eine Sitzfläche des Fahrzeugs oder eine Sitzlehne des Fahrzeugs oder eine Armlehne des Fahrzeugs oder einen Sicherheitsgurt des Fahrzeugs. Diese Aufzählung ist natürlich nicht abschließend, und kann je nach Bedarf fortgeführt werden.
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Der Begriff „aktuelle mechanische Kontaktflächen” meint Kontaktflächen, für die aktuell ein mechanischer Kontakt zwischen Fahrzeug und Fahrer besteht. Der Begriff „potentielle mechanische Kontaktflächen” meint Kontaktflächen, für die aktuell kein mechanischer Kontakt zwischen Fahrzeug und Fahrer besteht.
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Die „mechanische Ansteuerung” von potentiellen und aktuellen mechanischen Kontaktflächen meint vorliegend, dass der mechanische Zustand der jeweiligen Kontakt Fläche geändert wird. Dies kann beispielsweise durch eine Bewegung der Kontaktfläche oder durch eine Vibration der Kontaktfläche umgesetzt werden. So erzeugt eine Vibration von aktuellen mechanischen Kontaktflächen einen direkten optischen Reiz beim Fahrer, sofern er die Kontaktfläche berührt. Eine Bewegung von potentiellen mechanischen Kontaktflächen kann der Fahrer hingegen optisch wahrnehmen. Für die optische Wahrnehmung der Bewegung ist kein aktueller Kontakt zwischen Fahrzeug und Fahrer erforderlich. So können beispielsweise Schalter oder das Lenkrad oder der Blinkerwahlhebel bewegt werden, ohne dass die dadurch übliche Wirkung erzeugt wird, d. h. bei einer Bewegung des Schalters wird nichts geschalten, die Bewegung des Lenkrads hat keinen Einfluss auf die Radstellung, bei der Bewegung des Blinkerwahlhebels erfolgt kein blinken. Die aktorische Bewegung der genannten Bedienelemente dient somit lediglich der Erzeugung von Aufmerksamkeit des Fahrers bzw. der Lenkung der Aufmerksamkeit des Fahrers. Vorteilhaft sind die Bedienelemente bzw. die Steuereinheit zur Steuerung der Aktoren derart ausgeführt und eingerichtet, dass sobald ein aktiver Eingriff des Fahrers auf das jeweilige Steuerorgan bzw. Bedienelement erfolgt, die übliche Wirkung einer Betätigung des jeweiligen Steuerorgans/Bedienelements erfolgt.
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Die entsprechenden Kontaktflächen des Fahrzeugs sind hierzu mit Aktoren verbunden. Vorteilhaft sind diese Aktoren elektromechanische Aktoren, d. h. Elektromotoren, Servo-Motoren, Piezomotoren, etc.
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Vorteilhaft umfasst das System Sensoren, die aktuelle mechanische Kontaktflächen, d. h. die Flächen, mit denen der Fahrer Kontakt zum Fahrzeug hat, ermitteln. Derartige Kontaktsensoren sind im Stand der Technik bekannt.
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Vorteilhaft ist die Steuereinheit derart ausgeführt und eingerichtet, dass gezielt diejenigen Aktoren angesteuert werden, die aktuelle mechanische Kontaktflächen zwischen Fahrzeug und Fahrer betreffen. Hierdurch ist es zunächst möglich, die Aufmerksamkeit des Fahrers durch optische oder haptische Reize zu erregen bzw. zu lenken. Vorteilhaft wird die Aufmerksamkeit des Fahrers und die Aufmerksamkeitslenkung des Fahrers zusätzlich durch akustische und weitere optische Reize erzeugt.
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Beispielsweise kann die Aufmerksamkeitslenkung des Fahrers durch eine Ansteuerung der aktuellen mechanischen Kontaktflächen erfolgen: beispielsweise durch vibrierende Bedienelemente, eine vibrierende Fußmatte, eine sich ändernden Lenkradposition, eine Lenkradbewegung als optischer Reiz, die nicht zu einer tatsächlichen Lenkwirkung führt, eine Vibration des Sitzes, eine Vibration der Sitzlehne, ein Aufrechtstellen der Rückenlehne, einen Übertrag eines mechanischen Drucks auf den Fahrer durch eine Rückenlehne, eine Gurtstraffung.
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Durch die vorgeschlagene haptische Aufmerksamkeitslenkung wird, neben den Augen und Ohren, ein zusätzlicher Sinneskanal angesprochen. Dadurch wird die Wahrnehmung einer Übernahmeaufforderung für bestimmte Personengruppen vereinfacht und verständlicher. Außerdem kann eine Aufmerksamkeitslenkung dadurch erfolgen, dass beispielsweise ein sich bewegendes Lenkrad Aufmerksamkeit auf sich zieht, oder eine vibrierende Fußmatte dazu animiert die Füße aus der Ruheposition in die Fahrposition zu bringen.
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Um eine Aufmerksamkeitslenkung des Fahrers abhängig von einem aktuellen Fahrzustand des Fahrzeugs zu ermöglichen, wird vorteilhaft dem System ein aktueller Fahrzustand FZ(t) des Fahrzeugs bereitgestellt, wobei die Steuereinheit die Aktoren abhängig von dem Fahrzustand FZ(t) ansteuert. Ein Fahrzustand FZ(t) kann beispielsweise sein: ein Fahren auf einer Fahrspur eine Autobahn, ein Parkvorgang, ein Bremsmanöver, ein Beschleunigungsvorgang, einhalten an einer Kreuzung, etc. Der Fahrzustand FZ(t) wird von einem entsprechenden Sensorsystem des Fahrzeugs erfasst und bereitgestellt. Durch die Berücksichtigung des Fahrzustands FZ(t) bei der Aufmerksamkeitslenkung, d. h. bei der Ansteuerung der potentiellen oder aktuellen mechanischen Kontaktflächen des Fahrzeugs, kann dem Fahrer die Information vermittelt werden, welche Bedienelemente bei der Übergabe der Steuerungsverantwortung an ihn Priorität haben müssen.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Fahrzeug mit einem Fahrzeugsystem, wie vorstehend beschrieben.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern eines Fahrzeugs bei dem eine Aufmerksamkeitslenkung eines Fahrers des Fahrzeugs bei einer Übergabe von einer teilautonomen oder vollautonomen Steuerung des Fahrzeugs zu einer manuellen Steuerung des Fahrzeugs durch den Fahrer erfolgt, indem potentielle und aktuelle mechanische Kontaktflächen zwischen Fahrer und Fahrzeug zur Übertragung haptischer und optischer Reize mittels Aktoren mechanisch angesteuert werden.
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Eine vorteilhafte Weiterbildung des vorgeschlagenen Verfahrens zeichnet sich dadurch aus, dass aktuelle mechanische Kontaktflächen zwischen Fahrer und Fahrzeug ermittelt werden, und gezielt die Aktoren der ermittelten aktuellen mechanischen Kontaktflächen angesteuert werden.
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Eine weitere vorteilhafte Weiterbildung des Verfahrens zeichnet sich dadurch aus, dass ein aktueller Fahrzustand FZ(t) des Fahrzeugs bereitgestellt wird, und die Aktoren abhängig von dem Fahrzustand FZ(t) angesteuert werden.
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Vorteile und Weiterbildungen des Verfahrens ergeben sich durch eine analoge und sinngemäß Übertragung der vorstehend im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Fahrzeugsystemen gemachten Ausführungen.
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Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung, in der – gegebenenfalls unter Bezug auf die Zeichnung – zumindest ein Ausführungsbeispiel im Einzelnen beschrieben ist. Gleiche, ähnliche und/oder funktionsgleiche Teile sind mit gleichen Bezugszeichen versehen.
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Es zeigen:
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1 einen schematisierten Aufbau eines vorgeschlagenen Fahrzeugsystems,
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1 zeigt einen schematisierten Aufbau eines vorgeschlagenen Fahrzeugsystems 100 zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern eines Fahrzeugs. Das Fahrzeugsystem 100 umfasst alle zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern des Fahrzeugs erforderlichen und bekannten Systeme und Einheiten. Auf diese Systeme und Einheiten wird vorliegend nicht weiter eingegangen. Das Fahrzeugsystem 100 umfasst darüber hinaus ein System 101 zur Aufmerksamkeitslenkung eines Fahrers des Fahrzeugs für eine Übergabe von einer teilautonomen oder vollautonomen Steuerung des Fahrzeugs zu einer manuellen Steuerung des Fahrzeugs durch den Fahrer. Das System 101 umfasst eine Steuereinheit 102 zur Steuerung von Aktoren, welche potentielle und aktuelle mechanische Kontaktflächen zwischen Fahrer und Fahrzeug zur Übertragung haptischer und optischer Reize mechanisch ansteuern. Zur Erzeugung von haptischen Reizen sind vorliegend Aktoren mit dem Blinkerwahlhebel, der Fußmatte, dem Lenkrad, dem Sitz und dem Gurt verbunden. Die genannten Elemente bilden potentielle oder aktuelle mechanische Kontaktflächen zwischen Fahrer und Fahrzeug und werden durch die Aktoren vorliegend zu Vibrationen angeregt. Ein weiterer Aktor ist mit dem Lenkrad derart verbunden, dass seine Aktivierung den Lenkwinkel des Lenkrades ändert, ohne jedoch Einfluss auf die Radsteuerung zu haben. Durch die damit erzeugbare Bewegung des Lenkrades wird eine Aufmerksamkeit des Fahrers optisch auf das Lenkrad gelenkt. Sobald der Fahrer das Lenkrad ergreift und/oder bewegt, wird die übliche Wirkung der Radlenkung erzeugt.
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Vorteilhaft wird angenommen, dass die Übergabe der Steuerungsverantwortung dann erfolgt ist, wenn der Fahrer seinerseits Bedienelemente oder Steuerorgane des Fahrzeugs bedient.
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Die Ansteuerung der Aktoren wird vorteilhaft vom Fahrzeugsystem 100 dann initialisiert, wenn bspw. vom Fahrzeugsystem 100 automatisch eine Bedingung erkannt wird, die das Fahrzeugsystem 100 veranlasst, die Steuerungsverantwortung für eine bisher erfolgte teilautonome oder vollautonome Steuerung des Fahrzeugs an den Fahrer für eine manuelle Steuerung des Fahrzeugs zu übergeben. Eine solche Bedingung kann ein Vorliegen eines Fehlers im Fahrzeugsystem sein.
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Das vorgeschlagene System 101 ermöglicht mithin eine verbesserte, insbesondere Aufmerksamkeits-gelenkte Übergabe der Steuerungsverantwortung von einem teilautomatischen oder vollautomatischen Steuern des Fahrzeugs an den Fahrer.
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Obwohl die Erfindung im Detail durch bevorzugte Ausführungsbeispiele näher illustriert und erläutert wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen. Es ist daher klar, dass eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten existiert. Es ist ebenfalls klar, dass beispielhaft genannte Ausführungsformen wirklich nur Beispiele darstellen, die nicht in irgendeiner Weise als Begrenzung etwa des Schutzbereichs, der Anwendungsmöglichkeiten oder der Konfiguration der Erfindung aufzufassen sind. Vielmehr versetzen die vorhergehende Beschreibung und die Figurenbeschreibung den Fachmann in die Lage, die beispielhaften Ausführungsformen konkret umzusetzen, wobei der Fachmann in Kenntnis des offenbarten Erfindungsgedankens vielfältige Änderungen, beispielsweise hinsichtlich der Funktion oder der Anordnung einzelner, in einer beispielhaften Ausführungsform genannter Elemente, vornehmen kann, ohne den Schutzbereich zu verlassen, der durch die Ansprüche und deren rechtliche Entsprechungen, wie etwa weitergehenden Erläuterung in der Beschreibung, definiert wird.
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Bezugszeichenliste
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- 100
- Fahrzeugsystem zum teilautonomen oder vollautonomen Steuern eines Fahrzeugs
- 101
- System zur Aufmerksamkeitslenkung eines Fahrers
- 102
- Steuereinheit
- 103
- Aktoren
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102012200248 A1 [0002]